Redner(in): Michael Naumann
Datum: 02.02.1999

Anrede: Meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/66/11766/multi.htm


Zur Amtseinführung des neuen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Prof. Dr. Klaus Lehmann, hielt der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Dr. Michael Naumann, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Stiftungsrates am 2. Februar 1999 in Berlin folgende Rede:

als Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Preußischer Kulturbesitz begrüße ich Sie alle sehr herzlich, die Sie sich aus Anlaß der Amtseinführung des neuen Präsidenten hier eingefunden haben.

Als Sie, lieber Herr Professor Lehmann, am 23. November rasch und einstimmig zum neuen Präsidenten gewählt wurden, war der Seufzer der Erleichterung in den Medien deutlich vernehmbar - aber nicht nur dort. Es war schon auffällig, daß nirgendwo Zweifel an dieser Wahl geltend gemacht wurden und eigentlich alle einig waren: Der Stiftungsrat hat den richtigen Mann zum richtigen Zeitpunkt auf den richtigen Platz gestellt.

Es ist nicht irgendein Amt, dessen neuer Inhaber heute eingeführt wird, es ist das gewichtigste, repräsentativste, vielleicht verantwortungsvollste und damit wohl auch anstrengendste Amt, das es im Bereich der kulturellen Institutionen in Deutschland gibt. Die Präsenz der politischen Spitzen von Bund und Land macht dies deutlich.

Heute geht, oder besser gesagt: Vorgestern ging ein genau einjähriges Interregnum zu Ende. Ihr Vorgänger, Herr Prof. Dr. Knopp, den ich sehr herzlich unter den Gästen begrüße, hat die Stiftung über fast 20 Jahre hin geführt und das bewegende Ereignis der Wiedervereinigung des Preußischen Kulturbesitzes mit vorbereitet und durchgeführt. Für diese beeindruckende Leistung, verehrter Herr Prof. Knopp, möchte auch ich Ihnen noch einmal Dank und Respekt aussprechen.

In den Monaten des Interregnums war verschiedentlich davon die Rede, daß der große Tanker Preußischer Kulturbesitz vor sich hindümpele, weil die Kommandobrücke nicht besetzt sei. Abgesehen davon, daß ich mich mit dem Bild des Tankers nicht so recht anfreunden kann, möchte ich den Kritikern entschieden widersprechen. Es war ein Glücksfall für die Stiftung, daß mit dem Vizepräsidenten für die kommissarische Leitung der Stiftung jemand bereitstand, der nicht nur intime Kenntnisse ihrer inneren Strukturen und vor allem auch der handelnden Personen hatte, sondern in der Lage war, diese Kenntnisse umsichtig und souverän zum Wohle der Stiftung einzusetzen. Ihnen, Herr Zimmermann, gilt der Dank des Stiftungsrates für ein Engagement, das Ihnen Erhebliches abverlangt hat, ein Engagement, das die Stiftung nicht nur über Wasser gehalten, sondern in vielen Punkten vorangebracht hat.

Meine Damen und Herren, lieber Herr Prof. Lehmann, es ist Aufgabe des Präsidenten der Stiftung, sich im Rahmen der ihm von der Satzung zugewiesenen Aufgaben seine Arbeitsziele selbst zu formulieren. Wir werden vermutlich gleich von Ihnen selbst hierzu etwas hören. Als Vorsitzender des Stiftungsrates mache ich lediglich einige Bemerkungen zum Selbstverständnis der Stiftung und ihrem Standort an einer kalendarischen Epochenschwelle.

Der Standort der Stiftung war und ist Berlin. Insoweit hat sich nichts geändert. Aber Berlin ist nach 1990 nicht mehr das Berlin der Jahre zwischen 1945 und 1989. Der Bund hat seine 40 jährigen Beteuerungen, Berlin sei und bleibe deutsche Hauptstadt, glücklicherweise nicht zu Lippenbekenntnissen degradiert. Berlin wird ab Mai diesen Jahres, wenn die Bundesversammlung erstmals im erneuerten Reichstagsgebäude tagt und den neuen Bundespräsidenten wählt, zwar nicht genau das sein, was es früher einmal war, aber es wird als Hauptstadt für die Stiftung ein anderes Spielfeld sein als das geteilte Berlin vor 1989. Mit Nachdruck werde ich mich für die Neuorganisation der Kulturförderung Berlins einsetzen. Da die bisherige Kulturförderung aus dem Hauptstadtfinanzierungsvertrag Ende 1999 ausläuft, bietet sich die Chance, die Förderstrukturen neu zu gestalten.

Auch was den Umfang der Förderung anbelangt, setzt diese Bundesregierung neue Akzente, denn die Unterstützung für Berlin wird erheblich aufgestockt. Die zunehmende Bedeutung, die ich der Hauptstadtförderung beimesse, können Sie daran erkennen, daß die Hauptstadtkulturförderung bereits für 1999 um zusätzliche 60 Mio DM aufgestockt wird, vorausgesetzt der Deutsche Bundestag stimmt zu. Dies ist eine Verdoppelung der Unterstützung. Zwar verfügt Berlin über ein breitgefächertes Angebot an Kultureinrichtungen mit herausragenden Veranstaltungen von hoher Professionalität, die zum Teil auch internationales Ansehen genießen. Aber dennoch besteht hinsichtlich der neuen Rolle Berlins als Bundeshauptstadt ein Nachholbedarf auf kulturellem Gebiet, um die Angleichung des kulturellen Niveaus in Berlin an das anderer europäischer Hauptstädte wie Paris, London und Rom zu erreichen. Wenn in diesem Jahr der Umzug von Bundestag und Bundesregierung sowie Diplomaten aller Länder nach Berlin erfolgt, dann muß ein adäquates Kulturangebot zur Verfügung stehen und erhalten werden. Denn hier in Berlin trafen und treffen sich die Künstler Ost- und West-Europas, hier stellt sich Deutschland dem Ausland vor - und umgekehrt.

Meine Damen und Herren, manchen Bürgerinnen und Bürgern mag der Name "Preußischer Kulturbesitz" heute unzeitgemäß erscheinen. Preußen ist nur noch eine historische Größe, eine vage Erinnerung, die zudem in vielen Köpfen für deutsche Hybris und deutschen Ungeist steht. Aber die Bedeutung Preußens für uns war immer ambivalent und schillernd. Preußen, das umschreibt auch den staatlichen Rahmen bürgerlicher Tugenden, die heute auch in die Fundamente unserer Republik eingemauert sind: Liberalität, Toleranz, Offenheit für Fremdes und Anderes, Weltläufigkeit, Verantwortung für Gesellschaft und Staat - Tugenden, die auch heute gefragt und wichtig sind. Insoweit ist der Name der Stiftung auch heute Programm und nicht überholt.

Die Stiftung agiert in einer Stadt, die ab Mitte diesen Jahres nicht nur auf dem Papier, sondern gewissermaßen im Vollzug deutsche Hauptstadt sein wird. Diese veränderten Rahmenbedingungen werden durch vitale Impulse in die Stiftung hineinwirken. Aber auch die Stiftung hat die Chance, auf die Hauptstadt Berlin zu wirken und ihre Physiognomie entschieden zu prägen. Dies ist Apell und Bitte zugleich an die Stiftung und ihren neuen Präsidenten.

Freilich bin ich der Auffassung, die schon der Vor-Vorgänger des neuen Präsidenten 1962 bei seiner Amtseinführung formuliert hat, daß "bei aller Klarheit über die Ziele unserer Arbeit Geduld und Zähigkeit gute Eigenschaften sind und daß überstürzte Entscheidungen leicht Schaden stiften können."

Die kommenden Jahre werden für die Stiftung vielfältige Herausforderungen bringen. Wichtige Personalentscheidungen sind zu treffen, große Bauvorhaben, etwa auf der Museumsinsel und bei der Staatsbibliothek Unter den Linden zu planen und durchzuführen; über eine mögliche Erweiterung des breiten Spektrums der musealen Sammlungen und Präsentationen ist nachzudenken.

Den Herausforderungen wird die Stiftung sich nur gewachsen zeigen, wenn auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Ebenen und in allen Bereichen engagiert daran mitwirken, auch Schwierigkeiten und Engpässe zu meistern. Lassen Sie unsgemeinsam nach Kräften den Präsidenten unterstützen.

Meine Damen und Herren, zwei deutsche Staatsminister des 19. Jahrhunderts haben als Autoren von Rang ihren Platz in der deutschen Kulturgeschichte. Das Werk des Ministers aus Weimar wird immer wieder gerne für Festreden geplündert, im Jahr seines 250. Geburtstages wahrscheinlich ohnehin im Übermaß. Der andere Minister wird nicht so oft zitiert, hat jedoch seine Verdienste im Verwalten und Gestalten erworben. Über die "finanzielle Dotierung der wissenschaftlichen Institute in Berlin" schreibt Wilhelm von Humboldt, der ja auch geistiger Vater der Berliner Museen und der Museumsinsel ist, 1809: "Wenn wirklich das wissenschaftliche Fach einen gewissen Schwung erhalten, und Preußen, statt daß es ehemals eine große politische Macht besaß, jetzt eine moralische gewinnen soll, so darf man nicht von dem Grundsatze ausgehen, daß nur soviel als sonst, oder gar ( ... ) weniger dazu aufgewendet werden soll."

Ich teile diese Auffassung des preußischen Staatsministers. Deutschland hat, das darf man wohl sagen, erhebliche wirtschaftliche und damit auch politische Macht. Mit meiner Arbeit in der Bundesregierung möchte ich darauf hinwirken, daß es an moralischem Profil gewinnt. Das kann vor allem über Kultur gelingen, die ja die Stiftung auch in ihrem Namen führt. Deshalb werde ich mich in den kommenden Jahren dafür einsetzen, daß die Stiftung die für ihre Arbeit notwendigen Haushaltsmittel erhält.

Ich wünsche Ihnen, lieber Herr Lehmann, persönlich die notwendige Geduld und Gelassenheit bei der Vorbereitung Ihrer Entscheidungen und darf Ihnen versichern, daß Sie in mir einen vielleicht nicht immer bequemen und zurückhaltenden, aber jederzeit aufgeschlossenen und ansprechbaren Gesprächspartner haben, dem die Zukunft der Stiftung ebenso am Herzen liegt wie Ihnen und allen, die heute hier zusammengekommen sind.