Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 11.06.2008
Untertitel: Zur Eröffnung der Ausstellung des Deutschen Historischen Museums "Brennpunkt Berlin: Die Blockade 1948/49" mit Fotografien von Henry Ries wies Staatsminister Bernd Neumann auf die zahlreichen historischen Wendepunkte in der deutschen Geschichte hin, derer im Jahr 2009 gedacht wird. Die Ausstellung "Brennpunkt Berlin" mit den wegweisenden Fotografien von Henry Ries lade alle Besucher zur Reflektion über Geschichte und Gegenwart Deutschlands ein.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/06/2006-06-11-rede-neumann-blockade-berlin-dhm,layoutVariant=Druckansicht.html
fast genau vor 60 Jahren, in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1948, gingen in West-Berlin die Lichter aus. Mit der Abschaltung des Großkraftwerks Golpa-Zschornewitz begann die Blockade West-Berlins durch die Sowjetunion. Es ist das Verdienst des jungen Henry Ries, damals einziger Fotoreporter der "New York Times" in ganz Europa, dass das Schicksal der 2,2 Millionen Menschen, die in dem großen Trümmerfeld des West-Sektors lebten, nicht im Dunkeln blieb.
Sein Objektiv trug ein neues Bild von Berlin und vom Nachkriegsdeutschland in die Welt ein Bild, das die Gesichter und das Schicksal der Menschen zeigte. Sein Blick war dokumentarisch und zugleich Anteil nehmend. Er zeigte nicht nur Zerstörung und Not, sondern vor allem auch Hoffnung und Aufbruch. Das Foto, das er von Berliner Kindern machte, die einem amerikanischen "Rosinenbomber" zujubeln, der knapp über ihre Köpfe hinweg zu fliegen scheint, kann mit Recht als Ikone des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden. Henry Ries Fotoreportagen sind großartige Zeitdokumente sie sind aber für mich aber auch ein bewegendes Zeichen der Aussöhnung. Henry Ries floh wegen seiner jüdischen Herkunft als gerade Zwanzigjähriger 1938 nach Amerika. Doch er blieb im Herzen seiner Heimatstadt verbunden."Ich war ein Berliner" dieser schlichte Satz ist mehr als nur der Titel seiner Lebenserinnerungen: Er ist ein Bekenntnis.
Sehr verehrte Frau Ries, ich freue mich sehr, dass Sie den weiten Weg aus Amerika
zu uns gekommen sind, um mit uns die Hommage an Ihren Mann zu eröffnen! Ich bin mir sicher, dass es ganz in seinem Sinn ist, wenn sich sein fotografischer Nachlass nun hier, im Deutschen Historischen Museum befindet. Der Erwerb dieser großartigen Sammlung war eine einmalige Gelegenheit, für die mein Haus sofort 300.000 Euro zur Verfügung gestellt hat.
Meine Damen und Herren, Brennpunkt Berlin: Die Blockade 1948/49 "ist der Titel der Ausstellung die wir heute eröffnen. Der Titel ist historisch natürlich richtig; im kollektiven Gedächtnis ist aber eher der Terminus" Berliner Luftbrücke " verwurzelt. Es ist sicher eine der besseren menschlichen Eigenschaften, sich lieber an Gutes als an Schlechtes zu erinnern. Während dramatischer 322 Tage wurden die Bürger Westberlins über die Flughäfen Tempelhof und den neu errichteten Flughafen Tegel mit allem Lebenswichtigen versorgt. Und wenn Sie mir diesen Ausflug in die Tagespolitik erlauben: Gerade diese große symbolische und historische Bedeutung Tempelhofs wäre ein weiterer gewichtiger Grund für den Weiterbetrieb des Flughafens gewesen, der ja zugleich ein einmaliges Baudenkmal darstellt.
Aber Volksentscheide sind zu respektieren.
Die Hilfsbereitschaft und Solidarität der Westmächte wurde von der deutschen Bevölkerung nicht als Selbstverständlichkeit gesehen. Wir dürfen nicht vergessen: Auch die Westalliierten wurden im Nachkriegsdeutschland als Besatzungsmächte sehr skeptisch wahrgenommen. Mit der Luftbrücke wandelte sich das Bild: Sie machte die westlichen Truppen zu willkommenen Schutzmächten die Bedrohung ging nun eindeutig von der Sowjetunion aus. Berlin wurde aus Sicht der Sowjetunion, so Nikita Chruschtschow, zum "Hühnerauge der Westmächte, auf das man von Zeit zu Zeit kräftig treten muss." Die Rolle der Westalliierten und ihr Verhältnis zur Deutschland wird im Übrigen in dem vom Bund getragenen Alliierten-Museum vorbildlich dokumentiert und ich kann nur jedem historisch Interessierten einen Besuch dieses Museums ans Herz legen aber natürlich erst nach Besichtigung Ihres Hauses, lieber Herr Professor Ottomeyer.
Die Luftbrücke war der entscheidende politische Wendepunkt nach 1945 und zugleich der eigentliche Beginn des Kalten Krieges. Die Blockade West-Berlins durch die UdSSR war eine unverblümte Machtdemonstration und offenbarte deutlich die unüberbrückbaren Gegensätze der ehemaligen Bündnispartner und sie war zunächst ein weiterer Schritt zur Teilung Deutschlands. Letztendlich aber legte die Anteilnahme der westlichen Welt, die die Luftbrücke als gigantisches logistisches Unternehmen ermöglichte, die Grundlage für die Freiheit West-Berlins und die spätere Wiedervereinigung. Denn West-Berlin war jahrzehntelang der Stachel im Fleisch der Diktatur und Ziel jener Suche nach Freiheit und Demokratie, die 1989 die Mauer fallen ließ. Unser Dank gilt auch heute noch unvermindert allen Beteiligten, allen voran unseren US-amerikanischen Freunden und General Lucius D. Clay.
Meine Damen und Herren,
die Ausstellung, die wir heute im DHM eröffnen, ist ein würdiger Auftakt für das große Gedenkjahr 2009, in dem wir an zahlreiche historische Wendepunkte in der deutschen Geschichte zurückdenken. Zum zwanzigsten Mal jähren sich die Ereignisse vom Herbst 1989, die die Überwindung der SED-Diktatur und der deutschen Teilung ermöglichten. Zudem feiert die Bundesrepublik Deutschland ihre Gründung vor 60 Jahren. Internationale Beachtung wird auch der Gedenktag zum Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 finden.
Die Bundesregierung bereitet zu diesen historischen Gedenktagen zahlreiche Veranstaltungen vor. Mein Haus wird mit Sondermitteln von insgesamt 3 Mio. Euro Projekte zur Erinnerungen an die historischen Ereignisse in der Hauptstadt und in der ganzen Bundesrepublik fördern. Hier im Deutschen Historischen Museum wird sich eine Ausstellung mit dem Kriegsausbruch vor 70 Jahren beschäftigen. Viele Veranstaltungen werden an den Mauerfall vor zwanzig Jahren erinnern: Die Robert-Havemann-Gesellschaft mit einer Open-air-Ausstellung der auf dem Alexanderplatz
und die Gedenkstätte "Runde Ecke" in Leipzig mit einer Ausstellung. Ein ganz besonderes Projekt verwirklicht die Stiftung Deutsche Kinemathek in Berlin: Mit bisher unveröffentlichten privaten Fotos und Video- / Filmaufnahmen wird Sie die Geschehnisse von 1989 unter ganz neuen Perspektiven zeigen.
Meine Damen und Herren,
auch die Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin ist ein Kind der Wiedervereinigung, denn im Jahre 1994 wurden Klangkörper aus Ost und West in einer Gmbh vereinigt, die der Bund mitfinanziert. Das gemeinsame Konzert von Deutschem Symphonie-Orchester, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Rundfunkchor und RIAS-Kammerchor wird am 9. November 2009 einen festlichen Höhepunkt im kommenden Gedenkjahr setzen.
In der Bundesstadt Bonn widmet sich das Haus der Geschichte mit einer Ausstellung der Gründung der Bundesrepublik 1949, ebenso wie ein musikalisches Sonderprogramm des Bonner Beethoven-Festes.
Meine Damen und Herren,
dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der Feierlichkeiten, die an Schicksalsjahre Deutschlands erinnern werden. Gedenktage sind Ankerpunkte im Strom der Geschichte; an ihnen können wir innehalten und zurückschauen. Doch Wirkung entfalten sie nur, wenn sich der Blick auch wieder nach vorne richtet. Die Ausstellung "Brennpunkt Berlin" mit den wegweisenden Fotografien von Henry Ries lädt uns alle zur Reflektion über Geschichte und Gegenwart unserer Nation ein. Ich wünsche der Ausstellung große Aufmerksamkeit auch bei einem internationalen Publikum hier in unserer Hauptstadt.