Redner(in): Angela Merkel
Datum: 10. Oktober 2014

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,sehr geehrter Herr Minister Xu,sehr geehrter Herr Bundesminister Gabriel,meine sehr geehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/10/2014-10-10-merkel-dt-chin-wirtschaftsforum.html


Ich habe mir sagen lassen, dass ein geflügeltes chinesisches Wort lautet: "Ein Geschäft eröffnen ist leicht; schwer ist es, es geöffnet zu halten." In diesem Wort steckt viel Wahrheit. Nicht nur deshalb freue ich mich, wenn sich Initiativen auch langfristig zu Erfolgsgeschichten entwickeln und über Jahre hinweg gewinnbringende Wirkung entfalten. Dazu können wir zum Beispiel das Deutsch-Chinesische Forum für wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit zählen, das jetzt bereits zum siebten Mal stattfindet.

Der Tag für das diesjährige Treffen namhafter Unternehmer aus unseren beiden Ländern hätte kaum besser gewählt werden können. Denn heute können wir Ministerpräsident Li und viele Mitglieder der chinesischen Regierung aus Anlass der dritten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen hier in Berlin begrüßen.

Wir haben heute eine Vielzahl von Regierungsabkommen unterzeichnet etwa zur Zusammenarbeit von Hochschulen, in der Landwirtschaft oder zur Entwicklung innovativer Antriebstechnologien. Auch die Wirtschaft hat eine Vielzahl von neuen Projekten auf den Weg gebracht in der Luftfahrt, der Automobilindustrie oder der Telekommunikation.

Mit dem, was wir schon erreicht haben, können wir zufrieden sein. Aber daran müssen wir auch anknüpfen. Deshalb haben wir heute einen Aktionsrahmen vereinbart, der unsere Zusammenarbeit in den nächsten Jahren bestimmen wird. Wir haben zwischen den einzelnen Ministerien konkrete Projekte vereinbart und werden dann auch sehen können: Haben wir das erreicht, was wir uns vorgenommen haben?

Durch die vielen Vereinbarungen des Aktionsrahmens zieht sich etwas wie ein roter Faden: Es ist unsere gemeinsame Absicht, die deutsch-chinesischen Beziehungen zu einer umfassenden Innovationspartnerschaft auszubauen. Dabei geht es um Innovationen in Wirtschaft, in der Wissenschaft und in der Technologie. Der Begriff Innovation lässt sich aber auch weiter fassen: Wir zählen dazu Bildungschancen ebenso wie ein geeignetes Rechtswesen und Sozialsystem. Auch hierbei werden wir zusammenarbeiten. Wir streben also eine Innovationspartnerschaft in einem umfassenden Sinne an. Wir wollen dabei in besonderer Weise die spezifischen Stärken unserer beiden Länder im Blick behalten.

Natürlich gehen die geopolitischen Krisen auch an den exportorientierten Unternehmen Deutschlands nicht spurlos vorüber. Man kann aber sagen, dass die deutsche Wirtschaft insgesamt in guter Verfassung ist. Wir haben eine starke Binnennachfrage. Das ist auch ein Beitrag zur Weltkonjunktur. Das anhaltend hohe Konsumniveau in Deutschland wird durch stabile Preise und durch eine gute Beschäftigungslage begünstigt. In Deutschland sind derzeit mehr Menschen erwerbstätig als je zuvor: Es dürften in diesem Jahr durchschnittlich rund 42,5 Millionen Menschen sein. Vor zehn Jahren waren es noch über drei Millionen Erwerbstätige weniger.

Die chinesische Wirtschaft beeindruckt uns schon seit mehreren Jahren mit hohen Wachstumsraten. Der IWF rechnet auch für dieses und das kommende Jahr jeweils wieder mit über sieben Prozent Wachstum der Premierminister hat heute von 7,5 Prozent gesprochen. Angesichts dieser Wachstumsdynamik müssen die Wettbewerber auf den Weltmärkten natürlich auch aufpassen, dass sie selber immer innovativ bleiben. Mit zunehmender Leistungsfähigkeit wächst auch die Nachfragekraft Chinas. Das kommt offenen Volkswirtschaften wie Deutschland natürlich zugute. Wir wissen aber, dass auch das Sprichwort "Wettbewerb belebt das Geschäft" richtig ist. Es gibt auch immer mehr chinesische Unternehmen, die in Deutschland investieren.

Die gute wirtschaftliche Entwicklung Chinas ist also eine hervorragende Grundlage für den Ausbau unserer Wirtschafts- und Innovationspartnerschaft. Im vergangenen Jahr hatten wir mit China wieder ein Handelsvolumen von über 140 Milliarden Euro. Unsere Ausfuhren nach China haben sich seit 2008 auf inzwischen 67 Milliarden Euro nahezu verdoppelt. Auch der Zufluss deutscher Investitionen nach China ist ungebrochen. Der Bestand deutscher Investitionen in China hat sich allein zwischen 2009 und 2012 auf rund 45 Milliarden Euro verdoppelt.

Das liegt auch daran, dass deutsche Unternehmen China immer mehr als Partner bei der Entwicklung anspruchsvoller Technologien schätzen. Als Partnerland der Hannover Messe 2012 zum Beispiel hat sich China der Weltöffentlichkeit als industrieller Motor präsentiert. Und als Partnerland der CeBIT 2015 wird China auch seine Stärken im IT-Bereich zeigen. Ich glaube, wir können durch das Partnerland China auf der CeBIT mit einem weiteren kräftigen Schub für unsere Kooperation bei Zukunftstechnologien rechnen.

Natürlich hängt der Fortgang der wirtschaftlichen Kooperation vor allen Dingen von Ihnen, den Unternehmern, ab. Aber ich weiß mich mit Ministerpräsident Li darin einig, dass wir noch bestehende staatliche Hindernisse für Handel und Investitionen so weit wie möglich abbauen müssen.

Der wichtigste Grundsatz für unsere Zusammenarbeit sollte eine konsequente Gleichbehandlung unserer Unternehmen sein. In Deutschland finden chinesische und einheimische Unternehmen bereits in nahezu allen Bereichen gleiche Bedingungen vor. Aus vielen Gesprächen weiß ich, wie wichtig es deutschen Firmen ist, auch auf dem chinesischen Markt faire Wettbewerbschancen und Rechtssicherheit zu haben. Das sind Standortfaktoren, deren Bedeutung vor allem für längerfristiges Engagement sehr hoch ist. Wir haben auch heute beim Mittagessen darüber gesprochen.

Ich bin davon überzeugt, dass China von einer möglichst umfassenden Gleichbehandlung chinesischer und europäischer Unternehmen profitieren kann. Dies gilt beim Zugang zu öffentlichen Aufträgen ebenso wie bei der Vergabe von Lizenzen. Dies gilt bei der Öffnung bestimmter Sektoren des Dienstleistungsbereichs und natürlich auch bei den Rahmenbedingungen für Investitionen. Die laufenden Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China sind ein sehr guter Anlass, um bestehende Hindernisse auf den Prüfstand zu stellen. Wir wollen auf deutscher Seite, dass die Verhandlungen zu diesem Abkommen schnell vorankommen.

Natürlich möchte ich auch chinesischen Unternehmern und Investoren Deutschland als attraktiven Standort weiter ans Herz legen. Chinesische Unternehmen sind in Deutschland erfolgreich tätig. Sie wissen, dass sie hier hochqualifizierte Arbeitskräfte, leistungsfähige Infrastrukturen, eine ausgeprägte Innovationskraft und ein dichtes Netzwerk an Forschungseinrichtungen vorfinden. Ich ermutige die chinesische Wirtschaft ausdrücklich dazu, sich in Deutschland noch stärker zu engagieren. Sie finden bei uns exzellente Rahmenbedingungen. Sie sind uns sehr willkommen.

Meine Damen und Herren, die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen und auch das Wirtschaftsforum zeigen, wie facettenreich unsere Beziehungen sind. Die vielen Projekte haben viel Vertrauen gestiftet. Vertrauen wiederum ist eine wichtige Voraussetzung für langfristige Partnerschaft. Darauf können wir inzwischen aufbauen. Dazu trägt auch bei, dass wir regelmäßige Begegnungen haben nicht nur im Rahmen der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Erst im Juli war ich erneut in China. Heute ist der Ministerpräsident wieder hier. Insofern werden wir miteinander die Dinge auch weiter sehr intensiv gestalten zum Vorteil beider Länder, Deutschlands und Chinas.

Herzlichen Dank.