Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 10.04.2008
Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann gratulierte zum 20jährigen Jubiläum des "Fonds Soziokultur" und vergabden Innovationspreis an die Projekte "Pink House Bremen" und "Lacho Drom".
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/04/2008-04-10-rede-neumann-soziokultur,layoutVariant=Druckansicht.html
Es gilt das gesprpchene Wort. -
seit 20 Jahren fördert der "Fonds Soziokultur" mit großem Erfolg und hohem Qualitätsbewusstsein Projekte, die kulturelle und soziale Veränderungen in unserer Gesellschaft aufgreifen und sie künstlerisch umsetzen. Der Begriff "Soziokultur" klingt zwar sperrig und abstrakt. Aber die Projekte, die mit Hilfe dieses Fonds finanziert, unterhalten und angeregt wurden, sind alles andere als abstrakt und sperrig: Sie sind fassbar und konkret und Teil unseres gesellschaftlichen und kulturellen Lebens geworden.
Deshalb ist die Geschichte dieses Fonds eine Erfolgsgeschichte. Und ich freue mich sehr, Ihnen heute zum 20jährigen Jubiläum ganz herzlich gratulieren zu können!
Möglichst viele Menschen teilhaben zu lassen und sie aktiv in das kulturelle Leben einzubeziehen das ist das wichtigste Anliegen aller soziokulturellen Förderung. Der Fonds Soziokultur ist ein wichtiger Partner bei der finanziellen, aber auch der
ideellen Förderung soziokultureller Aktivitäten und Anbieter. Dies leistet er mit einem Konzept, das der Unterschiedlichkeit kultureller Ausdrucksformen an ihren Standorten auf differenzierte Weise gerecht zu werden versucht.
Denn Soziokultur ist Vielfalt. Sie setzt im Nahbereich an, im Kiez wie der Berliner sagt, in Stadtteilen und damit an den Problemlagen des alltäglichen Lebens. Projekte der Soziokultur sind, im Vergleich zu manchen "Tankern" der sogenannten Hochkultur, die wendigen Lotsen des Kulturbetriebs. Ihr konzeptioneller Ansatz oder ihre Organisationsform erlaubt es ihnen, in besonderem Maße zielgruppenorientiert zu arbeiten. Die "Szene" - Sie werden das wahrscheinlich besser wissen als ich - verfügt über eine besondere Sensibilität und Offenheit für neue gesellschaftliche Themen. Sie fördert die aktive Auseinandersetzung mit Kultur und mit der eigenen Gestaltung kreativer Prozesse. Die Bedeutung dieses Aspekts der Partizipation ist nicht zu unterschätzen, gerade in einer Gesellschaft, in der die Medien vieles dominieren und Kultur oft nur noch als Event
wahrgenommen wird.
Durch zielgruppenspezifische Ansätze der Kulturvermittlung, durch generations- und spartenübergreifende Differenzierungen können Zugangsbarrieren zu kulturellen Angeboten abgebaut und neue Zielgruppen erschlossen werden. Insgesamt wird so ein spartenübergreifendes kulturelles Angebot geschaffen, das auch gesellschaftliche Gruppen anspricht, die von herkömmlichen Kulturangeboten nicht erreicht werden. Kinder, Jugendliche und Migranten verdanken soziokulturellen Einrichtungen häufig ihren ersten Zugang zu Kulturveranstaltungen.
Kulturelle Bildung fördert die Integration und Integration fördert die kulturelle Vielfalt.
Deshalb hat die Bundesregierung beides zu Schwerpunkten ihrer Arbeit erklärt. Kulturelle Bildung versteht sich im weiten Sinne als kulturpädagogisch vermittelte Allgemeinbildung, deren Vermittlung übergreifend und daher unabhängig von regionalen Besonderheiten ist.
Wir brauchen ein noch breiteres Fundament ästhetischer Erfahrung und Allgemeinbildung, die ein Grundverständnis für den Umgang, die Achtung und die Wahrung kultureller Werte bilden. Die Erfahrung mit den Künsten schult die Wahrnehmungs- und Lesefähigkeit in einem umfassenden Sinn. Sie trainiert die emotionale Intelligenz ebenso wie das Vermögen, über plurale Weltsichten nachzudenken. Kulturelle Bildungsarbeit ist das Fundament für all unsere Investitionen in die Zukunft. Auch die Zukunft unserer Kultureinrichtungen - und mit ihr das Publikum und die Künstler von morgen - hängen entscheidend davon ab, ob es ihnen gelingt, kulturelle Bildung weiterhin auf breiter Ebene und mit großer Teilhabe zu verankern.
Auch wenn nach der verfassungsrechtlich vorgegebenen Aufgabenaufteilung die Zuständigkeit für die Förderung der Soziokultur vorrangig bei den Ländern, Städten und Gemeinden liegt, ist der Bundesregierung die finanzielle Unterstützung der Soziokultur immer ein wichtiges Anliegen gewesen. Der Bund kann Einrichtungen und Projekte im Rahmen seiner gesamtstaatlichen Aufgaben unterstützen, insbesondere wenn es um Vorhaben mit Modellcharakter geht, die für andere soziokulturelle Initiativen und Einrichtungen qualitative Maßstäbe setzen.
Ich freue mich, dass die Bundesregierung trotz knapper werdender öffentlicher Mittel die Förderung der Soziokultur in Deutschland kontinuierlich ausbauen konnte. Das schließt auch die alljährliche Förderung der Bundesvereinigung soziokultureller Zentren ein.
Die Bundesförderung gewährleistet, dass die Bundesvereinigung ihre Aufgaben als Spitzenverband der Soziokultur erfüllen kann, nämlich die Interessen dieses Kulturbereichs zu ermitteln und gegenüber Politik und Öffentlichkeit zu vertreten. Die Bundesvereinigung übernimmt eine wichtige Rolle als Ansprechpartner in der Debatte politischer Entscheidungen, die die Rahmenbedingungen soziokultureller Einrichtungen in Deutschland gestalten.
Der Fonds Soziokultur erhielt bei seiner Gründung 1988 200.000 DM an Bundesmitteln. Als der Fonds im Jahre 2004 von der KSB übernommen wurde, konnten die Mittel verdoppelt werden; sie sind mittlerweile auf 1Million Euro jährlich angestiegen. Das ist eine beachtliche Steigerung! Insgesamt 10 Millionen Euro hat der Bund in den letzten 20Jahren zur Förderung soziokultureller Projekte zur Verfügung gestellt. Die gesamte Förderung des Bundes war aber weitaus höher, da über viele andere bundesfinanzierte Kultureinrichtungen und Kulturprojekte ebenfalls soziokulturelle Projekte finanziert wurden.
Der Fonds ist somit ein zentraler Partner bei der Förderung und Unterstützung soziokultureller Aktivitäten und Anbieter. Zu bedauern ist, dass sich seit der Verdopplung der Bundesmittel insbesondere die Kommunen zunehmend aus der Förderung zurückziehen. Aufgrund der Antragsflut können nur noch rd. 10 % der Anträge vom Fonds bewilligt werden. Es bleibt dabei: Für die Förderung der Soziokultur sind primär Länder und Gemeinden verantwortlich - so schreibt es unsere Verfassung vor. Und - wenn die Forderung nach weiterer Erhöhung der Mittel erfolgt - sind in erster Linie Länder und Kommunen aufgefordert zu handeln.
Getreu unserem kulturpolitischen Grundsatz, die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu verbessern, aber möglichst wenig in die Eigenständigkeit der Kulturschaffenden einzugreifen, wurden die Fördermittel 2004 in die Kulturstiftung des Bundes aufgenommen. Der Fonds profitiert so von dem guten Netzwerk aus Verbänden und anderen Kulturförderern, das bei der Kulturstiftung des Bundes zusammenläuft. Auch wünschen wir uns, dass thematische Förderschwerpunkte - wie z. B. kulturelle Bildung und Integration - auf diese Weise besser koordiniert werden können.
Zur beeindruckenden Bandbreite der Fördergegenstände des Fonds gehören herausragende Projekte, die beispielhaft und vorbildlich für eine Weiterentwicklung soziokultureller Arbeit stehen. Herr Dr. Sievers wird in seinem Rückblick darauf gleich näher eingehen.
Die Signalwirkung, die von solchen Projekten ausgeht, verstärkt der Fonds zusätzlich mit seinem alle zwei Jahre vergebenen Innovationspreis. Es ist eine noch junge Auszeichnung, die erst zum dritten Mal vergeben wird und diesmal unter dem Motto "Heimat Europa" steht. Eigentlich war nur ein Preis geplant, aber die Projekte s » sPink House Bremens « s und s » sLacho Droms « s überzeugten beim Wettbewerb um den Innovationspreis Soziokultur so sehr, dass nun beide geehrt und beide jeweils mit
7.500 Euro Preisgeld bedacht werden. Sie werden verstehen, dass ich mich als Bremer besonders darüber freue, dass ein Bremer Projekt gewonnen hat.
Ich beglückwünsche die Preisträger Gabriele Koch und Lutz Liffers für ihre Kunstinstallation Pink House Bremen und Jonathan Mack für sein Theaterprojekt Lacho Drom. Vielen Dank für Ihre wunderbaren Arbeiten!
Die Gestaltung der Zukunft unserer Gesellschaft braucht ein breites Fundament ästhetischer Bildung und privaten Engagements. Die Soziokultur legt Wert auf die gemeinschaftsstärkende Erfahrung kreativen und künstlerischen Tuns, das Menschen auf immer wieder neuen und unkonventionellen Wegen für Kunst und Kultur begeistert.
Möge diese Begeisterung niemals verloren gehen.
Ich danke allen Verantwortlichen für ihren unermüdlichen Einsatz und wünsche der Arbeit des Fonds Soziokultur weiterhin viel Erfolg!