Redner(in): Thomas de Maizière
Datum: 18.04.2008

Untertitel: Vortrag vor der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Dresden zum Thema:"Die Politik der Bundesregierung für die junge Generation"
Anrede: Sehr geehrter Dekan Karmann, sehr geehrte Herren Professoren, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/04/2008-04-18-chefbk-uni-dresden,layoutVariant=Druckansicht.html


bei dem nicht ganz einfachen Thema, das Sie mir für den Festvortrag gestellt haben, ist Folgendes wichtig: Es kann nicht um eine weitere Klientelpolitik gehen,

wenn man den Anspruch "Politik der Bundesregierung für die junge Generation" hört: ein bisschen für die Alten, ein bisschen für die Jungen sozusagen Rentnerrepublik gegen Jugendgewalt. Anspruchsgruppen, die der Politik immer nur mit einer passiven Erwartungshaltung gegenübertreten, die

ausschließlich Verteilungspolitik zu ihren Gunsten erwarten, haben wir schon mehr als genug. Darum kann und darf es hier nicht gehen.

Es gehört generell zu den Aufgaben von Regierungspolitik, aber auch zu denen der kleineren Parteien oder der Opposition, dazu beizutragen, integrative und nachhaltige Politikangebote zu machen. alle Menschen, egal wie alt sie sind, sollten gute Startchancen und immer wieder neue Chancen bekommen. Chancen zur persönlichen Entfaltung, zur Teilhabe, zur eigenen Leistung. Chancen, sich die Früchte der eigenen Arbeit auch aneignen zu können. Zugleich aber auch Chancen, bei Misserfolg nicht einfach abgehängt und aufgegeben zu werden.

Ich habe bewusst gesagt, die Politik muss dazu beitragen. Denn sie kann nur ihren Teil dazu leisten. Für die Chancen und den Erfolg des Einzelnen spielen Begabung, Fleiß, Familie, Nachbarschaft, gesellschaftliche Einstellungen gewiss eine ebenso große Rolle wie staatliche Rahmenbedingungen.

Das klingt zugegebenermaßen zunächst ein wenig abstrakt. Aber ich denke, an einer Universität ist eine solche Vorüberlegung erlaubt. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass gute Politik für die junge Generation nicht entscheidend davon abhängt, ob die BAföG-Leistungen nun um fünf oder um zehn Prozent angehoben werden.

Sie werden gewiss kaum widersprechen, wenn ich feststelle, dass sich gerade im akademischen Umfeld, für gut ausgebildete und leistungsbereite Jüngere, heute auch im Vergleich mit früheren Generationen ganz ausgezeichnete Chancen bieten.

Anders als frühere Generationen leben sie stabil in Frieden und Freiheit.

Die gut ausgebildeten Jüngeren können die Globalisierung als Chance nutzen. Sie empfinden die Globalisierung nicht als Bedrohung, weil sie schon mit ihr aufgewachsen sind, weil sie sich auf sie einstellen konnten.

Selbst ein teilweiser Mangel an Fachkräften, der sich hier im Osten wegen der

demografischen Veränderungen allmählich abzeichnet, spielt den gut ausgebildeten Jüngeren eher in die Hände, weil ihre Qualifikationen begehrt sind. Die Kommunen in Ost und West werben um junge Familien. Unternehmen zeigen sich zunehmend als vorbildliche Arbeitgeber, die auf das private Lebensumfeld junger Beschäftigter eingehen, weil sie darin einen Wettbewerbsfaktor im "Kampf um Talente" sehen.

In Bezug auf Lebenschancen der heute Jüngeren muss die Politik aber natürlich alle jungen Menschen im Auge behalten, da geht es nicht nur um erfolgreiche Hochschulabsolventen. Und hier haben Politik und Gesellschaft in den vergangenen Jahren einen gewissen Lernprozess durchgemacht. Vielleicht war es der demografische Wandel, der uns vor Augen geführt hat, dass die Jugend "knapp" geworden ist, wenn ich das vor diesem Auditorium einmal im Ökonomendeutsch ausdrücken darf.

Wir müssen stärker darauf achten, dass alle jungen Menschen Chancen bekommen, dass niemand zurückbleibt. Das betrifft die frühkindliche Bildung, die Frage des Schulabbruchs und der Ausbildungsfähigkeit. Wir wollen, dass jeder junge Mensch eine Perspektive hat, sich und seine Familie von eigener Arbeit zu ernähren. Dass wir keinem Zwanzigjährigen sagen: "Pech gehabt. Hier hast Du Hartz IV, mehr kannst Du in den nächsten 70 Jahren nicht erreichen."

Meine Damen und Herren,

ich will deshalb das Spektrum der Politik und Chancen für die jüngere Generation in die folgenden drei Fragen aufteilen:

Erstens: Was konkret wünschen sich die jungen Menschen in Deutschland für die Zukunft?

Zweitens: Was soll und kann die Rolle des Staates und der Politik sein und was tut die Politik heute konkret, um jungen Menschen Chancen zu öffnen?

Und schließlich drittens: Wie können die Jüngeren und insbesondere die jüngeren Leistungsträger dazu selbst etwas beitragen, dass sie ihre Chancen zum Wohle unseres Landes nutzen?

Erstens: Was also wünschen sich

die jungen Menschen in Deutschland? Wie wollen sie etwa in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren leben?

Die Umfragen zeichnen ein interessantes und vielschichtiges Bild:

Danach wünschen sich die Menschen in Deutschland für die Zukunft derzeit vor allem eines: Sicherheit und Stabilität. Eigentlich ziemlichmerkwürdig für junge Leute. Würde man doch denken, sie wollten eher Veränderung, Aufregung.

Einen sicheren Job. Nicht umziehen zu müssen. Einen verlässlichen Partner. Eine enge Beziehung zu Familie und Freunden. Rücksichtnahme und Solidarität. Kinder, aber auch Hilfe bei deren Betreuung. Sicherheit und Frieden und eine gesunde Umwelt. Technischen Fortschritt, der sich ins Leben integriert. Der Unterschied zu den Wünschen älterer Menschen ist übrigens gar nicht so groß, wie man vielleicht zunächst denkt.

Andererseits wünschen sich die jungen Menschen gerade die Stärkeren eine stärkere Belohnung von Leistung, mehr Raum für Individualität und Freizeit. Auf Herausforderungen wird mit individuellen Lösungen reagiert. Umfassende Wertesysteme wie durch Parteien oder Religionen repräsentiert haben einen nicht so hohen

Stellenwert. Im Trend liegt statt dessen ein individueller "Werte-Mix".

Die letzte Shell-Jugendstudie zeigte eine starke Identifikation mit der Elterngeneration, hohe Familienorientierung und Leistungsbereitschaft gekoppelt mit erheblichen Sorgen in bezug auf die Zukunft: 70 Prozent der 16- bis 24jährigen sorgten sich um den Arbeitsplatz und um die Verantwortung für die ältere Generation, die einmal auf sie zukommt. Insgesamt herrscht eine relativ große Zufriedenheit mit der jetzigen Situation, aber wenig Unbekümmertheit oder Unbeschwertheit in Bezug auf die Zukunft.

Eine Untersuchung bei Hochschulabsolventen hat ein ähnliches Bild ergeben: trotz der beschriebenen Chancen besteht eine erhebliche Zukunftsskepsis, insbesondere bezogen auf den Arbeitsmarkt und die Alterung der Gesellschaft. Oben auf der Werteskala der Studenten: eine interessante Arbeit, Entwicklung der Persönlichkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Treue, Verantwortung und Engagement. Deutlich abgeschlagen dagegen: Genuss, Konsum oder Reichtum. Das ist nicht der Hedonismus oder Materialismus, den man der Jugend ( übrigens schon seit Jahrhunderten ) immer wieder gern vorwirft, sondern eher das Gegenteil.

Diese Ergebnisse bilden natürlich nicht das ganze Bild ab: Wie wir in der Zukunft leben wollen, ist stark davon geprägt, wie wir die Gegenwart erleben.

Vorhandenes wird oft als selbstverständlich genommen, Abwesendes als dringlich notwendig empfunden. Die Sorge, es könnte in Zukunft schlechter werden, ist auch ein Ausdruck des hohen Lebensstandards, den wir erreicht haben. Die existenziellen Wünsche früherer Zeiten, nach Frieden, Nahrung, Wärme, aber auch nach Freiheit, Gerechtigkeit oder Mitbestimmung werden zum Glück! häufig als so selbstverständlich empfunden, dass sie nicht ausdrücklich genannt werden.

Aber eines wird deutlich: die Herausforderungen von Globalisierung und Flexibilisierung rufen in vielen Menschen den Wunsch nach mehr Sicherheit und Geborgenheit hervor. Die demografische Entwicklung und die veränderte Arbeitswelt lassen schon junge Menschen einen hohen Druck und viel Verantwortung fühlen das gilt auch für die mit einer guten Ausbildung. So scheint bei den Jugendlichen eine Generation heranzuwachsen, die keineswegs voll davon überzeugt ist, bessere Chancen zu haben als ihre Eltern.

Die Welt, nach der sich die Menschen in Deutschland sehnen, ist damit keine grundlegend andere als unsere heutige. Aber sie ist offensichtlich eine Welt, die bei aller Freiheitlichkeit mehr Betonung auf Werte wie Gemeinschaft und Verantwortung legt; und die anerkennt, dass der Belastung und Flexibilität auch des leistungswilligsten Einzelnen Grenzen gesetzt sind: eine "soziale Leistungsgesellschaft", mit "mehr Freiheit und mehr Gemeinschaft","mehr Individualität und mehr Verantwortung". Hierzu gehört auch der hohe Stellenwert, den die Erhaltung der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen einnimmt.

Dies sind deutliche Signale, auch an die Politik. So zufriedenstellend die hohe Identifikation mit unserem Land und unserer Gesellschaft insgesamt ist, so wichtig ist es für ein funktionierendes Gemeinwesen, dass die Menschen auch der Zukunft mit Sicherheit und Optimismus entgegen sehen. Für die Innovationskraft einer Gesellschaft ist es wichtig, dass Neugier und Veränderungsmut bestimmend sind.

Zweitens: Was soll und kann die Rolle des Staates und der Politik vor diesem Hintergrund sein und was tut die Politik heute konkret, um jungen Menschen Chancen zu öffnen?

Was der Staat leisten muss, ist Folgendes: die richtigen Rahmenbedingungen setzen, die individuelle Entfaltung in Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit möglich machen. Konsenslösungen finden. Orientierung bieten und Werte wahren.

Er muss Ausgleich und Konsens finden werden, wo es bestimmte Interessen gibt: Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, das bezahlbar ist. Soziale Sicherungssysteme in der richtigen Balance zwischen Eigenverantwortung und staatlicher Fürsorge. Gerechter Ausgleich der Belastungen zwischen den Generationen. Haushaltskonsolidierung versus verstärkte Zukunftsinvestitionen, z. B. in Bildung und Forschung. Um nur ein paar der bekannten Themen zu nennen.

Bei all dem sehe ich die Regierung jedoch gerade nicht als Erfüller beliebiger Trends und Mehrheitswünsche das ist es nicht, was Demokratie ausmacht. Verantwortliches Regierungshandeln genauso wie verantwortliches individuelles Handeln bedeutet, dass Stimmungen geprüft werden gegen verantwortliche Führung auf der Basis von Werten.

Eine wertefreie Politik gibt es nicht und darf es nicht geben. Verantwortliche Politik erfordert daher immer einen leitenden Wertekanon. Woher nehmen wir diese Werte? Für mich kommen sie aus dem Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, den fundamentalen Vorgaben des Grundgesetzes und dem Verantwortungsgefühl eines christlich geprägten Bildes des Menschen und unserer Welt. Diese Werte angesichts vielfältiger neuer Anforderungen und Veränderungen in praktischer Politik, nicht nur in einem Seminarraum für Ethik, zu sichern, das macht für mich im eigentlichen Sinne moralisches Handeln als Politiker aus.

Der Sehnsucht der Menschen nach einer Welt mit verstärkter Sicherheit und Stabilität begegnen wir daher verantwortungsbewusst nicht dadurch, dass wir eine Illusion von dichteren Sozialleistungen oder geringeren Anforderungen an den Einzelnen kreieren. Sondern dadurch, dass wir deutlich machen, dass mit der Ausübung von Freiheit zwingend Unsicherheit verbunden ist und welche Chancen die Zukunft uns bietet und wie jeder Einzelne sie nutzen kann: Gerade die Globalisierung ist es, die im Land des "Exportweltmeisters" eine Fülle neuer zukunftsträchtiger Jobs geschaffen hat.

Die Konjunktur läuft immer noch gut. Die Arbeitslosenzahlen sind so niedrig wie seit 12 Jahren nicht mehr, gleichzeitig sind mehr Menschen denn je in Deutschland erwerbstätig: zum ersten Mal über 40 Millionen. Neue Technologien werden völlig neue Wege eröffnen, sei es bei der Energieversorgung, im Umweltschutz oder im Gesundheitsbereich.

Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren wichtige Maßnahmen ergriffen, um jungen Menschen Chancen zu eröffnen: durch konsequente Förderung von Bildung und Forschung, durch eine verantwortliche, nachhaltige Finanzpolitik und durch die Sicherung unserer Sozialsysteme.

Wir haben daher in den letzten Jahren eine Vielzahl von Initiativen gestartet, damit jeder junge Mensch die besten Chancen auf Bildung und Qualifizierung in Schule, Ausbildung und Universität erhält:

Der Ausbau der frühkindlichen Förderung und der Ganztagsschulen, in West notwendiger als in Ost ein ganz wichtiger Punkt für junge Menschen, die eine Familie gründen wollen. Der Abschluss des Ausbildungspakts. Der Integrationsplan. Der Hochschulpakt und die Exzellenzinitiative. Der nachdrückliche Ausbau der Begabtenförderung.

Immer wichtiger wird dabei, dass unser Bildungssystem durchlässig ist, damit keine Entscheidung im Laufe eines Bildungsweges zur Sackgasse wird.

Zu jedem "Abschluss" muss es einen "Anschluss" geben. Individuelle Zuwendung und Förderung sind die entscheidenden Mittel eines chancen-gerechten Bildungssystems.

Um den Anspruch "Aufstieg durch Bildung" noch mehr als bisher in die Tat umzusetzen, vereinbaren wir derzeit mit den Ländern eine nationale Qualifizierungsinitiative zur Stärkung der Bildungschancen in allen Lebensbereichen, von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung. Der Dialog zwischen Bund und Ländern wird unter anderem auch bei einem "Bildungsgipfel" im Herbst hier in Dresden im Oktober oder November geführt.

Im Rahmen der nationalen Qualifizierungsoffensive unterstützt der Bund die frühe Sprachförderung und das Modell der "Bildungshäuser" beim Übergang von der Kita in die Schule.

Wir fördern Ausbildungsplätze für Altbewerber mit einem Ausbildungsbonus für Betriebe. Sie sollen nicht in endlosen Warteschleifen landen. 50 Prozent der Bewerber in Deutschland sind Altbewerber.

Wir führen Aufstiegsstipendien ein auch für besonders leistungsstarke Absolventen des dualen Systems und begabte Berufstätige, um ihnen den Weg an die Hochschulen zu ebnen. Und wir fördern die Möglichkeiten und das Interesse gerade von Frauen für naturwissenschaftliche Berufe und für die Wissenschaft.

Ziel der Bundesregierung ist, dass der Anteil eines Jahrgangs, der sich für ein Hochschulstudium entscheidet, von heute 35 Prozent auf 40 Prozent steigt. Bund und Länder werden daher mit dem "Hochschulpakt 2020" 90.000 zusätzliche Studienplätze schaffen. Der Bund stellt hierfür und für den Ausbau der universitären Forschung bis 2011 rund zwei Milliarden Euro zur Verfügung.

Da die Studienanfängerzahlen in Ostdeutschland auf Grund der demografischen Situation deutlich zurückgehen werden, werden die neuen Länder bei der Stabilisierung und der überregionalen Vermarktung ihres Studienplatzangebotes unterstützt.

Neben Bildung ein anderes Beispiel und eine unserer wichtigsten Aufgaben gleich zu Beginn der Legislaturperiode war die Haushaltskonsolidierung:

Eine nachhaltige Sanierung der öffentlichen Finanzen ist zentral für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und für die junge Generation. Der Abbau der Neuverschuldung eröffnet dem Staat neue Handlungsspielräume, um Wachstum und Beschäftigung in Deutschland zu unterstützen. Gleichzeitig hilft dies, die Herausforderungen aus dem demografischen Wandel zu meistern und für mehr Generationengerechtigkeit zu sorgen.

In der Finanzpolitik hat sich die Bundesregierung für eine Doppelstrategie aus Konsolidierung und Wachstumsförderung entschieden. Dabei hat sich gezeigt, dass Haushaltssanierung und Wachstumspolitik keineswegs Gegensätze sein müssen, sondern sich durchaus wechselseitig verstärken können.

Die kräftig gestiegenen Steuereinnahmen haben zur erfolgreichen Konsolidierung beigetragen. Die Neuverschuldung im Bundeshaushalt konnte seit 2005 mehr als halbiert werden. Im Jahr 2007 war der öffentliche Gesamthaushalt ausgeglichen erstmals seit dem Jahr 1989. Dazu hat auch Sachsen seinen Beitrag geleistet.

Gleichzeitig konnte mit einem Teil des Aufkommens aus der Mehrwertsteuererhöhung die Absenkung der Lohnnebenkosten erreicht werden.

Insbesondere für Unternehmen und Kapitaleinkünfte sind international wettbewerbsfähige Steuersätze von zentraler Bedeutung.

Ich sage Ihnen als Ökonomen nichts Neues, wenn ich betone, dass Unternehmen und Finanzkapital mobil sind. Sie können sich durch Wegzug oder Verlagerung in Niedrigsteuerländer der Besteuerung in Deutschland leicht entziehen. Hier bestand für die Bundesregierung daher dringender Handlungsbedarf.

Die Steuerbelastung für Unternehmen wurde von bisher 39 auf unter 30 Prozent des Unternehmensgewinns einschließlich Gewerbesteuer gesenkt. So fördern wir Investitionen und Wachstum, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.

Darüber hinaus werden gegenwärtig wieder häufiger Steuersenkungen bei der Einkommensteuer für die Arbeitnehmer gefordert. Hierbei wird insbesondere auch auf das Phänomen der so genannten "kalten Progression" und der "heimlichen Steuererhöhungen" hingewiesen. Ihnen muss ich das hier nicht erklären.

Ich habe dafür Verständnis, dass Forderungen nach weiteren Steuersenkungen entstehen gerade bei gut verdienenden bei Berufseinsteigern, die Außergewöhnliches zu leisten bereit sind und sich vielleicht gleichzeitig in der Familiengründungsphase befinden. Perspektivisch halte ich weitere Steuersenkungen auch für angezeigt. Derzeit steht jedoch unverändert die Haushaltskonsolidierung im Vordergrund.

Das Ziel der Bundesregierung, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne Nettoneuverschuldung zu erreichen, erfordert einen konsequenten Sparkurs der Bundesregierung. Und das ist für die Jahre 2009 bis 2011 viel schwerer als für die beiden letzten Jahre.

Das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit. Steuersenkungen "auf Pump" kommen für die Bundesregierung nicht in Frage. Hier gilt unverändert, dass Schulden von heute die Steuern von morgen sind. Ich hoffe auch, dass wir bei der Föderalismusreform II etwas in Richtung "Schuldenbremse" hinbekommen.

Ein drittes Beispiel: Fundamentale Aufgabe für die nächsten Jahre und Jahrzehnte ist es, die Zukunftsfähigkeit unserer Sozialsysteme zu sichern und bezahlbar zu machen.

Generationengerechtigkeit heißt hier, die steigenden Kosten der sozialen Sicherung in einer alternden Gesellschaft gerecht zwischen allen Generationen zu verteilen. Das Beitrags-Leistungs-Verhältnis darf sich nicht zu einseitig zu Lasten der Jüngeren verschieben.

Zur Generationengerechtigkeit gehört aber auch die Stabilisierung eines aus-reichenden Sicherungsniveaus für die jetzigen und künftigen Generationen.

Vergleichen wir die Lohnzusatzkosten zu Beginn der Legislaturperiode mit denjenigen im Jahr 2008, so werden die Beitragszahler Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen heute um fast 14 Milliarden Euro entlastet. Für den einzelnen Arbeitnehmer mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 28.000 Euro bedeutet das knapp 600 Euro weniger Sozialbeiträge.

Für die Rentenversicherung wurden langfristige Ziele aufgestellt bis 2020 soll der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen und das Sicherungsniveau vor Steuern nicht unter 46 Prozent fallen. Die Rente ab 67 war ein wichtiger Schritt, um diese Ziele einhalten zu können. Sie gelten weiter fort.

Viele von Ihnen werden die Diskussion um die Rentenerhöhung von 1,1 Prozent zum 1. Juli dieses Jahres verfolgt haben.

Unser Entwurf tariert die Interessen der verschiedenen Generationen aus: Die Rentnerinnen und Rentner partizipieren am Aufschwung durch eine höhere Rentenanpassung. Dank der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung kann die Rentenerhöhung ohne eine Anhebung des Beitragssatzes realisiert werden. Die bislang ab 2011 zu erwartende Beitragssatzsenkung wird allerdings auf die Jahre 2012 ( 19,5 Prozent ) und 2013 ( 19,1 Prozent ) verschoben. Die ausgesetzten Dämpfungen der Rentenanpassung durch die so genannte Riestertreppe werden in den Jahren 2012 und 2013 nachgeholt.

Ich glaube, die Lösung, die wir gefunden haben, ist ausgewogen. Wir sind dabei einer doppelten Zielsetzung gefolgt, nämlich

einerseits keine Überforderung der aktiven Generation

und andererseits Teilhabe möglichst aller am Aufschwung dann, wenn sich in engen Grenzen neue Verteilungsspielräume ergeben.

Bei der in Rede stehenden Größenordnung von einer Entscheidung zu sprechen, die massiv zu Lasten der jüngeren Generation geht, erscheint mir überzogen.

Beitrag der Jüngeren

Meine Damen und Herren,

Drittens: wenn gerade gut ausgebildete Jüngere eine Vielzahl von Chancen haben, dann erwächst für sie daraus auch ein hohes Maß an Verantwortung.

Verantwortung für sich selbst, die Chancen auch zu nutzen. Ebenso sehr aber auch Verantwortung für andere, für das Gemeinwesen, für den Erhalt der Chancengesellschaft.

Das Zitat ist vielleicht ein wenig überstrapaziert, aber schön: Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann frage, was Du für Dein Land tun kannst."

Denn wenn junge Menschen die Hochschule verlassen, voller Erfolgswillen und Leistungsbereitschaft sind, Verantwortung übernehmen wollen, dann stellt sich auch die Frage, in welchem Bereich sie diese Verantwortung anstreben.

Und da stelle ich fest, dass wir heute vielleicht ein gewisses Ungleichgewicht haben, gerade auch bei den Zielen von Wirtschaftswissenschaftlern. Ein Ungleichgewicht zugunsten von Karrieren in Verwaltungen, in Unternehmen oder in Forschungsinstituten und zu Lasten der Gründung eines eigenen Unternehmens oder eines gesellschaftlichen oder politischen Engagements.

Gewiss, es gibt viele, allesamt sehr berechtigte Möglichkeiten, seine Talente einzubringen, sich als Leistungsträger hervorzutun, etwas für sich und andere aufzubauen. Wer für seine Familie Verantwortung trägt, Werte vorlebt, sich ehrenamtlich engagiert, aber auch wer wegen seines hohen Einkommens viele Steuern zahlt, wer ein Unternehmen leitet, wer eine Kindertagesstätte führt, der ist letztlich Leistungsträger. Jede und jeder, die oder der etwas für andere zu leisten bereit und imstande ist.

Aber das alles reicht noch nicht aus, wenn es mit einer distanzierten, passiven Haltung in gesamtgesellschaftlichen, politischen Fragen verbunden ist.

Aus Umfragen wissen wir, dass immer weniger Menschen Vertrauen in die politischen Parteien und Politiker haben. Mehr als die Hälfte der Deutschen traut keiner Partei zu, die gegenwärtigen Probleme zu lösen.

Bei jungen Menschen ist die Politikverdrossenheit ganz besonders ausgeprägt. Selbst unter denjenigen, die sich als politisch interessiert bezeichnen, äußern viele ein geringes Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen, insbesondere in die Parteien.

Bei den Parteien ist es aber auch nicht anders als bei anderen gesellschaftlichen Institutionen oder in Unternehmen: Sie werden geprägt durch die Menschen, die sich in ihnen engagieren, durch die Personen, die sie repräsentieren. Politiker sind keine besseren oder schlechteren Menschen als andere, sie haben Stärken und Schwächen wie alle Menschen, Verfehlungen finden sich bei ihnen wie in der ganzen Bevölkerung.

Wer das Gesicht von Parteien verändern will, der muss in sie eintreten.

Für einen einzelnen jungen Menschen mag diese Aufgabe auf den ersten Blick aussichtslos erscheinen. Wenn sich aber mehrere zusammentun, wird es aber vielleicht schon leichter. Bei vielen Parteien lässt sich beobachten, wie eine ganze Generation von Politikern, die in jungem Alter gemeinsam aktiv wurden, die Parteiführungen später auf Jahre hinaus prägen.

Ich bin ein großer Freund von Debattierclubs, die sich in den letzten Jahren nicht nur an Schulen, sondern auch an deutschen Universitäten etabliert haben. Aber debattieren allein reicht nicht. Warum ist der Anteil derjenigen, die sich zugleich politisch engagieren, so gering?

Es muss auch nicht immer gleich die "große Politik" sein. Das kann an der Fakultät oder der Uni beginnen.

An einer Hochschule stellt sich da immer auch die Frage: was leben die Professoren vor? Denn auch sie prägen natürlich ihre Studenten.

Unter den Wirtschaftsprofessoren so kritisch darf ich auch in einem Festvortrag sein findet

man leider sehr häufig den Typ des "Salon-Ordnungspolitikers". Das ist jemand, der seinen Studenten klarmacht, dass er es eigentlich alles besser weiß und besser könnte, wenn man ihn nur ließe. Dass die Politik nicht nachhaltig ist, nicht generationengerecht, eben nicht ordnungspolitisch genug. Dass auf der Hand liegt, wie man es besser machen würde. Jemand, der vielleicht noch darauf hinweist, dass der Medianwähler eben schon 60 ist, jede Intervention zwecklos, die Politiker außerdem zu dumm.

Natürlich ist das jetzt ein wenig überspitzt formuliert. Ich halte diese Einstellung für gefährlich, weil sie dazu beiträgt, dass sich unter Akademikern so etwas wie eine Politikverdrossenheit auf hohem Niveau etabliert.

Selbst unter den Wirtschaftsprofessoren, die ihre Aufgabe auch in an die Öffentlichkeit gerichteter Politikberatung sehen erfreulicherweise gibt es davon eine ganze Reihe, und ich bin froh darüber lässt sich oft eine seltsame Distanz zum jeweiligen Thema beobachten; jedenfalls eine seltsame Distanz zu der Frage, was mit den eigenen Ratschlägen in der Praxis eigentlich passiert.

In der vergangenen Woche hat der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Professor Straubhaar, von einer "dramatischen Machtverschiebung aufgrund der Alterspyramide" gesprochen."Die BILD-Zeitung" macht auf mit Titeln wie "Rentner-Republik Deutschland. Die Alten übernehmen die Macht." Manch einer hat geklagt, dass ein junger CDU-Abgeordneter, der sich kritisch zur Aussetzung des Riester-Faktors bei der anstehenden Rentenerhöhung geäußert hat, aus der Senioren-Union mit dem Verlust seines Mandates bedroht worden sei.

Die Einschätzungen vieler Wirtschaftswissenschaftler wirken hier wie die von Zaungästen, nicht wie die von Akteuren.

Mit Verlaub gerade für die Jüngeren, die der Auffassung sind, ihre Interessen und Vorstellungen fänden nicht genügend Fürsprecher, muss doch gelten:

Nehmen Sie keine Zuschauerposition ein, wenn es um das Kämpfen für die Interessen der jungen Generation, um den Erhalt der Chancengesellschaft geht. Werden Sie selbst aktiv!

Albert Camus hat einmal gesagt: Die wahre Großzügigkeit der Zukunft gegenüber besteht darin, in der Gegenwart alles zu geben."