Redner(in): Angela Merkel
Datum: 06.11.2007

Untertitel: in Essen
Anrede: Sehr geehrter Herr Präsident des Gesamtverbands Steinkohle, lieber Herr Müller, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Peter Müller, sehr geehrter Herr Schmoldt, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Christa Thoben, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/11/2007-11-06-rede-bkin-steinkohletag-in-essen,layoutVariant=Druckansicht.html


ich bin heute sehr gerne hierher gekommen, um diesen speziellen Steinkohletag hier mit Ihnen ein Stück weit zu verbringen. Ich glaube nämlich, es ist in der Tat richtig: Selten sind so weitreichende kohlepolitische Entscheidungen getroffen worden wie im Jahr 2007. Herr Müller hat eben noch einmal an die Genesis den Steinkohletag vor zwei Jahren, als Ronald Pofalla hier war und an das erinnert, was in der Zwischenzeit passiert ist. Ich glaube, man kann sagen, dass der Zusammenhang zwischen dem schwarzen und dem weißen Bereich selten so im Zentrum unserer Betrachtungen stand. Das heißt, die heutige Evonik Industries AG ist immerhin schon sichtbar. Wir werden uns so an den Namen gewöhnen, wie wir die RAG sozusagen tief in unserem Inneren haben.

Wir haben uns im Februar dieses Jahres auf eine Option für den Ausstieg aus der subventionierten Förderung der Steinkohle zum Ende des Jahres 2018 verständigt gekoppelt an eine Revisionsklausel. Ich will mich heute nicht an den Wahrscheinlichkeitsaussagen beteiligen, aber ich glaube, ganz wichtig ist, dass wir die Option des Auslaufens des subventionierten Steinkohlebergbaus bis zum Jahr 2018 in all ihren Facetten durchdekliniert haben und damit auch eine Option für einen sozialverträglichen Ausstieg aus dem deutschen Steinkohlebergbau festgelegt haben. In der Tat ist das Wichtige daran, dass wir damit Berechenbarkeit gewonnen haben. Auch ich möchte noch einmal das unterstreichen, was Herr Müller gesagt hat: Die Betrachtungen des Jahres 2012 werden ausschließlich energiepolitischer Art sein. Somit ist auch bei der Variante 2018 die notwendige Sicherheit hinsichtlich der Sozialverträglichkeit gegeben.

Wenn ich sage, dass "wir" das entschieden haben, dann meine ich damit die Bundesregierung, die Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland, die RAG AG und die Gewerkschaft IGBCE. Wir haben festgelegt, dass der weiße Bereich der RAG Zugang zum Kapitalmarkt erhält. Das eröffnet ein Wachstumspotenzial, das, wie ich hoffe und denke, auch seinen Nutzen entfalten wird. Wir haben dann, als wir diese Festlegung zuerst einmal im Umriss getroffen hatten, natürlich intensiv verhandelt und Beschlüsse gefasst. Ich möchte nicht verschweigen, dass ich an manchem Morgen aufgestanden bin, an dem die ganze Aufgabenvielfalt relativ bergartig auf meinem Gemüt lastete, denn es war vieles zu bedenken und es waren viele unterschiedliche Interessen zusammenzubringen. Ich glaube, unter dem Strich sind viele dabei ihrer Verantwortung nachgekommen und wir haben eine gute Lösung gefunden.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass es eine Stiftung geben wird. Länder und Stiftung haben einen Erblastenvertrag abgeschlossen. Es musste Klarheit über Ewigkeitslasten des Bergbaus und ihre Finanzierung geschaffen werden. Man hat sich auf ein Modell zur Finanzierung der Steinkohlehilfen bis 2018 geeinigt sowie sich eben auch über die Alt- und Ewigkeitslasten nach 2018 verständigt. Die Finanzierungsbeiträge des Bundes sind im so genannten Steinkohlefinanzierungsgesetz festgelegt, das vom Kabinett verabschiedet worden ist und in Kürze im Bundestag und auch im Bundesrat beraten wird. Die Zeichen dafür, dass es eine positive Beratung geben wird, sind, glaube ich, unverkennbar.

Die Beschlüsse bewirken nun zweierlei: Erstens gibt es Planungssicherheit, Berechenbarkeit beim sozialverträglichen Auslaufprozess. Zweitens hat die Evonik Industries AG alle Möglichkeiten, ihre Wirtschaftskraft auch wirklich zu entfalten. Ich glaube, das sind richtige und wichtige Weichenstellungen für das Unternehmen und für die Menschen in der Region.

Ich verkenne aber auch nicht, dass das Wort "Weichenstellung" noch ziemlich wenig über das aussagt, was hier eigentlich vor sich geht. Ich habe in der Zeit, in der ich nun im wiedervereinigten Deutschland gelebt habe, vieles mitbekommen und gefühlt, was der Kohlebergbau für die Menschen im Ruhrgebiet bedeutet, welche Tradition und welche Geschichte daran hängen. Die Weichenstellungen in der Form vorzunehmen, wie es jetzt getan wurde, ist natürlich weit mehr als eine materielle oder juristische Prozedur, sondern bedeutet auch wirklich ein Stück Veränderung einer Region, die für die Industrialisierung Deutschlands von herausragender Bedeutung war und die für die Bundesrepublik Deutschland das will ich ausdrücklich sagen; ich werde später noch darauf zurückkommen auch weiterhin von großer Bedeutung sein soll. Das ist der Wunsch der Bundesregierung.

Deshalb, weil das eine auch emotional so schwierige Aufgabe war und ist, möchte ich mich heute bei allen bedanken, die an diesen Verhandlungen mitgewirkt haben. Ich möchte Herrn Schmoldt ein ganz besonderes Dankeschön sagen, der, wie er es eben auch ausgedrückt hat, als Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sowohl ein Anrecht auf eine sozialverträgliche Perspektive haben, die aber auch das Leben in dem, was man den Kohlenpott genannt hat, gestaltet haben, diese Verantwortung wirklich übernommen hat. Aus meiner Sicht ein herzliches Dankeschön dafür, dass Sie sich trotz allem, was uns an Einschätzungen auch trennt Sie haben es eben noch einmal deutlich gemacht, einem konstruktiven Prozess nie verschlossen haben. Es ist heutzutage nicht alltäglich, so viel Verantwortung zu übernehmen. Ich hoffe, so viel Lob vonseiten der Politik schadet Ihnen nicht. Ich werde am Donnerstag bei der IG Metall sein. Mal sehen, wie es dort sein wird.

Natürlich werden jetzt große Erwartungen an die weitere Entwicklung geknüpft, insbesondere auch an die Evonik Industries AG. In den nächsten Monaten werden die RAG-Stiftung und das Unternehmen über die Ausgestaltung des Börsengangs entscheiden. Es wird ein völlig neues Miteinander zwischen Stiftung und Unternehmen geben. Ich glaube, dass die Art und Weise, in der wir zu den Entscheidungen gekommen sind und in der die personellen Konstellationen jetzt getroffen worden sind, eine gute Basis dafür bietet, dass auch das, was jetzt vor dem Unternehmen liegt, eine gute Chance hat, wunderbar und vernünftig geregelt zu werden.

Was sind die Aktivposten, um die Sie viele beneiden? Herr Müller hat eben darauf hingewiesen, dass es durchaus Interessenten gibt. Es ist eine Kraftwerkssparte, die für sich reklamieren kann, eine führende Kraft im deutschen Strommarkt zu sein. Es ist ein breit aufgestelltes und hochinnovatives Chemieunternehmen. Es ist ein solides Immobilien-Portfolio und es ist nicht zuletzt ein Management, das gewillt ist auch dafür ein herzliches Dankeschön, diese Teilbereiche wirklich zu einem Ganzen zusammenzuführen und die Synergien des Konzerns wirklich auszuschöpfen. Wenn wir uns politisch nicht sicher gewesen wären, dass dieser Wille und diese Bereitschaft bestehen, dann wäre die Entscheidung für einen Gesamtkonzern sicherlich schwieriger gewesen. Aber wir konnten sie aus guten Gründen fällen.

Deshalb glaube ich auch, dass angesichts dieser Aktivposten, die ich genannt habe, die Voraussetzungen gut sind, um den Kapitalmarkt und seine Möglichkeiten zu nutzen und um sich mit innovativen Produkten und Dienstleistungen am Weltmarkt behaupten zu können. Ich möchte von dieser Stelle aus und auf diesem Weg dem neuen Unternehmen allen denkbaren Erfolg wünschen.

Ich möchte an dieser Stelle, wenn schon das Steinkohlefinanzierungsgesetz und die Frage der Ewigkeitslasten, bei der neben den Ländern auch der Bund durchaus ein gutes Stück Verantwortung übernommen hat, genannt wurden, noch daran erinnern, dass sich in dieser Lösung auch widerspiegelt, dass die Gesamtheit der deutschen Steuerzahler dazu bereit ist, ihrer Verantwortung in Bezug auf die Geschichte und die Verantwortung für den deutschen Steinkohlebergbau gerecht zu werden. Auch das ist wichtig, wenn man in Erinnerung hat, wie manchmal einseitige Reden geschwungen wurden.

Nun, meine Damen und Herren, ist es natürlich so, dass sich mit diesem Schritt, mit dieser Weichenstellung und mit dem, was sich hier verändert, auch der Blick für die Frage öffnet, welche Zukunft das Ruhrgebiet hat. Ich glaube, dass das Ruhrgebiet im Hinblick auf die Energiepolitik und die Energieerzeugung der Bundesrepublik Deutschland von zentraler Bedeutung bleibt. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal daran erinnern, dass die Arbeit sowohl im Bergbau als auch im Energiebereich eine Arbeit ist, die von höchster Präzision geprägt ist, aber auch nicht ohne jedes Risiko ist. Der tragische Unfall in den letzten Tagen auf einer der Großbaustellen hat uns noch einmal daran erinnert. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch sagen: Wir hoffen, dass bei allen Großprojekten, die hier in der Region und überhaupt gestaltet werden, keine Menschen zu Schaden kommen. Ich möchte an dieser Stelle für die Angehörigen und Freunde auch kurz derer gedenken, die ums Leben gekommen sind.

Meine Damen und Herren, der Strukturwandel des Ruhrgebiets ist mit Sicherheit nicht einfach zu bewältigen. Wenn wir uns allein den Bereich Bergbau anschauen 1957 hatte der Bergbau im Ruhrgebiet 470. 000Beschäftigte, heute sind es noch rund 30.000, dann wissen wir: Das Ruhrgebiet kennt sich im Strukturwandel bereits aus. Aber ich finde, dass das Ruhrgebiet diesen Strukturwandel auch immer wieder positiv aufgenommen und seine Pluspunkte ins Zentrum gestellt hat.

Einer der Pluspunkte ist mit Sicherheit die zentrale Lage inmitten Europas. Das macht die Region zu einem bevorzugten Standort für Verkehr und Verkehrsinfrastruktur, für Dienstleistungen und für Logistik. Hier ist eine Unternehmerschaft ansässig, die die Herausforderungen des Wandels immer wieder offensiv annimmt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal Folgendes sagen: Ich glaube, dass sich der Initiativkreis Ruhrgebiet, bei dem ich im letzten Monat zu Gast war, der Aufgabe des Strukturwandels mit außerordentlichem Engagement annimmt, dass er Perspektiven aufzeigt und immer wieder die Zukunftsorientiertheit deutlich macht. Dafür ein herzliches Dankeschön.

Die Unternehmen des Initiativkreises haben sich z. B. dazu verpflichtet, ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung von heute 1, 5Milliarden Euro bis 2015 auf dreiMilliarden Euro zu verdoppeln. Das ist genau die Art und Weise, wie wir auf die Herausforderungen, die uns weltweit begegnen, reagieren müssen. Es trifft sich natürlich auch sehr gut mit der Zielrichtung der Bundesregierung, wenn die Unternehmer sagen: Wir sehen den Schlüssel für Wohlstand, für den Erfolg der Menschen in Deutschland im Grunde in Forschung, Entwicklung und Innovation.

Wir haben uns gemeinsam vorgenommen, in Deutschland bis zum Jahr 2010 drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben. Die erwähnte Festlegung des Initiativkreises Ruhrgebiet ist hierbei natürlich von allergrößter Bedeutung. Es ist so etwas wie ein Joint Venture von staatlichen Anstrengungen auf der einen Seite und wirtschaftlichen Anstrengungen auf der anderen Seite, diese drei Prozent zu erreichen. Die Bundesregierung wird allein in dieser Legislaturperiode 6, 9Milliarden Euro zusätzlich in Forschung und Innovation investieren. Je mehr das Wirtschaftswachstum steigt, umso größer muss natürlich die Summe werden. Das leuchtet auch sofort ein. Aber wir wissen auch: Geld allein reicht nicht. Wir brauchen eine Gesamtstrategie. Diese Gesamtstrategie erschließt sich nur in der Gemeinsamkeit von staatlichen Institutionen Bund, Länder und den Wirtschaftsunternehmen. Ich denke, unsere Forschungsministerin hat mit der Wissenschaftsunion den richtigen Punkt getroffen, Wirtschafts- und Wissenschaftsinstitutionen an einen Tisch zu bringen.

Wenn wir über die Perspektive nachdenken ich habe von einem emotionalen Thema bei den Weichenstellungen gesprochen, dann finde ich, dass es sich gut trifft, dass im Jahre 2010 nicht nur Essen, sondern die gesamte Region den Titel "Europäische Kulturhauptstadt" führen kann. Zu allem, was Wirtschaft und materieller Erfolg bedeuten, gehört immer auch die kulturelle Einrahmung und das Lebensgefühl.

Ich kann es nur begrüßen, wenn die gesamte Region zusammenwächst, ihre gemeinsame Verantwortung spürt und eine Metropolregion wird. Ich bin gerade aus Indien zurückgekehrt und habe mir dort die Metropolen angeschaut. Das Ruhrgebiet ist wohl doch noch nicht die größte Metropole, die es auf der Welt gibt. Man sollte also versuchen, sich in der Region vom Verkehrssystem bis hin zu anderen Fragen gut zu verstehen. Das hilft und bringt uns Wettbewerbsvorteile im globalen Wettbewerb.

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass die Energiepolitik nicht nur für diese Region, sondern für die Bundesrepublik insgesamt von entscheidender Bedeutung sein wird. So ist es auch nicht unverhofft, dass heute auf diesem Steinkohletag über Energiepolitik gesprochen wird. Die Bundesregierung misst einer berechenbaren Energiepolitik eine große Bedeutung bei. Allerdings ist auf die Meinungsunterschiede bezüglich einer Form der Energiepolitik schon eingegangen worden.

Herr Müller, es wäre schön gewesen, wenn Sie an anderer Stelle die Entscheidungen in Richtung Zukunft der Kernenergie etwas besser hätten fällen können. Wir müssen uns jetzt noch einmal gemeinsam überlegen, wo sich noch Möglichkeiten bieten. Wir haben Weichen gestellt, die uns bei der Erreichung ambitionierter Klimaschutzziele zumindest Schwierigkeiten bereiten werden. Darüber sind wir uns hier einig. Ich muss leider sagen: Ich fürchte einfach, dass das auch für die Nutzung von wirtschaftlichen Möglichkeiten im Sinne des Exports von Energieerzeugungsanlagen gilt. Wenn man sich die Welt anschaut egal, ob man in Deutschland positiv oder negativ zur Kernenergie steht, muss man sagen: Die Welt wird sich hierbei relativ wenig nach unserer Meinung richten, wenn ich das richtig verstehe. Insofern ist es so, dass wir über diese Zukunftschancen noch einmal ein bisschen nachdenken sollten.

Ich glaube, dass es sehr gut war, Herr Großmann, dass Sie in der jetzt relativ aufgeheizten Diskussion über Strompreiserhöhungen einen Impuls gesetzt und noch einmal gesagt haben, dass Lösungen letztlich nur über Gespräche zu erreichen sind. Wir haben in unserem großen Energiedialog sicherlich eines erreicht, nämlich dass wir Szenarien für die verschiedenen CO2 -Reduktionsmöglichkeiten durchrechnen konnten. Wir haben dabei auch erkannt, dass es uns ohne den Ausstieg aus der Kernenergie natürlich leichter fallen würde, die ambitionierten Ziele zu erreichen. Ich denke, dass der BDI mit seiner Kosten-Nutzen-Analyse auch noch einmal einen wichtigen Beitrag dazu geleistet hat, uns eine bessere Erkenntnis zu liefern. Aber wir müssen jetzt, was die Energieerzeuger anbelangt, vor allen Dingen einen Gesprächsfaden suchen, indem wir rational miteinander Argumente austauschen, indem wir uns nicht gegenseitig an den Pranger stellen, indem wir uns aber auch gegenseitig erklären, was eigentlich Sache ist. Wenn die Politik bestimmte Dinge nicht nachvollziehen kann, wird sie natürlich ihren Mund aufmachen, wie es Unternehmen auch tun.

Ich will an dieser Stelle sagen: Wir wollen natürlich Wettbewerb. Das gilt für alle Branchen. Wir brauchen ihn auch im Bereich der Stromerzeugung. Deshalb wollen wir mit einer Kartellrechtsnovelle auch dafür Sorge tragen sie wird derzeit beraten, dass Kartellämter schneller und effektiver gegebenenfalls gegen den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen im Strom- und Gasmarkt vorgehen können. Ich will ganz eindeutig sagen: Ich möchte mich nicht an Verdächtigungen beteiligen, aber ich werde als Bundeskanzlerin auch Transparenz einfordern. Die Bereitschaft zum Gespräch hat mich jedenfalls sehr ermutigt. Herzlichen Dank dafür.

Ich glaube, dass die Bereitschaft zum Gespräch in der jetzigen Situation auch sehr wichtig ist. Denn wir haben zwar eine Anzahl von Dingen beschlossen, die mehr Wettbewerb ermöglichen, z. B. die Anreizregulierung, aber wir haben uns auch ganz eindeutig dagegen gewendet, die Überlegungen der EU-Kommission zu unterstützen, die versucht, eigentlich nur auf den Zwangsverkauf von Netzen und eine eigentumsrechtliche Teilung zu setzen. Das halten wir nicht für den Königsweg zum Wettbewerb. Umso wichtiger ist es aber in dieser Phase, dass wir uns eben auch vernünftig und transparent austauschen. Wir glauben, dass der Netzzugang für alle Marktteilnehmer über eine effektive Regulierung zu gewährleisten ist. Das hat die Bundesnetzagentur, wie ich finde, auch deutlich bewiesen. Deshalb werden wir uns in dieser Richtung auch auf der europäischen Ebene einsetzen.

Wir müssen auch immer wieder die Kunden über ihre Möglichkeiten zum Stromlieferantenwechsel informieren, der zu den Optionen gehört, die jeder mündige Kunde hat. Viele Privatkunden wissen darüber nicht oder nicht genau Bescheid. Wir können auch noch viel Einsparpotenzial wecken. Deshalb werden Klima- und Energiepolitik das ist, glaube ich, keine besonders abenteuerliche oder aufregende Prognose in Zukunft eher enger als weniger eng miteinander verzahnt sein.

Nun ist die Frage, inwieweit Deutschland beim Klimaschutz in Vorleistung treten soll, ein weites Feld. Herr Müller hat leise Zweifel an CO2 -Reduktionen in Höhe von 40Prozent geäußert. Wir müssen sehen, dass Deutschland mit einer Reduktion in Höhe von 20Prozent bis zum Jahr 2012 schon eine riesigen Beitrag zu erbringen hat. Ich weiß, dass diese Ziele ambitioniert sind und ohne Kernenergie auch schwierig zu erreichen sind. Auf der anderen Seite ist die Frage, was wir tun oder nicht tun, nicht voll in unsere eigene Disposition gestellt. Ich glaube, dass der Beschluss der Europäischen Union klug war, demzufolge sich Europa zu einer 20-prozentigen Reduktion verpflichtet und, wenn andere internationale "player" mitmachen, zu einer 30-prozentigen Reduktion verpflichtet. Wir wissen nämlich, dass Europa Deutschland allein schon gar nicht das Thema Klimaschutz natürlich nicht alleine lösen kann.

Europa hat an den weltweiten CO2 -Emissionen heute einen Anteil von 15Prozent. Der wird abnehmen. Ich rate uns, in Deutschland jetzt einen ruhigen Pfad zu betreten. Dafür haben wir die Energieszenarien entworfen. Ich sehe mit großer Sorge das muss ich an dieser Stelle ganz eindeutig sagen, wie viele Kommunen sich jetzt sozusagen aus emotionalen Gründen gegen jede Form der Kohlenutzung entscheiden. Der Energiemix ist unsere Zukunft. Die effiziente Energieanwendungwo immer möglich auch durch Kraft-Wärme-Kopplung ist unsere Zukunft. Aber jetzt einen Energieträger an den Pranger zu stellen und zu glauben, damit würde man dem Klimaschutz einen ziemlich guten Dienst erweisen, ist, glaube ich, nicht der richtige Weg. Deshalb appelliere ich hier an alle. Ich könnte es auch etwas lax ausdrücken: Die Standby-Schaltung nie auszuschalten, aber im Stadtrat gegen das Kohlekraftwerk zu sein, hilft nicht weiter. Wir müssen Energieeffizienz und Klimaschutz als Gesamtsystem und als Gesamtaufgabe sehen.

Meine Damen und Herren, wir werden uns in der Frage des Klimaschutzes für einen starken Industriestandort Deutschland einsetzen. Ich bin aus diesem Grunde auch zutiefst davon überzeugt, dass z. B. CO2 -Handelssysteme und Zertifizierung im Grundsatz richtige Instrumente sind, dass es aber letztendlich nicht ausreichen wird, diese ausschließlich auf den heimischen industriellen Bereich zu beschränken. Ich glaube, wenn wir uns über weltweite Emissionsreduzierungen unterhalten nur die zählen ja, dann müssen wir alle Kraft daran setzen, dass wir auch internationale Handelssysteme über Europa hinaus bekommen. Ansonsten wird es riesige Wettbewerbsverzerrungen im industriellen Bereich geben. Ich werbe auf meinen Reisen in andere Regionen sehr intensiv für solche Systeme. Es gibt auch viele Unterstützer. Ein globales Problem kann man letztendlich nur mit globalen Übereinkommen unter dem Dach der UNO und mit globalen Instrumenten bekämpfen. Das wird der kostengünstigste, effizienteste und schlussendlich auch gerechteste Weg werden.

Aber das will ich an dieser Stelle einmal sagen das steht nicht zu unserer völligen Disposition. Der vom Menschen verursachte Klimawandel findet statt. Der andere findet auch statt, aber den können wir nicht verhindern. Wenn wir aber eine Erderwärmung um mehr als zweiGrad Celsius zulassen, dann werden wir erhebliche wirtschaftliche Schäden mit erheblichen Kosten haben. Der Stern-Bericht spricht von fünf bis sogar 20Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Dabei kann man noch davon ausgehen, dass die Folgen im eigenen Lande vielleicht nicht so schlimm als woanders ausfallen werden. Aber die Zahl der Kriegsgebiete, der Konflikte und der Flüchtlingsbewegungen wird zunehmen. Und davon werden wir nicht unbeeindruckt sein. Deshalb, so glaube ich, ist eine langfristige Energiepolitik hierbei von allergrößter Bedeutung.

Meine Damen und Herren, wenn wir an den Energieträger Kohle denken, dann werden wir uns auch mit den Null-CO2 -Kohlekraftwerken, also der Sequestrierung, beschäftigen müssen. Ich will an dieser Stelle nur sagen, dass CO2 -Abtrennung ein wichtiges Element einer klimaverträglichen Energieversorgung sein kann in großem Maßstab aber sicherlich nicht vor dem Jahr 2020. Aber es ist natürlich wichtig, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich wünsche mir, dass diese Rahmenbedingungen in Deutschland dann auch mit Entschlossenheit geschaffen werden. Immer dann, wenn es um die Aufbewahrung bestimmter Stoffe in Deutschland geht, ist die Diskussion nämlich im Allgemeinen nicht ganz einfach. Insofern hoffe ich, dass für diesen guten Zweck planungsrechtliche und sonstige Voraussetzungen gefunden werden und zwar mit fröhlichem Gemüt, nicht mit einer großen Ablehnungsbewegung. Ich ahne, wovon ich spreche, meine Damen und Herren. Wer die Meinung teilt, dass es ohne Kohle auf absehbare Zeit auf der Welt nicht gehen wird und dass die Kohle nur dann eine wirklich gute Zukunft haben wird, wenn wir auch die Abtrennung ins Auge fassen, der muss in dieser Situation auch für ein zukunftsweisendes Planungsrecht sein.

Meine Damen und Herren, dieser Steinkohletag wird ein besonderer Punkt in der Geschichte des deutschen Steinkohlebergbaus sein. Daran glaube ich fest, unbeschadet aller Zusagen zur Revisionsklausel. Dieser Steinkohletag weitet aber auch den Blick darauf, dass Kohle etwas mit Energiepolitik zu tun hat, dass Energiepolitik etwas mit einem modernen Industriestandort zu tun hat und dass das Ruhrgebiet ein solcher moderner Industriestandort ist und bleiben soll. Er zeigt auch auf, wie eng die verschiedenen Bereiche zusammengehören. Ich möchte mich bei allen Akteuren des Steinkohlebergbaus dafür bedanken, dass sie diese Gesamtverantwortung sehen und dass sie die Menschen auf dem Weg mitnehmen.

Ich darf Ihnen für die Bundesregierung sagen, dass wir zusammen mit den Landesregierungen, um das Saarland auch mit einzuschließen, alles dafür tun werden, dass die Regionen, die zum Aufbau dieser Bundesrepublik Deutschland einen entscheidenden Beitrag geleistet haben, auch in Zukunft eine gute Perspektive haben und dass die Menschen in diesen Regionen in Wohlstand leben können. In diesem Sinne Ihnen allen ein herzliches Glück auf!