Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 23. Februar 2012
Untertitel: Zur Eröffnung der 10. Tanzplattform Deutschland 2012 im Europäischen Zentrum der Künste in Dresden-Hellerau betonte Staatsminister Bernd Neumann, dass Hellerau für eine eindrucksvolle kulturelle Tradition steht, die zwar durch zwei Diktaturen unterdrückt, nicht aber zerstört werden konnte.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2012/02/2012-02-23-neumann-tanzplattform.html
Zur Eröffnung der 10. Tanzplattform Deutschland 2012 im Europäischen Zentrum der Künste in Dresden-Hellerau betonte Staatsminister Bernd Neumann, dass Hellerau für eine eindrucksvolle kulturelle Tradition steht, die zwar durch zwei Diktaturen unterdrückt, nicht aber zerstört werden konnte.
Anrede,
wo sonst, wenn nicht Hellerau, wäre der geeignete Ort für die Tanzplattform Deutschland! Hellerau steht für eine sehr positive kulturelle Tradition. Ganz im Sinne der Lebensreformbewegung wurde hier um die Jahrhundertwende die Einheit von Leben und Arbeit, Kultur und Bildung angestrebt. Hellerau wurde damals zu einem Mekka der zeitgenössischen Künste, insbesondere auch des modernen Ausdruckstanzes. Zwei Diktaturen konnten die Kunst hier zwar unterdrücken, nicht aber zerstören.
Der Gleichschritt konnte letztlich den Tanz nicht besiegen, die Kaserne für die diese Stätte missbraucht wurde nicht über das Festspielhaus triumphieren: am Ende ein Glücksfall für die Kultur!
Heute ist Hellerau eine Drehscheibe der internationalen Kunstszene und nach wie vor ein magischer Ort, an dem der Geist von Mary Wigman und Gret Palucca immer noch lebendig ist und Größen wie William Forsyth in seinen Bann zieht. Es wäre wirklich mehr als gerechtfertigt, wenn dieser Ort des Aufbruchs in die Moderne schon bald zum neuen Dresdner UNESCO-Weltkulturerbe werden könnte!
Der Bund hat von Anbeginn dabei geholfen, dass Hellerau wieder zu seiner Bestimmung als Kulturort zurückfinden konnte. 1996 wurde das Festival "Theater der Welt" mitfinanziert, das im noch unsanierten Festspielhaus stattfand, und schließlich in den Folgejahren auch die Sanierung des Festspielhauses mit über 3,6 Mio. Euro finanziell unterstützt. Ich möchte an dieser Stelle all jenen danken, die mit großem Enthusiasmus und geradezu unerschütterlichem Optimismus dafür eingetreten sind, Hellerau als Zentrum der Künste wiederauferstehen zu lassen!
Stellvertretend für alle danke ich dem Vorsitzenden des Förderkreises Bernhard Freiherr von Loeffelholz. Es ist eine gute und richtige Entscheidung, die Tanzplattform Deutschland in diesem Jahr hier durchzuführen. Die Tanzplattform ist ein Spiegel der Vielseitigkeit der Handschriften im zeitgenössischen Tanz in Deutschland, sie ist aber auch Branchentreff und Kommunikationsort. Der Bund fördert die Tanzplattform seit 2004 wegen ihrer nationalen und internationalen Bedeutung.
Der Bund hat bekanntlich keine originäre Zuständigkeit für den Tanz, sondern das sind Länder und Kommunen. Aber für Rahmenbedingungen, unter denen Tanz entsteht und stattfindet, ist er durchaus bereit, Mitverantwortung zu tragen. So hat er mit einigen tanzstarken Ländern im Jahr 1999 das Nationale Performance Netz Tanz begründet. Dieses Netz Tanz ermöglicht, dass interessante Produktionen auch in anderen Bundesländern gezeigt werden können und damit die Compagnien mehr Auftritte erhalten. Und es nimmt die Veranstalter in die Pflicht, einen Honorarmindeststandard einzuhalten.
Das ist eine wichtige Frage, die hier beispielhaft gelöst wurde, denn viele von Ihnen wissen, wie sehr gerade freischaffende Tänzerinnen und Tänzer am Rande der finanziellen und körperlichen Selbstausbeutung arbeiten. Was mich ohnehin sehr umtreibt, sind die sozialen Bedingungen von Künstlern.
Tänzer gehören zu den am niedrigsten bezahlten und sind, vor allem durch die kurze Berufslaufbahn, auch rentenrechtlich schlecht abgesichert. Mit den Problemen des Wechsels in andere Berufe fühlen sich viele Tänzerinnen und Tänzer allein gelassen. Sie beginnen oft auch zu spät, sich mit der Thematik zu befassen. Wir wollen Tänzerinnen und Tänzer bei der beruflichen Neuorientierung ermutigen und helfen.
Die Kulturstiftung des Bundes hat deshalb 2010 die Gründung der Stiftung Tanz Transition Deutschland unterstützt. In der Anschubphase hat die Stiftung bereits zum zweiten Mal Hilfe durch den Bund bekommen. Wir müssen allerdings eine langfristige Lösung finden und hier sind die Länder besonders gefragt. Das Thema steht auf der Tagesordnung der Kultusministerkonferenz, die derzeit in Hamburg tagt.
Meine Damen und Herren,
mit der Gründung der Kulturstiftung des Bundes 2002 wurde ein Instrument geschaffen, das über die Möglichkeit der Projektförderung hinaus gerade dem Tanz in Deutschland wichtige und vor allem nachhaltige Impulse geben sollte. Mit dem Tanzplan Deutschland 2005 - 2010 und immerhin 12,5 Mio. Euro kofinanzierte die Stiftung Projekte, die die Länder und Kommunen für den Aufbau und die Entwicklung der eigenen Tanzszene für wichtig erachteten und vorschlugen.
Der Mehrzahl der Projekte wird daher auch nach Auslaufen der Förderung weitergeführt. Auch in Dresden konnte ein Projekt verwirklicht werden. Das Europäische Zentrum der Künste in Hellerau, die Palucca Hochschule für Tanz Dresden und das Ballet der Semperoper gingen eine Partnerschaft ein, die ein wirksames Netzwerk für Tanz und Choreographie schuf und eine eigene Veranstaltungsschiene für die freie Szene aufbaute. Tanz braucht vor allem Aufführungsmöglichkeiten!
Nach Auslaufen des Tanzplans setzt sich die Kulturstiftung des Bundes weiter für die Entwicklung der Tanzszene ein.
Neben der Fortsetzung des Tanzkongresses wurden zwei neue Fonds mit einer Gesamtfördersumme von 5 Millionen Euro beschlossen. Der Fonds "Tanzpartner" ermöglicht die Kooperationen zwischen Tanzinstitutionen und Schulen, und der Fonds "Tanzerbe" will die Erfahrungen einer reichen Tanztradition aufarbeiten, vermitteln und auch in künstlerischen Projekten umsetzen.
In Köln, Berlin, Bremen, Leipzig, Wuppertal und auch an anderen Orten existieren Archive, die ein großes Tanzerbe bewahren, das aber immer wieder ins Bewusstsein kommen muss. Ich bin sehr froh und dankbar, dass das Land Sachsen eine Lösung für den Erhalt und die Weiterführung des Tanzarchives in Leipzig gefunden hat und habe deshalb auch den notwendigen Umzug gerne finanziell unterstützt.
Jetzt wird es darauf ankommen, dass sich die Tanzarchive vernetzen, dass sie den Zugang zu Ihren Informationen erleichtern und dazu ihre Bestände digitalisieren. Wir sind gerade dabei zu prüfen, wie der Bund analog zu seinen Bemühungen um die Deutsche Digitale Bibliothek auch diese Prozesse unterstützen kann.
Es bleibt bei allen Erfolgen eine Menge zu tun, das habe ich auch in einem ausführlichen Gespräch mit dem Dachverband Tanz erfahren. Fragen der Ausbildung gehören dazu, wie auch der Anerkennung des Tänzerberufes und die weitere Verbesserung der Produktionsstrukturen im Tanz.
Nicht alle Wünsche sind sofort umsetzbar. Wir werden aber an diesen Themen dran bleiben. Hierfür ist ein Koordinator und Ansprechpartner unverzichtbar - das ist der Dachverband Tanz, der dabei ist, eine Infrastruktur für seine Arbeit aufzubauen. Ich habe dem Vorstand und dem Geschäftsführer Michael Freundt bei unserem letzten Gespräch zugesagt, den Dachverband dabei dauerhaft mit jährlich 100.000 Euro zu unterstützen.
Meine Damen und Herren,
Fred Astaire hat einmal gesagt: "Tanz ist Esperanto mit dem ganzen Körper" und ich finde, er hat Recht. Der Tanz ist ein faszinierender Weg, kulturelle Verständigung auf eine andere Ebene zu heben als die rein sprachliche oder intellektuelle.
Fred Astaire sagte auch: "Tanz ist ein Telegramm an die Erde mit der Bitte um Aufhebung der Schwerkraft". Und es ist so: Tanz lässt uns in mancher Hinsicht abheben und staunen. Darum begeistern sich auch so viele Menschen in unserem Land dafür.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und gute Gespräche und Kontakte auf der Tanzplattform 2012.