Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 17.01.2007

Untertitel: Der Staatsministerhat in seiner Rede zur Eröffnung der Jahrestagung der AG Publikumsverlage im Börsenverein des Deutschen Buchhandels den inhaltlichen Schwerpunkt auf die Buchpreisbindung, das Urheberrecht und das Urhebervertragsrecht gelegt.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/01/2007-01-17-neumann-publikumsverlage,layoutVariant=Druckansicht.html


ich freue mich, dass wir nach unserer wunderbaren Begegnung im Kanzleramt im Sommer letzten Jahres nun ein weiteres Mal zusammenkommen, um über die Situation der Verlage und Verleger zu sprechen.

Und wenn wir jetzt etwas offzieller beginnen, so können wir dafür später beim Abendessen umso entspannter an die Gespräche von damals anknüpfen.

Nach über einem Jahr im Amt kann ich Ihnen eine erste Bilanz und einen Rückblick auf das Erreichte nicht ersparen. Ich bin besonders stolz darauf, dass es mir nach einer Steigerung der Kulturausgaben im Jahr 2006 gelungen ist, für 2007 eine nochmalige Erhöhung des Bundeskulturhaushalts zu erreichen. Er ist in diesem Jahr im Vergleich zu den im Vorjahr zur Verfügung stehenden Mitteln um 3,5 Prozent gewachsen. Mein Haus konnte darüber hinaus weitere Erfolge bei der Sicherung positiver Rahmenbedingungen erreichen, die ich Ihnen hier nur kurz nennen möchte. Wir haben:

die Beibehaltung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Kulturgüter von 7 % beschlossen trotz der generellen Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent,

wir haben mit dem Folgerecht im Kunsthandel für Künstler EU-weit vergleichbare Bedingungen geschaffen,

wir haben mit der gesetzlichen Umsetzung der UNESCO-Konvention zum Verbot der rechtswidrigen Übereignung vonKulturgut auch dem Kunsthandel in Deutschland und darüber hinaus eine sichere Grundlage gegeben,

wir haben der Deutschen Nationalbibliothek mit der Novellierung des Gesetzes eine zukunftsfähige Grundlagegegeben,

wir haben mit dem Entwurf eines Telemediengesetzes eine moderne Grundlage für die Regulierung der Neuen Informations- und Kommunikationsdienste geschaffen, die im Kern an die Inhalte und nicht mehr an die Verbreitungswege geknüpft ist,

wir haben gemeinsam mit Baden Württemberg mit dem Neubau des "Literaturmuseums der Moderne" in Marbach einen Ort geschaffen, an dem die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts umfassend präsentiert wird,

wir stellen ab 2007 für die Dauer der Legislaturperiode jährlich 60 Millionen Euro für ein neues Konzept zur Filmfinanzierung zur Verfügung

wir haben zugesagt, uns mit 50 Millionen Euro an der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden zu beteiligen, und

wir stellen vorzeitig 73 Millionen Euro für das zentrale Eingangsgebäude auf der Museumsinsel zur Verfügung.

Das alles ist durchaus vorzeigbar, soll aber nicht heißen, dass wir jetzt die Hände in den Schoß legen. Nach wie vor werden wir offensiv weitere Akzente setzen und die Rahmenbedingungen mitgestalten, so dass Kunst und Kultur in Deutschland gedeihen können. Das gilt selbstverständlich auch für die Buchkultur.

Das Buch bleibt auch in Zeiten des elektronischen Datenverkehrs ein unschätzbar wertvolles Medium. Denn in "Büchern liegt die Seele aller vergangenen Zeiten", wie der britische Schriftsteller und Historiker Thomas Carlyle gesagt hat. Bücher verdienen daher besonderen Schutz von Seiten der Politik.

Zu diesem Zweck haben wir in Deutschland das Instrument der Buchpreisbindung geschaffen. Es hat sich über Jahrzehnte bewährt, und die Bundesregierung steht zu diesem wichtigen Instrument der Kulturpolitik. Das haben wir bei der Novellierung des Buchpreisbindungsgesetzes deutlich gemacht. Ich bin sehr froh, dass auch der Deutsche Bundestag über alle Parteigrenzen hinweg festgestellt hat, dass das Buchpreisbindungsgesetz von 2002 entscheidend zur Sicherung der Vielfalt im deutschen Buch- und Verlagswesen beigetragen habe. Das sehen Sie schon daran, dass die Vielfalt der angebotenen Buchtitel in Ländern ohne Buchpreisbindung bei weitem nicht so groß ist wie in Deutschland.

In einem vergleichbaren Markt, wie dem US-amerikanischen, ist die Anzahl der pro Kopf und pro Jahr neu veröffentlichten Titel fast viermal geringer als bei uns. Ich begrüße es deshalb, dass sich auch der Börsenverein seiner Verantwortung für den Fortbestand der Buchpreisbindung bewusst ist. Ihnen, Herr Dr. Honnefelder, danke ich sehr für die klaren Worte, die Sie unlängst im Börsenblatt an die Branche gerichtet haben.

Ebenso wichtig wie die Vielfalt der Titel ist für unsere Buchkultur allerdings auch die Vielfalt der Vermarktungswege. Im Zeitalter riesiger Buchhandelsketten und des Internethandels müssen auch die kleinen Buchhändler eine Chance haben, sich am Markt zu behaupten. Von staatlicher Seite werden Sie durch die Buchpreisbindung unterstützt.

Aber die Verlage müssen auch ihre Konditionen so gestalten, dass eine differenzierte Marktstruktur erhalten bleibt, dass die unabhängigen Buchhändler neben den großen Ketten bestehen können. Nur Sie selbst und hier schließe ich mich ausdrücklich den Ausführungen von Bundestagspräsident Lammert bei den Berliner Buchhändlertagen im vergangenen Jahr an können die Preisbindung gefährden. Darum ist Ihre Solidarität wichtig.

Lassen Sie mich nun zu einem Thema kommen, dass Sie morgen auf Ihrer Tagung verhandeln werden, zum Urheberrecht.

Als "Anwalt der Kultur" bin ich natürlich auch der "Anwalt der Kulturschaffenden". Mit Blick auf die Literatur verlangt diese Rolle von mir, dass ich mich für den Schutz des geistigen Eigentums einsetze. Denn zur Wertschätzung des Buches gehört auch, dass die geistigen Urheber, die Autoren, angemessen am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Arbeit beteiligt werden. Die ideelle und auch materielle Würdigung schöpferischer und künstlerischer Leistung muss zentraler Bestandteil des Selbstverständnisses unseres Kulturstaates sein und bleiben.

Im März des letzten Jahres haben wir im Kabinett den sogenannten "Zweiten Korb" der Novelle des Urheberrechtsgesetzes beschlossen.

Es war ein besonderer kulturpolitischer Erfolg, dass wir mit dem Wegfall der an sich vorgesehenen Bagatellklausel ein wichtiges Signal für den Schutz des geistigen Eigentums von Künstlern und Autoren setzen konnten. Wie Sie wissen, liegt der "Zweite Korb" zur Zeit dem Bundestag zur Beratung vor. Der Rechtsausschuss hat umfangreiche Anhörungen durchgeführt und sich über diverse Teilaspekte des Gesetzentwurfs ausführlich informieren lassen.

Demnächst wird er darüber beraten. Dann werden wir sehen, welche Änderungen das Parlament für erforderlich hält. Lassen Sie mich eines vorwegnehmen: Ich halte den vorliegenden Entwurf für einen tragfähigen Kompromiss.

Ich weiß natürlich, dass Ihnen besonders die vorgeschlagenen Paragraphen 52 b und 53 des Urheberrechtsgesetzes am Herzen liegen. Was Ihre Änderungswünsche betrifft, so kann ich Ihnen dazu eines sagen: Ich teile Ihre Auffassung, dass ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht nicht dazu führen darf, dass auf alles jederzeit und kostenlos zugegriffen werden kann. Auf den ersten Blick mag die Vorstellung zwar attraktiv sein, dass sämtliche wissenschaftlich relevanten Texte im Internet kostenlos verfügbar sind. Aber dieser Gewinn bei der Informationsbeschaffung würde teuer erkauft. Denn die Autoren, Lektoren und Verleger erhielten dann keine Vergütung dafür, dass Dritte von ihrer geistigen Arbeit profitieren.

Außerdem könnten die Urheber eine Veröffentlichung im Internet nicht verhindern, auch wenn sie diesen Weg der Verbreitung nicht wünschen. Das würde wohl kaum die Motivation zur wissenschaftlichen Arbeit steigern, und deshalb bin ich hier auf Ihrer Linie. Übrigens ebenso wie viele namhafte Geistes- und Sozialwissenschaftler. Viele haben nämlich ebenfalls entschieden gegen Bestrebungen protestiert, den Kopienversand auf Bestellung und die elektronische Wiedergabe von Werken in öffentlichen Bibliotheken in größerem Umfang zuzulassen. Sie haben darauf hingewiesen, dass dadurch die traditionelle Verlagstätigkeit ausgehöhlt werde, dass aber die Verbreitung von wissenschaftlichen Texten in gedruckter Form gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften unerlässlich sei.

Sie werden einen ähnlichen Standpunkt vertreten, und ich gebe Ihnen Recht: Es darf nicht sein, dass den Verlagen die wirtschaftliche Existenz dadurch entzogen wird, dass Bibliotheken uneingeschränkt und umfassend vervielfältigen und verbreiten dürfen.

Der vorliegende Gesetzentwurf kommt in diesen Punkten den Interessen der Verlage und Autoren entgegen, berücksichtigt aber zugleich die Erfordernisse des Informationszeitalters, wonach wir ja eher an der Verbreitung von Wissensinformationen interessiert sind.

Ein weiteres urheberrechtliches Thema, das uns derzeit beschäftigt, ist das Gesetz zur sogenannten Enforcement-Richtlinie.

Dieses Gesetz ermöglicht wie der Name ja sagt - eine bessere Durchsetzung von Rechten an geistigem Eigentum. Es stärkt die Stellung der Rechteinhaber beim Kampf gegen Produktpiraterie. Der bisher schon vorhandene Auskunftsanspruch des Rechteinhabers gegenüber demjenigen, der seine Rechte verletzt hat, wird erweitert. Künftig besteht auch ein Anspruch gegenüber Dritten, wie etwa Internet-Providern. Erst dieser Anspruch ermöglicht es dem Rechteinhaber tatsächlich, den Rechtsverletzer zu ermitteln.

Das ist vor allem zur Bekämpfung des illegalen Kopierens von Filmen, Musik und Literatur aus dem Internet erforderlich.

Da bislang den Rechteinhabern die Verfolgung ihrer Rechte oftmals faktisch verwehrt ist, halte ich die Einführung eines Auskunftsanspruchs gegenüber Dritten für unerlässlich. Das habe ich in der Diskussion von Beginn an vertreten.

Mir ist durchaus bewusst, dass Sie sich ein möglichst einfaches, kostengünstiges Auskunftsverfahren wünschen. Wir dürfen aber auch nicht außer Acht lassen, dass beim Zugriff auf Daten, die über das Nutzerverhalten im Internet Aufschluss geben, äußerst sensibel vorgegangen werden muss. Schließlich geht es hier auch um Fragen der Persönlichkeitsrechte.

Es zeichnet sich ab, dass die Meinungsbildung in der Bundesregierung auf einen Richtervorbehalt hinauslaufen wird. Damit wird aber die Diskussion um dieses Instrument noch nicht beendet sein. Ich hoffe, dass Sie als Rechteinhaber das neue Instrument intensiv nutzen werden. Denn erst die praktische Anwendung wird sich abschreckend auf potentielle Rechtsverletzer auswirken.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zu einem dritten urheberrechtlichen Thema ein paar Worte sagen: zum Urhebervertragsrecht, vor allem zur Aufstellung gemeinsamer Tarife für literarische Übersetzungen.

Seit dem Inkrafttreten des neuen Urhebervertragsrechts sind unter anderem Vergütungsregeln als Instrument zur Sicherung der angemessenen Vergütung der Urheber vorgesehen. Sie sind zwischen Vereinigungen von Urhebern und Vereinigungen von Werknutzern oder einzelnen Werknutzern auszuhandeln.

Ich bedaure, dass die zahlreichen Verhandlungen über angemessene Vergütungssätze im Sinne des neuen Urhebervertragsrechts zwischen "den literarischen Übersetzern" und der Verlagsbranche nicht zu einem Ergebnis geführt haben, das für alle Seiten befriedigend ist.

Die zwangsläufige Folge waren die Urteile verschiedener Gerichte, die Ihnen bekannt sein werden. Ich habe mich weder in die Verhandlungen noch in die gerichtlichen Auseinandersetzungen einzumischen. Ich appelliere aber an Sie, meine Damen und Herren, und an die literarischen Übersetzer, die eingeräumten Befugnisse verantwortlich und konstruktiv zu nutzen.

Im Urheberrecht einen fairen Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten zu finden, ist nicht immer einfach. Ich gehe aber davon aus, dass auch die parlamentarischen Gremien, die sich derzeit mit dem "Zweiten Korb" beschäftigen, klug entscheiden werden.

Im Mittelpunkt unserer Bemühungen muss das Buch als Medium und das Lesen als Grundlage der Wissensvermittlung stehen. Auf der Überlieferung von Informationen gründen schließlich unsere Kenntnisse von der Vergangenheit und unsere Fähigkeit, Zukunft zu gestalten. Deshalb dürfen wir die Festlegung der Rahmenbedingungen für das Informationszeitalter nicht dem Zufall überlassen. Die Kulturnation Deutschland muss rechtzeitig, verantwortungsvoll und mit Augenmaß die richtigen Weichen stellen. Dafür, meine Damen und Herren, werden Sie in mir stets einen engagierten Mitstreiter finden.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für die Zukunft, eine erfolgreiche und inspirierende Tagung, viele neue Impulse für Ihre weitere Arbeit und uns allen heute einen gelungenen Abend.

Vielen Dank!