Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 12.11.2008

Untertitel: ZurVerleihung des Preises für Verdienste um die deutsche und europäische Verständigung der Deutschen Gesellschaft e.V. am 12. November 2008 in Berlin würdigte Kulturstaatsminister Neumann das Wirken von Professor Władysław Bartoszewski für die Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/11/2008-11-12-rede-neumann-deutsche-gesellschaft,layoutVariant=Druckansicht.html


seit ihrer Gründung 1990 setzt sich die Deutsche Gesellschaft in Bildung und Politik richtungweisend für den Prozess der inneren Einheit Deutschlands und Europas ein.

Ein gutes Beispiel für dieses Engagement ist der Anstoß, den die Deutsche Gesellschaft für die Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin gegeben hat. Ich habe die Idee von Anfang an unterstützt, und auch darum bin ich heute Vormittag gerne hierher gekommen. Dabei möchte ich die Gelegenheit nutzen, im Namen der Bundesregierung der Deutschen Gesellschaft und ihrem Vorsitzenden, meinem Kollegen Wolfgang Börnsen, für ihr großes Engagement herzlich zu danken.

Angesichts aller Schrecken und aller Gräuel, die unter der nationalistischen Terrorherrschaft im deutschen Namen geschehen sind und die unseren Kontinent viele Jahrzehnte geprägt haben, ist es ein großes Glück und ein besonderes Geschenk, dass wir heute in einem geeinten Deutschland und in einem freien Europa leben dürfen.

In Zeiten, in denen uns das Wort Versöhnung eher leicht über die Lippen kommt, müssen wir uns jedoch auch immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass Versöhnung und Verständigung keine Selbstverständlichkeit sind, sondern stets Engagement und dauerndes Bemühen erfordern. Der "Preis für Verdienste um die deutsche und europäische Verständigung" wird seit 2005 von der Deutschen Gesellschaft an Persönlichkeiten verliehen, die sich mit all ihrer Kraft für das Verstehen als Grundlage der Verständigung in Europa eingesetzt haben. Denn kaum etwas zwischen Menschen und zwischen Völkern ist schwieriger als das gegenseitige Verstehen, das nicht nur einen klaren und kühlen Verstand, sondern Leidenschaft und Mut braucht.

Heute würdigen wir mit Władysław Bartoszewski und Egon Bahr zwei Persönlichkeiten, die, jeder auf seine Weise, das Verstehen zwischen uns Europäern maßgeblich befördert haben. Mit der Politik der Annäherung und der Versöhnung haben sie Europa zu seinen gemeinsamen Wurzeln und damit zu sich selbst geführt. Sie selbst, lieber Herr Bahr, haben im vergangenen Jahr in Ihrer Rede zu Ihrem 85. Geburtstag formuliert: "Fünf Bundeskanzler Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder und Merkel haben sich in erstaunlicher Kontinuität seit bald 40 Jahren bemüht, anstelle der unvergesslichen Last der Vergangenheit Vertrauen zu entwickeln, Zusammenarbeit und möglichst Freundschaft." Wir wollen in dieser Kontinuität weiterarbeiten.

Sie, lieber Herr Professor Bartoszewski, haben sich im besonderen Maß nach dem Krieg für Vertrauen und Verständigung eingesetzt.

Es ist sicher nicht übertrieben, wenn man die Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen als Ihr Lebenswerk bezeichnet. Als Mitglied der Solidarność und als Politiker waren Sie stets ein Pionier, der unbeirrbar für sein Ziel ein freies Polen, ein freies Europa eintrat. Sie haben als ehemaliger Auschwitz-Häftling gegen Rache und Vergeltung protestiert und uns Deutschen die Hand zur Versöhnung gereicht. Die Begegnung mit Ihnen im Februar dieses Jahres in Warschau war für mich auch persönlich besonders bereichernd. Ich danke Ihnen, lieber Professor Bartoszweski, für unser offenes Gespräch über uns gemeinsam berührende geschichtliche und kulturelle Themen, wozu auch die Fragen von Flucht und Vertreibung gehörten.

Seien Sie versichert: für uns alle gilt, was unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel vor sechs Wochen in Breslau bekräftigt hat: "Eine Umdeutung der Geschichte wird es nicht geben". Ursachen und Wirkung klar darzustellen ist auch das Anliegen einer Ausstellung im Deutschen Historischen Museum im kommenden Jahr. Sie wird an den Überfall Deutschlands auf Polen und den Beginn des 2. Weltkrieges erinnern, der durch deutsche Schuld soviel Unheil über Europa gebracht hat.

Die historische Erinnerung zu pflegen heißt auch, dass Deutschland nicht vergessen wird, wie viel es der demokratischen Freiheitsbewegung in Polen für den Fall der Mauer, die deutsche Einheit und auch die Öffnung Europas verdankt. Gemeinsam wollen wir weiter an einem konstruktiven Dialog arbeiten, der die Vergangenheit nicht ausblendet.

Der Preis für europäische Verständigung der Deutschen Gesellschaft, den wir heute Vormittag verleihen, hilft dabei, Brücken zu bauen, von denen aus wir optimistisch in die Zukunft blicken können.