Redner(in): Thomas de Maizière
Datum: 02.12.2006
Untertitel: Fairness stehe zu Recht im Zentrum der diesjährigen Aktion von Brot für die Welt. Damit seien einefaire Beteiligung bei der Gestaltung weltweiter Regeln und eine faire Teilhabe an den Chancen derGlobalisierung gemeint. Das sagte Kanzleramtschef de Maizière im Theater "Wechselbad der Gefühle" in Dresden.
Anrede: Sehr geehrter Herr Kottnik, sehr geehrte Frau Orosz, sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/12/2006-12-02-rede-de-maiziere-in-dresden,layoutVariant=Druckansicht.html
unser Lebensstandard in den Industrieländern hat Konsequenzen für den gesamten Globus: Ein kleiner Teil der Weltbevölkerung verbraucht mit Abstand die meisten natürlichen Ressourcen. Und diese werden knapp: Energie, sauberes Trinkwasser, saubere Luft zum Atmen, natürliche Fischbestände in den Meeren.
Das wird nicht ewig gut gehen. Große Staaten wie China oder Indien werden ebenso Verbraucher gewaltiger Ressourcen. Ohne ein umweltschonendes Wachstum dort wird die Entwicklung in der Welt insgesamt nicht gut gehen. Wir sind deshalb gemeinsam gefordert nachzudenken, wie wir in Zukunft globale Gemeinschaft leben und "fair-teilen" wollen.
Wo Menschen zusammenleben, brauchen wir Spielregeln: in der Familie, in der Schule, in der Kirche, am Arbeitsplatz. Selbst wenn wir "nur" spielen "Mensch ärgere dich nicht", Skat, Schach brauchen wir Spielregeln. Ohne Spielregeln funktioniert kein Markt, kein internationaler Warenverkehr, keine politische Übereinkunft, weder im Stadtrat noch in den Vereinten Nationen.
Soweit, so klar. Je größer jedoch der Raum für Spielregeln ist, je unterschiedlicher die Interessen sind, desto schwieriger ist es, Regeln so zu vereinbaren, dass sie für alle verbindlich sind.
Und trotzdem oder gerade deshalb: Als Alternative zu Spielregeln, an die sich alle halten, gibt es nur eine diktatorische Weltherrschaft, die wohl niemand will und wollen kann. Und deshalb müssen wir uns um Regeln bemühen, die akzeptiert werden: Regeln, die alle Mitwirkenden gleichermaßen achten.
Und das setzt voraus, dass möglichst viele in der einen oder anderen Form an der Regelsetzung mitwirken können. Die Regeln müssen breit legitimiert sein.
Das alles funktioniert nur im Geiste der Fairness.
Fairness steht daher zu Recht im Zentrum der diesjährigen Aktion von "Brot für die Welt".
Für ein friedliches Miteinander in der Welt brauchen wir Fairness in einem umfassenden Sinne.
Konkret heißt das: Faire Beteiligung bei der politischen Gestaltung globaler Regeln und faire Teilhabe an den Chancen, die uns das globale Miteinander eröffnet.
Im Jahr 2000 haben sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen feierlich zur Erfüllung der Millenniumsziele der Vereinten Nationen verpflichtet.
Eine breiter legitimierte Grundlage für die Formulierung weltweiter Spielregeln, für die Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung und die wirksame Bekämpfung der Armut kann ich mir kaum vorstellen.
Aber sie muss auch umgesetzt werden: Das ist ein Gebot der Fairness und ein Gebot der politischen Vernunft.
Bundespräsident Köhler hat es so auf den Punkt gebracht: "Armutsbekämpfung ist nicht nur moralisch wichtig es geht um die Existenzsicherung für die Zukunft Europas."
Zur Umsetzung der Millenniumsziele tragen auch kirchliche Hilfswerke wie "Brot für die Welt" bei.
Meine Damen und Herren,
mit dem G8 -Vorsitz im kommenden Jahr haben wir als Deutsche eine besondere Verantwortung und eine besondere Chance, ein faires Miteinander in der Welt zu fördern.
Das "fair" -teilen der weltweiten Ressourcen und den fairen Handeln zwischen den Regionen der Welt wollen wir im Kreis der G8 -Teilnehmern weiter voranbringen. Wir wollen und müssen aber auch alle anderen Staaten einbeziehen, die von den G8 -Absprachen betroffen sind. Das Zusammenleben in der Welt kann und soll nicht von einem kleinen Kreis diktiert werden. Fair "-teilen umfasst aber nicht nur staatliches Handeln." Fair " -teilen betrifft uns alle.
Ich habe in einem gängigen Englisch-Wörterbuch einmal nachgeschaut, was fair alles bedeuten kann. Vorab: Ich habe 16 Übersetzungen gefunden. Um nur einige zu nennen: Angemessen, anständig, ausreichend, hell, schön, unparteiisch.
Unparteiisch oder anständig kommt meinem Verständnis von "Fair" -teilen sehr nahe. Vielleicht befürchten viele, die etwas haben, dass sie ohne Gegenleistung etwas abgeben müssen. Und die, die etwas bekommen, meinen, dass dies ohne Gegenleistung geschehen muss.
Schaut man sich einmal das deutsche Wort "verteilen" worauf das Wortspiel der Aktion "Brot für die Welt" abhebt von seiner Herkunft ( etymologisch ) an, findet man aus dem Mittelhochdeutschen Bedeutungen wie "zerteilen","durch Urteil nehmen","verdammen"; im Althochdeutschen gar "berauben","betrügen","verurteilen". Das sind natürlich drastische Worte. Hier können wir sehen, wie Sprache dem Wandel unterliegt.
Wir meinen aber heute mit fair verteilen, wenn Geben und Nehmen wechselseitig mit Nachteilen und Vorteilen verbunden sind. Mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Brot für die Welt "beteiligt sich nicht nur an der Verteilung durch Einsammeln und Ausgeben von Spenden. Hier wird niemandem wie im Althochdeutschen etwas" geraubt "." Brot für die Welt " lebt auch von unserem Engagement für umsetzbare Spielregeln für das Zusammenleben in der Welt. Beides ist eine Daueraufgabe und verdient gleichermaßen ein herzliches Dankeschön.