Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 20.09.2010

Untertitel: In seiner Rede in der Hamburger Bucerius Law School gratulierte Staatsminister Bernd Neumann der Akademie für Publizsitik und ging auf die Themen Ausbildung und Qualitätjournalismus, Journalismus in der digitalen Weltund die Rolle der Politik als Gestalter rechtlicher Rahmenbedingungen ein.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/09/2010-09-20-neumann-akademie-publizistik,layoutVariant=Druckansicht.html


Anrede

zuerst einmal gratuliere ich

zum 40-jährigen Jubiläum der Akademie für Publizistik auch im Namen der Bundesregierung sehr herzlich. Die Akademie hat für den Qualitätsjournalismus in Deutschland in den zurückliegenden 40 Jahren bedeutende, unverzichtbare Beiträge geleistet.

Wer sich heute für anspruchsvollen Journalismus einsetzt, bewegt sich in einem schwierigen Umfeld. Das Metier des Journalisten wird von allen Seiten gleichzeitig bedrängt: Verleger, Intendanten und Unternehmensleitungen verordnen mehr oder weniger drastische Sparmaßnahmen.

Nutzer greifen in einem schier unaufhaltsam anschwellenden Medien- und Kommunikationsangebot zunehmend zu Seichtem und leicht Verdaulichem und sind offenbar immer weniger bereit, für Qualität einen angemessenen Preis zu zahlen. Und schließlich behaupten Netzgurus, die Zukunft liege im nutzergestalteten und -gesteuerten Netz, in dem für professionellen und bezahlten Journalismus à la longue kein Platz mehr sei. Sind also könnte man provokant fragen die Journalisten vom Aussterben bedroht?

Sicher dürfte eines sein: Die Digitalisierung der Medien- und Kommunikationswelt hat nicht nur eminente Fortschritte und Chancen hervorgebracht, sondern auch Verwerfungen und Risiken. Nach allem, was wir heute wissen, sind die Probleme, die den qualitativ anspruchsvollen Journalismus gegenwärtig und in Zukunft belasten, ernst und nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wenn sie nicht mutig und entschieden angegangen werden, droht der Berufsstand tatsächlich Schaden zu nehmen. Und so jedenfalls meine These mit ihm unsere Demokratie, die auf kritischen, seriösen Journalismus angewiesen ist und bleibt - morgen vielleicht noch mehr als heute.

Gernot Facius hat die Funktion des Journalismus für unsere Gesellschaft auf folgende einprägsame Formel gebracht: "Journalismus ist nötig, damit aus Zufallskommunikation Verlässlichkeitskommunikation wird. Die digitale Welt braucht Anker der Verlässlichkeit."

Ich möchte dem hinzufügen: Wo Informationen endlos vervielfältigt und uneingeschränkt verfügbar sind, wird die Frage immer drängender, auf welche Information es ankommt und welches Wissen man für seine Lebensorientierung tatsächlich benötigt. Apologeten der reinen Netzwelt haben auch auf diese Frage eine systemimmanente Antwort: Unabhängige Blogger und kollektive Schwarmintelligenz sollen professionellen Journalismus zumindest zu weiten Teilen ersetzen.

Daran dürften jedoch erhebliche Zweifel angebracht sein: Der altruistisch-souveräne Blogger ist und bleibt eine singuläre Erscheinung ein Wassertropfen im Ozean des Netzes. Die Intelligenz der Vielen mag zwar manches Interessante und Wichtige hervorbringen, ein stets verlässlicher Gradmesser für Relevanz und Validität von Informationen und Bewertungen ist sie aber nach den bisherigen Erkenntnissen zweifellos nicht. Die heute verfügbaren Nutzerdaten sprechen dagegen eine ganz andere Sprache. Im soeben veröffentlichten und bereits viel diskutierten Gutachten von Christoph Neuberger und Frank Lobigs über die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung heißt es hierzu kurz und bündig: "Trotz der positiven Selbsteinschätzung der Blogger dürfte die publizistische Leistungsfähigkeit partizipativer Angebote eher gering sein."

Natürlich gibt es auch bemerkenswerte Ausnahmen. Der heute hier anwesende und mit vielen Auszeichnungen bedachte Stefan Niggemeier gehört dazu. Als profilierter Medienkritiker hat er es mit seinem Blog geschafft, nicht nur die Fachwelt, sondern auch eine Vielzahl von anderen Nutzern anzusprechen. Aber er ist ja auch gelernter Prin-Medien-Journalist.

Die Ausbildung zum Print-Journalisten ist immer noch so etwas wie die Hohe Schule des Journalismus wohl nicht umsonst nimmt die Schulung von Print-Volontären im Programm der Akademie für Publizistik einen so breiten Raum ein. Gerade heute, angesichts der Globalisierung und der immer unübersichtlicher werdenden Informationsangebote brauchen wir mehr denn je Erklärungen, Hintergrundanalysen und Orientierungspunkte, die nicht nur für elitäre Minderheiten verständlich sind. Hier liegen aus meiner Sicht riesige Chancen für Qualitätsmedien jeglicher Art ob online, Rundfunk oder Print.

Der Journalismus hat auch in der digitalen Welt große Chancen, wenn er sich auf seine bewährten Prinzipien besinnt und sich in der gewandelten Medienwelt zugleich neu erfindet. Zu den bleibenden Grundlagen des Journalismus zählen nicht nur besondere intellektuelle und handwerkliche Qualitäten. Ebenso wichtig ist ein fest verankertes Berufsethos, dessen Maßstäbe unter anderem Objektivität, Unbestechlichkeit, Seriosität und Gründlichkeit der Recherche, die Achtung der Menschenwürde anderer, aber auch die Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen sein müssen. Dies auch in neuen Angebotsformen unbeirrbar zu bewahren, ist eine gewaltige Aufgabe.

Meine Damen und Herren,

hierzu leistet die Akademie für Publizistik einen herausragenden Beitrag. Seit vier Jahrzehnten eine der Adressen für journalistische Aus- und Fortbildung in Deutschland, hat sie ihren Absolventinnen und Absolventen stets den Weg gewiesen, um den Wandel in Medien und gesellschaftlicher Kommunikation erfolgreich zu gestalten. Auf der Basis innovativer Lehrinhalte und Methoden erreicht die Akademie mit rund 1.000 Schulungsteilnehmern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum inzwischen eine beachtliche Breitenwirkung.

Sehr geehrte Frau Hillebrand,

dies ist eine wirklich beeindruckende Leistung! Ich beglückwünsche Sie zu den großen Verdiensten, die Sie sich und alle anderen Verantwortlichen der Akademie um den ganzen Berufsstand und unser Gemeinwesen erworben haben.

Meine Damen und Herren,

die Zukunft des Journalismus liegt nicht nur in den Händen der Journalisten selbst. Mindestens ebenso gefordert sind die Medienunternehmen. Qualitativ anspruchsvoller Journalismus ist nicht ohne erhebliche Investitionen zu gewährleisten.

Einseitige, allein kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Vorgaben folgende Sparprogramme sind hier geradezu Gift. Deshalb verfolge ich solche Bemühungen der Branche nicht ohne Sorge. Ich würde mir hier viel mehr unternehmerischen Mut und ein stärkeres Vertrauen der Verantwortlichen in die eigenen Fähigkeiten wünschen. Aus den Veränderungen der Rahmenbedingungen für Medienangebote die notwendigen Folgerungen zu ziehen, tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln und angemessene Arbeitsbedingungen für die Journalistinnen und Journalisten zu schaffen, ist nach dem Grundgesetz aber allein Sache der Unternehmen, Redaktionen und Tarifpartner. Hier darf die Politik keinen direkten Einfluss ausüben.

Auch staatliche Subventionen sind und bleiben für die Bundesregierung tabu; sie wären der Anfang vom Ende der Unabhängigkeit einer freien Presse. Gleichwohl ist die Rolle der Politik damit nicht auf die des bloßen Zuschauers beschränkt. Denn der Staat ist verfassungsrechtlich in der Pflicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein qualitativ hochwertiges und vielfältiges Angebot freier Medienanbieter fördern. Hier geht es in erster Linie darum, die grundgesetzlich garantierten Medienfreiheiten und die Refinanzierbarkeit professioneller journalistischer Angebote zu sichern.

Denn wir dürfen gute und kreative Medienangebote nur erwarten, wenn Journalisten für ihre Tätigkeit klare und verhältnismäßige staatliche Regeln vorfinden und Autoren und Unternehmen für ihre Leistungen angemessen entlohnt werden. Die Bundesregierung nimmt diese Aufgabe durch eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen wahr. Sie reichen von der Sicherung des diskriminierungsfreien technischen Zugangs von Programmanbietern und Nutzern zu Übertragungsnetzen und Informationen bis zur Modernisierung des Urheberrechts und der Gestaltung des internationalen Rechtsrahmens der Medien.

So wollen wir z. B. mit der Einführung eines urheberrechtlichen Leistungsschutzrechts die Rahmenbedingungen für Presseverleger und in der Folge auch für die Journalisten verbessern und ihnen ein eigenes rechtliches Fundament im Internet bieten.

Meine Damen und Herren,

ich wünsche Ihnen allen, die Sie für die Akademie für Publizistik Verantwortung tragen oder dort Ihr berufliches Rüstzeug erwerben, für die Zukunft recht viel Erfolg. Ihr Berufsstand wird, davon bin ich gemeinsam mit vielen sachkundigen Beobachtern fest überzeugt, im Zuge der weiteren Digitalisierung nicht marginalisiert werden, sondern an Bedeutung sogar noch zunehmen.

So haben Sie allen Grund, heute ausgiebig zu feiern dabei wünsche ich Ihnen recht viel Freude!