Redner(in): Angela Merkel
Datum: 07. Mai 2012

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Löscher,liebe Ausbilderinnen und Ausbilder,meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2012/05/2012-05-07-bkin-ausbildungstag.html


Exzellenzen, aber vor allen Dingen liebe Auszubildende,

Ich freue mich, dass ich heute hier in Siemensstadt und in Ihrem Ausbildungszent-rum zu Gast sein kann. Heute ist der Tag des Ausbildungsplatzes. Das ist ein Tag, an dem die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter jedes Jahr für die berufliche Ausbildung werben. Ich möchte mich diesem Werben anschließen und bin deshalb zu einem herausragenden Standort der dualen Ausbildung gekommen. Ich bedanke mich bei Siemens für die Vorbereitung und für das, was ich mir schon anschauen konnte.

Sie, die Sie hier während der Ausbildung das Wissen für Ihre zukünftige Berufstätigkeit bekommen, wissen, dass das so etwas wie die Eintrittskarte für eine gute berufliche Entwicklung ist. Wenn man sich noch einmal vor Augen führt, dass 2.000 von 40.000 Bewerbern genommen werden, dann können die, die hier ausgebildet werden, natürlich sehr stolz darauf sein, dass sie es geschafft haben und die Möglichkeit haben, ihr Wissen und Können zu erweitern.

Was ist das Wesentliche an dem deutschen Berufsausbildungssystem? Das We-sentliche ist, dass es die sogenannte duale Berufsausbildung gibt. Das, was uns so sehr einleuchtend erscheint, ist nicht überall gang und gäbe, nämlich dass man das Wissen, das man theoretisch erlernt, auch gleich praktisch anwenden kann. Hier ich habe mir das eben ansehen können funktioniert das in ganz wunderbarer Art und Weise, weil die Ausbildungsmöglichkeiten herausragend sind.

Je komplizierter die Maschinen werden, je teurer sie werden, je anspruchsvoller sie werden, je mehr die Informations- und Kommunikationstechnologie, die Datenverarbeitung Einzug erhält und sie quasi automatisch mit der klassischen Industriekenntnis zusammenwächst, umso wichtiger ist natürlich eine profunde Ausbildung, damit man dann auch in der Produktion und Herstellung wirklich mit dabei sein kann.

Wir haben im Augenblick eine Situation deshalb bin ich Siemens besonders dankbar für die europäischen Initiativen, in der viele junge Menschen in Europa keine Chance haben, in einem Beruf tätig zu sein und keine ausreichende Ausbildung erfahren. In Deutschland ist die Lage etwas entspannter. Die allermeisten jungen Leute haben im Augenblick eine Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Eher haben wir das Problem, dass ein bisschen geklagt wird, dass die, die von der Schule kommen, manchmal nicht genau das wissen, was man braucht, um dann auch die Berufsausbildung zu absolvieren.

Ich bin immer dafür, dass wir uns an den sogenannten Schnittstellen besser verzahnen, sich also die Kultusminister der Länder, die für die Schulausbildung verantwortlich sind, noch stärker mit den Industrie- und Handelskammern abstimmen, die dann wieder für die Berufsausbildung verantwortlich sind. Angesichts der Veränderung unserer Gesellschaft können wir es uns überhaupt nicht leisten, dass junge Talente verlorengehen, dass man in der Schule nicht das lernt, was man später für die Berufsausbildung braucht. Wir wissen, dass uns an einigen Stellen Herr Löscher hat davon gesprochen, dass es einen Ingenieursmangel gibt schon gut ausgebildete Leute fehlen. Auf der anderen Seite wissen wir, dass es auch unter Jugendlichen immerhin noch rund acht Prozent gibt, die arbeitslos sind und die zum Teil schon nach wenigen Jahren als langzeitarbeitslos gelten.

Dennoch: Der Ausbildungsmarkt hat sich positiv entwickelt. Das ist auch das Ergeb-nis der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsverbänden, Unternehmen und Politik also dem Ausbildungspakt, den wir geschaffen haben. Ich möchte mich ausdrücklich bei Siemens bedanken, einem Unternehmen, das bei jeder unserer Initiativen immer vorne mit dabei war und dies nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa.

Sie, die Sie hier eine Ausbildung bekommen, sind ja sozusagen der größte Schatz, den wir in Deutschland haben. Wir sind kein Land, das über Seltene Erden verfügt. Wir haben ein bisschen Kies man weiß von Berlin und Brandenburg, dass das bei uns in der Gegend vorkommt. Wir haben Braunkohle. Und wir haben Steinkohle, die wir subventionieren müssen. Unter dem Strich sind die Menschen das, was uns immer schon stark gemacht hat.

Als das Unternehmen Siemens gegründet wurde ich habe mich gerade erkundigt: es war wohl 1847 hat man im Grunde mit den Fähigkeiten begonnen, die heute noch unsere Stärken sind. Aber Sie spüren auch, wenn Sie sich anschauen, was Sie lernen müssen, wie schnell sich die Welt verändert, wie schnell die Computer sich verändern, wie schnell sich die Computersprachen weiterentwickeln, wie schnell auf jedem Gebiet etwas passiert.

Ich habe beim Hereinkommen ein Bild gesehen, auf dem Konrad Adenauer abgebildet ist, der in Siemensstadt war und zu den Arbeitern gesprochen hat. Als er Bundeskanzler war, haben auf der Welt 2,5 Milliarden Menschen gelebt. Heute leben auf der Welt mehr als sieben Milliarden Menschen. Das heißt: Die Weltbevölkerung hat sich in der Zeit zwischen Konrad Adenauer als Bundeskanzler und mir als Bundeskanzlerin fast verdreifacht.

Andere junge Menschen auf der Welt wollen auch etwas Gutes schaffen und in Wohlstand leben. Sie wissen, dass in vielen Bereichen der Welt unglaublich viel in Gang gekommen ist. Deshalb ist es nicht so, dass Ihre Ausbilder Sie vielleicht nur so manchmal ein bisschen triezen, Sie manchmal auch ein bisschen unter Druck kommen und Sie dauernd das Neueste machen sollen, sondern das ist für uns und für unser Land im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendig nicht nur für Ihre eigene Karriere, sondern für uns, damit wir stark bleiben. Europa ist ein Kontinent, der viele industrielle Stärken vereint. Deutschland ist deshalb eine der großen Exportnationen. Aber sie müssen immer wieder, von Jahrgang zu Jahrgang, auf der Höhe der Zeit sein, innovativ sein und neue Ideen haben.

Deshalb besorgt es auch mich, dass so wenige junge Leute wenn man Sie sieht, sind es ganz viele, aber unter dem Strich, wenn man alle jungen Leute in Deutsch-land betrachtet, sind es zu wenige Interesse an technischen und naturwissen-schaftlichen Berufen haben. Wenn man sich das anschaut, ist insbesondere die Zahl der Mädchen sehr gering. Deshalb lassen wir auch nichts unversucht, um junge Menschen davon zu überzeugen, dass Technik eine tolle Sache ist, dass man nicht nur anständiges Geld verdient, sondern dass man auch wunderbare Dinge machen kann, dass man abends sieht, was man am Tag geschaffen hat, und dass man im Übrigen heute auch, weil wir eben Exportnation sind, weil zum Beispiel Siemens ein so großes internationales Unternehmen ist, die Welt über ein solches Unternehmen kennenlernen kann.

Wenn ich manchmal im Ausland, in anderen Ländern bin und mir deutsche Unter-nehmensdependancen oder Joint-Ventures anschaue, trifft man eben inzwischen auch auf viele Facharbeiter aus Deutschland, auf Meister, auf Ingenieure. So hat man gleich noch mehr als nur sein Heimatland kennenzulernen, man bekommt auch einen Blick für die Kulturen der Welt, für die unterschiedlichen Herangehens-weisen.

Mir liegt außerordentlich viel daran, dass wir in Deutschland unseren erfolgreichen Weg fortsetzen können, dass wir aber nicht umsonst sind hier auch heute Bot-schafter aus anderen Ländern anwesend ihn gemeinsam in Europa weiterentwi-ckeln. Denn in allen Ländern ist es so, dass wir riesige Talente haben. Zurzeit ge-hen viel zu viele dieser Talente leider verloren. Viel zu viele junge Leute haben nicht die Hoffnung, die sie haben sollten. Deshalb sind Herr Löscher und viele Verantwortliche von Siemens und Mitglieder der Bundesregierung auch genau darüber im Gespräch, wie wir hier mehr tun können.

Wir müssen uns immer weiterentwickeln. Es werden sich die Berufsbilder ändern. Es werden sich die Studiengänge ändern. Das, was ich hier bei Siemens in der kur-zen Zeit gesehen habe, ist, dass alles immer auf seine Praxistauglichkeit hin über-prüft und ausgerichtet ist. Das heißt, Sie lernen nichts umsonst. Das ist auch eine Menge. Wer ein bisschen faul ist, hat ja manchmal Angst, dass er zu viel und ir-gendetwas Falsches lernt. Die Gefahr ist hier relativ überschaubar. Wer gern noch mehr lernen will, etwas, was er gar nicht unbedingt braucht ich habe mich zum Beispiel nach Englischunterricht und Ähnlichem erkundigt, hat hier auch ziem-lich unbegrenzte Möglichkeiten.

Deshalb sage ich einfach: Danke, dass wir heute hier zusammen sein können. Danke an Siemens als ein beispielhaftes Unternehmen für viele deutsche Unternehmen am Tag des Ausbildungsplatzes. Als Bundeskanzlerin bin ich ein wenig stolz darauf, dass wir so tolle junge Leute haben, die mit so viel Engagement ihren Beruf erlernen. Aber ich bin auch stolz darauf, dass wir so tolle Ausbilder und Ausbilderinnen haben, die alles immer wieder an junge Generationen weitergeben. Überzeugen Sie noch mehr davon, dass Technik eine tolle Sache ist das sagt übrigens jemand zu Ihnen, der immer argwöhnisch darauf geachtet hat, dass er in der theoretischen Physik tätig bleibt und nicht etwa in das praktische Metier wechseln muss, aber auch solche Leute muss es geben. Ich habe umso mehr Respekt vor allen, die praktische Dinge zusammenbringen.

Als ich mir eben die Programme von den Zerspanern habe zeigen lassen, habe ich gedacht, dass man froh sein kann, dass man heute eine Vorsimulation hat und schon einmal sieht, wie das Werkstück sich entwickelt, damit man es dann nicht in den Sand setzt. Es ist schon toll, mit solchen modernen Maschinen arbeiten zu können. Ich glaube, hunderttausende junge Leute auf der Welt würden sich die Finger danach lecken, so schöne Ausbildungsgeräte zu haben.

Danke, dass ich hier sein darf.