Redner(in): Monika Grütters
Datum: 19. Juni 2015

Untertitel: "Bei aller Freude über die großartigen Filme, die heute Abend ins Rennen um den Deutschen Filmpreis gehen: Es ist doch nicht hinnehmbar, dass zwar unser höchstdotierter Filmpreis einen Frauennamen trägt, unsere hochdekorierten Filmemacher in aller Regel jedoch nicht!" betonte Monika Grütters in ihrer Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/06/2015-06-19-gruetters-deutscher-filmpreis.html


Bei aller Freude über die großartigen Filme, die heute Abend ins Rennen um den Deutschen Filmpreis gehen: Es ist doch nicht hinnehmbar, dass zwar unser höchstdotierter Filmpreis einen Frauennamen trägt, unsere hochdekorierten Filmemacher in aller Regel jedoch nicht! " betonte Monika Grütters in ihrer Rede.

Liebe Iris Berben, liebe Künstlerinnen, liebe Künstler

verehrte Damen und Herren!

Vermutlich gibt es in der Geschichte des deutschen Films nur wenige Gespräche, die so verlaufen sind wie ein Telefonat zwischen Werner Herzog und Klaus Kinski vor über 40 Jahren. Herzog hat einmal in einem Interview davon erzählt, ich zitiere: "Als ich ihm das Drehbuch [...] schickte, rief er mich drei Tage später um drei Uhr in der Früh an. Vierzig Minuten lang hörte ich nur unartikuliertes Schreien. Irgendwie filterte ich dann zwei Dinge heraus: 1. Es ist Kinski. 2. Er schreit, weil er noch nie ein Skript dieses Kalibers gelesen hat. Nach etwa einer Stunde sagte ich zu ihm: Herr Kinski, es freut mich, Sie an Bord zu haben."

Die wenigsten von Ihnen pflegen wohl einen solchen - nun ja, sagen wir: - expressiven Stil, um ihrer Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Aber die meisten von Ihnen werden dieses Gefühl kennen: elektrisiert zu sein von einer großartigen Idee. Dieses Gefühl hat bestimmt auch die Entstehung der Filme begleitet, die heute Abend nominiert sind. Ja, im besten Fall überkommt es auch das Publikum: Gänsehaut und Herzklopfen im Bann der Kinoleinwand!

Der Blick auf die nominierten Filme jedenfalls verspricht großes Kino: Leidenschaft. Mut. Sensibilität. Ausdrucksstärke. Experimentierfreude. Das sind Qualitäten, die Filme zu Kunstwerken machen. Diese Qualitäten würdigen wir mit dem Deutschen Filmpreis, dem höchst dotierten Kulturpreis unseres Landes, Kern der kulturellen Filmförderung meines Hauses.

Ideen, die elektrisieren, die Ihr Herzblut in Wallung bringen, liebe Künstlerinnen und Künstler, solche Ideen verleihen dem deutschen Film Strahlkraft! Deshalb ist es mir so wichtig, dass nicht nur die Maximierung des Ertrags, sondern auch der Mut zum Experiment gefördert wird, wie ihn zum Beispiel Sebastian Schipper mit VICTORIA bewiesen hat. Ich kann hier nur noch einmal wiederholen, wie sehr dieser Film mich bei der Berlinale beeindruckt hat ( - das haben ja offenbar noch nicht alle mitbekommen … ) .

Nicht zwangsläufig gefallen zu müssen, das ist künstlerische Freiheit, und darum geht es bei der kulturellen Filmförderung, die für den deutschen Film nicht weniger wichtig ist als die wirtschaftliche Filmförderung. Deshalb setze ich mich zum Beispiel dafür ein, dass der Kurzfilm als klassisches Experimentierfeld größtmögliche Förderung und Aufmerksamkeit erhält.

Mit Blick auf die derzeit laufende Novellierung des Filmförderungsgesetzes sind mir insbesondere folgende Punkte wichtig: erstens, ein hohes Niveau des Abgabeaufkommens zu sichern; zweitens, die bewährte Projektfilmförderung beizubehalten; drittens, die Drehbuchförderung zu verbessern, und viertens, den Frauenanteil in den FFA-Gremien zu erhöhen.

Bei aller Freude über die großartigen Filme, die heute Abend ins Rennen um den Deutschen Filmpreis gehen: Es ist doch nicht hinnehmbar, dass zwar unser höchstdotierter Filmpreis einen Frauennamen trägt, unsere hochdekorierten Filmemacher in aller Regel jedoch nicht! Es ist das Mindeste, dass Frauen dort angemessen vertreten sind, wo die Förderentscheidungen fallen!

Wenn ich darüber hinaus für den deutschen Film noch einen Wunsch frei hätte, meine Damen und Herren, dann wäre mein Wunsch ein Quäntchen jener wilden Verwegenheit, für die Werner Herzogs "Fitzcarraldo" zur filmischen Metapher geworden ist."Fitzcarraldo" erzählt die Geschichte eines Kautschuk-Barons, der ein Opernhaus in einer kleinen Stadt mitten im Dschungel bauen lassen will und dafür wegen der Stromschnellen einen Amazonasdampfer über einen Berg wuchten lässt. Herzog weigerte sich stur, dafür ein Modellschiff aus Plastik über einen Studiohügel ziehen zu lassen. Ein wirklicher Dampfer über einen wirklichen Berg im wirklichen Dschungel musste es sein!

Ein vierzig Meter langes, dreihundert Tonnen schweres Schiff mit Flaschenzügen und Seilwinden einen Steilhang hochziehen zu lassen, ist sicher nicht jedermanns Sache. Trotzdem wünsche ich Ihnen, liebe Künstlerinnen und Künstler, neben Freude, guten Ideen und Erfolg den heiteren, kompromisslosen Wahnsinn, den es braucht, um mit einem Schiff über einen Berg zu kommen!