Redner(in): Angela Merkel
Datum: 22. Mai 2017

Anrede: sehr geehrter Herr Zetsche,sehr geehrter Herr Blome,sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,Herr Landrat,liebe Kollegin Maria Michalk und alle Abgeordneten,liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2017/05/2017-05-22-bk-rede-kamenz.html


Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Stanislaw Tillich,

In Kamenz kennt ihn sicher jeder: Gotthold Ephraim Lessing. Seine Werke verfasste der bekannte Sohn dieser Stadt im 18. Jahrhundert. Sie finden aber auch heute noch viel Anklang nicht zuletzt als Quelle für Zitate. Aus diesem zeitlosen Fundus möchte auch ich zitieren: "Der aus Büchern erworbene Reichtum fremder Erfahrung heißt Gelehrsamkeit. Eigene Erfahrung ist Weisheit. Das kleinste Kapital von dieser ist mehr wert als Millionen von jener."

Das Unternehmen Accumotive baut seit 2009 auf ein solches Kapital, indem es eigene Erfahrungen sammelt; und zwar bei der Entwicklung und Produktion von Batterien für E-Mobile. Das scheint tatsächlich eine Frage der Weisheit zu sein. Zumindest darf man sagen: Es ist eine Wissenschaft für sich. Denn da kommt es auf Größe an, auf Kapazität, Effizienz, Ladegeschwindigkeit und nicht ganz zuletzt auch auf den Preis. Vom Gesamtergebnis hängt sehr viel ab. Denn eine leistungsfähige Batterie ist von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung der E-Mobilität und für den Durchbruch dieser Technologie.

Deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass ich heute hier in Kamenz mit dabei sein darf. Ich nehme auch weitere Einladungen gerne an und schaue, ob ich kommen kann. Aber heute bin ich da. Denn mich hat es schon interessiert, was das für eine Investition der Daimler AG am Standort Kamenz ist. Es zeigt sich: Es ist eine bedeutende Investition in die Zukunft elektrisch angetriebener Fahrzeuge. Für einen Ort wie Kamenz ist das eine wirklich große Investition. Auch für Sachsen ist es eine große Investition. Und auch weltweit kann sich diese Investition sehen lassen. Vor dieser wegweisenden strategischen Entscheidung habe ich deshalb gehörigen Respekt und bin sehr gern hierhergekommen.

Ich habe aber auch deshalb Respekt, weil ich weiß, wie schwierig es sein kann, sich immer wieder ambitionierte Ziele zu setzen. Wir haben uns in Deutschland mit der Elektromobilitätsplattform vor einigen Jahren das Ziel gesetzt, 2020 eine Million Elektroautos auf unseren Straßen zu haben. Wir wissen, dass dieses Ziel sehr ambitioniert ist. Aber ich denke, dass zumindest der Anspruch da ist, Elektromobilität auf die Straße zu bringen; und zwar in breiter Palette. Daimler zeigt das hier. Kamenz steht dafür.

Wir werden mit Nachdruck weiter am Hochlauf der Elektromobilität arbeiten. Denn wir wissen: Es gab auch in anderen Technologien sehr schleppende Anfangsphasen, bevor plötzlich ein sehr kräftiger Entwicklungsschub einsetzte. Dann ist natürlich genau derjenige im Vorteil, der gut vorbereitet und auf dem neuesten Entwicklungsstand ist. Denken wir einmal an Konrad Zuse. Der erste Computer wurde zwar in Deutschland gebaut. Die Erfolgsgeschichte des Computers nahm dann aber vor allem andernorts ihren Lauf. Das sollte uns eine technologiepolitische Lehre sein. So etwas wollen wir nicht wieder erleben.

Deshalb wollen wir das, was für die Elektromobilität spricht, auch in Deutschland nutzen: weniger CO2 -Ausstoß, weniger Feinstaub, weniger Verkehrslärm. Das hat sehr viel mit Lebensqualität zu tun. Diese können wir auch dadurch verbessern, dass wir erneuerbare Energien mehr und mehr auch für den Verkehr nutzen. Herr Zetsche hat darauf hingewiesen. Wir brauchen erneuerbare Energien. Das heißt also: E-Mobilität ist auch ein wesentlicher Teil unserer Energiewende.

Aus vielen guten Gründen unterstützt daher die Bundesregierung den Markthochlauf der E-Mobilität mit verschiedenen Maßnahmen. Das reicht von Anreizen für den Kauf eines Elektroautos … ( Motorengeräusch von außen ) Das könnte der Hubschreiber sein, in dem ich hergekommen bin. Es kann aber auch etwas anderes sein. Es standen noch mehr Flugzeuge auf dem Flugplatz. Ich glaube, es war eher ein Flugzeug als ein Hubschrauber. Das reicht also von den Anreizen für den Kauf eines Elektroautos jetzt kann ich die Kaufprämie doppelt erwähnen; das tut auch gut, da wir lange damit gekämpft haben bis zum Ausbau der Ladeinfrastruktur, der von allergrößter Wichtigkeit ist, auch in psychologischer Hinsicht.

Nun wollen wir zur Entwicklung einer neuen Generation von Batterien kommen. Wir haben seitens des Bundes hierfür Fördergelder bereitgestellt. Deutsche Unternehmen sind gut darin, Batterien im Auto zu verarbeiten. Wir haben enorme Stärken bei der Industrie 4.0 und der Vernetzung von Produktionsprozessen. Herr Blome hat uns das gezeigt. Wir haben sehr viel zu bieten im Maschinenbau und in der Robotik. All das kann hier zum Einsatz kommen. Insofern ist das ein wesentlicher Schritt und ein, so denke ich, oft unterschätzter Teil der Produktion. Viele sind auf die Zelle fokussiert. Wir haben hier auch über das Verhältnis von Zelle zu Batterie gesprochen. Beim Rundgang hier ist mir, ehrlich gesagt, noch einmal bewusst geworden, von welch entscheidender Bedeutung die Batterie ist und wie viel Arbeit doch zwischen der Verwendung der Zelle und der Formung des Korpus, der mit dem Roboter so schön eingesteuert wurde, liegt. Darin liegt viel Know-how.

Für solche Projekte, inklusive der Frage, ob wir uns der Zellproduktion zuwenden wollen oder nicht, brauchen wir langfristige Perspektiven und Unternehmen, die sich dem Neuen stellen und immer wieder in die Zukunft investieren. Die Investitionen in Elektromobilität sind eine der wichtigen Zukunftsinvestitionen. Deshalb bin ich der Daimler AG sehr dankbar dafür, dass sie rund 500 Millionen Euro allein am Standort Kamenz investiert, aber eben auch sehr viel mehr insgesamt in die Elektromobilität. Dass Sie auch Sachsen, dass Sie auch die neuen Länder in Ihrem Fokus haben, ist von allergrößter Wichtigkeit. Ich denke, ich darf sagen ich habe Herrn Zetsche eben gefragt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier sind ein wirklich guter Teil der Daimler AG. Darauf können Sie richtig stolz sein.

Wir als Bundesregierung sind an solchen Investitionen sehr interessiert. Wir haben nicht umsonst die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Ich will immer wieder daran erinnern: Wir haben ein Verfassungsziel, demnach wir für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland kämpfen müssen. Wenn man hier die jungen Leute, aber auch die älteren Facharbeiterinnen und Facharbeiter sieht, dann weiß man, dass diese Region genauso leistungskräftig wie alle anderen Regionen in Deutschland ist. Wir können auch sagen, dass in Kamenz nun neue attraktive Arbeitsplätze entstehen und sich das auch auf die gesamte Region ausweiten wird.

Die Automobilbranche ist in Deutschland ein wichtiger Arbeitgeber. Rund 800.000 Beschäftigte machen uns zur weltweit viertgrößten Nation in der Automobilproduktion. Dass die deutschen Automarken weltweit bekannt und beliebt sind, davon kann man sich auf Auslandsreisen wirklich überzeugen. Das liegt vor allem in der Innovationskraft der Branche begründet, die 2015 über 21,7 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investierte. Man muss sich das vorstellen: Das ist rund ein Drittel der Innovationsausgaben der deutschen Wirtschaft insgesamt. Die Automobilindustrie hat also wirklich eine strategische Funktion; und diese strategische Funktion besteht eben auch in der Rolle als Innovationsmotor.

Innovationen müssen schnell auf die Straße gebracht werden, damit wir dann auch wirklich weltweit an der Spitze mitfahren. Herr Zetsche hat es in seiner Darstellung von "CASE" gezeigt: Hier geht es nicht nur um Innovationen in der Antriebstechnologie, sondern auch um vernetztes Fahren, um automatisiertes Fahren und darum, dass es mit Blick auf die Mobilität insgesamt Veränderungen in der Eigentümerschaft geben wird.

Deshalb darf man sagen: Die Automobilindustrie insgesamt steht vor einer richtig großen Aufgabe. Daher ist es gut, dass sie von einer guten Ausgangsposition aus startet. Dazu trägt natürlich auch bei, dass wir ein solides Wachstum haben. Wir haben auch recht solide öffentliche Haushalte. Die Bundesregierung hat jedenfalls in den Haushalten dieser Legislaturperiode jeweils keine neuen Schulden ausgewiesen. Das ist für unsere Zukunftsfähigkeit von allergrößter Bedeutung. Wir können auch sagen: Seit 2005 hat sich die Zahl der Arbeitslosen nunmehr annähernd halbiert. Millionen von Menschen haben einen neuen Arbeitsplatz bekommen. Dabei spielt die Automobilindustrie und alles, was damit zusammenhängt, eine große Rolle.

Wir müssen Innovationen zielgerichtet vorantreiben. Deshalb haben wir auch seitens des Bundes in den letzten zwölf Jahren die Forschungsgelder, die wir zur Verfügung stellen, mehr als verdoppelt. Wir müssen auch immer wieder darauf hinwirken, dass Marktreife erlangt wird. Es ist wichtig, dass auch Elektromobilität den Weg zur Marktreife möglichst schnell geht sowohl mit Blick auf staatliche Unterstützung als auch auf das Eigeninteresse der Unternehmen.

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ich möchte Sie persönlich ansprechen und noch einmal sagen: Sie legen mit Ihrem Wissen und Können in der Batterieproduktion und allem, was damit zusammenhängt, den Grundstein für künftige Erfolge. Der Grundstein für künftige Erfolge wird jetzt wohl auch noch ganz handfest gelegt, damit die neue Fabrik entstehen kann. Ich wünsche mir, dass dieser Bau reibungslos vorankommt und dass er sachgerecht, termingerecht und kostengerecht seiner Bestimmung übergeben werden kann. Mit einer Einladung in der Tasche kann ich dann ja schon wieder von dannen fahren. Mit der Zusage warte ich einmal, bis sich ein bisschen was zeigt.

Herzlichen Dank, alles Gute und viel Erfolg.