Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 30.05.2000

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/06/10806/multi.htm


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Ein sehr erfreulicher Anlass führt uns heute hier nach Dresden. Gemeinsam wollen wir den Grundstein für das neue Fabrikmodul der Infineon AG legen.

Die Investitionen hierfür belaufen sich auf mehr als eine Milliarde Euro innerhalb der nächsten drei Jahre.

Und, was noch wichtiger ist, es entstehen 1.100 neue und zukunftssichere Arbeitsplätze -zusätzlich zu den bereits vorhandenen 3.350 Arbeitsplätzen bei Infineon in Dresden.

Das Mikroelektronik-Zentrum Dresden gewinnt damit weiter an Bedeutung und Attraktivität. Schon jetzt zählt Dresden mit den Global Playern Infineon und AMD, einem dichten Netzwerk mittelständischer Unternehmen sowie den vielfältigen Forschungs- und Bildungseinrichtungen mit der TU Dresden als Mittelpunkt zu den interessantesten Mikroelektronik-Standorten der Welt.

Schon sprechen manche vom "Silicon Valley" Deutschlands.

Dresden war ja bereits zu DDR-Zeiten ein Entwicklungszentrum für moderne Technologien. Im Jahre 1989 stammte rund ein Sechstel der gesamten DDR-Produktion elektrotechnischer und elektronischer Erzeugnisse aus dem Bezirk Dresden.

Den Durchbruch nach der Wiedervereinigung brachte 1994 die Entscheidung von Siemens, hier ein modernes Halbleiterwerk zu errichten.

Heute kann man sagen: die Investition hat sich gelohnt, nicht nur für Siemens bzw. Infineon. Auch die rund 800 Millionen DM Fördermittel aus dem Gemeinschaftswerk Aufbau Ost sind gut angelegt.

Dresden ist inzwischen weltweiter Referenzstandort für die Infineon-Produktion. In einem der fortschrittlichsten Chip-Werke Europas werden modernste Speicherchips und hochwertige Logikbausteine produziert.

Dresden hat damit entscheidenden Anteil an der Erfolgsstory von Infineon: Das Unternehmen ist in Europa zur Nummer Eins im Halbleiterbereich und weltweit zum achtgrößten Halbleiterproduzenten aufgestiegen.

Möglich war dies nur, weil sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Infineon hochmotiviert der Konkurrenz auf dem Weltmarkt stellen. Dass 85 Prozent der Belegschaft aus Dresden und Umgebung kommen, ist besonders erfreulich und Ausdruck der guten Qualifikation der Arbeitnehmer und damit der Leistungsfähigkeit des regionalen Arbeitsmarktes.

Meine Damen und Herren,

nicht nur in Dresden, auch in vielen anderen Regionen der neuen Länder hat der Aufbau Ost deutlich an Fahrt gewonnen.

Zweistellige Zuwachsraten bei wesentlichen Kennziffern des verarbeitenden Gewerbes - bei Auftragseingängen, Produktionsanstieg, Export und Beschäftigungszuwachs - zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Natürlich gibt es auch weiterhin schmerzhafte Anpassungsprozesse, die den Arbeitsmarkt belasten. Ich denke hier an die Bauwirtschaft. Aber die Trendwende ist geschafft.

Dieser Erfolg kommt nicht von selbst. Ohne den großen Einsatz und den bewundernswerten Willen der Menschen in den neuen Ländern wäre er undenkbar. Aber ohne die konsequente Steuer- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung, ohne die Förderung innovativer Unternehmen hätte sich dieser Erfolg ebenso wenig eingestellt.

Denn das Beispiel Infineon belegt einmal mehr: Der Schlüssel zur Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze heißt Innovation.

Innovation schafft wirtschaftliches Wachstum. Und das bringt zusätzliche Arbeitsplätze, nicht nur in der Produktion, sondern auch durch die Ansiedlung von Zulieferern oder Anwendern. Für Dresden bedeutet das konkret mehr als 10.000 neue Arbeitsplätze.

Meine Damen und Herren,

der Erfolg von Infineon macht auch deutlich: Der Wandel von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft basiert vor allem auf den Anwendungen der Mikroelektronik.

Die Mikroelektronik ist eine der zentralen Schlüsseltechnologien des neuen Jahrhunderts.

Hochintegrierte elektronische Schaltkreise, allgemein Chips genannt, werden gewissermaßen zum "Zukunfts- Rohstoff" moderner Volkswirtschaften.

Sie sind das Herzstück innovativer Produkte - nicht nur in klassischen Industriebranchen, sondern auch in der Informations- und Kommunikationswirtschaft oder den rasch expandierenden Dienstleistungsbereichen.

So werden nach Expertenaussagen in Deutschland im Jahr 2000 von Mikroelektronikprodukten

rund 1.000 Milliarden DM Umsatz

4,5 Millionen Arbeitsplätze

Exporte im Wert von 510 Milliarden DM

abhängen.

Schon heute kommt in Deutschland kaum noch ein Arbeitsplatz ohne mikroelektronische Geräte aus.

In allen Lebensbereichen verrichten Mikroprozessoren ihr unauffälliges Werk und sorgen für Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Effizienz.

Auch im privaten Bereich hat die Mikroelektronik längst Einzug gehalten: Von der Unterhaltungselektronik übers Handy bis zur Chipkarte. Ein Pkw enthält bereits heute im Schnitt mehr als 70 Chips.

Aber die Entwicklung schreitet immer weiter und schneller voran: In den Forschungslabors werden heute die Grundlagen für die Elektronik von morgen entwickelt.

Wir stehen erst am Beginn einer Entwicklung, die den Einsatz der Mikroelektronik in eine neue Dimension treiben wird.

Fachleute sagen voraus, dass sich die Leistungsfähigkeit der Bauelemente in den nächsten 12 bis 15 Jahren dramatisch erhöhen wird. Gleichzeitig werden die Preise sinken.

Nur wem es gelingt, seine Produkte ständig zu verbessern und technologisch innovativ zu sein, der bleibt langfristig wettbewerbsfähig und schafft damit Arbeitsplätze.

Für Deutschland bedeutet dies: Um weiterhin vom Wachstumsmarkt Mikroelektronik profitieren zu können, müssen alle Kräfte gebündelt, muss das vorhandene Innovationspotenzial der Industrie und der gesamten Forschungslandschaft ausgenutzt werden. Dies ist unser Ansatzpunkt für unterstützende staatliche Förderung.

Natürlich sind Produkt- und Verfahrensinnovationen in erster Linie Sache der Unternehmen. Erfolgreiche Innovationsstrategien bedürfen jedoch oft der intensiven Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik.

Weil die Mittel knapp sind, muss der Staat bei der Vergabe Schwerpunkte setzen. Eine Förderung ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten mit besonderen finanziellen und technischen Risiken verbunden sind.

Ein Beispiel für eine überaus erfolgreiche Forschungs- und Entwicklungsförderung ist das 300-mm-Projekt hier in Dresden, das derzeit größte im Bereich der Mikroelektronik in Europa.

Nach Ansicht von Experten lassen sich mit den neuen 300-mm Scheiben die Herstellungskosten für Chips um knapp 30 Prozent senken, ein deutlicher Wettbewerbsvorteil auf den internationalen Märkten.

Am Vorhaben beteiligt sind die Firmen Infineon, Motorola und Wacker, darüber hinaus rund 50 mittelständische Firmen und einige Forschungsinstitute. Unterstützt wird das Ganze vom Freistaat Sachsen und der Bundesregierung. Allein der Bund stellt mehr als 250 Millionen DM bereit.

In gemeinsamer Anstrengung wurde ein ehrgeiziges und risikoreiches High-Tech-Vorhaben umgesetzt und weltweit die Führung in dieser wichtigen Zukunftstechnologie erreicht.

In einer beispielhaften Innovationspartnerschaft von Wirtschaft, Wissenschaft und Staat wurden die technologischen Voraussetzungen für die Chipfabrik der Zukunft geschaffen.

Deutschland hat damit eindrucksvoll bewiesen, dass es die Entwicklung der Mikroelektronik wieder aktiv mitgestalten kann und will.

Es freut mich daher ganz besonders, heute in Dresden den Grundstein für eines der weltweit modernsten Halbleiterwerke zu legen.

Die gesamtwirtschaftlichen Effekte gehen weit über die bei Infineon selbst entstehenden 1.100 neuen Arbeitsplätze hinaus. Insgesamt ist von zusätzlich rund 6.000 Dauerarbeitsplätzen auszugehen, davon 5.100 in der Region Dresden.

Und während der etwa dreijährigen Bauzeit der Produktionsanlagen werden weitere 3.300 Menschen Arbeit finden.

Einen weiteren Aspekt möchte ich ausdrücklich hervorheben: Den gewährten Fördergeldern werden erhebliche Steuermehreinnahmen gegenüberstehen. Und zusätzlich fließen erhebliche Beiträge in die Kassen der sozialen Sicherungssysteme.

In einem Betrachtungszeitraum von zehn Jahren ist ein Einnahmeüberschuss von über 1 Milliarde DM zu erwarten. Sinnvoller und effizienter kann staatliche Innovationsförderung kaum angelegt sein.

Der heutige Tag zeigt: Wir haben allen Anlass, optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Im 19. Jahrhundert wurden mit der Erfindung der Dampfmaschine und der Nutzung der Elektrizität ein bis dahin beispielloser wirtschaftlicher Aufschwung eingeleitet.

Heute liefern besonders innovative Branchen wie die Mikroelektronik mit vielfältigen Anwendungen in Wirtschaft und Gesellschaft die Grundlage für einen neuen Wachstumszyklus mit entsprechender Beschäftigungsentwicklung.

Die Bundesregierung verstärkt und beschleunigt diese günstige Entwicklung durch:

eine wachstums- und beschäftigungsorientierte Steuer- und Abgabenpolitik

den sozialen Dialog im Bündnis für Arbeit und

eine konsequente Konsolidierung des Bundeshaushaltes. Wir wollen Deutschland zu einem Vorreiter im Modernisierungsprozess machen. Das neue Werk von Infineon ist dafür ein wichtiger Baustein.

Ich wünsche allen Beteiligten weiterhin viel Erfolg und hoffe, dass dieses Projekt zum Vorbild für weitere Aktivitäten insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.