Redner(in): Monika Grütters
Datum: 06. November 2016

Untertitel: Die Geschichte des Deutschen Symphonie-Orchesters sei eng mit der Historie Berlins und Deutschlands verbunden, so Kulturstaatsministerin Grütters in ihrer Rede zum 70jährigen Bestehens des Ensembles. Gerade wenn es den Menschen an allem fehle, sei Musik existenziell, so Grütters.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/11/2016-11-06-70-jahre-dso.html


Die Geschichte des Deutschen Symphonie-Orchesters sei eng mit der Historie Berlins und Deutschlands verbunden, so Kulturstaatsministerin Grütters in ihrer Rede zum 70jährigen Bestehens des Ensembles. Gerade wenn es den Menschen an allem fehle, sei Musik existenziell, so Grütters. Die Meisterwerke der Musik geben dem Hoffnungslosen Hoffnung, dem Traurigen Mut, dem Einsamen das Gefühl, dass er doch in einer Gemeinschaft lebt." Mit diesen Worten hat der im vergangenen Jahr verstorbene Dirigent Kurt Masur einmal die Kraft der Musik beschrieben. Die Geschichte des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, dessen 70-jähriges Bestehen wir heute feiern, scheint Kurt Masur Recht zu geben. Sie ist eng mit der Geschichte unseres Landes und mit der Geschichte Berlins verbunden - mit den historischen Brüchen ebenso wie mit Hoffnung, Aufbruch und Veränderung.

Als 1946 der Rundfunk im Amerikanischen Sektor - RIAS - als Reaktion auf den Ausschluss der westlichen Alliierten aus dem von der Sowjetunion besetzten traditionsreichen Rundfunkgebäude in der Masurenallee von den Amerikanern gegründet wurde - und mit ihm auch das RIAS-Symphonie-Orchester- , da war der Zweite Weltkrieg erst gut ein Jahr vorbei. Im zerstörten Deutschland lebten die Menschen vielfach noch zwischen den Trümmern; sie hatten mit Armut, Kälte und Hunger zu kämpfen. Freude und Abwechslung im schweren Alltag brachten vor allem - und unter diesen Umständen erstaunlich genug - Kulturangebote, so auch Konzerte und Übertragungen des RIAS-Symphonie-Orchesters. Musik, Theater, Kunst und Kultur sind eben auch - oder gerade dann - existentiell, wenn es im Grunde an allem fehlt.

1953, nicht einmal sieben Jahre nach Gründung des Orchesters, kündigten die Amerikaner die Verträge der Musikerinnen und Musiker, weil es dafür nach amerikanischem Recht keine Grundlage gab. Die Musikerinnen und Musiker mussten sich fortan notgedrungen selbst organisieren und verwalten. Das Orchester konnte sich auf dieser Grundlage dann allerdings doch nicht über Wasser halten. Und so kam es zu dem unvermeidlichen, damals noch ungewöhnlichen Schritt, dass ein Rundfunk-Klangkörper Hilfe beim Staat - hier also beim Westberliner Senat und beim Bund - suchte. Ganz offensichtlich mit Erfolg - sonst säßen wir alle heute nicht hier. Seit 1994 wird das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin von der Rundfunkorchester und -Chöre GmbH Berlin, getragen - einer Gesellschaft von Deutschlandradio, Bund, Land Berlin und Rundfunk Berlin Brandenburg. Sie ist ein stabiles Fundament für insgesamt vier Klangkörper und so soll es auch in Zukunft bleiben. Heute sind die Spitzen aller Gesellschafter hier - das ist ein schönes Zeichen der Wertschätzung!

Das Orchester, dessen Jubiläum wir heute feiern, hat - ganz im Sinne Kurt Masurs - den Hoffnungslosen Hoffnung gegeben! Viele dieser Hoffnungen haben sich erfüllt, während nun anderswo die Kraft der Musik umso mehr gebraucht wird. Vielleicht kennen auch Sie aus den Zeitungen die Geschichte des Pianisten Aiham Ahmed, der sein Klavier durch die Straßen eines vom Krieg zerstörten Vororts von Damaskus schob und vor Ruinen spielte, bis Dschihadisten sein Klavier verbrannten und drohten, ihn zu töten. Er nur ist einer von Hunderttausenden Menschen, die im vergangenen Jahr in Deutschland Schutz suchten.

Sie zu integrieren, ist eine Herausforderung. Eine Herausforderung, bei der die Musik, die Kultur auch heute wieder ihre Kraft entfalten kann. Musik schafft Verbindung, wo unterschiedliche Begriffe Schweigen oder Missverstehen provozieren. Musik kann gemeinsame Erfahrungen bescheren, wo unterschiedliche Herkunft ab- und ausgrenzt. Musik öffnet Welten - und in diesem Sinne bleibt auch das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin weiterhin ein Hoffnungsträger. Herzlichen Glückwunsch zum 70. Jubiläum!