Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 13. Mai 2013

Untertitel: "Im Zeitalter weltumspannender Kommunikations- und Informationsströme und grenzenloser physischer und geistiger Mobilität kommt der Tätigkeit des Übersetzens eine veränderte und größere Bedeutung zu als noch vor zwei, drei Jahrzehnten." so Staatsminister Bernd Neumann in seiner Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2013/05/2013-05-13-neumann-ital-uebersetzer.html


Im Zeitalter weltumspannender Kommunikations- und Informationsströme und grenzenloser physischer und geistiger Mobilität kommt der Tätigkeit des Übersetzens eine veränderte und größere Bedeutung zu als noch vor zwei, drei Jahrzehnten." so Staatsminister Bernd Neumann in seiner Rede.

Anrede,

im Namen der Bundesregierung heiße ich Sie hier im Bode-Museum zur Verleihung des Deutsch-Italienischen Übersetzerpreises herzlich willkommen. Besonders freue ich mich über die Anwesenheit von Frau Generaldirektorin Rossana Rummo aus dem italienischen Kulturministerium, die ihren Minister vertritt, der ja erst vor wenigen Tagen sein Amt übernommen hat.

Erst vor wenigen Tagen hat der neue italienische Ministerpräsident Letta in einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel gesagt: "Europa hat immer dann großartige Leistungen und Ergebnisse gezeitigt, wenn Deutschland und Italien gemeinsam voranschritten." Das war zwar vorrangig auf die Bewältigung der aktuellen wirtschafts- und finanzpolitischen Probleme in Europa gemünzt, lässt sich aber auch auf das Feld von Kunst und Kultur projizieren.

Es gibt in ganz Europa keine Kulturbeziehungen, die stabiler, facettenreicher, aber auch emotionsbeladener sind, als die zwischen Deutschland und Italien und das seit der Krönung Karls des Großen in Rom vor über 1200 Jahren.

Mein Haus unterhält in Italien zahlreiche Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in Rom nicht nur die Villa Massimo, sondern auch das einzige, von der Bundesrepublik getragene Museum im Ausland, die Casa di Goethe. In zwei Wochen werde ich in die wunderbare Ewige Stadt reisen, um nach 16 Jahren Ursula Bongaerts als Direktorin zu verabschieden, die dort hervorragende Arbeit geleistet hat.

Bald wird eine Italienerin dort die Nachfolge antreten. Ich spreche von Maria Gazzetti, die mit dem Frankfurter Literaturhaus hier in Deutschland eine der renommiertesten deutschen Literaturinstitutionen aufgebaut hat. Wir freuen uns, dass wir eine solch erfolgreiche Frau, deren italienisches Herz für die deutsche Literatur schlägt, gewinnen konnten!

Liebe Frau Generaldirektorin Rummo, lieber Herr Botschafter, all dies zeigt: Italien und Deutschland arbeiten im weiten Feld der Kultur überaus partnerschaftlich zusammen. Dafür danke ich sehr herzlich!

Der deutsch-italienische Übersetzerpreis ist nach nunmehr sechs Verleihungen längst Teil eines dichten Geflechtes institutioneller kultureller Verbindungen zwischen unseren Ländern.

Hierfür möchte ich nicht nur meinen italienischen Amtskollegen der letzten Jahre danken, sondern auch dem deutschen Außenminister, mit dem wir von Anfang an dieses Projekt partnerschaftlich gestalten und begleiten.

Sicher gibt es Kulturpreise, die noch bekannter, höher dotiert oder populärer sind, aber wenige zielen so ins Zentrum europäischen Kulturverständnisses wie dieser. Im Zeitalter weltumspannender Kommunikations- und Informationsströme und grenzenloser physischer und geistiger Mobilität kommt der Tätigkeit des Übersetzens eine veränderte, und ich glaube größere Bedeutung zu als noch vor zwei, drei Jahrzehnten.

Denn um Transfer geht es auch beim Übersetzen. Weltliteratur wie Dante sie geschrieben, Goethe sie erstmals begrifflich gefasst hat und wie wir sie heute in überwältigender Vielfalt der Stimmen aufnehmen können, wäre ohne Übersetzer nicht möglich. Ich freue mich, dass uns heute Ulrich Matthes mit seiner Lesung aus Dantes "Göttlicher Komödie" ein bedeutendes Stück Weltliteratur näher bringen wird.

Mehr denn je gilt: was wir von anderen Völkern, Kulturen und Weltgegenden kennen, wissen wir nicht nur aus Wikipedia und Google, sondern aus den Texten der Dichter und Schriftsteller.

Der Bund hat zusammen mit wichtigen Partnern der Branche bereits 1997 den Deutschen Übersetzerfonds gegründet, um - damals erstmalig - die Möglichkeit zu schaffen, literarische Übersetzungen aus anderen Sprachen in das Deutsche zu fördern.

Er erhält jährlich rund eine halbe Million Euro, überwiegend für Stipendien. So werden Übersetzungen nicht nur aus allen großen Sprachen der Welt, sondern etwa auch aus dem Albanischen, Suaheli oder Afrikaans gefördert.

Unsere einheitliche deutsche Sprache als verbindendes Element, die heute das Fundament unserer Kultur und unserer Identität bildet, verdanken wir einer Übersetzung, nämlich der Bibel-Übersetzung Martin Luthers. Darum werden wir im Rahmen des Reformationsjubiläums, das aus meinem Haushalt gefördert wird, das Projekt "Martin Luther: Die Kraft der Sprache aus dem Geist der Übersetzung" finanzieren.

Meine Damen und Herren,

die Jury des Deutsch-Italienischen Übersetzerpreises hatte keine leichte Aufgabe, aus der Fülle der qualitätsvollen Bewerbungen ihre Auswahl zu treffen. Aber dann war die Entscheidung doch eindeutig.

Der Preis für die beste Übersetzung geht an Hartmut Köhler für seine vollständige Übersetzung von Dantes "Commedia Divina", wahrlich ein Werk der Weltliteratur. Tragischerweise hat er nicht mehr von der Auszeichnung erfahren, weil er wenige Tage vor der Jurysitzung verstarb.

Umso mehr freue ich mich, dass Sie, liebe Familie Köhler, nach Berlin gekommen sind, um die Auszeichnung an seiner Stelle entgegenzunehmen. Ich begrüße Sie herzlich! Das italienische Kulturministerium finanziert dankenswerterweise wiederum den Preis für das übersetzerische Lebenswerk, der diesmal an Burkhart Kroeber geht.

Sie, lieber Herr Kroeber, haben mit Ihren Übersetzungen großer Literatur Maßstäbe gesetzt. Eine ganz besondere Freude für uns alle ist es, dass ein heutiger Autor der Weltliteratur, Umberto Eco, es sich nicht hat nehmen lassen, das Loblied auf Burkhart Kroeber, seinen langjährigen Übersetzer und Freund zu singen.

Lieber Professor Eco, gerne erinnere ich mich an unser Zusammentreffen im Jahr 2007 im Literarischen Colloquium hier in Berlin. Ihr literarisches Werk wird in Deutschland geliebt und geschätzt danke, dass Sie heute Abend hierher gekommen sind!

Der diesjährige Nachwuchsförderpreis geht an Frau Mirjam Bitter für ihre erste Romanübersetzung. Ich wünsche Ihnen, liebe Frau Bitter, für den einmonatigen Aufenthalt in der Villa Massimo viel Inspiration.

Stellvertretend für alle Mitglieder der Jury danke ich Frau Dr. Albath dafür, dass Sie sich der mühevollen Arbeit in einem solchen Gremium so engagiert und mit soviel Kompetenz gewidmet haben. Dem Literarischen Colloquium Berlin danke ich für vielfältige professionelle Unterstützung des Projektes. Übersetzen ist Übersetzen "oder lateinisch" traducere navem ", schrieb Jacob Grimm 1847. Jacob Grimm sagt weiter:" Wer ein Schiff bemannen und mit vollem Segel an das Gestade jenseits führen kann, muss dennoch landen, wo andrer Boden ist und andre Luft streicht."

Sie können sicher nachvollziehen, dass mir als Bremer dieser maritime Vergleich besonders sympathisch ist. Lassen Sie mich also nicht nur den Übersetzern, die heute ausgezeichnet werden, sondern der ganzen Zunft der Übersetzungskünstler dafür danken, dass sie uns immer wieder dorthin entführen, wo "anderer Boden ist und andere Luft streicht".

Das ist nicht nur den Deutschen und den Italienern im Lauf der Jahrhunderte immer wieder gut bekommen. Es ist auch für die Zukunft eines kulturell, politisch und wirtschaftlich einigen Europa eine ganz wesentliche Voraussetzung.