Redner(in): Angela Merkel
Datum: 04.06.2008

Untertitel: gehalten in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Bundesminister, lieber Franz Josef Jung, sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter, Herr Robbe, sehr geehrter Herr Professor Pommerin, sehr geehrte Mitglieder des Beirates Innere Führung, sehr geehrte Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften, liebe Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/06/2008-06-04-merkel-50-jahre-beirat-verteidigung,layoutVariant=Druckansicht.html


meine Damen und Herren!

Ich bin auch wenn es eine Premiere ist; es muss ja immer wieder einmal etwas Neues passieren sehr dankbar dafür, an diesem Jubiläumsfestakt "50 Jahre Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung" teilnehmen zu können. Ich glaube, dass die Innere Führung wirklich eine Konstante der Bundesrepublik Deutschland und der Bundeswehr geworden ist, sodass ich gerne hierher gekommen bin.

Dazu, dass ich zum ersten Mal hier bin: Das kann auch mit dem Jubiläum zu tun haben; das gab es noch nicht. Insofern hatten andere Bundeskanzler andere Herausforderungen. Zum 100. Jahrestag sollte dann wieder ein Bundeskanzler hier sein, würde ich sagen. Ich bin gerne hierher gekommen, weil sich der Beirat in besonderer Weise um die demokratische Kultur in unserem Land verdient gemacht hat.

Ich glaube, Sie haben mit dem Jüdischen Museum als Ort Ihrer Veranstaltung einen ganz besonders geeigneten Ort gewählt, um diese Verdienste zu würdigen. Das Jüdische Museum steht nämlich für den Reichtum jüdischer Kultur und jüdischer Geschichte in Deutschland. Es steht für den beispiellosen Zivilisationsbruch des Nationalsozialismus. Es steht aber eben auch für die Lehren, die Deutschland aus der Geschichte ziehen muss, um eine gute Zukunft zu gestalten, die Deutschland aber auch gezogen hat. Wer dieses Museum besucht, der spürt so geht es jedenfalls mir auch den unglaublichen Verlust, den wir in Deutschland zu beklagen haben, indem wir diesen Zivilisationsbruch begangen haben. Wir können sagen: Wir können froh sein, dass es heute wieder jüdisches Leben in Deutschland gibt.

Deshalb sind wir in diesem Gebäude mit einer ständigen Mahnung konfrontiert: Es ist die unteilbare und unveräußerliche Würde des Menschen, die wir unter allen Umständen zu achten und zu schützen haben. Deshalb sind auch die Menschenrechte Dreh- und Angelpunkt unseres Grundgesetzes. Gesellschaft und Politik, Menschen und Institutionen des öffentlichen Lebens in Deutschland sind gleichermaßen den Werten von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet. Das gilt dauerhaft und ohne Wenn und Aber. Auf diesem gemeinsamen Wertefundament ruht von Anfang an auch die Bundeswehr mit ihrer Inneren Ordnung und ihrer Führungsphilosophie.

Als Konsequenz aus den Lehren der deutschen Geschichte war für alle Beteiligten bei der Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955 klar: Die Bundeswehr muss eine Parlaments- und Bündnisarmee sein, die Soldaten müssen bei ihrem Eintritt in die Bundeswehr Staatsbürger mit allen verfassungsmäßigen Rechten bleiben und das Menschenbild des Grundgesetzes muss auch für die Soldaten der Bundeswehr verbindliche Vorgabe sein. Mit dem Konzept der Inneren Führung wurde das Menschenbild des Grundgesetzes in den Streitkräften verankert. Alle Bundesverteidigungsminister, alle Generalinspekteure und alle, die Verantwortung in dieser Bundeswehr übernehmen, fühlen diese Verpflichtung. Das macht auch die große Stärke unserer Bundeswehr aus.

Das heißt, der Bezug auf unser Grundgesetz ist fester Bestandteil des Selbstverständnisses der Bundeswehr. Deshalb sind auch Befehle an Recht und Gesetz gebunden. Deshalb erfährt der Soldat der Bundeswehr politische, historische und ethische Bildung. So kann er sein Handeln immer in einem übergeordneten Zusammenhang sehen, es verstehen und somit auch aus diesem übergeordneten Zusammenhang heraus Verantwortung übernehmen. Das macht, wenn ich das so sagen darf, den Geist der Bundeswehr aus.

Ich glaube, wir sind uns alle einig: Soldatinnen und Soldaten brauchen einen ethischen Kompass für ihre Tätigkeit. Deshalb bekennen sich nicht nur der Bundesverteidigungsminister und der Generalinspekteur zu den Prinzipien der Inneren Führung, sondern auch die gesamte Bundesregierung. Meine Anwesenheit hier ist auch Ausdruck dieser Tatsache. Das heißt, die Innere Führung ist Teil und Mittel der politischen Führungsverantwortung in der Bundeswehr und damit wiederum ein Beitrag zur demokratisch-staatsbürgerlichen Kultur in unserem Land, die sich aus vielen Elementen zusammensetzt.

Man muss heute, wenn man in die Geschichte schaut, sagen, dass zu großen Vordenkern der Entwicklung des Leitbilds der Inneren Führung auch ehemalige Wehrmachtsoffiziere wurden Menschen, die Lehren aus der Geschichte gezogen haben. Wolf Graf von Baudissin, Johann Adolf Graf von Kielmansegg und Ulrich de Maizière sind Namen, die dafür stehen. Sie haben der Inneren Führung den Weg bereitet aus leidvoller Erfahrung, aus tiefer Überzeugung und mit sehr großer Beharrlichkeit. Sie haben damit den Grundstein dafür gelegt, dass die Bundeswehr heute das ist, was sie für uns ist.

Wenige Jahre nach Gründung der Bundeswehr wurde dann ein Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung gegründet. Im Juni 1958 tagte er zum ersten Mal. Die Zusammensetzung des Beirates war einem ständigen Wandel unterworfen. Das sagt vielleicht etwas über die Entwicklungen in der Geschichte unserer Republik aus. Doch trotz allen Wandels war immer klar: Der notwendige Austausch mit den verschiedenen Gruppen und geistigen Strömungen der Gesellschaft muss sich im Beirat widerspiegeln.

Dieses Prinzip, dieses Miteinander gilt bis heute fort. Wir brauchen die enge Vernetzung der Bundeswehr mit den gesellschaftlichen und politischen Akteuren. Nur so können möglichst viele Erkenntnisse und breite Erfahrungen für den Alltag der Streitkräfte nutzbar gemacht werden. Umgekehrt kann auch nur so die Akzeptanz der Aufgaben und der Notwendigkeit der Streitkräfte in die Gesellschaft hineintransportiert werden. Das heißt, nur eine freiheitlich-demokratische Bürgergesellschaft ermöglicht die gesellschaftliche Integration der Streitkräfte. Deshalb möchte ich auch all denen danken, die sich heute und in der Vergangenheit dazu bereit erklärt haben, sich genau dieser Aufgabe zu widmen.

Die kritisch-konstruktive Verbindung zwischen den Streitkräften und Staat, Gesellschaft, Kirchen und Religionsgemeinschaften hat natürlich auch die Innere Führung vorangebracht. Deshalb hat der Beirat nicht nur entscheidenden Anteil an der Erfolgsgeschichte der Inneren Führung, sondern man kann auch sagen: Er ist selbst eine Erfolgsgeschichte. 13Verteidigungsminister konnten sich seit der Gründung dieses Beirats auf seine Expertise und auf sein Engagement verlassen.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle allen ehemaligen und derzeitigen Beiratsmitgliedern meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen und einfach sagen: Sie haben sich alle egal, wie kritisch, egal, wie harmonisch die Beiträge waren um die Bundeswehr verdient gemacht. Ich kann auch sagen: Die Bundesregierung wird auch in Zukunft auf den Beirat setzen, seine Denkanstöße nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern sie auch berücksichtigen, und das in einer Zeit, in der wir natürlich wieder vor zentralen Fragen stehen, auf die wir gemeinsam immer wieder neue und überzeugende Antworten finden müssen.

Welchen weiteren Weg kann und muss die Innere Führung gehen? Was sind die Zukunftsaufgaben einer modernen und wertegebundenen Inneren Führung in einer Welt mit gesellschaftlichen Veränderungen und völlig neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen? Wie die Antworten darauf im Einzelnen auch immer ausfallen mögen, ich möchte vor allem drei Aspekte als grundlegend herausstellen.

Erstens. Innere Führung muss gesellschaftliche Entwicklungen aktiv in die Streitkräfte hineintragen. Nur so wird die Bundeswehr auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber sein. Das muss sie auch sein, denn die Bundeswehr konkurriert in allen Laufbahnen mit anderen Arbeitgebern um qualifizierten Nachwuchs; insbesondere, wenn es um Zeit- und Berufsoldaten geht. Das ist eine große Herausforderung; darüber hatte ich neulich ein sehr interessantes Gespräch mit den Inspekteuren.

Was ist denn Attraktivität? Das bedeutet natürlich eine solide soziale Absicherung und Versorgung der Soldatinnen und Soldaten. Es bedeutet auch Gleichberechtigung der Soldatinnen und Soldaten ein Thema, mit dem sich die Bundeswehr, gemessen an anderen Bereich der Gesellschaft, etwas verspätet auseinander setzen muss. Es bedeutet ebenso das Thema, das natürlich gravierende Auswirkungen auf die Zukunft der Bundeswehr haben wird, nämlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die klassische Vertretungsregelung für die Zeitsoldatinnen ist noch nicht so lang erprobt. Aber es kann natürlich nicht sein, dass die Bundeswehr der Arbeitgeber der Republik ist, bei dem die Frage des Nachwuchses sozusagen statistisch unterbelichtet ist. Das ist also eine interessante Herausforderung. Ich denke, es wird natürlich auch Lösungen geben, aber man muss erneut darüber nachdenken.

Wenn es um Attraktivität geht, bedeutet das natürlich nicht zuletzt, auch eine offene Diskussionskultur in den Streitkräften sowie einen offenen Dialog zwischen Gesellschaft und Bundeswehr zuzulassen und zu pflegen. Das gilt zum Beispiel für die Transformation der Bundeswehr, die in Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert wird. Nebenbei muss natürlich der Dienst erledigt und gestaltet werden. Deshalb können Pro- und Contra-Argumente auf der einen Seite nicht vor den Kasernentoren halt machen. Aber auf der anderen Seite muss ein Soldat auch jeden Tag wissen, was er zu tun hat. Es muss also eine gute Diskussionskultur in der Bundeswehr herrschen.

Das Prinzip von Befehl und Gehorsam ersetzt natürlich nicht die Verantwortung militärischer Vorgesetzter, die Soldatinnen und Soldaten auch wirklich vom Sinn eines konkreten Einsatzes es sind in den letzten Jahren mehr Einsätze geworden zu überzeugen. Wenn ich das sage, dann sage ich es nicht oberlehrerhaft, sondern ich sage es mit der Erfahrung aus vielen Besuchen bei der Bundeswehr, bei denen ich in wirklich beeindruckender Weise erlebt habe, wie diese Verantwortung gestaltet und gelebt wird. Die Vorgesetzten in der Bundeswehr tun das, weil natürlich auch sie wissen, dass sich nur der gut informierte und mündige Staatsbürger in Uniform im Spannungsfeld von Politik, Gesellschaft und Bundeswehr sicher bewegen können wird.

Deshalb sage ich: Es ist jede Anstrengung wert, in politische, historische und ethische Bildung auf allen Ebenen zu investieren. Deshalb ist jedes Bildungsangebot, das möglich ist, wirklich willkommen, um dieser Aufgabe in einer immer komplexer werdenden Welt mit neuen globalen Herausforderungen Rechnung zu tragen. Wer als Soldatin oder Soldat politisch gebildet und moralisch gefestigt ist, erfasst auch den Wesenskern der Inneren Führung und kann dies im alltäglichen Dienst vorleben und umsetzen.

Das führt mich nach der Attraktivität zu meinem zweiten Gedanken: Wir müssen Innere Führung als Verpflichtung für tägliches Handeln begreifen. Das heißt, alles, was wir an Werten postulieren ich habe vom Menschenbild gesprochen, muss sich auch tatsächlich im tagtäglichen Leben erfahren lassen. Das heißt, Dienst und Einsatzalltag sind eine ständige Bewährungsprobe dessen, was man in den Bildungsangeboten vermittelt bekommt. Ich glaube, das ist eine große Aufgabe für die Vorgesetzten in der Bundeswehr und wird, vermute ich einmal, von den heute sehr mündigen Soldatinnen und Soldaten auch ständig auf den Prüfstand gestellt. Junge Menschen brauchen Vorbilder, mit denen sie sich identifizieren können. Das heißt, Innere Führung bedeutet eben auch Leben und Handeln als Vorbild.

Innere Führung steht also für einen ganzheitlichen Blick auf den Soldaten als Individuum in der militärischen Gemeinschaft, als Mensch, der eine Familie hat, und als Soldat, der eben Staatsbürger ist. Auch wenn hier in mehr als fünf Jahrzehnten Beachtliches erreicht worden ist, so bleibt das gerade, wenn es heutzutage Einsätze außerhalb des Bündnisgebietes gibt, wenn es völlig neue Herausforderungen gibt eine stets aufs Neue zu bewältigende Aufgabe. Das ist nichts Fertiges, Abgeschlossenes. Darüber muss diskutiert werden. Reine Appelle reichen natürlich nicht, sondern das ist eine Haltung, die von der gesamten Gesellschaft unterstützt werden muss.

Besonders in Einsatzsituationen im Ausland spielt die Herausforderung dessen, was Innere Führung heißt, natürlich eine wichtige Rolle. Das ist mein dritter Grundgedanke. Die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen verlangen einen umfassenden Sicherheitsbegriff. Was heißt das? Wir leben heute in einer multipolaren Welt. Die Bipolarität des Kalten Krieges ist vorbei. Wir sind alle froh darüber. Dennoch, mit einem gewissen Abstand zu dem, was jetzt fast historisch zu nennen ist wir nähern uns dem 20. Jahrestag des Endes des Kalten Krieges, denkt man manchmal: Die Welt des Kalten Krieges hatte eine gewisse Überschaubarkeit. Sie war in ihrer Struktur berechenbar. Sie war einerseits bipolar das kann man noch ganz gut überblicken, sie hatte andererseits den Charakter, dass keine der beiden Seiten vorhatte, sich selbst zu vernichten. Das heißt, man konnte mit einem schwierigen Prinzip, das unser Leben stark beeinflusst hat, dem Prinzip der Abschreckung, immerhin eine Ordnung in dieser Bipolarität schaffen und dann relativ geordnet vom Prinzip der Abschreckung zu einer Abrüstung und einer Öffnung kommen.

Die Multipolarität stellt uns vor vollkommen neue Herausforderungen. Natürlich spielen die Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin eine große Rolle, aber ich habe bereits vielmals aus tiefer Überzeugung gesagt: Ein Staat allein wird auf dieser Welt die Probleme, vor denen wir stehen, nicht mehr lösen können. Die asymmetrischen Bedrohungen zeichnen sich dadurch aus, dass an ihnen Menschen beteiligt sind, die ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, um bestimmte Gesellschaftsformen zu stören. Deshalb ist es unsere Aufgabe, den Sicherheitsbegriff sehr viel weiter zu definieren, als wir es bisher getan haben.

Die Bundesregierung hat auf einer Tagung des Kabinetts im Verteidigungsministerium das Weißbuch beschlossen und diesen neuen Sicherheitsbegriff, den Begriff der vernetzten Sicherheit, zum Kern des Weißbuchs gemacht. Ich darf sagen: Wir leben das bereits im Alltag, indem wir zum Beispiel in der Afghanistan-Kooperation längst nicht mehr die gesamte Verantwortung beim Verteidigungsministerium belassen. Vielmehr gibt es diesbezüglich einen permanenten Diskurs zwischen Auswärtigem Amt, Verteidigungsministerium, Innenministerium und Entwicklungsministerium.

Was sich da abspielt und in den letzten Jahren abgespielt hat, sollte man nicht gering schätzen. Denn wenn man zum Beispiel nach Masar-i-Sharif kommt und merkt, mit welcher Kenntnis dort über Entwicklungshilfe gesprochen wird und wie gerne Nichtregierungsorganisationen dort Unterstützung suchen, muss man feststellen: Das hat es vor 15Jahren so nicht gegeben. Ich sage: Es tut den Nichtregierungsorganisationen gut, aber es tut auch der Bundeswehr gut, dass man sich gegenseitig achtet, sich schätzt, die unterschiedlichen Rollen kennt und weiß: Gegeneinander wird man nichts erreichen.

Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir mit diesem umfassenden Sicherheitsbegriff eine ständige Rückkopplung haben, und deshalb ist es auch so wichtig, dass nicht nur die Bundesregierung diese Strukturen hat, sondern dass auch jeder Auslandseinsatz von Bundesregierung und Bundestag mit größter Sorgfalt vorbereitet wird. Entscheidungen werden auf der Basis des Völkerrechts und der Mandatierung der Vereinten Nationen, auf der Grundlage des Grundgesetzes und des Parlamentsbeteiligungsgesetzes getroffen.

Natürlich sind unsere Entscheidungsstrukturen auch das muss man sagen in Zeiten eines umfassenden Sicherheitsbegriffs nicht die schnellsten auf der Welt. Aber das gilt ja für Deutschland insgesamt. Der Föderalismus mit seinen verschiedenen Verantwortlichkeiten hat uns immer wieder vor die Herausforderung gestellt, umfassende Prozeduren zu durchlaufen, um zu Entscheidungen zu kommen. Ich will nicht sagen, dass man das zu jeder Sekunde richtig finden muss, aber es hat unserem Gemeinwesen insgesamt eine unglaubliche Stabilität gegeben. Wenn es einmal zu einer schwierigen Situation kommt, ist es eben so, dass wir zusammenstehen.

Deshalb will ich nicht nur den Vertretern des Deutschen Bundestages der Regierungsfraktionen, sondern auch der Oppositionsfraktionen, die sich an vielen Entscheidungen konstruktiv beteiligt haben und hoffentlich auch beteiligen werden, ein herzliches Dankeschön sagen. Es ist besser, manche Frage vorher zu stellen, als sie überhaupt nicht gestellt zu haben und dann im Falle einer schwierigen Situation besserwisserisch aufzutreten. Wir haben seitens der Bundesregierung auch immer sehr viel Wert darauf gelegt, eine möglichst breite parlamentarische Mehrheit zu bekommen, weil unsere Soldatinnen und Soldaten einen Anspruch darauf haben, in schwierigsten Situationen nicht auch in eine Konfliktsituation, die vermeidbar hätte sein können, zu geraten.

Deshalb ist es wichtig, dass die Soldatinnen und Soldaten wissen, dass wir unsere Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen fällen. Das ist auch die Grundlage dafür, in der Bevölkerung für eine möglichst breite Unterstützung auch für Auslandseinsätze zu werben. Das ist schwierig, darum will ich gar nicht herumreden. Ich bitte daher alle Mitglieder des Beirates, ihren Beitrag dazu zu leisten, denn das ist natürlich ein konkretes Stück Innere Führung im Alltag. Wir haben da noch vieles zu tun. Man kann jedenfalls nicht glauben, es reiche aus, wenn wir in Parlament und Regierung die Entscheidung für einen Einsatz der Soldatinnen und Soldaten fällen. Wenn diese nach Hause kommen, sind sie einem Feuerwerk von Argumenten ausgesetzt, auf das in der Gesellschaft sonst keiner eine Antwort gibt. Das stellt die Soldaten in ihrer privaten Welt vor riesige Herausforderungen.

Unsere Sicherheitsinteressen das wissen wir können wir am besten in der NATO, in der Europäischen Union und in den Vereinten Nationen wahrnehmen. Wir sind in einem hohen Maß damit befasst, dass die Integration deutscher militärischer Kontingente in multinationale Kontingente ein Regelfall oder zumindest ein Normalfall ist. Auch das stellt natürlich einen Beirat für die Innere Führung vor völlig neue Aufgaben, weil nicht alle vor dem Hintergrund gleicher historischer Gegebenheiten agieren und weil wir unsere Prinzipien natürlich auch nicht aufgeben können.

Eine Vielzahl von Diskussionen, die wir heute zu führen haben, haben natürlich genau damit zu tun, dass die Kulturen, die Historien, die Gewohnheiten und die Traditionen sowie auch die Selbstverständnisse von einzelnen Verbänden auch unserer Verbündeter doch recht unterschiedlich sind. Deshalb sage ich voraus: Es wird auch in Zukunft viel darüber zu reden sein, was uns ausmacht und inwieweit wir von anderen in einem gemeinsamen Einsatz als Kameraden gesehen werden. Aber ich kann schon sagen, dass auch andere Länder sehr genau hinhören, wenn Bundeswehrangehörige oder wir als Politiker von den Prinzipien der Inneren Führung und von unserem Selbstverständnis sprechen. So, wie wir vielleicht manches lernen müssen, gibt es auch guten Grund dazu, unsere Erfahrungen ernst zu nehmen, aufzunehmen und in die multinationalen Verhaltensweisen zu integrieren.

Wir wissen: Nur Soldatinnen und Soldaten, die von ihrem Auftrag überzeugt sind, werden auch ihr Bestes geben. Deshalb ist es wichtig, dass wir genau dafür immer wieder werben. Die Innere Führung muss tragfähige Antworten geben, wie mit Belastungssituationen des Einsatzalltags umzugehen ist mit Stresssituationen und deren Folgen, der Belastung durch lange Trennung von Familie und gewohnter sozialer Umgebung, dem Umgang mit Verwundung und Tod. Hier dürfen Politik und Gesellschaft die Soldatinnen und Soldaten nicht allein lassen.

Ich glaube aber, es ist an der Zeit, hier auch ein ganz herzliches Dankeschön an die Militärseelsorge der Kirchen zu richten. Auch sie birgt ein breites und nach der deutschen Wiedervereinigung völlig neues Diskussionsfeld, auf dem sich viele Fragen und Vorurteile sowie viel Skepsis widergespiegelt haben. Die Militärseelsorge ist eine riesige Aufgabe in Zeiten zunehmender Säkularisierung. Wie spreche ich mit Menschen, die in ihrem Leben wenig von Gott und von kirchlichen Fragen gehört haben, die aber plötzlich bemerken, dass das in elementaren Lebenssituationen jenseits politischer Vorgaben wichtig ist? Ich glaube, dass sich die Militärseelsorge dieser Aufgabe in großer Offenheit und Bereitschaft sowie mit großer Leidenschaft stellt.

Meine Damen und Herren, immer dann, wenn Politik, Gesellschaft und Bundeswehr ein gemeinsames Verständnis suchen, ist der Beirat gefragt. Wenn ich auf meine politische Zeit egal ob in der Opposition oder in der Regierung zurückblicke, dann finde ich, dass Sie als Beiratsmitglieder diese Aufgabe mit einer großen Selbstverständlichkeit und inneren Bereitschaft sowie mit einer geringen Ausprägung, öffentliches Interesse vor die eigentliche Arbeit zu stellen, wahrnehmen. Auch das ist heute nicht mehr normal, denn es gibt viele Runden, deren Sinnhaftigkeit sich nur aus der anschließenden Publizität zu erschließen scheint. Deshalb ist es schön, dass man vom Beirat nicht täglich hört. Denn dann kann man davon ausgehen, dass Sie Ihre Aufgabe in aller Bedachtsamkeit lösen.

Deshalb ein herzliches Dankeschön und die Bitte: Bleiben Sie gemeinsam Garant der Integration unserer Streitkräfte in Staat und Gesellschaft. Ich wünsche Ihnen für die nächsten Jahre Weitblick, Einsicht, Willen, Kraft, Kompromissbereitschaft, die Fähigkeit zum Zuhören und, wie gesagt, die von mir schon gelobte Fähigkeit zum Schweigen, wenn es möglich ist, aber natürlich auch zum klaren Wort, wenn Sie es als Staatsbürger für notwendig erachten.

In diesem Sinne: Alles Gute, herzlichen Glückwunsch zu 50Jahren erfolgreicher Arbeit und auf ein Weiteres!