Redner(in): Johannes Rau
Datum: 8. November 2001

Anrede: Herr Präsident,meine Damen und Herren,
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2001/11/20011108_Rede.html


verehrte Frau de Marco,

für meine Frau und mich ist es eine große Freude, Sie und Ihre Begleitung im Schloss Bellevue herzlich willkommen zu heißen. Wir hoffen, dass Sie angenehme und schöne Tage in Deutschland verbringen werden.

Herr Präsident, Ihr Besuch ist der erste Staatsbesuch eines maltesischen Staatspräsidenten in Deutschland. Mit Ihrem Besuch würdigen wir den ausgezeichneten Stand unserer Beziehungen. Darin kommt aber auch die Wertschätzung Ihrer Person zum Ausdruck. Sie sind stets ein Fürsprecher für Verständigung und Ausgleich in den internationalen Beziehungen gewesen. Als 1990 die Wiedervereinigung Deutschlands möglich wurde, waren Sie Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. Den Weg des vereinten Deutschland haben Sie mit großem Interesse und mit Wohlwollen verfolgt.

Sie kommen, Herr Präsident, als der höchste Repräsentant eines Landes, das auf eine Jahrtausende alte und reiche Geschichte zurückblickt. Obwohl unsere beiden Länder geographisch weit voneinander entfernt liegen, verbindet uns vieles in der Geschichte. Malta und Teile Germaniens gehörten einst zum Römischen Reich, und die römische Kultur hat unsere beiden Länder geprägt.

Kaiser Friedrich II. , dessen Todestag sich im letzten Jahr zum 750. Mal jährte, war nicht nur deutscher König und römischer Kaiser, sondern als Erbe der Normannen auch Herrscher über das Königreich Sizilien und den maltesischen Archipel.

Ein anderer bedeutender europäischer Herrscher, der in Ihrer und in unserer Geschichte eine wichtige Rolle gespielt hat, war Kaiser Karl V. Ich erinnere mich gerne daran, dass wir im Oktober letzten Jahres in Toledo als Vertreter der "Karolinischen Länder" gemeinsam seines Fünfhundertsten Geburtstags gedacht haben. Karl V. hat dem souveränen Ritterorden des Heiligen Johannes Malta zum Lehen gegeben.

Für 268 Jahre war Malta dann Sitz des Ordens. In seiner Geschichte spielten deutsche Ritter eine wichtige Rolle. Noch heute kennt in Deutschland jedes Kind das achtspitzige Kreuz, das Zeichen des Johanniter- und des Malteserordens. Es steht für den aufopfernden karitativen Einsatz der Orden und ihrer Ordenswerke.

Ich will beim Blick in die Geschichte auch die dunklen Kapitel nicht vergessen. Die Ruinen der Oper in Valletta erinnern noch immer jeden Besucher an die verheerenden Bombenangriffe des Nazi-Regimes. Den Opfern von damals gilt unser Gedenken.

Die Beziehungen zwischen Malta und Deutschland sind heute freundschaftlich und problemlos. Vor allem in den letzten Jahren haben sie sich positiv entwickelt. Eine große Zahl deutscher Touristen besucht alljährlich Ihre Insel. Die Wirtschaftsbeziehungen, der wachsende Handel und die vielen deutschen Unternehmen, die in Malta investieren, sind weitere Belege für die Qualität unserer Zusammenarbeit. Dass so viele deutsche Unternehmen zu Ihnen kommen, zeigt auch, welche vorzüglichen Investitionsbedingungen Malta zu bieten hat.

Malta ist heute Kandidat für einen Beitritt zur Europäischen Union. Sie persönlich begleiten diese Verhandlungen mit Optimismus und Engagement. Wir wissen aber auch, dass die Frage des Beitritts in Ihrem Land umstritten ist. Lassen Sie mich sagen, wie sehr wir darauf hoffen, dass die Malteser sich letztlich für den europäischen Weg entscheiden werden und dass Malta Teil des großen europäischen Einigungswerkes wird. Für die Europäische Union, da bin ich sicher, wäre ein Beitritt Maltas ein Gewinn - nicht zuletzt wegen der intensiven Beziehungen, die Malta zu den anderen Staaten im Mittelmeerraum pflegt.

Herr Präsident, Malta steht seit den schrecklichen Anschlägen in New York und Washington im Kampf gegen den internationalen Terrorismus fest auf der Seite der Vereinigten Staaten und der weltweiten Allianz gegen den Terrorismus. Ihre Regierung hat im Kampf gegen den Terrorismus alle Unterstützung im Rahmen Ihrer Mittel und Möglichkeiten zugesagt. Diese feste Haltung in Zeiten des Terrors verbindet unsere beiden Länder noch stärker miteinander.

Ihr politisches Wirken, Herr Präsident, wird geprägt durch die Verantwortung, die Sie nicht nur für Ihr Land, sondern auch in internationalen Institutionen übernehmen. Sie haben sich in den Vereinten Nationen, in der OSZE, im Europarat und in der unabhängigen Weltkommission der Ozeane große Anerkennung und Verdienste erworben. Immer stellen Sie dabei Ihr profundes Fachwissen und Ihre persönlichen Qualifikationen in den Dienst der Sache.

Malta setzt sich auch dafür ein, den euro-mediterranen Dialog fortzuführen. Gerade in diesen schweren Zeiten kann der weitere Ausbau der Zusammenarbeit zwischen der EU und den Mittelmeeranrainerstaaten zu mehr regionaler Sicherheit und Stabilität beitragen. Die Rolle, die Malta als Insel im Zentrum des Mittelmeers dabei zukommt, ist für alle Europäer von großer Bedeutung.