Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 09.10.2006

Untertitel: Zur Eröffnung der KonferenzwiesStaatsminister Bernd Neumann auch auf die tagesaktuelle Notwendigkeit des Kulturgutschutzes hin. Zu den Beständen der Badischen Landesbibliothek hatte er mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten gesprochen.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/10/2006-10-09-rede-bkm-kulturgueterschutz,layoutVariant=Druckansicht.html


manche von Ihnen haben sich, als Sie den Titel dieser Tagung gelesen haben, vielleicht gefragt, ob ihn ein Jurist oder ein Nichtjurist erfunden hat. Denn Experten können sich im Angesicht der Paragraphen oftmals ebenso verloren vorkommen wie die Laien, denen die Materie ohnehin fern und fremd ist.

Wer sich noch an seinen Geschichtsunterricht erinnert, wird beim Begriff Labyrinth vielleicht auch an den berühmten Faden der Ariadne denken, der Theseus aus dem Irrgarten herausführte. Die Geschichte ist lehrreich: Wir brauchen immer den richtigen Leitfaden, und wer sich intensiver mit dem Kulturgüterschutz und seinen juristischen Implikationen beschäftigt, wird sich manches Mal nach diesem Faden sehnen.

Meine Damen und Herren,

die Konferenz, zu der ich Sie heute begrüße, dient genau diesem Zweck. Sie soll denjenigen, die beruflich mit diesen Problemen befasst sind, den berühmten Ariadnefaden an die Hand geben.

Als Staatsminister für Kultur und Medien sehe ich es nicht nur als Aufgabe an, mich für die aktuellen Belange der Kultur einzusetzen, günstige Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu schaffen und national bedeutsame Kultureinrichtungen zu fördern, sondern eben auch unsere Kulturgüter zu bewahren und zu schützen. Dazu soll diese Konferenz beitragen.

Meine Damen und Herren, beim Kulturgüterschutz geht es nicht nur um den illegalen Handel mit Kulturgütern oder "Beutekunst", sondern auch darum, dass wertvolle Schätze, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden, nicht zur Beseitigung von Finanzproblemen verhökert werden. Es gibt in jüngster Zeit einigen Anlass zur Sorge, dass der Kulturgüterschutz heute nicht mehr hinreichend ernst genommen wird. Es beunruhigt mich, wenn öffentliche Sammlungen aus kurzsichtigen finanziellen Erwägungen dazu angehalten werden, Stücke aus dem ihnen anvertrauten Kulturerbe zu verkaufen. Ich kann nur an alle Länder und Kommunen appellieren, verantwortungsvoll mit unseren Kulturgütern umzugehen. Einmal verkauftes Kulturgut ist in der Regel für die Öffentlichkeit unwiederbringlich verloren.

Auch in Zeiten knapper Kassen und harter Sparvorgaben für die öffentliche Hand dürfen Museumsbestände nicht zum Opfer kurzsichtiger Haushaltspolitik werden. Ich bin deswegen strikt gegen den Verkauf von Kulturgütern aus Museen. Sie wissen ja, dass die Stadt Krefeld ein Monet-Gemälde aus dem örtlichen Kaiser-Wilhelm-Museum verkaufen will, um den Museumsbau zu sanieren oder Haushaltslöcher zu stopfen. Das halte ich für inakzeptabel und geradezu sittenwidrig.

Anlass zur Sorge geben derzeit außerdem die geplanten Verkäufe von Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Sie alle haben davon gelesen, der Fall ist von einiger Brisanz und die Rechtslage ziemlich unklar. Fest steht, dass die kulturelle Bedeutung der Sammlung weit über Baden-Württemberg hinausgeht. Sie hat auch nationales Gewicht.

Ich habe in der letzten Woche mit Minister Frankenberg und mit Ministerpräsident Oettinger gesprochen und deutlich gemacht, was auf dem Spiel steht. Wir waren uns einig darin sicherzustellen, dass kein Kulturgut ins Ausland wandert. Wenn der Landtag Baden-Württembergs der Übertragung an das Haus Baden zustimmt, würde ich den Antrag stellen, die betroffenen Handschriften auf die Liste national wertvoller Kulturgüter zu setzten, um wenigstens vorläufig die Abwanderung ins Ausland zu verhindern.

Dieser Fall belegt aber im Übrigen sehr anschaulich, welche Vorteile das neue UNESCO- Kulturgüterschutzgesetz bietet, auf das ich gleich noch ausführlicher zu sprechen komme. Denn wäre es schon in Kraft, so gestattete es uns, auch Kulturgüter aus öffentlichem Besitz auf die Liste zu setzen. Derzeit ist uns das nur bei Kulturgütern in Privatbesitz möglich, und genau diese Eigentumsfrage ist ja im vorliegenden Fall der strittige Punkt.

Meine Damen und Herren, der Verkauf bedeutender Kulturgüter ist deshalb so problematisch, weil Kulturgüter eben keine normalen Handelswaren sind. Sie sind uns zur Pflege und Bewahrung anvertraut. In unseren Kulturgütern spiegelt sich unsere nationale Identität. Ein Staat, der ohne Bedenken seine kulturellen Schätze veräußert, verliert seine Geschichte. Unsere Kunstschätze, ganz gleich, ob es sich um Bücher, Denkmäler, Bilder oder Skulpturen handelt, bewahren die Erinnerung und sind das anschauliche Gedächtnis der Nation. Wenn wir in den Schatzkammern unserer Museen umherwandeln oder uns bedeutende Baudenkmäler ansehen, spüren wir, wie sehr wir mit unserer Geschichte verbunden sind. Dessen sollten wir uns bewusst bleiben. Wehret den Anfängen!

Meine Damen und Herren,

bei dieser Konferenz geht es freilich in erster Linie um die Frage der rechtlichen und tatsächlichen Chancen beim Versuch der Rückgewinnung abhanden gekommener Kulturgüter. Grundvoraussetzung dafür, dass solche Versuche überhaupt Sinn haben, ist eine internationale Vereinbarung, die die rechtswidrige Weitergabe von Kulturgut verhindert. Ich bin deswegen stolz darauf, dass es mir gelungen ist, einen Beschluss im Kabinett zu initiieren, das UNESCO-Übereinkommen zum Kulturgüterschutz zu ratifizieren, das seit 1970 auf der Agenda mehrerer Bundesregierungen stand. Derzeit wird im Deutschen Bundestag der Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung dieses UNESCO-Übereinkommens beraten. Mit dem Gesetz soll das UNESCO-Übereinkommen in nationales Recht umgesetzt werden.

Die Bundesrepublik hat damit künftig einen völkerrechtlichen Anspruch auf Rückgabe von wertvollen Kulturgütern, die illegal in einen anderen Vertragsstaat des UNESCO-Übereinkommens gelangt sind. Den gleichen Rückgabeanspruch haben dann auch die anderen Vertragsstaaten des UNESCO-Übereinkommens gegenüber Deutschland. Durch die Verbesserung zollrechtlicher Regelungen wird endlich auch die Kontrolle bei der Einfuhr von Kulturgut ermöglicht. Ich bin zuversichtlich, dass die Behandlung im Bundestag bis zum Jahresende abgeschlossen ist.

Meine Damen und Herren,

ich freue mich, dass mein Haus mit dieser Konferenz den Kontakt zwischen Experten und Interessierten herstellt. Hierbei geht es um erfolgreiche Strategien in der Praxis, und dabei wird klar werden, dass die Möglichkeiten, Ansprüche durchzusetzen, schnell an ihre Grenzen stoßen können. Es ist für Mitarbeiter in kulturellen Einrichtungen schwer zu bewerten, ob und wie sie am Besten vorgehen, um ein verschollenes und wieder aufgetauchtes Kulturgut zurückerlangen zu können. Auch stößt die Gesetzesanwendung häufig auf Schwierigkeiten, wenn das Kulturgut zwischenzeitlich ins Ausland gelangt ist. In diesen Fällen gilt es zu klären, ob überhaupt deutsches Recht anwendbar ist. Bei kriegsbedingt abhanden gekommenen Kulturgütern ist die Sache besonders schwierig. Denn in diesen Fällen hat nicht nur der Eigentümer des Kulturgutes in Deutschland in der Regel einen zivilrechtlichen Anspruch auf Rückgabe. Hinzu kommt der völkerrechtliche Rückgabeanspruch des deutschen Staates.

Die Bundesregierung verhandelt seit Jahren stetig und beharrlich mit der Regierung in Russland, um Bewegung in die festgefahrenen Rückführungsverhandlungen zu bringen. Unsere Bemühungen können aber nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn der Verhandlungspartner kooperativ ist. Dies war auch zunächst der Fall. Aber leider sind mittlerweile im russischen Parlament die Kräfte erstarkt, die der Rückführung von Kulturgut reserviert gegenüberstehen, nein: die sie ablehnen. Deutschland hat zwar das Völkerrecht auf seiner Seite. Aber das russische Parlament hat 1998 eine nationale rechtliche Grundlage geschaffen, indem das so genannte Beutekunstgesetz beschlossen wurde, das kriegsbedingt verbrachtes Kulturgut zu russischem Eigentum erklärt. Leider hat Russland seine ablehnende Haltung bis heute nicht aufgegeben mindestens nicht die Duma. Einzelne Rückführungen, wie die der 111 mittelalterlichen Fensterscheiben der Marienkirche in Frankfurt / Oder im Jahr 2002 sind auch ein Erfolg des ständigen Drängens meines Hauses. Sie können aber über das Problem nicht hinwegtäuschen.

Im April dieses Jahres hat es wieder deutsch-russische Regierungskonsultationen, diesmal im russischen Tomsk, gegeben. Ich konnte erreichen, dass diese Frage Thema wurde bei den Gesprächen zwischen den Regierungschefs wie bei denen, die ich mit meinem russischen Amtskollegen Sokolow geführt habe. Ich selbst habe auf der gemeinsamen Besprechung mit meinem russischen Amtskollegen das Thema angesprochen. Sie wissen, dass ich als Bremer aufgrund des weiteren Schicksals der Baldin-Sammlung besonders motiviert bin. Ich habe eine Bereitschaft der russischen Seite zur Kenntnis genommen, allerdings auch die politisch schwierige Lage. Aber wir konnten anknüpfen an die Beschlüsse der deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Hamburg 2004, wo die Einsetzung von vier themenbezogenen Arbeitsgruppen verabredet wurde. Ich habe in Tomsk den Vorschlag gemacht, diese beschlossenen Arbeitsgruppen nun auch tagen zu lassen. Die inhaltliche Arbeit in Gang zu setzen, haben wir gemeinsam in Tomsk vereinbart. Ich werte das als einen guten Schritt.

Meine Damen und Herren,

nach der Wiedervereinigung des europäischen Kontinents hat sich in der Frage der Rückgabe von Beutekunst eine neue Sachlage ergeben. Mit der Annäherung zwischen den beiden Machtblöcken in Ost und West sind auch die Grenzen durchlässiger geworden. Kunstwerke aus dem früheren Besitz deutscher Museen oder Privatsammlungen tauchen im Kunsthandel vermehrt auf oder werden den ursprünglichen Besitzern zum Kauf angeboten.

Gerade wenn Kulturgut zum Rückkauf angeboten wird, und der Anbieter nicht ersichtlich bösgläubig ist, stehen die betroffenen Einrichtungen vor schwierigen Entscheidungen, die nur auf dem Verhandlungsweg getroffen werden können. Will man ein Kulturgut zurückgewinnen, so ist viel Fingerspitzengefühl gefordert. Was die eine Seite als gestohlenes Kulturgut betrachtet, sieht die andere Seite als ihr rechtmäßiges Eigentum an. Die Schwierigkeiten liegen auf der Hand. Und so fragt man sich, ob wirklich in jedem Fall ein Weg aus dem Labyrinth des Rechts herausführt. Genau das soll unsere Konferenz nun zeigen, oder soll doch zumindest verdeutlichen, welche verschiedenen Wege aus dem Labyrinth es geben kann.

Ich freue mich, dass wir dieses Thema hier in den Räumen der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland diskutieren können. Die Kunst- und Ausstellungshalle ist nicht nur der Veranstaltungsort dieser Tagung. Vielmehr sind wir von den Verantwortlichen auch bei der Vorbereitung unterstützt worden. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Bedanken möchte ich mich außerdem bei der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg, in deren Schriftenreihe die Vorträge dieser Tagung mit finanziellen Mitteln meines Hauses veröffentlicht werden sollen. Denn, wie Goethe sagt,"was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen."

Doch bevor die Vorträge gedruckt werden können, ist es wahrscheinlich sinnvoll, dass sie erst einmal gehalten werden. Deshalb überlasse ich nun den Experten das Feld und wünsche Ihnen allen, meine Damen und Herren, dass Sie großen Gewinn aus dieser Konferenz ziehen mögen. Nutzen Sie diese einmalige Gelegenheit. Ich wünsche der Konferenz und Ihnen allen den besten Erfolg bei der Suche nach dem Ariadnefaden.

Vielen Dank.