Redner(in): Angela Merkel
Datum: 24.04.2007
Untertitel: beim Empfang des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger am 23. April 2007
Anrede: Sehr geehrter lieber Herr Professor Neven DuMont, sehr geehrte Frau Neven DuMont, liebe Familien DuMont und DuMont-Schütte, sehr geehrter Herr Heinen, sehr geehrter Herr Schocken, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/04/2007-04-23-rede-merkel-neven,layoutVariant=Druckansicht.html
ganz besonders begrüße ich den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Professor Wolfgang Böhmer, die Oberbürgermeister von Köln und Halle, Fritz Schramma und Ingrid Häußler, sowie die anwesenden Bundestagsabgeordneten. Stellvertretend darf ich vielleicht den Fraktionsvorsitzenden der FDP, Guido Westerwelle, und den Generalsekretär der CDU, Ronald Pofalla, nennen.
Meine Damen und Herren, ich bin heute sehr gerne hierher gekommen, nicht nur weil wir regelmäßig Kontakte mit dem BDZV pflegen, sondern weil Sie, lieber Herr Neven DuMont, vor wenigen Wochen Ihren 80. Geburtstag gefeiert haben. Ich freue mich, Ihnen nun auch persönlich in diesem Rahmen ganz herzlich zu gratulieren, um Ihnen Gesundheit und Wohlergehen, Schaffenskraft, Initiativgeist, Kreativität und etwas Zeit für die Familie zu wünschen und damit auch für eine gute weitere Zusammenarbeit zu werben.
Sie waren einige Jahre Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Auch heute noch gehören Sie dem Präsidium an. Der heutige Empfang des BDZV Ihnen zu Ehren hat aber nicht nur mit Ihren Ehrenämtern zu tun. Dieser Festakt gilt vor allem einer Persönlichkeit, die mit Leib und Seele Journalist und Verleger ist, so wie es nur ganz wenige Persönlichkeiten in Deutschland gibt.
Sie haben im Interview einmal bekannt: "Zeitungen sind keine Ware. So habe ich es von meinem Vater gelernt." Es liegt wohl an dieser Einstellung und auch an dieser Grundüberzeugung, dass wir Ihnen einen großartigen Beitrag für die freie und unabhängige Presse, für die sogenannte "vierte Gewalt" im Staat, zu verdanken haben. Im Erhalt genau dieser freien und unabhängigen Presse haben wir bei allen Diskussionen im Detail eine tiefe demokratische Gemeinsamkeit.
Wir wissen, wie viel davon abhängt, dass es diese freie und unabhängige Presse gibt auch wenn es manchmal nicht bequem ist. Auch an anderen Orten in der Welt erleben wir, was fehlt, wenn das nicht mehr gewährleistet ist. Es kann also gar nicht oft genug gesagt werden: Medien sind ein unverzichtbarer Bestandteil unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft. Kaum ein Bereich unserer Gesellschaft beeinflusst unseren Blick auf die Welt so umfassend. Kaum ein Bereich unserer Gesellschaft prägt auch Haltungen und Lebensentwürfe ganzer Generationen so stark, wie die Medien dies vermögen. Darin liegt eine Chance. Aber ohne ihre Freiheit einzuschränken, sage ich natürlich: Darin liegt auch eine große Verpflichtung für das Wohl unserer Gesellschaft.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rolle der Medien 1958 "als die Grundlage jeder Freiheit überhaupt" beschrieben. Das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen. Die Verantwortung, die damit verbunden ist, haben Sie in Ihrem verlegerischen Leben immer wieder ausgeübt und gelebt. Denn was für die Politik gilt, das gilt ebenso für die Medien: Freiheit und Verantwortung sind ganz eng gepaart. Freiheit und Verantwortung bedürfen der Ausfüllung durch die jeweilige Persönlichkeit. Wir versuchen das im politischen Leben bei allen unterschiedlichen Anschauungen über die Parteigrenzen hinweg genauso wie Sie im BDZV durch Ihre verlegerische Tätigkeit.
Sie haben genau aus diesem Geist heraus die publizistischen Grundsätze Ihres Hauses formuliert: Liberalität, wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit, Toleranz gegenüber Andersdenkenden, Lesernähe und Sprachkultur. Ob das alles zu jedem Zeitpunkt immer zusammenzubringen ist, beispielsweise Lesernähe und Sprachkultur, das hängt sicherlich auch vom Medium und der Grundeinstellung ab. Aber immerhin: Die Grundsätze sind da.
Das sind natürlich sehr große Worte, ein hoher Anspruch. Ich glaube trotzdem sagen zu können: Er findet sich auch in dem breiten Spektrum der Zeitungen wieder, das Sie vertreten. Dieses Spektrum ist ja nicht in ein paar Jahren gewachsen, sondern im Laufe von Jahrhunderten. Das ist kein Versprecher. Es sind Ihr Sohn und Ihr Neffe, die das Familienunternehmen heute in der Tat in der 12. Generation führen. Das schafft Bewusstsein, das schafft Tradition, und das schafft ein ganz starkes Standbein, um die Zukunft auch aus dieser Tradition heraus gestalten zu können. Genau mit diesem Bewusstsein um die lange Tradition des Unternehmens entwickeln Sie Ihr treffsicheres Gespür für den Markt der heutigen Zeit, der ja in dieser Branche die ganze Kreativität und Neugier von Unternehmern fordert.
Sie haben Ihr Verlagsgeschäft von der Pike auf gelernt nicht nur im eigenen Haus, sondern durch Volontariate in unterschiedlichen Verlagshäusern, beim Axel-Springer-Verlag genauso wie bei der "Süddeutschen Zeitung". Sie haben auch praktische Erfahrungen in den USA gesammelt, in einer ganz anderen Zeitungslandschaft. Heute können Sie auf mehr als ein halbes Jahrhundert erfolgreicher Arbeit als Zeitungsverleger und Medienunternehmer zurückblicken. Darauf können Sie zu Recht stolz sein, gerade wenn man sich die verschiedensten Entwicklungen und Änderungen in der Branche in dieser langen Zeit einmal vor Augen führt.
In mehr als 50 Jahren ist es Ihnen und Ihren Miteignern gelungen, ein Familienunternehmen mit langer Tradition zu einem modernen Verlags- und Medienhaus auszubauen zu einem Medienhaus, das wettbewerbsfähig ist, und zu einem Unternehmen, das den Anforderungen der jeweiligen Zeit angepasst ist. Auch dabei denken wir beispielsweise an die Innovationen im gesamten Online-Bereich und der gesamten Informationstechnologie. Sie sind immer Vorreiter gewesen. Damit haben Sie unter Beweis gestellt: Print- und Online-Medien sind eben keine Gegensätze mehr, so wie es eben auch für den BDZV gesagt wurde. Sie ergänzen sich vielmehr. Es geht darum, diese Ergänzung in geeignete Produkte umzusetzen.
Aber dennoch bin ich davon überzeugt: Trotz der zunehmenden digitalen Konkurrenz wird das gedruckte Wort seine Bedeutung behalten. Bücher, Zeitungen und Zeitschriften sind ein unverzichtbarer Träger von Informationen und Bildung. Sie werden ergänzt werden das ist keine Frage. Aber sie werden ebenso ein fester Bestandteil bleiben.
Ich freue mich deshalb, dass Sie, lieber Herr Neven DuMont, sich ohne Wenn und Aber immer wieder zum gedruckten Wort bekennen. Sie haben mit Blick auf die Rolle der Zeitungen in Zeiten des Internets einmal gesagt: "Die Konsequenz für uns kann nur sein, gute aufregende Zeitungen zu machen."
Gute aufregende Zeitungen zu machen das ist die Devise, mit der Sie es geschafft haben, aus dem Traditionsunternehmen die viertgrößte Zeitungsgruppe Deutschlands zu formen. So bietet die Erfolgsgeschichte Ihres Unternehmens Anschauungsunterricht für alle, die wirtschaftliche Existenz und Wettbewerbsfähigkeit unter sich stets verändernden Wettbewerbsbedingungen erhalten und verbessern wollen.
Nehmen wir einfach einmal die Reaktionen des Verlags in den 1960er Jahren auf die scheinbar übermächtigen Boulevard-Produkte. Sie haben die Marktlage damals sehr schnell erfasst. Nach dem Motto "schnell, schneller, Express" gründeten Sie eine eigene regionale Boulevardzeitung, die noch heute zum Kernbereich der rheinischen Zeitungskultur zählt. Manches spricht sich selbst bis Berlin trotz anderer vorhandener Boulevardblätter herum.
Oder schauen wir einmal darauf, wie Sie sich nach dem Fall der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung unseres Landes, die Sie aus dem Herzen immer wieder begrüßt haben ich weiß davon zu berichten, sofort auch in den neuen Ländern engagiert haben. Ich erwähne hier insbesondere den Einstieg in das mitteldeutsche Druck- und Verlagshaus in Halle an der Saale. Dies erklärt auch die Anwesenheit des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und der Oberbürgermeisterin von Halle. Das war 1991. Die "Mitteldeutsche Zeitung" hat sich seitdem zu einer unabhängigen, wirtschaftlich selbstständigen und großen erfolgreichen Regionalzeitung in den neuen Ländern entwickelt, die auch über Sachsen-Anhalt hinaus weithin Beachtung findet.
Lieber Herr Professor Neven DuMont, Sie sind ein politischer Verleger, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält, und das nicht nur schriftlich, sondern auch in Ihren Reden und im Rahmen Ihres ehrenamtlichen Engagements. Manchmal trifft es einen. Auch ich habe das schon erlebt. Man schluckt, denkt nach und gibt manchmal zu, dass Sie teilweise Recht haben.
Wir haben immer wieder erlebt, dass Ihnen scheinbar keine Aufgabe zu viel ist. Das weist Sie als Bürger aus. Das weist Sie als Unternehmer aus, der sich weit über das eigene Unternehmen auch seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist. Ich bin überzeugt: Unsere Gesellschaft braucht genau dieses Bewusstsein. Denn Verleger, Unternehmer und Manager sind tragende Säulen unserer Bürgergesellschaft. Sie sind Wegbereiter für Wohlstand, Fortschritt und für gesellschaftliche Solidarität.
Diese Bereitschaft, sich für unsere Gesellschaft einzusetzen, hat sich in Ihrem Leben immer wieder gezeigt. So als Sie maßgeblich dazu beigetragen haben, den hervorragenden Ruf Kölns als Medienstadt und Zeitungsmetropole zu festigen. Der Oberbürgermeister von Köln kann das sicherlich erfreut bestätigen.
Ebenso sind Sie für Ihr soziales und kulturelles Engagement bekannt und insbesondere auch für Ihren Einsatz für ein friedliches Miteinander der Völker in der Welt, nach dem wir uns so sehr sehnen und für das wir noch so viel arbeiten müssen.
Gerade die Partnerschaft mit Israel liegt Ihnen am Herzen. Sie engagieren sich als Vorsitzender des deutschen Komitees des Peres-Friedenszentrums, und auch das Zentrum für Europäische Studien der Universität Herzliya findet Ihre ausdrückliche Unterstützung. Damit zeigen Sie in ganz persönlicher Art und Weise: Je näher die Menschen und die Kulturen zusammenrücken, je mehr sie voneinander wissen, desto mehr können sie sich auch gegenseitig bereichern.
Ob Sie nun als traditionsbewusster Verleger, als Unternehmer mit Visionen oder als großzügiger Förderer gesellschaftlicher Initiativen gearbeitet und gelebt haben: Sie haben sich damit um unser Land verdient gemacht. Dafür sage ich Ihnen ein ganz herzliches Dankeschön.
Wenn ich das sage, dann mag das ganz leicht klingen. Aber wir alle wissen: Hinter Ihrem Lebenswerk steht eine gehörige Portion Mut, Schaffenskraft und auch Stehvermögen. Die Ehrungen, die Ihnen zuteil werden, haben Sie und Ihre Mitstreiter in Ihren Unternehmen sich wahrhaft verdient. Denn Ihr Name steht für eine einzigartige verlegerische und publizistische Erfolgsgeschichte, die Respekt verdient. So wünsche ich Ihnen und uns allen die Fortsetzung der Erfolgsstory Neven DuMont.
Wir alle hoffen, dass Sie das politische Leben in unserem Land weiter mit journalistischer Leidenschaft beobachten, kommentieren und damit natürlich auch mitgestalten. Deshalb wünsche ich Ihrem Verlag mit seinen Zeitungen, mit den Aktivitäten in Funk und Fernsehen, mit den Online-Diensten und nicht zuletzt mit den berühmten Kunst- und Kulturprodukten des Druckhauses DuMont-Schauberg alles erdenklich Gute.
Mit den berühmten Kunstprodukten hat auch meine persönliche Bekanntschaft mit Ihrem Hause begonnen. Weit vor dem Fall der Mauer bin ich mit wenigen im Strumpf geschmuggelten D-Mark aus der DDR nach Budapest gefahren. Dort habe ich mit großen Augen Kunstbücher gekauft, die es sonst nicht gab. Das erste, was ich erwarb, war ein Buch aus Ihrem Hause über Paul Klee. Ich halte es heute noch in großen Ehren. Ich erinnere mich gut daran, als ich Sie das erste Mal in Köln besucht habe und die gesamte Pracht dessen, was mir früher unerreichbar schien, dann auch dort sehen konnte.
Lieber Herr Neven DuMont, dass ich heute nicht mehr mit geschmuggelten D-Mark nach Budapest fahren muss, sondern Ihre Laudatio halten kann, das zeigt auch, wozu die freie Presse einen Beitrag leisten kann. Tun Sie das weiter für eine gerechte Welt. Herzlichen Dank und alles Gute!