Redner(in): Monika Grütters
Datum: 23. Juni 2016
Untertitel: Das neue Kulturgutschutzgesetz habe "die richtige Balance gefunden zwischen den unterschiedlichen Interessen", betonte Kulturstaatsministerin Grütters im Bundestag. Damit leiste Deutschland seinen Beitrag, den illegalen Handel mit Kulturgütern einzudämmen. Zum Schutz des eigenen kulturellen Erbes müsse es auch möglich sein, Kulturgüter vor Abwanderung und auch vor Zerstörung zu schützen.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/06/2016-06-24-gruetters-kgsg-im-bt.html
Das neue Kulturgutschutzgesetz habe "die richtige Balance gefunden zwischen den unterschiedlichen Interessen", betonte Kulturstaatsministerin Grütters im Bundestag. Damit leiste Deutschland seinen Beitrag, den illegalen Handel mit Kulturgütern einzudämmen. Zum Schutz des eigenen kulturellen Erbes müsse es auch möglich sein, Kulturgüter vor Abwanderung und auch vor Zerstörung zu schützen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Spätestens heute wissen wir, was Karl Valentin gemeint hat, als er mal seufzte: "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit." Ja, es war ein steiler und sogar steiniger Weg. Deshalb bin ich umso dankbarer, dass wir nach einem Jahr intensiver Diskussion gemeinsam doch so weit gekommen sind. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag für eine Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes votiert. Ich hoffe, dass wir heute sagen können: Die erste Etappe ist mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages geschafft.
Der Kulturgutschutz ist eine im Grundgesetz festgeschriebene Aufgabe. Dahinter steht die Überzeugung, dass Kunst einen Wert hat, nicht nur einen Preis. Als Spiegel unserer Geschichte und Identität darf Kunst staatliche Förderung, aber auch staatlichen Schutz erwarten. Das gilt erstens bei der Einfuhr. Deutschland muss endlich seinen Beitrag zur Eindämmung des illegalen Handels mit Kulturgütern leisten. Hier geht es nämlich um nicht weniger als um den Schutz des kulturellen Erbes der Menschheit.
Zweitens gilt das bei der Ausfuhr, beim Schutz unseres eigenen kulturellen Erbes. In den wenigen Fällen, in denen Kulturgüter wirklich emblematisch sind für unsere Geschichte und Identität, muss es meiner Meinung nach möglich sein, sie vor Abwanderung ins Ausland und auch vor Zerstörung zu schützen.
Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass mehr als 130Staaten dieser Erde die UNESCO-Konvention zum Kulturgutschutz aus dem Jahr 1970 ratifiziert haben. Alle diese Staaten haben ein gemeinsames Grundverständnis vom Schutz von Kulturgütern im Allgemeinen und natürlich von ihrer jeweils eigenen Kunst im Besonderen. Es steht auch Deutschland sehr gut an, sich immer wieder selbst zu vergewissern, was hier national wertvoll ist und sein soll.
Für die wenigen Fälle, in denen Kulturgüter für unsere Geschichte und Identität - sie ist schwierig genug - von herausragender Bedeutung sind, gibt es schon seit 60Jahren - es handelt sich hier um eine Novelle und nicht um ein neues Gesetz - ein Verfahren, das weitgehend konfliktfrei praktiziert wird. Ich bin sicher, dass das auch in Zukunft gelingen wird, zumal die neuen Regelungen sowohl Museen als auch private Eigentümer, Sammler und Leihgeber in vielen Punkten deutlich besserstellen als die bisherigen Regelungen.
Worin bestehen die Verbesserungen? Ich will sie kurz benennen, weil bei vielen Sammlern - das ist Ihnen nicht verborgen geblieben - der Eindruck erweckt wurde, sie könnten künftig nicht mehr frei über ihr Eigentum verfügen. Das ist falsch. Gerade Sammler profitieren sogar von der Novellierung dieses Gesetzes.
Erstens. Im aktuell geltenden Kulturgutschutzgesetz aus dem Jahr 1955 gibt es keine Definition dafür, was national wertvoll ist. Anhaltspunkte fanden sich bisher nur in einer Empfehlung der KMK. Nach intensiven Beratungen gerade zu diesem Punkt, nach Konferenzen, nach Anhörungen und nach unzähligen Einzelgesprächen präzisieren wir im Gesetzentwurf erstmals Kriterien für Werke, die in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturguts einzutragen sind. Das sorgt für deutlich mehr Rechtssicherheit.
Zweitens. Der Entwurf sieht vor, dass die Sachverständigenausschüsse, die diese Prüfung vornehmen - es ist ja nicht die Politik, sondern es sind die Sachverständigenausschüsse, die prüfen müssen, ob ein Kunstwerk als national wertvoll einzustufen ist - , aus Vertretern von Museen, Archiven, Wissenschaft, Handel und Sammlern gestärkt werden. Das Verfahren wird zukünftig deutlich transparenter. Eigentümer von Kulturgütern werden damit viel stärker abgesichert als bisher.
Drittens. Leihgaben an öffentliche Museen können - natürlich mit jederzeit widerruflicher Zustimmung des Leihgebers; dass man das anfügen muss, ist schon kurios - vorübergehend vom gesetzlichen Schutz öffentlicher Museen profitieren. Niemand muss seine Bilder abhängen. Falls Leihgaben gestohlen werden und auf illegalem Weg ins Ausland gelangen, bestehen Rückgabeansprüche künftig nicht mehr nur für 30Jahre, sondern für 75Jahre. Auch das ist gut für Sammler und für Leihgeber.
Viertens. Im Gesetz von 1955 gibt es keine Verfahrensregeln. Diese haben wir nun in die Novelle aufgenommen. Sie schreiben beispielsweise ausdrücklich eine maximale Bearbeitungsfrist von zehn Tagen für die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung vor. Für den seltenen Fall, dass eine Eintragung als national wertvolles Kulturgut erfolgt, ist dieses Verfahren im Regelfall innerhalb von sechs Monaten von den Sachverständigen abzuschließen. Auch diese Fristen gab es bisher nicht. Ich glaube, dass eine solche Befristung im Wesentlichen Eigentümer und Sammler stärkt.
Fünftens. Sammler profitieren künftig beim Kauf des Kunstwerkes davon, dass der gewerbliche Kunsthandel im Rahmen des Zumutbaren die Herkunft und Provenienz eines Werkes prüfen muss, das er verkauft - eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Sechstens. Eine Verbesserung speziell für Museen ist, dass sie künftig im internationalen Leihverkehr keine Einzelgenehmigungen mehr brauchen, sondern eine fünf Jahre gültige allgemeine Genehmigung beantragen können. Das reduziert in großem Stil den Verwaltungsaufwand für die Museen, aber natürlich auch für die Länder, die uns gegenüber angegeben haben, dass der Genehmigungsaufwand bisher zu fast 90Prozent den Leihverkehr betrifft. Wir können den zukünftigen Bürokratieaufwand, über den ja viel gesprochen worden ist - auch die Länder spekulieren zurzeit darüber - , nicht verbindlich beziffern. Deshalb wollen wir ihn auch schon in zwei Jahren evaluieren.
Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren, dass wir mit der Gesetzesnovelle, über die wir heute abstimmen, dank der intensiven Diskussion der vergangenen Monate jetzt die richtige Balance gefunden haben zwischen unterschiedlichen, jeweils sehr legitimen Interessen. Ich bin dankbar, dass wir einen breiten Konsens all derer erreicht haben, die Kulturgüter vor illegalem Handel und unrechtmäßiger Ausfuhr im Interesse des Gemeinwohls schützen wollen. Zu den Unterstützern zählen unter anderem der Deutsche Museumsbund, der Internationale Museumsrat, der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler, der Deutsche Kulturrat und viele andere mehr. Zu den Unterstützern zählen insbesondere auch viele Staaten aus dem Nahen Osten und aus Süd- und Mittelamerika, deren Botschafter sich mit einem Besuch bei uns im Kanzleramt ausdrücklich bedankt haben. Sie haben im Übrigen dem Deutschen Bundestag, also Ihnen allen, geschrieben, wie sehr sie auf einen solchen Gesetzentwurf gewartet haben und dass sie ihn ausdrücklich begrüßen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die öffentliche Auseinandersetzung und die Kommunikation waren nicht immer einfach; das gehört zur Wahrheit dazu. Aber bei Kunst und Kultur liegt es quasi in der Natur der Sache, dass Leidenschaften den Austausch kühler Sachargumente und Fakten gelegentlich auch einmal überlagern. Die parlamentarischen Beratungen, lieber Siegmund Ehrmann als Vorsitzender des Kulturausschusses - das möchte ich ausdrücklich sagen - , fand ich wohltuend sachorientiert und angesichts dieser komplexen und wirklich sehr sensiblen Materie entsprechend konstruktiv.
Mit dem neuen Kulturgutschutzgesetz erkennt Deutschland, wenn auch mit jahrzehntelanger Verspätung, endlich internationale UNESCO- und europäische Standards an, die in fast allen Staaten Europas längst gelten. Herzlichen Dank also an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, an die Berichterstatterinnen und Berichterstatter, dass Sie in vielen, wie ich fand, sehr hilfreichen Diskussionen dazu beigetragen haben. Lassen Sie uns heute auch für Deutschland ein Kulturgutschutzgesetz beschließen, das einer Kulturnation würdig ist. Vielen Dank.