Redner(in): Monika Grütters
Datum: 19. Juni 2015
Untertitel: "Aus welchen Ideen in Deutschland Filme werden können, das hängt nicht zuletzt auch von den Rahmenbedingungen ab. Mein Ziel sind Förderstrukturen, die dem Doppelcharakter des Films als Wirtschaftsprodukt und vor allem als Kulturgut gleichermaßen gerecht werden", unterstrich Monika Grütters in ihrer Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/06/2016-06-9-gruetters-filmempfang-cdu.html
Aus welchen Ideen in Deutschland Filme werden können, das hängt nicht zuletzt auch von den Rahmenbedingungen ab. Mein Ziel sind Förderstrukturen, die dem Doppelcharakter des Films als Wirtschaftsprodukt und vor allem als Kulturgut gleichermaßen gerecht werden ", unterstrich Monika Grütters in ihrer Rede.
Woran erkennt man einen schlechten Film?
Der große Drehbuchautor Jean-Claude Carrière hat mit Freunden einmal eine Liste von Indizien aufgestellt, die einen Film für den anspruchsvollen Zuschauer auf der Stelle disqualifizieren. Sterben in Zeitlupe zum Beispiel. Ich zitiere: "Jeder Film, in dem jemand von einer Maschinengewehrsalve getroffen wird und in Zeitlupe tot zusammenbricht, ist ein schlechter Film." Zu den weiteren unverzeihlichen Fehlern zählten Carrière und seine Filmfreunde, ich zitiere "jegliche gallertartige Deformierung des Bildes, vor allem die ' Weichzeichner '", außerdem "die Liebenden, die mit offenen Armen in Zeitlupe aufeinander zulaufen, ( … ) Bilder von Möwen am Meer ( vor allem bei Sonnenuntergang ) und andere jugendliche Gräueltaten."
Keine Ahnung, ob auch unter den Filmkritikern der deutschen Feuilletons eine solche Giftliste kursiert - aber fest steht: Es ist nicht leicht, sowohl den künstlerischen Feinschmeckern gerecht zu werden als auch die breite Mehrheit anzusprechen, die im Kino vor allem gut unterhalten werden will.
Umso erfreulicher, dass eben dies im vergangenen Filmjahr und auch im aktuellen Filmjahrgang immer wieder gelungen ist! Wir konnten 2014 mit Besuchermillionären wie "Der Medicus" und "Vaterfreuden" den zweitbesten deutschen Marktanteil seit Beginn der
FFA-Aufzeichnungen ( 26,7 Prozent ) verbuchen; im ersten Quartal 2015 waren es sogar mehr als 33 Prozent.
Wir konnten bei internationalen Filmfestivals über 292 Auszeichnungen mit nach Hause nehmen und mit Filmen wie "Phoenix" auch im Ausland Erfolge feiern. Wir konnten uns bei der Berlinale über einen "Silbernen Bären" für "Victoria", ein großartiges Filmexperiment, freuen. Und auch heute Abend bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises sind beeindruckende Filme im Rennen. Dazu gehört zum Beispiel "Im Labyrinth des Schweigens", ein Film, der die Vorgeschichte der Frankfurter Auschwitz-Prozesse erzählt, und der mich tief berührt hat.
Mit drei Millionen Euro Preisgeld ist der Deutsche Filmpreis der höchstdotierte Kulturpreis in Deutschland. Diese drei Millionen dienen nicht nur der Auszeichnung herausragender Filme. Sie haben als Teil unserer vielfältigen Filmförderung auch Einfluss darauf, welche Filme künftig entstehen - schließlich fließt das Preisgeld direkt in die nächste Produktion. Dafür haben wir mit der Filmakademie die beste Partnerin an unserer Seite, die man sich für diese verantwortungsvolle Aufgabe nur wünschen kann, nämlich die Filmkünstler, die kreativen Köpfe des deutschen Films. Ein herzliches Dankeschön an Sie, liebe Iris Berben, die Sie die Filmakademie so überzeugend führen und vertreten, und an all Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter!
Deutlich weniger glamourös als der Deutsche Filmpreis - aber keinesfalls weniger wichtig! - ist ein anderes Instrument der Filmförderung, das uns aktuell intensiv beschäftigt, nämlich die Novelle des Filmförderungsgesetzes. Wir sind gerade dabei, einen Referentenentwurf für das FFG 2017 zu erarbeiten. Dabei berücksichtigen wir die zahlreichen Eingaben aus der Branche ebenso wie die Vorschläge der vom FFA-Verwaltungsrat eingesetzten Expertenrunde und die Stellungnahme der Länder. Im Herbst wird die Branche erneut Gelegenheit haben, sich einzubringen. Im Moment arbeiten wir vor allem daran, die Finanzausstattung der FFA auf möglichst hohem Niveau zu sichern.
Ein weiterer Schwerpunkt der FFG-Novelle ist die Geschlechtergerechtigkeit. Das ist mir auch ganz persönlich ein Anliegen. Bei aller Freude über die großartigen Filme, die heute Abend ins Rennen um den Deutschen Filmpreis gehen - es ist doch nicht hinnehmbar, dass zwar unser höchstdotierter Filmpreis einen Frauennamen trägt, unsere hochdekorierten Filmemacher in aller Regel jedoch nicht! Natürlich hat eine Quote dort nichts verloren, wo allein künstlerische Klasse und Qualität entscheiden dürfen. Aber es ist das Mindeste, und es ist längst überfällig, dass wir den Frauenanteil in den FFA-Gremien erhöhen. Auch dazu werden wir die FFG-Novelle nutzen.
Nicht zuletzt ist mir wichtig, dass wir gemeinsam Wege finden, um kreative und künstlerische Aspekte bei der wirtschaftlichen Filmförderung stärker zu berücksichtigen. Deshalb steht zum Beispiel die Verbesserung der Drehbuchförderung im FFG auf meiner Agenda. Denn Drehbücher sind - so die Macher - so etwas wie "die DNA eines hohen deutschen Marktanteils".
Für die Verleihung des Deutschen Filmpreises heute Abend, meine Damen und Herren, ist einer meiner Favoriten "VICTORIA", weil dieser Film Mut zum Experiment beweist. Mit seiner Idee, den über zweistündigen Film an über 20 Drehorten in einer einzigen ungeschnittenen Plansequenz zu drehen, knüpft Sebastian Schipper technisch an Alfred Hitchcock, Orson Welles, Jean-Luc Godard oder die Arbeiten des deutschen Kameragenies Michael Ballhaus an. Diese hatten allerdings alle noch mit der Endlichkeit der analogen Filmspule zu kämpfen, während bei VICTORIA eine digitale Kamera zum Einsatz kam. So steht jeder neue Film - bewusst oder unbewusst - immer in einer über 100-jährigen Tradition und schreibt die Filmgeschichte zugleich mit neuen Perspektiven und auch mit neuen technischen Möglichkeiten fort.
Wir Kulturpolitiker haben die große Chance und Verantwortung, an dieser Filmgeschichte - nein, nicht mitzuwirken, aber: - gewissermaßen am Drehbuch mitzuschreiben. Denn aus welchen Ideen in Deutschland Filme werden können, das hängt nicht zuletzt auch von den Rahmenbedingungen ab. Mein Ziel sind Förderstrukturen, die dem Doppelcharakter des Films als Wirtschaftsprodukt und vor allem als Kulturgut gleichermaßen gerecht werden. Daran will ich gemeinsam mit Ihnen weiter arbeiten! Herzlichen Dank Ihnen, liebe Mitglieder des Kulturausschusses, für Ihr großes Engagement! Herzlichen Dank auch an Volker Kauder und an die CDU / CSU-Bundestagsfraktion für den heutigen Filmempfang! Schön, dass der Film so viele Freunde hat - auf weiterhin gute Zusammenarbeit!