Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 22. März 2013
Untertitel: In der Plenardebatte am 22. März 2013 betonte Kulturstaatsminister Bernd Neumann in seiner Rede: "Die 40-jährige DDR-Diktatur darf nicht verdrängt, nicht vergessen und schon gar nicht verharmlost und verniedlicht werden!".
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2013/03/2013-03-22-neumann-sed-bericht.html
In der Plenardebatte am 22. März 2013 betonte Kulturstaatsminister Bernd Neumann in seiner Rede: "Die 40-jährige DDR-Diktatur darf nicht verdrängt, nicht vergessen und schon gar nicht verharmlost und verniedlicht werden!".
Anrede,
im nächsten Jahr feiern wir den 25. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin, der die entscheidende Wegmarke am Ende der unseligen kommunistischen Diktatur in Ostdeutschland war. 40 Jahre hatten 17 Millionen Deutsche in der DDR unter der SED-Diktatur gelitten, waren ihrer Freiheit beraubt, Menschenrechte wurden mit Füßen getreten, Hunderttausende von Bürgern wurden bespitzelt, Andersdenkende und Regimekritiker waren inhaftiert und wurden drangsaliert, auch schon dann, wenn sie nur die DDR verlassen wollten. Millionen von Menschen wurden also ihrer Zukunft beraubt.
Auch über 20 Jahre nach der Deutschen Einheit ist die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in der SBZ und in der DDR eine für Staat und Gesellschaft notwendige und herausragende Aufgabe. Einen Schlussstrich unter das begangene Unrecht kann und wird es nicht geben!
Die 40-jährige DDR-Diktatur darf nicht verdrängt, nicht vergessen und schon gar nicht verharmlost und verniedlicht werden!
Dies sind wir nicht nur den Opfern schuldig, sondern den Werten unserer Demokratie, aber auch den Menschen, die die Friedliche Revolution 1989 erst möglich machten. Die Regierungsparteien hatten sich daher für die 17. Wahlperiode vorgenommen, die Aufarbeitung weiter zu verstärken, um einer Verklärung und Verharmlosung der SED-Diktatur entgegenzuwirken.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Bericht zur Aufarbeitung der SED-Diktatur der heute erstmals Gegenstand der Debatte ist dokumentiert in umfassender und eindrucksvoller Weise auf 260 Seiten, was in den letzten Jahren an Aufarbeitung geleistet wurde.
Beigetragen haben verschiedene Bundesressorts und zentrale Einrichtungen des Bundes für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, die zu meinem Geschäftsbereich gehören, so etwa die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, das Haus der Geschichte, das Deutsche Historische Museum sowie das Bundesarchiv aber auch alle 16 Länder, Opferverbände wie auch Einrichtungen von Gedenkstätten.
Der Bericht belegt, dass die Bundesregierung dem Auftrag des Koalitionsvertrags, die Aufarbeitung zu verstärken, umfänglich nachgekommen ist. Ich bitte um Verständnis, dass ich jetzt nur auf die Aktivitäten des Bundes eingehe. Grundlage dafür bildet die 2008 vorgelegte Gedenkstättenkonzeption des Bundes.
Ich habe bewusst in meiner Amtszeit die Mittel für die Aufarbeitung beider deutschen Diktaturen um 50 Prozent erhöht. Fast alle der dort thematisierten Maßnahmen sind bereits abgeschlossen oder befinden sich in der Umsetzung.
So wurden um nur einige Beispiele stichwortartig zu nennen die Gedenkstätten Berliner Mauer, Deutsche Teilung Marienborn, Leistikowstraße ( also das ehemalige sowjetische Untersuchungsgefängnis ) wie auch die Erinnerungsstätte Marienfelde in die institutionelle Förderung durch den Bund aufgenommen.
An der Bernauer Straße öffnete 2009 das Besucherzentrum seine Pforten, 2010 konnte der erste Abschnitt der Open-Air-Ausstellung auf dem ehemaligen Mauerstreifen folgen. Im September 2011 eröffnete die Bundeskanzlerin die Dauerausstellung zum Alltag der deutschen Teilung im "Tränenpalast" am Bahnhof Friedrichstraße.
Im Januar 2012 konnte Haus 1 in der Normannenstraße, die ehemalige Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit, nach denkmalgerechter Instandsetzung der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus wurden unter anderem Sanierungsmaßnahmen in Millionenhöhe wie auch Projekte finanziert, wie beim ehemaligen Stasiknast in Hohenschönhausen, im Zuchthaus Cottbus, in der Runden Ecke in Leipzig, wie auch im Geschlossenen Jugendwerkhof in Torgau.
Auch an der ehemaligen "Zonengrenze" beziehungsweise am sogenannten Todesstreifen, der die DDR abtrennte, finden mit Mitteln des Bundes wichtige Aktivitäten statt. Ich nenne nur als Beispiele das Grenzlandmuseum Eichsfeld, das Deutsch-Deutsche Museum Mödlareuth und Point Alpha. Alle genannten Einrichtungen arbeiten dagegen an, die Verbrechen vergessen zu machen und das System der DDR schönzureden.
Zeitzeugen können dem am eindrucksvollsten etwas entgegensetzen. Daher haben wir im Juni 2011 das Koordinierende Zeitzeugenbüro eingerichtet eine Anregung der FDP im Koalitionsvertrag, bei dem die Gedenkstätte Hohenschönhausen, die Bundesstiftung Aufarbeitung und die Stiftung Berliner Mauer zusammenarbeiten. Allein im Jahr 2012 gab es bundesweit 514 Zeitzeugen-Einsätze, insgesamt wurden 22.365 Teilnehmer erreicht. Dies werden wir dauerhaft fortsetzen.
Insgesamt gibt der Bund für die geschichtliche Aufarbeitung der SED-Diktatur jährlich etwa 100 Millionen Euro aus.
Trotz aller Aktivitäten des Bundes aber auch der Länder haben wir beunruhigende Befunde in verschiedenen Studien zum historischen Wissen von Jugendlichen. Das muss alle Verantwortlichen in Deutschland wachrütteln, die Anstrengungen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur insbesondere in den Schulen noch weiter zu verstärken.
Beitragen können dazu auch Schülerprojekttage wie der, den Roland Jahn im Januar unter dem Titel "Stasi Was geht mich das an?" durchgeführt hat und an dem sich über dreihundert Schülerinnen und Schüler aus vier Bundesländern beteiligt haben. Das Gelände des ehemaligen Stasi-Quartiers auf diese Weise auch als authentischen, außerschulischen Lernort zu nutzen, finde ich unterstützenswert.
Das Ziel eines "Campus der Demokratie", das Roland Jahn hat, finde ich dem Grundsatz nach eine gute Idee. Ob der Name optimal ist, können wir noch einmal in Ruhe diskutieren.
Lieber Kollege Thierse, laut Zeitungsberichten haben Sie zur Idee des "Campus" kritisch gesagt: "Es kam ja auch niemand auf die Idee, ein NS-Konzentrationslager in einen Campus der Demokratie umzuwandeln." Finden Sie nicht doch, dass Ihr Vergleich inkorrekt und geschmacklos ist, Konzentrationslager und Stasizentrale gleichzusetzen?!
Erlauben Sie mir an dieser Stelle auch eine Anmerkung zur sogenannten Perspektivkommission für den BStU, die die SPD ja wieder für sich entdeckt zu haben scheint. Ihre Argumentation, lieber Kollege Thierse, ist etwas scheinheilig. In der Großen Koalition waren es nur einige Politiker der Union, die sich auf eine alsbaldige Überführung der Behörde in die Zuständigkeit des Bundesarchivs verständigen wollten Sie und die Grünen waren damals einstimmig dagegen.
Nun haben wir in der christlich-liberalen Koalition das "Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" ( StUG ) novelliert und alle entsprechenden Überprüfungsfristen bis 2019 verlängert. Wir sind uns alle einig, dass vor diesem Datum eine Integration ins Bundesarchiv auf keinen Fall in Frage kommt.
Aber unabhängig davon steht doch fest, dass die Aufarbeitung auch darüber hinaus weitergeht. Deshalb sollten wir in der nächsten Legislaturperiode ganz in Ruhe über die Zukunft der Behörde beraten.
Die Aufarbeitung der dunklen Kapitel unserer Geschichte ist uns Verpflichtung. Das gilt in besonderem Maße für die Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft und ihrer singulären Verbrechen. Aber auch die Aufarbeitung der SED-Diktatur ist aller Anstrengungen wert. Der Bericht zeigt: Diese Bundesregierung hat sich dieser Aufgabe umfassend und auf hohem Niveau gestellt.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.