Redner(in): Monika Grütters
Datum: 07. September 2016

Untertitel: Gerade in Zeiten, in denen harte Interessenkonflikte politische Beziehungen auf Bewährungsproben stellten, sei es die Kultur, die Brücken baue, erklärte Kulturstaatsministerin Grütters im Deutschen Bundestag. So entstehe etwa mit Humboldt Forum ein Weltkulturmuseum, "das die Verständigung zwischen den Kulturen fördert".
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/09/2016-09-07-gruetters-haushalt.html


Gerade in Zeiten, in denen harte Interessenkonflikte politische Beziehungen auf Bewährungsproben stellten, sei es die Kultur, die Brücken baue, erklärte Kulturstaatsministerin Grütters im Deutschen Bundestag. So entstehe etwa mit Humboldt Forum ein Weltkulturmuseum,"das die Verständigung zwischen den Kulturen fördert".

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir zum Bereich Kultur, der auch zum Kanzleramt gehört. In Zeiten, in denen die Kunst der Diplomatie angesichts weltweiter Krisen und Konflikte zuweilen an ihre Grenzen stößt, ist mehr denn je‑ davon sind wir überzeugt‑ die Diplomatie der Kunst und Kultur gefragt. Der Aufwuchs von 74Millionen Euro im Kulturetat im Vergleich zum Regierungsentwurf des Vorjahres ist deshalb innen- , aber, ehrlich, auch außenpolitisch ein wichtiges Signal.

Ich bin überzeugt: Gerade in Zeiten, in denen harte Interessenkonflikte politische Beziehungen auf große Bewährungsproben stellen, ist es nicht zuletzt, sondern gerade die Kultur, die Brücken baut. Wo Diplomaten‑ frei nach Winston Churchill‑ zweimal nachdenken, bevor sie nichts sagen, ist die Kunst‑ diesmal frei nach Johann Wolfgang von Goethe‑ gerade die Vermittlerin des Unaussprechlichen.

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Ein Weltkulturmuseum, das die Verständigung zwischen den Kulturen über ganz zentrale Themen des Menschseins fördert, entsteht aktuell - Sie wissen das - in der historischen Mitte unserer Hauptstadt, in Berlin, also dort, wo exakt heute auf den Tag genau vor 66Jahren, am 7. September 1950, die Sprengung des Berliner Schlosses begann. Wir bauen es jetzt wieder auf und machen es im Zentrum zu einem Ort, an dem wir uns über die zentralen Themen der Menschheit verständigen wollen.

Mit 14, 3Millionen Euro, die im Haushaltsentwurf 2017 für das Humboldt-Forum vorgesehen sind, ist es das größte und auch, glaube ich, politisch bedeutsamste Projekt und Kulturvorhaben Deutschlands. Es werden knapp 11Millionen Euro mehr als im Vorjahr zur Verfügung gestellt, um die Bespielung vorzubereiten. Die Gründungsintendanz unter Neil MacGregor, einem ganz großer Europäer, arbeitet seit Anfang des Jahres und mit Hochdruck an einem, wie ich finde, sehr überzeugenden Konzept, das Anfang November vorgestellt wird.

Auch die Unterstützung der Barenboim-Said-Akademie für junge Musikerinnen und Musiker aus dem Nahen Osten, die im kommenden Jahr aus meinem Etat dauerhaft 5, 5Millionen Euro erhalten soll, ist nicht einfach nur ein Stück Kulturförderung wie andere auch. Sie darf durchaus auch als ein Beitrag der Bundesregierung zum Friedensprozess im Nahen Osten verstanden werden.

Wir vertrauen dabei auf die Sprache der Orchestermusik, also auf eine Sprache, die mehr als jede andere des Zuhörens und Einfühlens bedarf und die als einzige Sprache im Übrigen über den Verdacht einseitiger Parteinahme erhaben ist. Auf die Kraft des unabhängigen Journalismus müssen wir gerade dort bauen, wo politische Krisen mit Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit einhergehen. Wir können das täglich erleben. Die Deutsche Welle, deren Finanzierung den größten Teil meines Etats beansprucht, ist gerade in Krisenregionen und in autoritär regierten Staaten für viele Menschen die letzte Verbindung in die freie Welt.

Umso irritierender und auch bedauerlicher ist es, dass die chinesische Regierung vor einigen Tagen die Akkreditierung der Deutschen Welle für den G-20 -Gipfel in Hangzhou verweigert hat. Ein Land, das die freie Berichterstattung in dieser Weise einschränkt, unterstreicht allerdings genau damit, wie wichtig die Deutsche Welle als Botschafterin unseres demokratischen Rechtsstaats ist. Auch die Beschlagnahme des Materials nach einem fertiggestellten Fernsehinterview mit einem Minister wie gestern in der Türkei entspricht in keiner Weise unserer Vorstellung von Pressefreiheit. Eine solche Beschlagnahme ist in hohem Maße besorgniserregend.

Deshalb ist es richtig, dass wir die Deutsche Welle in ihrem Etat und damit auch in ihrer Arbeit stetig unterstützen. Nur allein für die Programme der Deutschen Welle stellen wir 2017 zusätzlich 7, 5Millionen Euro bereit. Sie dienen ganz besonders der Berichterstattung - ich komme zu den nächsten problematischen Ländern - über die Situation in Russland und der Ukraine, aber auch der Fortsetzung der Programme für Flüchtlinge und für Menschen in den Herkunftsländern der Fluchtbewegung. Die Deutsche Welle tritt mit ihren objektiven Angeboten den vielerorts kursierenden Gerüchten entgegen, die Schlepper systematisch verbreiten, um Menschen mit falschen Hoffnungen und Erwartungen nach Europa und auch nach Deutschland zu locken. Gleichzeitig erklärt und vermittelt sie den Schutzsuchenden, die schon hier sind, unsere Werte, deren Beachtung wir erwarten. Sie unterstützt mit Onlinesprachangeboten und -kursen die Integration.

Kultur ist in vielerlei Hinsicht unser stärkster Integrationsmotor. Ich bin überzeugt: Kultur öffnet Welten. Fremde Lebenswelten zugänglich machen, individuelle Gesichter und persönliche Geschichten zeigen, damit ein abstraktes Thema Gestalt annimmt, und damit dann auch ein sehr breites Publikum zu erreichen, das kann vor allem der Film. Ich freue mich deshalb, dass auch 2017 neben der Förderung durch den DFFF zusätzlich 15Millionen Euro für die kulturelle Filmförderung, also für künstlerisch herausragende, mutige und innovative Projekte, zur Verfügung stehen.

Ja, Kulturpolitik kann man durchaus - das sagt auch das Auswärtige Amt in einer sehr schönen Formulierung immer - als Fortsetzung der Außenpolitik mit anderen Mitteln verstehen, meine Damen und Herren. Selbst die auf den ersten Blick rein selbstbezügliche Erinnerungskultur und Aufarbeitung unserer Vergangenheit wirkt weit über die Grenzen unseres Landes hinaus. Sie hat nicht zuletzt großen Anteil am mittlerweile wieder sehr hohen Ansehen Deutschlands in der Welt.

In diesem Zusammenhang freut es mich, dass das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste sich schon so kurz nach der Gründung zu einer etablierten Größe auch in der Provenienzforschung, in der Aufarbeitung, in Fragen der Rückgabe entwickelt hat. Es erhält 2017 1Million Euro zusätzlich, insgesamt also über 5 Millionen Euro. - So weit zu den ausgewählten Zahlen aus dem Haushaltsentwurf 2017. Nicht weniger wichtig, allerdings weniger erfreulich sind die Zahlen aus der von meinem Haus finanzierten Studie "Frauen in Kultur und Medien", die ich nicht nur finanziert, sondern kürzlich auch vorgestellt habe. Ich werde noch in diesem Jahr zu einem Runden Tisch "Frauen in Kultur und Medien" einladen. Es ist mir ein Herzensanliegen, dass Frauen wie Männer die gleichen Chancen in Kultur und Medien haben: ob am Sprech- oder Notenpult, ob an der Staffelei oder am Schreibtisch, ob vor oder hinter der Bühne oder der Kamera, ob in öffentlichen Kultureinrichtungen oder in ‑verbänden - und natürlich auch in meinem eigenen Haus, wo die Frauenquote schon bei 53 Prozent und auf den beiden obersten Führungsebenen mittlerweile bei exakt 50 Prozent liegt.

Im Filmbereich - um das noch kurz anzuhängen - konnte ich im Rahmen der FFG-Novelle zumindest dafür sorgen, dass der bisher geradezu blamabel geringe Frauenanteil in den Gremien der FFA und in den Kommissionen künftig deutlich erhöht wird.

Hier geht es nicht nur um Fragen der Gleichberechtigung - das ist nicht wenig - ; es geht vor allem um den Verlust an künstlerischer und kultureller Vielfalt dort, wo Frauen weniger Chancen haben als Männer. Deshalb verbinde ich meine Bitte um Ihre Zustimmung zum Haushaltsentwurf 2017 mit dem Appell: Suchen Sie gemeinsam mit mir und uns nach Wegen, wie wir die gleichstellungspolitische Bilanz in Kultur und Medien ebenso kontinuierlich verbessern können, wie wir den Kulturetat in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht haben!

Vielen Dank.