Redner(in): Monika Grütters
Datum: 23. Oktober 2014
Untertitel: "Das einstige Heimatmuseum, spätere Krippenmuseum und heutige Museum für religiöse Kultur hat es immer wieder geschafft, allen schwierigen Umständen zum Trotz interessant und attraktiv für unterschiedliche Zielgruppen zu bleiben", so Monika Grütters in Ihrer Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/10/2014-10-23-gruetters-religio.html
Das einstige Heimatmuseum, spätere Krippenmuseum und heutige Museum für religiöse Kultur hat es immer wieder geschafft, allen schwierigen Umständen zum Trotz interessant und attraktiv für unterschiedliche Zielgruppen zu bleiben ", so Monika Grütters in Ihrer Rede.
Anrede,
Von einem "biblischen Alter" ist das Museum Religio mit seinen 80 Jahren noch weit entfernt, jedenfalls wenn man sich auf die im Alten Testament erwähnten 969 Lebensjahre eines Methusalem bezieht. Trotzdem hat sich dieses Kleinod in der nordrhein-westfälischen Museumslandschaft als erstaunlich langlebig erwiesen, wenn man bedenkt, welche politischen Entwicklungen Deutschland in den vergangenen acht Jahrzehnten durchgemacht hat.
Das Haus hat die totalitäre und kirchenfeindliche Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten überlebt, es hat den 2. Weltkrieg überstanden, die Wirren der Nachkriegszeit, die Proteste der 68er mit ihrer Parole "Unter den Talaren - der Muff von tausend Jahren", es hat dem Mitgliederschwund in den christlichen Kirchen getrotzt, und es kann sich ganz offensichtlich auch in der zunehmenden religiösen und kulturellen Vielfalt in Deutschland behaupten.
Das einstige Heimatmuseum, spätere Krippenmuseum und heutige Museum für religiöse Kultur hat es immer wieder geschafft, allen schwierigen Umständen zum Trotz interessant und attraktiv für unterschiedliche Zielgruppen zu bleiben, was zum einen für die Qualität seiner Ausstellungen, Veranstaltungen und Angebote spricht. Zum anderen zeugt diese Erfolgsgeschichte aber auch von einem in unserer Gesellschaft - zum Glück! - nach wie vor weit verbreiteten Bedürfnis, sich mit religiöser Kultur zu beschäftigen.
Religion ist zuallererst Privatsache, keine Frage. Und doch braucht es auch in einer säkularen Gesellschaft öffentliche Orte, wo man sich mit der eigenen Religiosität oder auch Nicht-Religiosität auseinandersetzen, den christlichen Wurzeln unserer Kultur nachspüren und - heute ein zunehmend wichtiges Thema - anderen Religionen begegnen kann. Dabei geht es eben nicht nur um persönliche Glaubensfragen, sondern auch um Fragen des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft: Nur wer seine eigene Kultur kennt und wertschätzt und dabei offen ist für das Fremde, kann sich mit Menschen anderer kultureller Prägungen verständigen.
Nur wer auf einem festen Wertefundament steht, kann für seine Überzeugungen einstehen. Das Museum Religio spricht damit nicht nur gläubige Christen an: Es ist offen für unterschiedliche Perspektiven, für Menschen unterschiedlicher Konfessionen, für Gläubige und nicht Gläubige, es grenzt nicht aus, sondern verbindet. Damit trägt dieses Haus nicht nur zur Bewahrung unseres kulturellen Erbes, sondern auch zu Verständnis und Verständigung in unserer pluralistischen Gesellschaft bei.
Dabei wird auch deutlich, wie sehr und auf welch vielfältige Weise Religion unser Leben und unser Zusammenleben bereichert: durch gemeinsame Rituale, durch Feste, die Menschen zusammen bringen, durch die geistige und spirituelle Heimat, die wir in der Religion finden, durch Rückhalt und Orientierung im Glauben, aber auch durch Menschen, die ihren Glauben leben und sich aus ihren christlichen Werten heraus für eine humane Gesellschaft einsetzen, so wie Bischof Clemens August von Galen, der im Dritten Reich sein Leben aufs Spiel setzte, um gegen die Euthanasie-Morde der Nationalsozialisten anzupredigen.
Erst vor kurzem haben wir in Berlin einen Gedenkort zur Erinnerung an die Opfer eröffnet: Mit seinem vorbildlichen, unerschütterlichen Mut war auch er in unserem Gedenken präsent. Seine eindringlichen Warnungen vor der Unterscheidung zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben werden uns hoffentlich immer im Gedächtnis bleiben.
Als Münsteraner Katholikin bin ich stolz auf das religiöse Leben und die Pflege der religiösen Kultur in meiner Heimatregion. Mir hat es in meinem Leben oft geholfen, im Glauben verwurzelt zu sein, es gibt mir Halt und innere Ordnung - persönlich, aber auch politisch, weil ich im christlichen Menschenbild und in meiner religiösen Sozialisation eine Grundorientierung finde. Als undogmatisch und weltoffen habe ich meine religiöse Erziehung erlebt. Deshalb fällt es mir nicht schwer, mir auch in der Berliner Diaspora treu zu bleiben und gemäß dem berühmten Petrus-Wort "jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt".
Religion kann Heimat sein, das weiß ich aus meiner eigenen Erfahrung des Aufgehobenseins im Glauben, und das erlebt jeder Besucher, jede Besucherin des Museums - eine wichtige Erfahrung, gerade in einer Zeit, in der viele Menschen Glück und Sinnstiftung ( vergeblich ) in Ersatzreligionen wie Konsum oder Karriere suchen; eine wichtige Erfahrung aber auch besonders für Kinder: Deshalb finde ich es toll, dass Sie in Ihrem Programm neben vielen interessanten Veranstaltungen für Erwachsene auch jede Woche einen Kindernachmittag anbieten.
Ihnen allen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums, lieber Frau Dr. Schöne, lieber Herr Dr. Ostendorf, danke ich herzlich für Ihre engagierte Arbeit! Man spürt beim Museumsrundgang in jedem einzelnen Raum die Sorgfalt und - ja, man kann sagen liebevolle - Hingabe, mit der Sie sich der schönen Aufgabe widmen, den Besucherinnen und Besuchern die Bedeutung religiöser Kultur zu vermitteln und dabei sehr sensibel deren unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen! Auch das gehört zum Erfolgsgeheimnis des Museums Religio.
Von Novalis, dem großen Dichter der Romantik, meine Damen und Herren, stammt die Feststellung: "Vernunft und Phantasie ist Religion - Vernunft und Verstand ist Wissenschaft." Hier im Museum Religio erleben wir, um welchen reichen Schatz wir uns bringen würden, wenn wir uns auf unseren begrenzten Verstand beschränkten. Ich wünsche dem Museum, dass es auch in Zukunft viele Menschen neugierig macht, die Grenzen des Verstandes und der Wissenschaft zu überschreiten und ihren Sinn für das Unbegreifliche zu entdecken! Denn dabei geht es letztlich in jeder Religion.
In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zum 80-jährigen Jubiläum! Auf viele weitere erfolgreiche Jahre!