Redner(in): Monika Grütters
Datum: 02. November 2016

Untertitel: Im Berliner Schloss haben die Gründungsintendanten ihre Pläne für das Humboldt präsentiert. Kulturstaatsministerin Grütters sagte, das Konzept zeige "auf sehr überzeugende Weise, was das Humboldt Forum als Weltkulturmuseum für das Publikum leisten kann". Das Humboldt Forum soll 2019 eröffnet werden.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/11/2016-11-02-gruetters-hu-forum-konzept.html


Im Berliner Schloss haben die Gründungsintendanten ihre Pläne für das Humboldt präsentiert. Kulturstaatsministerin Grütters sagte, das Konzept zeige "auf sehr überzeugende Weise, was das Humboldt Forum als Weltkulturmuseum für das Publikum leisten kann". Das Humboldt Forum soll 2019 eröffnet werden.

Das Humboldt Forum war über viele Jahre ein Kind der Kulturpolitik, um dessen Entwicklung wir - nicht zuletzt im Deutschen Bundestag - immer wieder gerungen haben. Seit heute ist klar: Das Humboldt Forum hat sich erfolgreich abgenabelt von der Politik.

Das derzeit ambitionierteste Kulturvorhaben unseres Landes steht nun - mit den heute präsentierten Vorstellungen der Gründungsintendanz zur programmatischen Ausrichtung - konzeptionell auf eigenen Beinen. Es hat sich von der Politik emanzipiert - und ich kann sagen: Das war ein beglückender und sehr harmonischer Prozess. Und genauso soll es auch sein, meine Damen und Herren.

Es freut mich sehr zu sehen, dass nicht nur der spektakuläre Bau ganz offen-sichtlich Gestalt annimmt, sondern auch das Programm, das diese Räume ab Ende 2019 mit Leben erfüllen soll. Herzlichen Dank für Ihre fundierte Planung und Ihre ebenso inspirierte wie inspirierende Präsentation, lieber Neil MacGregor, lieber Horst Bredekamp, lieber Hermann Parzinger! Ein "Basislager für die Weltreise" zu schaffen, wie Sie das eben so treffend formuliert haben, das wäre gewiss ganz im Sinne der Namensgeber für dieses noble Vorhaben gewesen. Zu vermitteln, was das Humboldt Forum als Weltkulturmuseum für das Publikum leisten kann, ist der Gründungsintendanz - wie ich finde - auf sehr überzeugendende Weise gelungen. Ich hoffe sehr, dass ein möglichst breites Publikum der Einladung folgt, sich in der Ausstellung "Extreme" ein Bild vom Potential dieses Hauses und von der Neuartigkeit seiner Herangehensweise zu machen. Allein die Erfahrung, dass Objekte ganz anders wirken, wenn sie neue Nachbarn haben und in anderen Kontexten präsentiert werden, verspricht ein Geschichts- und Kulturpanorama, das uns die Welt neu sehen und verstehen lehrt.

Neu ist aber nicht nur die Methode. Neu ist auch das Selbstverständnis dieses Hauses. Ich will drei Punkte hervorheben, die ich besonders wichtig finde: Erstens, die Überarbeitung einiger Sammlungsmodule mit Blick auf die kolonialen Kontexte der Sammlungsgeschichte: Damit setzt das Humboldt Forum Maßstäbe für die Auseinandersetzung mit der moralischen und völkerrechtlichen Dimension der eigenen Sammlungsgeschichte. Ohne eine solche Ehrlichkeit und Transparenz der eigenen Geschichte gegenüber verlieren Museen ihre Glaubwürdigkeit. Wir sollten die Entwicklung des Humboldt Forums zum Anlass nehmen, die Herkunftsgeschichten der Objekte aus kolonialen Kontexten genauso ernsthaft und systematisch zu erforschen, wie wir das mittlerweile auch bei NS-verfolgungsbedingt entzogener Kunst tun. Zu diesem Thema fördert mein Haus übrigens auch eine Arbeitsgruppe des Deutschen Museumsbundes, die Empfehlungen zum Umgang mit kolonialzeitlichem Sammlungsgut erarbeiten wird. Zweitens, das Anliegen, Besucherinnen und Besucher nicht nur als Staatsbürger, sondern auch als Weltbürger anzusprechen - in der Vermittlung der Erfahrung, dass uns, bei allen kulturellen Unterschieden, als Menschen weltweit doch viel mehr verbindet als uns trennt. Die Humboldt Akademie ist der Ort für kulturelle Vermittlung und Teilhabe im Schloss. Die Kunstbibliothek hatte ja nach dem Auszug der Zentral- und Landesbibliothek aus der Beletage dort ohnehin ihren Sinn verloren. Ihr Auszug ist ein Befreiungsschlag nicht nur für das 1. Obergeschoss, sondern für das Humboldt Forum insgesamt. So wie Besucher durch sechs Eingänge ins Humboldt Forum gelangen können, so finden Menschen unterschiedlicher Herkunft in der Humboldt Akademie in einen gemeinsamen Diskursraum. Jeder kann und soll hier im Geiste der Brüder Humboldt Weltbürger sein. Wo könnte das besser gelingen als in einer kosmopolitischen Stadt wie Berlin? Das Humboldt Forum ist also kein Museum herkömmlichen Typs. Es ist ein Bildungs- und Verständigungsangebot, und deshalb war und ist es auch mein Wunsch, ( zumindest in der Dauerausstellung ) ohne Eintritt auszukommen. Einen dritten Punkt will ich noch hervorheben, nämlich die Auseinandersetzung mit im wahrsten Sinne des Wortes welt-bewegenden Themen der Gegenwart - Grundsätzliches und Konkretes gehen hier eine Verbindung ein: Es ist - gerade mit Blick auf die Krisen und Konflikte im Nahen und Mittleren Osten, mit Blick auf die damit verbundenen Flüchtlingsströme und auch mit Blick auf die Angst, die Terroristen im Namen des religiösen Fundamentalismus verbreiten - eine richtige und zukunftsweisende Entscheidung der Gründungsintendanz, insbesondere dem Thema Religion einen eigenständigen Raum zu geben: dem Islam, dem Hinduismus und Buddhismus genauso wie dem Christentum und dem Judentum - und zwar mit Exponaten aus dem ganzen Reichtum der Berliner Museen, und eben nicht nur aus den Dahlemer Häusern. ( Auch das macht übrigens den umfassenden, SPK-übergreifenden Ansatz der Gründungsintendanten deutlich. ) Unsere Kultureinrichtungen sind ja nicht zuletzt auch Orte öffentlicher Debatten, die die Gesellschaft nie nur abbilden, sondern immer auch mitformen.

Wie sehr wir diese Orte der Selbstvergewisserung brauchen, erleben wir gerade jetzt und gerade dort, wo eine lautstark pöbelnde Minderheit die schweigende Mehrheit mit ihrem Hass und ihrer Fremdenfeindlichkeit beschämt wie zuletzt am Tag der Deutschen Einheit in Dresden. Deshalb bin ich - das will ich hier zumindest beiläufig erwähnen - sehr dankbar, wie sehr man sich in vielen Kultureinrichtungen deutschlandweit in der Verantwortung sieht, auf gesellschaftliche Veränderungen einzugehen. Ich habe das zuletzt beispielsweise auf meiner Theaterreise in ostdeutsche Bundesländer erlebt. Was unsere Kultureinrichtungen hier leisten, wird leider vielfach nicht angemessen wahrgenommen und gewürdigt. Man darf sie gerade nicht schließen, sondern - ganz im Gegenteil: Man muss sie öffnen - in jeder Hinsicht. Das Humboldt Forum steht beispielshaft dafür.

Um abschließend Ihre Hauptfrage zu beantworten, meine Damen und Herren: Die vorgesehenen Maßnahmen zur Ausstellungsoptimierung ändern zum Glück nichts am Zeit- und Kostenplan der Baumaßnahme selbst. Die Kostenobergrenze des Berliner Schlosses bleibt unverändert; die termingerechte bauliche Fertigstellung und Eröffnung ist nach wie vor für Ende 2019 vorgesehen. Herzlichen Dank den für den Bau Verantwortlichen für die reibungslose, partnerschaftliche Zusammenarbeit!

Wie geht es jetzt weiter? - Im kommenden Jahr stehen für das Humboldt Forum in meinem Haushalt 9,1 Millionen Euro bereit; hinzu kommen 5,2 Millionen Euro für die Umzugsvorbereitungen der SPK. In den Folgejahren steigt das Budget für das Humboldt Forum kontinuierlich an. Wir sind mit der Fertigstellung des Humboldt Forums also auf der Zielgeraden. Bei der künftigen Bespielung können wir aus dem Reichtum all unserer Kultureinrichtungen deutschlandweit schöpfen.

Alexander von Humboldt hat lange vor dem Zeitalter der Globalisierung davon gesprochen, dass "alles Wechselwirkung" sei. Angesichts der ungeheuren Vielfalt an kulturellen Einrichtungen in Berlin und ganz Deutschland können und wollen wir Wechselwirkungen sichtbar machen und die Vernetzung des Humboldt Forums mit anderen Einrichtungen fördern. Dazu habe ich die Leiterinnen und Leiter der vom Bund deutschlandweit geförderten Kultureinrichtungen für heute Nachmittag ins Bundeskanzleramt eingeladen. Auf der Agenda steht unter anderem eine Rede der Bundeskanzlerin, deren Zusage ich als Ausdruck großer Wertschätzung für unsere Kultureinrichtungen empfinde, aber auch die Vorstellung des Humboldt Forums durch Neil MacGregor, verbunden mit der Einladung an alle Einrichtungen, sich bei der künftigen Bespielung des Hauses einzubringen. Die Vorstellungen der Gründungsintendanz bieten dafür eine Vielzahl möglicher Anknüpfungspunkte.

Ich danke Ihnen für Ihre Präsentation, verehrte Herren, und wünsche Ihnen und uns allen weiterhin viel Erfolg und Enthusiasmus bei der Umsetzung!