Redner(in): Monika Grütters
Datum: 09. April 2014

Untertitel: Kulturstaatsministerin Monika Grütters nahm im Deutschen Bundestag zum Entwurf des Kulturhaushalts 2014 Stellung. Sie begrüßte die vorgesehene Verdopplung der Mittel für die Provenienzrecherche. Grütters sprach sich außerdem für eine Stärkung und Stabilisierung der Deutschen Welle aus.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/04/2014-04-09-gruetters-entwurf-kulturhaushalt-bundestag.html


Kulturstaatsministerin Monika Grütters nahm im Deutschen Bundestag zum Entwurf des Kulturhaushalts 2014 Stellung. Sie begrüßte die vorgesehene Verdopplung der Mittel für die Provenienzrecherche. Grütters sprach sich außerdem für eine Stärkung und Stabilisierung der Deutschen Welle aus.

Anrede,

Gleich zwei Ereignisse haben uns Kulturfreunde - übrigens weltweit - in den letzten Tagen sehr bewegt: Das eine war der Durchbruch bei der Bearbeitung des sogenannten Schwabinger Kunstfundes und das andere die große Ausstellung von Ai Weiwei im Martin-Gropius-Bau. Ich finde, beide Ereignisse - deshalb erwähne ich sie hier eingangs - sagen sehr viel aus über unser Verständnis als Kulturnation.

Gestern konnten wir immerhin erleichtert feststellen, dass Herr Gurlitt sich bereit erklärt hat, die Raubkunst freiwillig - das ist erstmals in der Geschichte der Republik so - an die Erben der damaligen, meist jüdischen Besitzer zurückzugeben. Das ist nicht nur ein großer Erfolg in diesem spektakulären Fall, sondern das zeigt vor allem, dass Deutschland auch 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht aufhört, seine Vergangenheit aufzuarbeiten, selbst wenn es wehtut. Ich finde, dass das, worum es hier geht, einen Applaus wert ist, insbesondere weil sich ein Privater, der das nicht hätte tun müssen, freiwillig dazu bereit erklärt hat. Vor allen Dingen wird eines dabei sichtbar: Es geht im Einzelfall nicht immer nur um den materiellen Ausgleich, sondern auch um die Anerkennung der Opferbiografien, also auch um so etwas wie die moralische Durchdringung unser aller Geschichte.

Vor genau einer Woche haben wir im Martin-Gropius-Bau die weltweit größte Ausstellung des Künstlers Ai Weiwei eröffnet, die deshalb weltweit so viel Aussehen erregt, weil er in China unter Hausarrest steht und weil seine Kunst, die subversiv ist und manchmal fast verführerisch ästhetisch, obwohl er in allen seinen Arbeiten immer wieder auch die Unterdrückung, die er erfahren hat, aufarbeitet, so etwas ist wie ein Manifest gegen Ungerechtigkeit und gegen Willkür.

Daran wird deutlich, dass Kunst und Kultur - das gilt nicht nur für Deutschland, sondern überall - kein dekorativer Luxus sind, sondern eine Haltung, ein Modus des Zusammenlebens. Die Künstler denken über die Bedingungen unserer Existenz und über die Verfasstheit einer Gesellschaft nach, und man kann eine Gesellschaft sehr genau daran erkennen, wie sie mit ebendiesen Künstlern umgeht. Das ist eine Art Lackmustest für die Demokratie und für die Achtung der Menschenrechte. Friedrich Schiller hat das, wie ich finde, einmal sehr poetisch in die Worte gefasst: "Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit."

Der Schutz dieser Freiheiten, unter denen Geist und Kultur gedeihen, muss deshalb auch oberster Grundsatz jeder verantwortlichen Kulturpolitik sein; denn es kann ja nur der Staat sein, der diese Kunst und diese Freiheit schützt. Das heißt, wenn wir heute über den Kulturetat der Bundesregierung sprechen, dann sprechen wir über nichts Geringeres als über die Grundlage unseres Zusammenlebens.

Ganz konkret: Ein Staat wie Deutschland, der reich an kulturellen Traditionen ist, dessen Brüche aber auch sehr radikal sind, muss eben auch im Umgang mit seinen Kulturgütern Klarheit schaffen und nach fairen und gerechten Lösungen suchen. Deshalb bin ich sehr dankbar - und das ist nicht banal - , dass wir die Mittel für Provenienzrecherche und für die Rückgabe tatsächlich noch in diesem Haushalt für 2014 verdoppeln konnten.

Es kann sein, dass das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste spät kommt, aber es kommt noch zur rechten Zeit. Das macht einmal mehr deutlich, wie wichtig uns die Aufgabe ist. Deshalb bin ich wirklich dankbar und immer noch beeindruckt, dass ausgerechnet meine israelische Kollegin Limor Livnat bei unserem Besuch unvermittelt - das war nicht geplant - einmal mehr gesagt hat, sie bewundere, was wir in der kurzen Zeit gemacht haben. Sie fragte sogar, ob wir deutsche Provenienzforscher in israelische Museen schicken können. Wenn das kein Vertrauensbeweis ist!

Jetzt komme ich zur Medienpolitik, und zwar zu dem Teil, den der Bund zu verantworten hat. Ich weiß, Sie haben sich ins ZDF verbissen, aber das ist und bleibt Ländersache. Übrigens, zu persönlichen Raufereien: Ich neige wirklich nicht dazu, gleich meinen Amtsvorgänger aus dem Amt zu jagen. Kommen wir also zur Medienpolitik des Bundes. Die Krisen in der Ukraine und der Arabische Frühling - oder das, was davon übrig geblieben ist - zeigen uns einmal mehr, wie wichtig unabhängiger, freier Journalismus ist. Die Deutsche Welle als Auslandssender steht eben für Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Menschenrechte, Demokratie und soziale Marktwirtschaft.

Der Wettbewerb um die Weltöffentlichkeit, um Werte und Ideen hat sich drastisch verschärft. Die Deutsche Welle konkurriert inzwischen mit mindestens 26 internationalen Sendern, und viele von denen stehen eben nicht für freie Meinungsäußerung, sondern für eine aggressive und tendenziöse Berichterstattung und nicht selten für Zensur und Propaganda. Trotzdem ist es der Deutschen Welle in den letzten Jahren gelungen, die Nutzung ihres Angebots um 17 Prozent auf immerhin 101 Millionen Zuschauer pro Woche zu steigern. Ich glaube, das ist ein Zeichen für hohe Glaubwürdigkeit. Sie setzt daneben natürlich auch mit mutigen Entscheidungen ein Zeichen, wie der, die Satiresendung des Ägypters Bassem Youssef in ihr Programm zu übernehmen; da hat es starke Konkurrenz, nicht zuletzt von der BBC, gegeben.

Deshalb ist es wichtig, dass wir die Deutsche Welle stärken. Dies haben wir in diesem Haushalt kurzfristig mit mindestens 2 Millionen Euro mehr - auch über ODA-Mittel - getan, und das soll nicht das letzte Wort gewesen sein. Helfen Sie also mit, die Deutsche Welle zu stärken und zu stabilisieren.

Noch ein paar Worte zum Thema Filmförderfonds. Er ist hier angesprochen worden. Dafür standen jahrelang 60 Millionen Euro zur Verfügung. Das verteidige ich auch. Als die Mittel einmalig auf 70 Millionen Euro aufgestockt wurden, sind - das müssten Sie wissen - nur 62 Millionen Euro abgeflossen, nicht mehr.

Ich finde es traurig, dass wir alle die Filmförderung immer nur auf diesen einen Fonds reduzieren und nichts über die Drehbuchpreise, über die Förderung des Kinderfilms in Deutschland, über das Oberhausener Filmfestival und beispielsweise über die Berlinale sagen. Ich fände es besser, wenn wir die Filmförderung ernst nähmen. Sie steht ganz oben auf unserer Agenda und nimmt mehr Raum ein als fast alle anderen Themen.

Die Wahrung unseres kulturellen Erbes ist das eine Thema. Ich komme zu einem anderen Thema, das Sie angesprochen haben, nämlich der Fürsorge für die Künstler, die für uns wichtig sind. Deswegen hat für die Kollegin Nahles und mich die Künstlersozialkasse, die vor 31 Jahren gegründet wurde, wieder einmal Priorität in unserer Politik, und wir haben bereits innerhalb der ersten 100 Tage dafür gekämpft, dass dieser kulturpolitische Meilenstein nicht beschädigt wird.

Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass Künstler angemessen bezahlt und sozial abgesichert werden. Ich bin der Kollegin dankbar, dass sie schon jetzt einen Entwurf erarbeitet hat, der am 30. April im Kabinett beraten werden soll, damit die Künstler tatsächlich besser abgesichert werden.

Ich komme zum Thema kooperativer Kulturföderalismus. Ich finde, wir Kulturleute können noch einigermaßen froh darüber sein, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen in der Kultur relativ gut funktioniert. Ich erinnere an den Bildungsbereich, in dem man sich selbst auf die Aufhebung des Kooperationsverbotes zur Finanzierung der Hochschulen nicht einigen kann.

Ich habe immerhin bereits zwei Monate nach Amtsantritt nicht nur die Kulturminister, sondern auch Vertreter der Kommunen zum Gespräch eingeladen. Wir haben uns für die gemeinsame Arbeit drei wichtige Themen vorgenommen. Das ist mehr, als es je gegeben hat, und natürlich werde ich weiter daran arbeiten.

Freiheit von Kunst und Kultur heißt natürlich auch Freiheit von Geldsorgen. Geld ist nicht alles. Aber ohne Geld geht fast nichts. 1,6 Prozent der Mittel in den öffentlichen Haushalten für Kultur sind übrigens nicht viel, aber wir sind damit immer noch das Land mit der weltweit höchsten Kulturdichte.

Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass es mit der großen Unterstützung durch das Parlament, durch die Haushälter und auch durch den Finanzminister - das ist in Zeiten von Schuldenbremse, ausgeglichenen Haushalten oder dem ehrgeizigen Ziel der Schuldentilgung nicht wenig - gelungen ist, den Etatansatz zu verteidigen. Ich hoffe natürlich ein bisschen auf die Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Ich nenne hier das Stichwort Denkmalschutzprogramm. Ihre Unterstützung und Ihrer aller Solidarität haben dazu geführt, dass die Kultur in unserem Land einen so hohen Stellenwert hat. Ich möchte mich auch ausdrücklich bei der Opposition bedanken; denn das große Einvernehmen ist fraktionsübergreifend und beschränkt sich nicht auf die Koalitionsfraktionen.

Wie sagte Schiller: "Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit." Ich finde, sie ist auch das geistige Band, das uns zusammenhält. Hoffen wir gemeinsam, dass es stark bleibt und hält.

Ich bedanke mich.