Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 20.04.2009

Untertitel: Aufihrer Fahrt mitder "Arche Europa" werden in diesem Jahr Kinder aus Deutschland und Tschechien mehr über Kultur und Geschichte ihrer Länder in der Mitte Europas erfahren. Kulturstaatsminister Bernd Neumann begrüßte kleine und großePassagiere am Startpunkt der Reise in Berlin.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/04/2009-04-20-neumann-arche-europa,layoutVariant=Druckansicht.html


ich begrüße Sie herzlich hier in Sichtweite des deutschen Regierungssitzes, des Bundeskanzleramtes.

Von meinem Büro im achten Stock habe ich direkten Blick auf die Spree, die, wie so viele Flüsse, eine echte Europäerin ist, die sich um Ländergrenzen nicht schert. In ihrem Lauf fließt sie nicht nur durch Berlin, Brandenburg und Sachsen, sondern auch 700 Meter durch Tschechien. Die Grundidee Europas wird vielleicht am offensichtlichsten bei einer Flussfahrt. Flüsse formen Landschaften und sie prägen die Menschen, die an ihren Ufern leben mehr vielleicht noch, als das nationale Identitäten tun.

Flüsse sind häufig Ländergrenzen gerade auch in Mittel- und Ost-Europa. Gott sei Dank verbinden sie mittlerweile, was über lange Zeit durch ideologische Gräben im Kalten Krieg voneinander getrennt war. Wir sollten uns im 20. Jubiläumsjahr des Mauerfalls daran erinnern, dass die heute beginnende Reise des Märchenschiffs auf vier Flüssen Spree, Havel, Elbe und Moldau noch vor 20 Jahren kaum möglich war. Als Folge des 2. Weltkrieges war Europa geteilt man konnte nicht so einfach von einer europäischen Metropole zur andern reisen. Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler, die Ihr heute auf große Entdeckungsfahrt gehen, seid alle nach dem Ende des Kalten Krieges geboren. Für Euch ist es selbstverständlich, was für uns Ältere immer eine Sehnsucht war: nämlich dass man in Europa frei reisen und vor allem im Osten in die gemeinsame Geschichte eintauchen kann. Dass wir die Grenzen heute überwunden haben und wieder zueinander finden, verdanken wir nicht zuletzt unseren tschechischen Nachbarn.

Es waren Dissidenten wie Vaclav Havel, die die totalitäre Herrschaft im östlichen Teil Europas durch ihren gewaltlosen Widerstand nach und nach zum Einsturz brachten. Ohne ihn und andere Freiheitskämpfer wären Deutschland und Europa heute nicht wiedervereint! Zurzeit hat Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft inne. Es gibt wohl kaum ein besseres Symbol für die vollständige Integration.

Viele Jahrhunderte waren die Schicksale unserer beiden Völker in der Mitte Europas auf "s Engste verknüpft. Meisterwerke der Kunst und Literatur wie Kafkas Werke oder das Unesco Welterbe der Prager Altstadt werden von Deutschen und Tschechen als Teil der gemeinsamen Kultur empfunden. Es ist ein ganz besonderes Glück, all" die Kunstschätze vor Ort und mit so wunderbaren Künstlern als Reisebegleitern zu erleben. Liebe Schüler, Ihr könnt Euch sehr darauf freuen!

Doch wir dürfen die dunklen Seiten unserer gemeinsamen Geschichte nicht auslassen. Immer wieder werdet Ihr auf der Reise Menschen begegnen, die durch deutsche Schuld unermessliches Leid erlitten haben. Um wirklich einschätzen zu können, welch großes Geschenk unser vereinigtes Europa darstellt, ist es wichtig, diesen Menschen genau zuzuhören, wenn sie von ihrer Kindheit erzählen, die durch Verfolgung und Not geprägt wurde. Diese Menschen haben e verziehen, die so grausam und unmenschlich sind, dass wir sie uns im Grunde nicht vorstellen können.

Liebe Schülerinnen und Schüler, ihr werdet auf Eurer Schiffsreise mehrfach bei den einzelnen Stationen mit Kunst und Kultur in Berührung gekommen. Als Erwachsener ist es schwer, einen Zugang zu Musik oder Malerei zu finden, wenn man das nicht vorher schon einmal ausprobiert hat.

Deshalb liegt mir als Minister die kulturelle Bildung der jungen Menschen sehr am Herzen, und ich unterstütze deshalb auch internationale kulturelle Projekte. So haben wir die "Arche Europa" auch in diesem Jahr mit 150.000 € gefördert. Ich bin der Ansicht, dass wir heute eine Chance für ein friedliches Zusammenleben haben, die wir nicht verspielen dürfen. Als Europäerinnen und Europäer müssen wir lernen, europäische Kultur über politische und sprachliche Grenzen hinweg als etwas Vielfältiges und doch Gemeinsames zu begreifen.

In diesem Sinne wünsche ich allen Teilnehmern aus Tschechien und Deutschland schöne und bleibende Erfahrungen miteinander und vor allem während der deutsch-tschechischen Vierflussfahrt von Berlin nach Prag immer wie man in Seemannssprache sagt eine "Handbreit Wasser unter dem Kiel".