Redner(in): Angela Merkel
Datum: 20. September 2012
Untertitel: im Bundeskanzleramt
Anrede: Lieber Herr Baszio,sehr geehrte Frau Kollegin, liebe Annette Schavan,meine Damen und Herren
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2012/09/2012-09-20-bkin-jugend-forscht.html
Und vor allem: liebe Preisträgerinnen und Preisträger,
Ich möchte Sie ganz herzlich im Kanzleramt willkommen heißen. Für die Preisträgerinnen und Preisträger ist dieser Empfang heute gedacht."Jugend forscht" steht in diesem Jahr unter dem Motto: "Uns gefällt, was Du im Kopf hast". Ich werde nicht bei allen herausfinden, was sie im Kopf haben, aber von einer Seite bekomme ich es ja erklärt. Ganz offensichtlich ist aber, dass jeder von Ihnen den Kopf sehr angestrengt hat, hartnäckig experimentiert, getüftelt und sich zum Schluss davon zeugen auch die Preise wirklich etwas Gutes ausgedacht hat. Es sind bemerkenswerte Ergebnisse.
Einige Beispiele. Das Leben der Schilfeulen, einer Schmetterlingsgruppe, wurde intensiv erforscht. Das ist ein wichtiger Beitrag für Ökologie und Artenschutz. Sie haben eine Elektrolysezelle entwickelt, die beim Vergären von Biomasse den Wasserstoff sauber und effizient abtrennt sehr gut, das können wir gleich für die Energiepolitik benutzen. Sie haben auch ein spezielles Fanggerät entwickelt, um zu messen, wie stark die Nordsee mit Mikroplastik, also ganz kleinen Plastikteilchen, belastet ist. Sie haben ein Bobby-Car mit intelligenter Technik ausgerüstet und damit zu einem autonomen, selbstfahrenden Kinderauto gemacht da müssen wir gleich einmal über Geschwindigkeitsbegrenzungen reden.
Das sind nur ein paar Beispiele, aber sie zeigen: Sie stecken den Kopf nicht in den Sand, sondern lassen Ihren Ideen freien Lauf und kommen dann auch zu ganz erstaunlichen Lösungen. Interessant ist sicherlich, dass Sie dabei auch bemerken, dass man seine Gedanken nicht von vornherein nur einem Ziel verschreiben kann, sondern dass Forschen bedeutet, dass manchmal auch etwas ganz Unverhofftes dabei herauskommt. Ich sage das deshalb, weil ich gestern bei der großen Forschungsanlage DESY in Hamburg war und dort auch eine Rede zu Ehren von Max von Laue eines Nobelpreisträgers von Anfang des 20. Jahrhunderts gehalten habe und da eine Definition von Grundlagenforschung eines amerikanischen Wissenschaftlers verwendet habe, die mir sehr gut gefallen hat. Dieser sagte nämlich, dass man Grundlagenforschung wie folgt beschreiben kann: Man schießt einen Pfeil in die Luft; und da, wo er wieder auf der Erde landet, malt man einen Kreis und sagt: Das ist das Ziel. Das heißt, wir können in der Forschung nie genau voraussagen, was herauskommen wird, sondern wir müssen Offenheit zeigen.
So war auch der 47. Wettbewerb von "Jugend forscht" ein beeindruckender Beleg für den Forschergeist und Tatendrang junger Menschen. Es gab diesmal sogar einen Teilnehmerrekord: Knapp 11. 000Jungen und Mädchen haben mitgemacht. Das bedeutet nichts anderes, als dass Sie, die Sie zwar immer noch eine ganze Menge, aber weit entfernt von 11.000 sind, beim Rangeln um die Preise eine starke Konkurrenz hatten. Deshalb gratuliere ich umso mehr.
Sie haben selbst gespürt, dass das, was Sie machen, faszinierend ist. Sie beobachten sicherlich auch, was sonst auf der Welt von Menschen durch Forschung bewegt wird. Wir haben vor kurzem die Landung der US-Marssonde "Curiosity" erlebt und sind da natürlich auf die Forschungsergebnisse gespannt. Wir können uns heute auch von Molekülen und der atomaren Welt genaue Bilder machen. Das hätte man sich früher so nicht vorstellen können.
Forschung ist in der Regel kein Selbstzweck, aber was man erfindet, das ist sozusagen Grundlage dafür, dass wir auch in Zukunft in Wohlstand leben können. Dieser Gedanke geht heute manchmal ein bisschen verloren. Wir sind heute ein wohlhabendes Land, aber wenn wir ab morgen nichts mehr erfinden, nichts mehr erforschen würden, kein besonderes Produkt mehr herstellen würden, sondern nur noch das machen könnten, was alle auf der Welt können, dann würden wir in unserem Lebensstandard sehr weit zurückfallen.
Das ist etwas, das wir auch in unserer politischen Arbeit immer wieder sagen: Forschung, Wissenschaft, neue Erkenntnisse das sind sozusagen die Treiber unserer eigenen Lebenssituation, unseres eigenen Lebensstandards. Deshalb hat die zuständige Bundesministerin Annette Schavan nicht nur ein gutes Herz für "Jugend forscht", sondern sie hat auch sehr darauf geachtet, dass wir unser Versprechen einhalten, für Forschung und Bildung mehr auszugeben, den Forschungseinrichtungen vor allen Dingen auch mehr Planungssicherheit zu geben, im Rahmen des Hochschulpakts den jungen Leuten gute Studienmöglichkeiten zu bieten und immer darauf zu achten, dass Leistung zählt. Man kann sagen, dass es manchmal hart ist, wenn man keinen Preis gewinnt, aber wenn Wettbewerb ausgeschaltet wird, dann wird man träge. Deshalb ist auch unsere Exzellenzinitiative bei den Hochschulen so wichtig, denn dadurch wurde frischer Wind in die Spitzenforschung gebracht.
In der internationalen Beurteilung liegen wir, glaube ich, ganz gut. Wir sind zwar manchmal mit der OECD und ihren Maßstäben nicht hundertprozentig zufrieden, aber uns wird durchaus attestiert, mit die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu haben die geringste seit langem in Deutschland. Das ist auch ein Verdienst unserer dualen Berufsausbildung, die in Europa im Augenblick sehr nachgefragt wird. Wir arbeiten daran, dass wir immer weniger Schulabbrecher haben; das ist ganz wichtig. 2011 haben außerdem so viele junge Leute ein Studium aufgenommen wie nie zuvor. Besonders freut uns, dass gerade auch in den mathematischen, ingenieurwissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Fächern die Zahl der Studienanfänger wieder sehr viel größer geworden ist. Allerdings müssen wir jetzt auch aufpassen, dass möglichst viele ihr Studium beenden und nicht irgendwo in der Mitte steckenbleiben.
Als Preisträgerinnen und Preisträger von "Jugend forscht" haben Sie gezeigt, dass Sie Technikfreude haben, dass Sie Freude an der Naturwissenschaft haben. Deshalb ermuntere ich Sie auch, das nicht zu vergessen, nachdem Sie einen Preis bekommen haben, sondern auf Ihrer Arbeit vielleicht auch in Ihrem zukünftigen Leben aufzubauen.
Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die daran mitgewirkt haben, dass dieser Wettbewerb stattfinden kann. Nur aufgrund der Tatsache, dass viele Personen und viele Einrichtungen diesen Wettbewerb unterstützen, kann er überhaupt in dieser Breite stattfinden. Das sind Patenunternehmen und Pateninstitutionen, das sind Förderer, Preisstifter, Partner, ehrenamtliche Projektbetreuer, die Juroren und die Ausrichter der Wettbewerbe. Allen diesen Beteiligten gilt mein herzlicher Dank. Natürlich ist der Erfolg, den die Preisträgerinnen und Preisträger haben, auch ein Stück weit der Erfolg derer, die sie unterstützt haben.
In der Kategorie "originellste Arbeit" komme ich dann noch einmal ins Spiel, denn das hat etwas mit dem Sonderpreis der Bundeskanzlerin zu tun. In diesem Jahr erhalten ihn Christian Dreier und Fabian Bronner aus Moers. Sie haben etwas Greifbares entwickelt was sicherlich genauso schwer ist wie etwas zu entwickeln, das nicht so greifbar ist, nämlich eine "Super-Stereo" -Methode zum Musikhören, woraus gewissermaßen ein Raumklangwunder entsteht. Insofern bin ich ganz gespannt auf die Präsentation; ich bin sozusagen ganz Ohr, wenn Sie mir jetzt vorführen, was da passiert.
Danke dafür, dass Sie alle hierhergekommen sind. Jetzt kommen wir zur Präsentation und zum Sonderpreis.