Redner(in): Angela Merkel
Datum: 14.10.2006

Untertitel: am 14. Oktober 2006 in Uhingen
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/10/2006-10-14-rede-bkin-allgaier,layoutVariant=Druckansicht.html


Lieber Herr Hundt,

liebe Frau Hundt,

lieber Herr Sprang,

lieber Günther Oettinger,

sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrter Herr Präsident der Industrie- und Handelskammer,

liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Landtag von Baden-Württemberg und aus dem Deutschen Bundestag,

sehr geehrte Frau Allgaier-Wagner,

liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

liebe Festversammlung!

Ich bin heute sehr gerne hierher nach Uhingen gekommen. Ich will nicht verhehlen, dass das vor allem zwei Gründe hat:

Der eine Grund ist, dass Sie heute miteinander über den ganzen Tag ein wunderbares Fest feiern werden, das den ehemaligen und heutigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, auf hundert Jahre einer, wie Herr Hundt eben dargestellt hat, bewegten Firmengeschichte zurückzublicken, Kraft zu schöpfen, Gemeinschaftsgeist zu tanken, um dann gestärkt mit der Arbeit weiterzumachen. Meine Anwesenheit ist eine Reverenz an dieses Unternehmen, stellvertretend für viele, viele andere deutsche Unternehmen, die mit ihrem mittelständischen und Familiencharakter Deutschland stark gemacht haben und heute noch wirtschaftlich stark erhalten.

Der zweite Grund, dass ich heute hier bin, hat etwas damit zu tun, dass Sie, lieber Herr Hundt, bei all dem Engagement, das Sie in Ihrem Betrieb gezeigt haben und zeigen, nicht nur die Verantwortung für das Ganze nicht aus den Augen verloren haben, sondern auch jeden Tag praktizieren. Ihre Tätigkeit als Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, auch die im Arbeitgeberverband Baden-Württemberg, kann ja durchaus ähnlich nervenaufreibend sein wie das, was man in einem Betrieb macht. Ich glaube, es ist auch eine Tätigkeit, deren Erfolge weniger greifbar sind als im Betrieb. Im Betrieb fällt man konkrete Entscheidungen sehr häufig sind es in Ihrem Betrieb Entscheidungen gewesen, die das Unternehmen vorangebracht haben, da sieht man Teile entstehen, da verkauft man sichtbare Dinge. In der BDA hingegen verbringt man Stunde um Stunde im Gespräch mit der Politik und weiß dann doch nicht, ob es etwas gefruchtet hat. Insofern ein herzliches Dankeschön für beiderlei Engagement.

Meine Anwesenheit hier soll auch eine Reverenz an die Verbindung dieser beiden Tätigkeiten sein. Denn wenn Präsidenten von großen Spitzenverbänden eines Tages nichts mehr mit der Bodenhaftung eines geführten Betriebes zu tun haben und wenn die Politiker nicht mehr mit Menschen sprechen, die Erfahrungen mit dem Wettbewerb, dem Verkauf von Produkten haben und damit natürlich auch auf uns Eindruck machen, dann wird in dieser Gesellschaft etwas verloren gehen. Ich sage das deshalb, weil ich beobachte, dass der Druck auf diejenigen, die Unternehmen führen, der Druck von vielen Reisen ins Ausland, also die Frage, wie viel Zeit man zur Verfügung hat, um sich all den Tätigkeiten zu widmen, eher steigt. Dennoch glaube ich, dass das Modell der Sozialen Marktwirtschaft, das dieses Land stark macht, nur funktionieren kann, wenn sich immer wieder Menschen finden, die beides tun, die auf der einen Seite ihre Arbeit in einem konkreten Bereich machen und sich auf der anderen Seite für das Gemeinwohl verpflichtet fühlen. Dafür möchte ich werben. Weil ich das bei Ihnen, Herr Hundt, finde, möchte ich Ihnen danken, möchte ich Frau Hundt danken, die ihren Mann sicherlich manchmal vermisst, und möchte ich all denen danken, die hier im Betrieb dafür Verständnis haben.

Meine Damen und Herren, hundert Jahre sind eine lange Zeit. Dass dieses Unternehmen es ist eben von Herrn Hundt dargestellt worden sich trotz aller Krisen, trotz aller Umbrüche, trotz aller Veränderungen so erfolgreich entwickeln konnte, hat auch etwas mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit den Menschen, die in dieser Region leben, mit der Fähigkeit, zu wirtschaften und sich zu engagieren, zu tun. Dass hier im Bezirk Göppingen die Arbeitslosigkeit zu den geringsten in Deutschland gehört, ist auch ein Erfolg all derer, die Betriebe gegründet haben, aber auch derer, die in diesen Betrieben arbeiten und die diese Krisen und Veränderungen gut durchgestanden haben. Das handwerkliche Können, die Findigkeit, die Kreativität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in vielen mittelständischen Betrieben sind das Erfolgsrezept, das Schwaben groß gemacht hat und zu einem der Kernbestandteile der deutschen Industrielandschaft gemacht hat. Dass Allgaier, wie Sie es genannt haben, eine Perle in dieser Kette von Betrieben ist, darauf können Sie stolz sein.

Lieber Herr Hundt, Sie sind zu einer Zeit in das Unternehmen geschäftsführend eingetreten, als die Vorzeichen der Globalisierung immer sichtbarer wurden. Sie haben diese Herausforderung der Globalisierung so angenommen, dass wir heute sagen können: Allgaier ist ein Unternehmen in Uhingen, aber gleichzeitig auch ein Unternehmen, das in der globalen Welt beheimatet ist. Sie haben Tochtergesellschaften in europäischen Ländern und auch in China. Sie haben gezeigt, dass dies nicht gegen die Mannschaft zu Hause gerichtet sein muss, sondern in einer verflochtenen Welt Arbeitsplätze hier sichern kann. Die Zahlen Ihres Unternehmens sprechen für sich. Vor allem ist wichtig, dass viele Menschen hier einen Arbeitsplatz haben.

Wir haben ja so etwas wie eine Krise oder zumindest eine Infragestellung des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft dadurch, dass das, was über viele Jahrzehnte Urgewissheit war, heute nicht mehr so gegeben ist. Heute kann es großen Unternehmen in Deutschland insgesamt gut gehen, trotzdem geht es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland nicht unbedingt gut. Über Jahrzehnte war sozusagen die Versicherung, das Bindeglied, der Kitt der Sozialen Marktwirtschaft: Wenn es meinem Unternehmen gut geht, geht es auch mir als Arbeitnehmer gut. So einfach ist die Gleichung heute nicht mehr. Eine unserer Erfahrungen ist aber, dass diese Gleichung in den mittelständischen Unternehmen, in den Familienunternehmen noch heute mindestens so gut gilt wie in manchen anderen Bereichen. Deshalb tun wir gut daran das sage ich nun als Politikerin, diesen Unternehmen unseren ganz besonderen Tribut zu zollen und sie zu achten, zu respektieren und die Bedingungen, unter denen sie arbeiten, so zu gestalten, dass sie die Chance haben, im weltweiten Wettbewerb mitzuhalten.

Wir wissen, dass vieles von dem, was an Wirtschaftswachstum erzeugt wird, was an Beschäftigung garantiert wird, immer wieder der Umstrukturierung in den Unternehmen geschuldet ist. Wenn wir in diesem Jahr auf verträgliche, bessere Wachstumsraten blicken, dann ist dies in ganz besonderer Weise das Verdienst all derer, die ihren Betrieb fit gemacht haben, die dafür Sorge getragen haben, dass ihr Betrieb wettbewerbsfähig ist. Aber es ist natürlich auch so, dass dies ohne entsprechend günstige politische Rahmenbedingungen nicht geschehen kann. Deshalb haben wir in der Politik Verantwortung. Das heißt, wir haben uns um Steuerpolitik, um Arbeitsmarktpolitik und vieles andere mehr zu kümmern.

An dieser Stelle möchte ich zwei Dinge erwähnen, die aus meiner Sicht wichtig sind. Wir arbeiten zurzeit daran, die Erbschaftsteuer für Vermögen, das über zehn Jahre im Betrieb belassen wird, zu erlassen. Es gibt begründete Hoffnung darauf, dass wir dazu im Oktober einen Kabinettsbeschluss mit einer Rechtsregelung fassen werden, mit der Sie leben können und die kein bürokratisches Monster wird. Die Sache ist deshalb kompliziert, weil es verfassungsrechtliche Gründe dafür gibt, zu hinterfragen: Warum darf man Unternehmen die Möglichkeit einräumen, dass das, was im Betrieb verbleibt, nicht besteuert wird, während andere Erbschaften besteuert werden? Das Grundgesetz ist da streng und gibt vor: Darüber kann nicht einfach entschieden werden, es muss ein gesellschaftlich begründeter Aspekt vorliegen. Für die neue Erbschaftsteuerregelung muss also eine vernünftige Begründung gefunden werden.

Eine Begründung dafür, warum man dieses im Betrieb belassene Vermögen anders besteuern kann als anderes Vermögen, kann darin liegen das ist eine klassische Begründung im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft, dass Beschäftigung gesichert wird. Nun wissen Sie alle, die Sie Praktiker sind, dass zehn Jahre eine lange Zeit sind. Schauen Sie nur einmal, was in diesem Unternehmen schon manchmal innerhalb von zehn Jahren passiert ist. Es wäre dramatisch, wenn wir jetzt verlangen würden, dass eine vollumfängliche Beschäftigungszusage über zehn Jahre erteilt werden müsste. Diese Zusage kann kein Unternehmer ernsthafterweise machen.

Deshalb haben wir gesagt, dass wir dies unbürokratisch regeln und uns auf eine Klausel stützen werden, die es im Umwandlungssteuergesetz gibt es ist ja schön, dass in Deutschland alles irgendwann schon einmal in irgendeinem Zusammenhang bedacht wurde; man muss nur lange genug suchen. Nach dieser Klausel können die Steuererleichterungen dann gewährt werden, wenn der Betrieb "in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang" fortgeführt wird. Das ist ein weites Feld, aber dazu gibt es inzwischen auch eine steuerliche Praxis; es ist ja auch sehr wichtig, dass die Finanzämter wissen, wie man mit einer solchen Regelung umgeht. Ich glaube, auf dieser Basis können wir etwas erreichen, was uns allen gut tut und das ist mir wichtig auch ein sichtbares Zeichen für diejenigen ist, die in Familienunternehmen das tun, was an anderen Stellen, wie oft beklagt wird, nicht passiert, die sich nämlich über Generationen hinweg für das Unternehmen und damit auch für vergleichbar sichere Arbeitsplätze einsetzen.

Meine Damen und Herren, wir werden uns weiter mit der Unternehmensteuerreform beschäftigen. Das ist ein Thema, das in Deutschland deshalb so schwierig zu behandeln ist, weil wir auf der einen Seite die Körperschaften haben, die großen, oft international agierenden Unternehmen, die in einem scharfen Wettbewerb stehen, und auf der anderen Seite die Personengesellschaften, die nach einem ganz anderen Steuerrecht besteuert werden. Vom Ergebnis her gibt es kaum einen Unterschied zwischen beiden Rechtsformen; denn beide stehen in dem gleichen internationalen Wettbewerb. Deshalb haben wir uns vorgenommen, eine möglichst rechtsformneutrale Besteuerung, also eine Besteuerung unabhängig von der bestehenden Rechtsform, zu erreichen, bei der die Familienunternehmen nicht benachteiligt werden, auch wenn sie erfolgreich sind und heute Steuersätze zahlen, die mit den Spitzensteuersätzen des Einkommensteuerrechts vergleichbar sind.

Zu beiden Vorhaben sind wir ja im engen Gespräch mit Ihnen, Herr Hundt, als Geschäftsführender Gesellschafter der Allgaier Werke und genauso auch in Ihrer Verbandsfunktion. Wir werden natürlich auch zu anderen Themen miteinander sprechen. Wir befinden uns durchaus sehr oft in einem kritischen Dialog. Wir haben als Bundesregierung eine ganze Reihe von Vorhaben, bei denen ich auch mit der Unterstützung derer rechne, die verantwortlich in den Unternehmen tätig sind. Ich möchte zwei weitere Bereiche nennen, die mir sehr wichtig sind.

Ihr Unternehmen ist ein Beispiel dafür, dass immer wieder Veränderung, Innovation, Kreativität gefragt ist. Das, was hier alles schon in den letzten hundert Jahren geschafft wurde, wäre ohne neugierige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht möglich gewesen. Wenn ich sehe, wie Auszubildende bei Ihnen einen Trecker nachgebaut haben, zeigt mir das die Technikbegeisterung und die Fähigkeit dieser jungen Leute, die Funktionsweise eines Motors zu verstehen und ihn zusammenzubauen.

Innovation ist der Schlüssel für uns in Deutschland, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Innovation war das Prinzip der Vergangenheit, damit Deutschland ein Wohlstandsland geworden ist, und muss das Prinzip für die Zukunft sein. Deshalb müssen wir wieder gesamtgesellschaftlich bewusst machen, dass wir unseren Wohlstand nur halten können, wenn wir in vielen Bereichen besser sind als andere. Bundespräsident Horst Köhler hat es vollkommen richtig gesagt: Wir können nur so viel teurer sein, wie wir besser sind. Alles andere ist Leben von der Substanz und wird irgendwann in sich zusammenbrechen.

Aus meiner Sicht ist Deutschland nicht innovationsfreudig genug. Gerade deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass gestern zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland deutliche Entscheidungen für Exzellenz getroffen wurden. Es hat keinen Sinn, wenn wir uns einreden, dass frei nach der Humboldtschen Theorie jede Universität ungefähr gleich ist. Praxis und Realität sind vielmehr sehr konkret. Deshalb ist es eben so, dass die Universitäten über unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen. Die Belohnung derer, die gut sind, soll aber auch Ansporn sein für die, die heute noch nicht so gut sind.

Ich komme ja aus dem Norden und bin, weil er leer ausgegangen ist, unverdächtig, dabei irgendwie besonders mitfühlend sein zu müssen. Vielmehr sage ich ganz ausdrücklich: Wenn der Süden besser ist, dann ist er es und dann muss das ausgesprochen werden. Es nützt Deutschland überhaupt nichts, wenn Hochbegabte zum Schluss in gar keiner deutschen Universität mehr ein Studium aufnehmen, sondern es ist immer noch besser, es kommen noch welche nach Deutschland zum Studieren, und zwar jetzt zuerst einmal nach Karlsruhe und nach München. Das wird später den Wettbewerb mit anderen deutschen Standorten anheizen. Deshalb gratuliere ich Baden-Württemberg. Sie sind auch ganz gut weggekommen. Gestern war ich in Augsburg. Die Bayern sind noch besser weggekommen. Sie haben das eben verdient und durch eine langfristige Politik auch ermöglicht; und das muss gewürdigt werden.

Deutschland muss sich zu Eliten, zu Exzellenz bekennen. Das machen Sie mit Ihren Betrieben jeden Tag auf dem Weltmarkt. Das muss auch im Bildungs- und Forschungsbereich geschehen. Ich sage an dieser Stelle aber auch: Hier werden wir noch manchen Kampf auszufechten haben, weil natürlich die Frage gestellt wird: Brauchen wir nicht doch wieder eine Gleichverteilung nach dem Gießkannenprinzip? Diese Diskussion muss jetzt ausgehalten werden, und zwar in Freundschaft mit denen, die weniger Zuschläge erhalten haben.

Ein zweites Vorhaben hat die Bundesregierung auf den Weg gebracht: Wir haben eine Hightech-Strategie entwickelt. Die aus Baden-Württemberg kommende Bildungs- und Forschungsministerin hat zum ersten Mal für 17 Bereiche analysiert: Wo steht Deutschland? Wo liegen unsere Chancen, an die Weltspitze anzuschließen oder die Weltspitze zu bestimmen? Wir haben uns entschlossen, von unserer Seite einen Beitrag dazu zu leisten, dass das Ziel, 3 % des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung einzusetzen, erreicht werden kann.

Wir sind uns ja wahrscheinlich einig in der Beurteilung: Deutschland ist heute immer noch relativ gut, wenn es um Ideen geht, wenn es um Patentanmeldungen geht. Aber Deutschland ist längst nicht mehr so gut, wie es sein könnte, wenn es um die Umsetzung der Idee und die Weiterentwicklung zum Produkt geht. Deshalb geben wir mit dieser Hightech-Strategie in dieser Legislaturperiode nicht nur 6 Milliarden € mehr für Forschung und Innovation aus, sondern wir haben auch überlegt: Welche Instrumente brauchen wir, um denen, die von der Idee zum Produkt kommen wollen, einen Anreiz zu geben, innovativ zu sein? Wir stützen uns hierbei auf das Instrument der Forschungsprämie. Mit diesem Instrument werden mittelständische Unternehmen dann, wenn sie Forschungs- und Innovationsaufträge an Hochschulen und Fachhochschulen geben, mit 25 % vom Staat unterstützt. Denn es ist festzustellen, dass gerade im mittelständischen Bereich er ist ja zum Teil etwas kleiner als Ihre Werke ein Innovationsmanko besteht.

Ich hoffe, dass wir in Zukunft nicht wieder vor Tatsachen stehen, wie wir sie bereits erlebt haben vom MP3 -Player bis zum Fax, dass zwar etwas in Deutschland erfunden wurde, aber das Geld der Produktion letztlich woanders verdient wird. Das aber ist der Schlüssel dafür, wenn es um die Schaffung von Arbeitsplätzen geht: Eine Erfindung wird vielleicht von nur einer Person gemacht, aber die Produktion kann möglicherweise von Tausenden durchgeführt werden. Schauen Sie sich einmal an, was im Computerbereich, was in der Softwarebranche passiert ist. Konrad Zuse hat einen der ersten Computer gebaut, aber heute ist das Geschäft vorwiegend im amerikanischen Raum angesiedelt SAP ist eine der erfreulichen Ausnahmen; aber insgesamt haben wir einen zu geringen Anteil. Das darf uns in zukünftigen innovativen Feldern nicht mehr passieren. Deshalb muss die Politik an dieser Stelle auch hilfreich sein.

Meine Damen und Herren, wir hatten auch eine kritische Diskussion über das Thema Bürokratie, gerade im Zusammenhang mit der Umsetzung europäischer Richtlinien. Ich möchte diese Diskussion heute nicht wieder beleben. Aber ich möchte Ihnen sagen, dass wir uns als Bundesregierung dem Abbau von Bürokratie verpflichtet haben. Dazu haben wir in den vergangenen Monaten zum allerersten Mal in Deutschland eine Rechtsgrundlage geschaffen sowie einen Normenkontrollrat unter Führung des ehemaligen Staatssekretärs Ludewig bestellt. Dieser Normenkontrollrat wird nicht von der Bundesregierung berufen, sondern vom Bundespräsidenten. Wir haben extra darauf geachtet, dass das Ganze nicht von der Exekutive "zusammengemauschelt" werden kann, sondern der Bundespräsident ein wachsames Auge darauf hat.

Wir wollen nach niederländischem und britischem Vorbild rund 25 % der Berichts- , Statistik- und Kontrollpflichten in Deutschland abschaffen. Ich glaube, derartige Pflichten sind etwas, was viele von Ihnen im täglichen Geschäft beschwert und was gerade in Unternehmen wie diesem immer wieder Zeit kostet. Die Niederländer haben diesen Abbau geschafft, die Briten haben es auch geschafft.

Wir haben uns dies nicht nur für Deutschland vorgenommen dazu ist jetzt die Rechtsgrundlage geschaffen, sondern wir haben es uns auch für unsere Ratspräsidentschaft in der EU vorgenommen. Die EU-Kommission hat sich verpflichtet, nach dem gleichen Prinzip ihre Richtlinien durchzusehen. Im Übrigen gibt es das Projekt "Bessere Rechtsetzung", was nichts anderes heißt als Streichung von Richtlinien. Wir hören in diesen Tagen öfters Äußerungen des Kommissars Verheugen, der sagt: "Das geht nicht so schnell voran, wie ich es mir wünsche." Die deutsche Ratspräsidentschaft möchte einen Beitrag zum Vorschriftenabbau leisten. Europa wird nicht dadurch besser, dass es immer wieder neue Richtlinien erlässt, sondern Europa wird dadurch besser, dass es sich um die Dinge kümmert, die heute ein Nationalstaat nicht mehr allein bewältigen kann.

Meine Damen und Herren, Allgaier in Uhingen ist ein Betrieb, der in vielerlei Hinsicht Hervorragendes leistet. Deshalb möchte ich jenseits dessen, was wir politisch tun können, um Ihre Arbeit voranzubringen, auch noch einmal deutlich machen, dass hier einiges geschieht, was ich ganz bemerkenswert finde. Dazu gehört die Tatsache, dass Sie jungen Menschen hier immer wieder eine Chance geben, das Wichtigste zu bekommen, was man nach dem Schulabschluss bekommen kann: Das ist natürlich die Möglichkeit einer Ausbildung. Ihre Ausbildungsquote liegt so habe ich mir sagen lassen deutlich über 7 % ; das heißt, sie ist besser als in der Branche üblich. Es war ganz interessant, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass schon sehr bald nach der Gründung des Unternehmens das Thema Lehrling heute heißt es etwas vornehmer "Auszubildender" eine Rolle gespielt hat.

Die Anforderungen an eine Ausbildung in einem Betrieb wie Ihrem, zum Beispiel die Ausbildung als Werkzeugmacher, sind gewachsen. Es ist, glaube ich, wichtig, immer wieder die Verzahnung zu suchen. Sie haben immer wieder darauf hingewiesen, Herr Hundt, dass Jugendliche, die von der Schule kommen, die zehn Jahre zur Schule gegangen sind, auch in der Lage sein sollten, den Anforderungen eines modernen Ausbildungsprofils zu entsprechen. Das ist eine Herausforderung, vor der wir stehen; das ist überhaupt keine Frage. Das bedeutet, die Schulbildung ist so auszurichten, dass sie auch praxistauglich ist für das, was in einem modernen Berufsleben gebraucht wird. Dazu gehören auch Dinge, die vielleicht in Deutschland viele Jahre nicht so im Vordergrund standen, wie Fleiß, wie Anreiz zur Leistung, wie Disziplin Dinge, über die man viele Jahre nicht gesprochen hat und von denen man heute weiß, dass sie unerlässlich sind.

Ich bin dankbar dafür, dass Baden-Württemberg ein Land ist, in dem die Schulbildung gut ist, in dem die PISA-Ergebnisse zufriedenstellend sind. Ich verhehle nicht, dass wir froh sind, dass Sachsen und Thüringen hier auch prima dabei sind und ein bisschen Druck machen. Ohne die deutsche Einheit hätten wir heute auch noch keine zwölfjährigen Abiturzyklen, sondern würden wahrscheinlich immer noch bei einer Dauer von 13 Jahren verharren. Manches hat sich da also zum Positiven bewegt.

Sie sind auch ein familienfreundliches Unternehmen und versuchen immer wieder, auch Frauen dazu zu bringen, sich den schönen Dingen der Technik zu widmen. Als Physikerin weiß ich das zu schätzen. Es geht auch mit Frauen; das kann ich deutlich sagen. Manchmal geht da sogar weniger kaputt. Meine Erfahrung aus den experimentellen Teilen der Physik ist jedenfalls, dass die männlichen Teilnehmer erst einmal angefangen haben, die Apparate in Beschlag zu nehmen, überall zu drehen und zu schrauben und die Frauen erst einmal zugesehen haben. Dadurch bin ich meist nie an ein Gerät gekommen und musste mir immer ein Mädchen als Partnerin beim Experimentieren suchen; aber zum Schluss waren wir genauso schnell fertig und es hat auch geklappt.

Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, Männer und Frauen gleichermaßen an die Technik heranzuführen. Angesichts unserer demografischen Herausforderungen wird man auch in den technischen Berufen an der Verteilung auf die Geschlechter nicht vorbeikommen. Deshalb auch hier ein herzliches Dankeschön für Ihr Engagement.

Meine Damen und Herren, zum Schluss gratuliere ich Ihnen noch einmal ganz herzlich. Ich sage Ihnen, Herr Hundt, Ihnen, Frau Allgaier-Wagner, und allen, die dieses Unternehmen geführt haben und hier Verantwortung getragen haben, ein herzliches Dankeschön. Ein Dankeschön auch an all die, die für das Wohl dieses Unternehmens in der Region gesorgt haben. Und ein besonderer Glückwunsch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ohne Motivation, ohne motivierte Leistung, ohne die Bereitschaft jedes einzelnen, sich immer wieder auf neue Herausforderungen einzustellen, geht es nicht. Dass Sie dabei so erfolgreich mitgemacht haben, ist einer der Pfeiler und das Fundament des Erfolgs dieses Unternehmens.

Herzlichen Glückwunsch zum Hundertsten! Schöne Feierlichkeiten! Danke, dass ich dabei sein darf!