Redner(in): Angela Merkel
Datum: 04. September 2012
Anrede: Sehr geehrter Herr Präsident Rukwied,sehr geehrte Frau Präsidentin Scherb,liebe Ilse Aigner,liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Parlamenten,meine Damen und Herren liebe Frau Sonnleitner,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2012/09/2012-09-04-bkin-verabschiedung-sonnleitner.html
Sehr geehrter Herr Vorsitzender des Bundes der Deutschen Landjugend, sehr geehrter Fraktionsvorsitzender der EVP-Fraktion, lieber Joseph Daul, und vor allem natürlich sehr geehrter Herr Ehrenpräsident, lieber Herr Sonnleitner,
Schon allein die Auswahl der Redner zeigt: das agrarpolitische Wirken von Gerd Sonnleitner weist weit über Deutschland hinaus. Ganz besonders Joseph Daul hat es soeben gesagt auf europäischer Ebene haben Sie sich verdient gemacht und tun dies weiterhin. Das Wichtige dabei ist: Das, was Sie leitet, ist das Bekenntnis zur Europäischen Union als einem einzigartigen Friedensprojekt. Sie stehen und haben immer gestanden zu den großen Vorteilen des europäischen Einigungsprozesses, auch wenn gerade in der Agrarpolitik im Detail mancherlei große Herausforderung lauert. Sie haben einmal gesagt ich zitiere Sie: "Ein kriegsfreies, nicht ein krisenfreies Zusammenleben war und ist das Versprechen der Einigung Europas."
Lieber Herr Sonnleitner, Sie haben über viele Jahre hinweg an der Spitze des Bayerischen Bauernverbands und später des Deutschen Bauernverbands gestanden. Sie haben sich in Ihren Ämtern immer von ganzem Herzen für die Interessen der Bauern hierzulande eingesetzt. Zugleich haben Sie und dafür steht der vorhin zitierte Satz immer über den bayerischen und deutschen Tellerrand hinaus gesehen. Das kann auch ich aus unserer gemeinsamen langjährigen Erfahrung heraus sagen. Wir kennen uns nun schon viele Jahre. Bereits in meiner Zeit als Bundesumweltministerin haben wir immer wieder intensiv und trotz aller Gegensätze immer konstruktiv über die Landwirtschaft diskutiert.
Sie haben wenn man zurückschaut, fällt einem das auf bei Landwirtschaft und Ernährung immer dafür gesorgt, dass deren Stellenwert in der politischen Diskussion wächst, dass man versteht, was Landwirtschaft eigentlich für ein Land bedeutet. Und wenn ich mich recht erinnere, sind wir beide auch in einem Buch verewigt, das ich als Bundesumweltministerin herausgegeben habe: "Der Preis des Überlebens". Gerd Sonnleitner war immer bereit, über solche Fragen nachzudenken.
Mich persönlich hat immer fasziniert ich bin ja auf dem Lande aufgewachsen, dass Gerd Sonnleitner eine große Fähigkeit hat, über den Bauernverband hinaus Menschen davon zu überzeugen, dass die Landwirtschaft und der Umgang mit der Natur als zivilisatorische Eigenschaft für eine ganze Gesellschaft von herausragender Bedeutung sind. Das habe ich immer sehr geschätzt.
Als der Begriff "New Economy" geboren wurde, war ein Landwirt noch ein typischer Vertreter der "Old Economy". Anfang der 90er Jahre waren die Worte "Butterberg" und "Milchsee" noch präsent. Landwirtschaftliche Rohstoffe schienen wie selbstverständlich im Überfluss vorhanden zu sein. Heute ist das anders, heute ist den meisten bewusst, wie zentral eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion gerade auch angesichts der wachsenden Erdbevölkerung ist. Heute ist den Landwirten aber auch bewusster, dass auch sie sich den marktwirtschaftlichen Mechanismen nicht entziehen können. Heute, Herr Sonnleitner, können wir, ohne dass sich da großer Widerspruch regt, wie Sie sagen, dass sich die Landwirtschaft auch immer weiter in Richtung einer "New Economy" entwickelt.
Die globale Nachfrage Sie haben auch immer den Weltkontext im Blick gehabt; ich weiß noch ganz genau, wie wir über WTO und vieles andere gesprochen haben nach Agrarrohstoffen wächst, landwirtschaftliche Nutzflächen werden im Verhältnis zur wachsenden Bevölkerung knapper. Es ist davon auszugehen, dass dies langfristig so bleibt. Man muss nur einmal nach China fahren, um sich anzuschauen, was für Probleme dort bezüglich der Wasser- und auch der Landreserven bestehen.
Allen Menschen einen sicheren Zugang zu Nahrungsmitteln zu ermöglichen, ist eine der großen Herausforderungen. Ihr gerecht zu werden, gebietet die Menschlichkeit. Davon hängen Frieden und Wohlstand weltweit genauso ab, wie wir das in Europa auch durch die europäische Einigung verstehen. Ernährungssicherung, Wasserversorgung, Klimaschutz, Energieversorgung alle diese Zukunftsaufgaben stehen in einem engen Bezug zur Landwirtschaft.
Interessant ist, dass sich die großen Treffen der internationalen Politik inzwischen regelmäßig den Themen der Landwirtschaft widmen. Im Rahmen der G8 und der G20 beraten wir über politische Leitplanken, um die Ernährungslage zu verbessern. Die Verflechtung der internationalen Agrarmärkte stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen. Wir sehen es in diesen Tagen wieder. Die aktuelle Dürre in den USA zeigt, wie sensibel die internationalen Rohstoffmärkte reagieren. Stark schwankende Agrarpreise bedrohen immer vor allem die ärmsten Menschen. Im Übrigen sehen wir angesichts der Flucht in Agrargüter natürlich auch, wo man sichere Anlagen vermutet; auch das ist eine interessante Entwicklung.
Kurzfristig müssen wir natürlich die aktuellen Risiken begrenzen, indem wir uns international eng abstimmen. Wir haben dafür im Rahmen der G20 richtige Instrumente geschaffen. Aber langfristig stehen wir vor der gemeinsamen Aufgabe, die Produktivität der Landwirtschaft global zu steigern. Deshalb brauchen wir verstärkte Investitionen in die Landwirtschaft, besonders in den ärmeren Ländern. Dabei sind insbesondere bei Landkäufen die Eigentums- und Nutzungsrechte der lokalen Bevölkerung zu schützen. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen hat entsprechende Leitlinien verabschiedet. Um die Produktivität zu steigern und zugleich die natürlichen Ressourcen besser zu schützen, brauchen wir auch eine leistungsstarke Agrarforschung auch das ist ein ganz wichtiger Punkt. Und wir brauchen Ilse Aigner als ehemalige forschungspolitische Sprecherin wird es der Forschungsministerin sicher weitersagen funktionierende Warenterminmärkte, denn sie sind für die Preisbildung und Absicherung der Marktbeteiligten wichtig.
Ich sage aber auch: Um das Funktionieren der Märkte zu gewährleisten und nicht zu gefährden, brauchen Finanzspekulationen einen Rahmen. Wir brauchen mehr Transparenz auf den Agrarmärkten und eine angemessene Regulierung der Warenterminmärkte. So komplex einzelne dieser Fragen sind, am Ende steht ein einfaches Ziel, dem sich Gerd Sonnleitner auch immer verpflichtet gefühlt hat: den Hunger in der Welt zu bekämpfen und Menschen im ländlichen Raum Perspektiven zu bieten.
Ganz bewusst haben wir in der Bundesregierung deshalb die Landwirtschaft zu einem Schwerpunkt auch unserer Entwicklungspolitik gemacht. Ich bin dem Deutschen Bauernverband ganz besonders dankbar dafür, dass er auch angetrieben von Gerd Sonnleitner gemeinsam mit dem Raiffeisenverband, dem Bundesministerium für Landwirtschaft und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht hat, in der die besondere Rolle der Landwirtschaft für die Entwicklung ärmerer Länder noch einmal betont wird.
Der Deutsche Bauernverband leistet ganz konkrete Unterstützung. Getreu dem Motto "Bauern helfen Bauern" waren Führungskräfte afrikanischer Bauernverbände in diesem Jahr nach Deutschland eingeladen. Die Tatsache, dass heute Abend hier afrikanische Musik zu hören ist, deutet ja auf diese Verbindung hin. Deutsche Landwirte haben immer wieder Verantwortung übernommen für sich und andere lokal wie global. Sie wissen, dass sich Wandel lohnen kann. Die eigenen Erfahrungen in den vergangenen Jahren erbringen den Beweis dafür und sind auch der Grund, warum sich Bauern aus Deutschland auch international engagieren.
Herr Sonnleitner, ich weiß, dass Ihre Amtszeit von der agrarpolitischen Neuorientierung Europas geprägt war. Sie haben die deutschen Landwirte dabei immer begleitet und dazu beigetragen, dass die deutsche Landwirtschaft ihren Weg gefunden hat. Der Weg führte von einem stark staatlich bevormundeten Wirtschaftszweig zu mehr unternehmerischer Freiheit. Sie konnten diesen Weg auch nur begleiten und gestalten, weil Sie in Ihrem Herzen ein Mann sind, der das Unternehmertum, die eigene Verantwortung liebt und sich deshalb auch dafür einsetzt, dass es den Bauern gestattet ist, diese Verantwortung zu leben.
Ich weiß, dass der Weg zur Marktorientierung häufig steinig war. Solche Würdigungsveranstaltungen verklären ja manches. Ich war als Umweltministerin nicht immer von den Forderungen Gerd Sonnleitners begeistert. Ich weiß auch, dass er immer große Sorge hatte, was sich die Politik als nächstes wieder an Regulierung einfallen lassen würde. Irgendwann haben wir beide einmal entdeckt, dass die Bauern viel mehr machen, als sie der Politik sagen, weil sie Angst haben, dass, wenn sie uns sagen, was sie schon tun, wir daraus sofort eine Verordnung machen und dann sofort die nächste Forderung kommt. Und dann haben wir beide beschlossen, dass der Idealzustand vertrauensvoller Zusammenarbeit wäre, dass Sie mir als Umweltministerin ganz frei sagen können, was Sie machen, und dass ich trotzdem nicht sofort nach der nächsten Verordnung greife. Ich weiß nicht, wie das heute in der Kooperation mit dem Umweltministerium ist. Viele Klagen aber habe ich nicht gehört.
Meine Damen und Herren, die deutsche Landwirtschaft hat sich insgesamt sehr gut entwickelt. Unsere Agrarexporte zum Beispiel haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Gerade in wirtschaftlich bewegten Zeiten erweisen sich die Landwirtschaft und die Ernährungsbranche als besonders stabil. Delegationen aus anderen Ländern kommen inzwischen zu uns und fragen: Wie habt ihr das geschafft? Da kann ich nur sagen: Das ist nicht das Verdienst der deutschen Politik, sondern das Verdienst der deutschen Landwirte. Sie haben, weil sie unternehmerisch gedacht haben, ihre Chancen im internationalen Wettbewerb nutzen können. Die Politik ist insofern daran beteiligt, als sie einen Rahmen geschaffen hat. Den haben wir aber auch immer in gemeinsamer Diskussion geschaffen. Natürlich gab es auch harte Diskussionen. Die Reformen der europäischen Agrarpolitik sind sozusagen nicht nur im Schmusekurs entstanden das weiß Joseph Daul, das weiß Gerd Sonnleitner; und wenn er es nicht gesagt hat, hat es der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands noch etwas ungeschminkter auf den Punkt gebracht. Es ist also bei uns immer angekommen, was eigentlich das Interesse war.
An den Diskussionen über die Veränderungen haben sich der Deutsche Bauernverband und die Landwirte immer intensiv und lösungsorientiert beteiligt. Am Ende ist man unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht sozusagen immer weiter gegen diese angerannt, sondern hat die Chancen der Rahmenbedingungen, die dann beschlossen wurden, gesucht und kluge unternehmerische Entscheidungen getroffen. Das war und ist das Rezept zum Erfolg.
Wie solche Entscheidungen im Einzelfall aussehen, ist natürlich sehr unterschiedlich, denn "die" Landwirte gibt es ja nicht. Das zeigt sich gerade auch in diesen Tagen: Getreideerzeuger können sich über gute Preise freuen, Tierhalter klagen hingegen über hohe Futterkosten. Gerd Sonnleitner hatte also immer auch die Freude, die verschiedenartigsten Interessen der einzelnen Landwirte unter einen Hut zu bringen. Und das hat er auch immer so geschafft, dass die Politik keine Möglichkeit hatte, etwa die Landwirte zu spalten, sondern letztlich ich glaube, auch in letzter Minute ist es doch immer gelungen, noch eine einigermaßen gemeinsame Position zu vereinbaren.
Auch die Größe der Betriebe und ihre Produktionsweise bedingen verschiedene Standpunkte. Aber ich glaube, der Deutsche Bauernverband ist und ich hoffe, der neue Präsident stimmt mir zu nur stark, wenn die Anliegen aller Landwirte zu berücksichtigen versucht wird. Ansonsten ist man schneller, als man denkt, dabei, seine Interessen nicht mehr gemeinschaftlich vorbringen zu können. Vielfalt bündeln das ist also die anspruchsvolle Aufgabe des Deutschen Bauernverbands; fast wie in der Politik, meine Damen und Herren.
Und ich will ganz eindeutig sagen: Wir wollen auch nicht ich sage es Joseph Daul, weil er heute Abend hier ist, dass die Gemeinsame Agrarpolitik dazu führt, dass die eine Gruppe auf Kosten der anderen leiden muss. Wir sehen die Spezifizitäten der kleinen Bauern, aber es kann nicht sein, dass, wenn große landwirtschaftliche Betriebe wirtschaftliche Erfolge haben, man dann immer denen das Geld wegnimmt, die noch etwas verdienen. Das kann nicht das Ziel der deutschen und der europäischen Landwirtschaftspolitik sein.
Lieber Herr Sonnleitner, Sie waren sich der Herausforderung immer bewusst und haben sie immer sehr gut gemeistert. Dabei konnten Sie vielfach unter Beweis stellen: Sie verfolgten einen klaren Kurs, Sie ließen sich in Auseinandersetzungen nicht beirren. Wenn Sie von einer Sache überzeugt waren, dann standen Sie dazu und verteidigten Ihren Standpunkt. Und auch das war ganz wichtig: Ein eingegangener Kompromiss, auch wenn er nicht nur Begeisterung hervorgerufen hatte, wurde verteidigt. Damit haben Sie Anderen Orientierung gegeben, und zwar in und außerhalb der Landwirtschaft.
Dazu passt auch sehr gut, dass sich der Deutsche Bauernverband unter der Präsidentschaft von Gerd Sonnleitner ein klares Leitbild gegeben hat. Im Zentrum stehen das Bekenntnis zur modernen, unternehmerischen, nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft sowie die Verantwortung der Landwirte in Markt, Umwelt und Gesellschaft. Wenn ich von Land- und Forstwirtschaft spreche und den Kollegen Schindler sehe, meine ich natürlich immer auch den Weinbau. Ein solches gemeinsames Leitbild stiftet innerhalb eines Verbandes Identität, aber es bietet auch nach außen hin mehr Verständnis für die Belange. Der Bundesregierung liegt sehr daran, den Dialog der Landwirte mit Vertretern anderer gesellschaftlicher Gruppen zu intensivieren und zu versachlichen. Diesem gemeinsamen Anliegen diente auch die Arbeit an der Charta für Landwirtschaft und Verbraucher.
Als Lebensmittelproduzenten stehen Landwirte in einem besonderen Verhältnis zu den Verbrauchern. Es geht um Qualität, um Gesundheit und Genuss. Es geht dabei immer um den einzelnen Menschen. Deshalb kommt es auch nicht von ungefähr, dass gerade im Landwirtschaftsministerium auch der Verbraucherschutz angesiedelt ist. Wenn mit Qualität, Gesundheit und Genuss etwas nicht stimmt, dann reagieren die Konsumenten extrem sensibel. Entsprechend hoch sind die Ansprüche an die Landwirte. Stärker als früher müssen sie erklären, wie sie etwas produzieren. Sie müssen um Akzeptanz und Vertrauen werben. Und sie müssen auch hierbei aufpassen, dass sie sich in den verschiedenen Produktionsformen nicht auseinanderdividieren lassen. Wir haben oft darüber gesprochen, dass die gute fachliche Praxis der Landwirtschaft nicht die zweite Wahl gegenüber anderen Methoden, Bio-Methoden, sein kann, die sozusagen andere Anbauqualitäten haben. Die gute fachliche Praxis war immer auch etwas, das an Nachhaltigkeit ausgerichtet ist und das man deshalb nicht gegen andere Anbaumethoden ausspielen sollte.
Besonders lebhaft sind auch immer die Diskussionen über die Tierhaltung. Ich bin überzeugt: Die Tierhaltung wird sich in Deutschland weiterhin gut entwickeln. Wir wollen eine wettbewerbsfähige Veredelungswirtschaft. Hier liegt die höchste Wertschöpfung der Landwirtschaft. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wollen Fleisch aus deutscher Produktion. Sie wollen sichergehen, dass die Qualität der Waren stimmt. Sie wollen wissen, wie es mit dem Tierschutz in den Ställen aussieht. Sie interessieren sich dafür, ob die Produktion umweltschonend ist.
Es kommt also auf Transparenz an. Die Zertifizierung, etwa bezüglich regionaler Herkunft oder ökologischer Produktion, kann diese Transparenz erhöhen. In Zeiten von Internet und Smartphones lassen sich aber auch andere Informationswege nutzen. Da sind der Phantasie der Ernährungsindustrie und der Landwirte kaum Grenzen gesetzt. Obwohl ich weiß, dass das in Ihren Ohren auch sehr schwierig klingen kann, muss ich auch eines sagen: Nachvollziehbare Ketten sind für die Akzeptanz wichtig. Da wird von den Bauern schon etwas geleistet, was in der Bevölkerung oft nicht so gesehen wird. Und wenn einmal etwas passiert, kann man ich bin immer wieder positiv überrascht das sofort lokalisieren und man weiß, woher etwas kommt. Das ist schon etwas, was sich sehen lassen kann.
Das Vertrauen der Verbraucher wird wachsen, wenn Transparenz mehr sichtbar macht. Wer vor Augen hat, wie viel Arbeit in Mehl, Butter oder Wurst steckt, wird anders damit umgehen. Deshalb ist es auch wichtig, dass Sie über Ihre Leistungen sprechen und damit das Bewusstsein dafür erhöhen, welch vielfältigen Aufgaben sich die Landwirtschaft stellt. Ich denke, man kann gar nicht genug Austausch zwischen der städtischen und der ländlichen Bevölkerung haben. Ferien auf dem Bauernhof und ähnliches sind dabei ganz wichtige Mittel. Ich bin im Übrigen der festen Überzeugung: Wenn wir unseren Kindern auch denen, die in den Städten aufwachsen nicht den Kreislauf der Natur, das Entstehen unserer Lebensmittel, unsere Lebensgrundlagen immer wieder nahebringen, dann werden wir jegliche Demut auch vor dem eigenen Leben und der Endlichkeit des eigenen Lebens verlieren. Deshalb ist es ganz wichtig, dass Menschen die Möglichkeit haben, mit der Arbeit der Landwirte in Berührung zu kommen.
Meine Damen und Herren, alle Landwirtschaftsbetriebe, ob groß oder klein, stellen sich der Verantwortung für unsere natürlichen Ressourcen, für Klima- und Artenschutz, Erhalt von Wasser und Boden. Dafür braucht man natürlich auch vernünftige Rahmenbedingungen. Deshalb sage ich noch einmal: Wir müssen fair sein. Und ich werde auch darauf achten auch wenn ich nicht alle 8.000 Änderungsanträge zur Gemeinsamen Agrarpolitik überblicken kann und die Landwirte auch bitten, möglichst viele Probleme untereinander und mit den Agrarministern zu lösen, damit die Landwirtschaftspolitik nicht noch Gegenstand der Betrachtung der Staats- und Regierungschefs wird. Dann ist nicht mehr mit Sicherheit ein gutes Resultat zu garantieren, weil uns die Detailkenntnis fehlt. Also, lösen Sie das am besten selbst. Von den Rahmenbedingungen für die nächsten Jahre wird es sehr stark abhängen, ob sich die relativ gute Entwicklung so fortsetzt.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist natürlich engagiert dabei, wenn es um die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2013 geht. Wir müssen uns in Europa natürlich zunächst fragen: Was wollen wir mit dieser Gemeinsamen Agrarpolitik überhaupt bezwecken? Wozu dient sie? Ich will hier einige Aspekte kurz nennen.
Die Gemeinsame Agrarpolitik trägt zur Einkommens- und Risikoabsicherung landwirtschaftlicher Unternehmen bei ich sage vorneweg: Wir wollen ein Europa mit Landwirtschaft. Sie ermöglicht zudem einen Ausgleich für Leistungen der Landwirtschaft, die dem Allgemeinwohl dienen, die der Markt aber nicht unbedingt honoriert. Die Bundesregierung unterstützt das Ziel der EU-Kommission, die Umweltleistungen der Landwirtschaft zu erhöhen. Wir wollen zugleich erreichen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen weiter steigt. Das heißt, man muss aufpassen, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet, wenn man diese beiden Dinge zusammenbringen will. Ich warne deshalb davor, dass die Gemeinsame Agrarpolitik mit Zielen überfrachtet wird, für die sie wirklich ungeeignet ist.
Man kann Landwirte nicht vor sämtlichen Marktrisiken abschirmen. Eine Rückkehr zur Politik der ständigen Markteingriffe ist nicht vernünftig. Die EU soll auch keine Preise regulieren. Sie soll aber die landwirtschaftlichen Unternehmen dabei unterstützen, mit schwankenden Preisen zurechtzukommen. Die Marktpolitik muss für ein Sicherheitsnetz sorgen, aber darf nicht tägliche Intervention sein. Ich bin auch dagegen, dass Agrarpolitik zur Sozialpolitik oder Arbeitsmarktpolitik für den ländlichen Raum wird. Sozialleistungen müssen zielgerichtet sein und sich an der Bedürftigkeit des Einzelnen ausrichten. Auch die Arbeitsmarktpolitik hat sich an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu orientieren und nicht an einer einzelnen Branche. Ich glaube, in diesen Bereichen stößt die Agrarpolitik an ihre Grenzen. Sie gerät sogar in die Gefahr, ihr eigentliches Ziel zu verraten, nämlich eine leistungsfähige und nachhaltige Landwirtschaft zu garantieren.
Wenn der Aufgabenhorizont einmal abgesteckt ist, ist es wichtig, dass die Maßnahmen für Verlässlichkeit und Berechenbarkeit sorgen. Nichts ist schlimmer, als wenn dauernd etwas geändert wird. Wir müssen in langen Fristen denken. Deshalb will ich an dieser Stelle auch noch einige Worte zur Bioenergie sagen. Auch da kommt es auf Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Weitblick an, obwohl das nicht so ganz einfach ist, wenn man sich die zum Teil extrem dynamischen Entwicklungen ansieht. Wir müssen natürlich auch immer wieder unser Handeln hinterfragen. Und wir sollten jetzt trotz einer schlechten Ernte in den USA auch kühlen Kopf bewahren und unsere langfristigen Ziele nicht aus den Augen verlieren.
Die Landwirtschaft trägt auf vielfältige Weise zu einem ausgewogenen Energiemix in Deutschland bei. Die Biomasse ist ein wesentlicher Bestandteil davon. Anders als Sonne und Wind bietet sie den großen Vorteil, grundlastfähig zu sein, also eine gleichmäßige Energieerzeugung zu ermöglichen. Bei der Wärmegewinnung liegt Biomasse unter den erneuerbaren Energieträgern ganz klar vorn. Wichtig ist, neben dem Nutzen auch immer die Grenzen zu diskutieren. Einige Korrekturen haben wir schon vorgenommen, zum Beispiel bei der Nutzung von Mais; sie ist zum Teil schon sehr stark gewesen. Und wenn Konkurrenzen zwischen Energiegewinnung und Nahrungsmittelproduktivität entstehen, ist klar: Ernährung hat Vorrang. Wir müssen sorgfältig darauf achten, dass der Anbau und die Verwertung von Energiepflanzen unter dem Strich wirklich helfen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu minimieren. Wenn zum Schluss mehr Energie gebraucht wird, ist es nicht vernünftig. Hierbei gibt es also Diskussionsstoff für weitere Gespräche mit Vertretern der Politik.
Lieber Herr Rukwied, jetzt vertreten Sie in diesen Diskussionen die Interessen der Landwirte hierzulande. Ihnen möchte ich nachträglich noch einmal ganz herzlich zu Ihrer Wahl gratulieren. Sie haben sich bereits als kompetenter Gesprächspartner empfohlen. Deshalb freue ich mich, die Zusammenarbeit so wie mit Gerd Sonnleitner fortzusetzen. Der Termin für Ihren Antrittsbesuch steht schon in meinem Terminkalender.
Lieber Herr Sonnleitner, Ihnen gilt mein Dank für die vielen Jahre, in denen Sie die deutsche Agrarpolitik intensiv begleitet haben. Zum Glück bleiben Sie uns auf dem politischen Parkett noch erhalten. Das Steuer des Europäischen Bauernverbands liegt weiterhin in Ihrer Hand. Die europäischen Landwirte haben Sie schon zum zweiten Mal zu ihrem Präsidenten gewählt. Das zeigt, welche Wertschätzung Ihnen über Deutschlands Grenzen hinaus zuteil wird. Ihr Engagement bleibt gefragt, wenngleich ich vermute, dass Ihre Familie und insbesondere Ihre Frau vielleicht doch den Gedanken hegte, dass Sie ab und an ein Stündchen mehr auf Ihrem eigenen Hof verbringen könnten. Und um ein richtig guter Vertreter der Bauernschaft zu sein, sollten Sie das auch tun, denn wir erwarten schon, dass der Bauer auch einmal auf seinem Hof ist.
Als Sie das Präsidentenamt des Deutschen Bauernverbands vor 15 Jahren antraten, haben Sie vom unabhängigen Landwirtdasein geschwärmt. Ich zitiere Sie noch einmal: "Nur der Herrgott und, zugegeben, meine Frau stehen über mir." Ich habe den Eindruck, die Sehnsucht danach hat jetzt gesiegt und die Stellung Ihrer Frau ist noch stärker geworden. Ihnen alles, alles Gute, Gottes Segen und Gesundheit. Ich hoffe, dass wir, wenn wir eine Frage haben, immer noch zu Ihnen kommen dürfen nicht an Herrn Rukwied vorbei, aber vielleicht ergänzend.
Alles Gute und herzlichen Dank.