Redner(in): k.A.
Datum: 04.04.2007

Untertitel: am Mittwoch, 4. April 2007 in Torgau (Schloss Hartenfels)
Anrede: Sehr verehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrter Herr Steinbach, verehrte Frau Essl, sehr geehrter Herr Prof. Essl, meine sehr geehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/04/2007-04-04-chefbk-torgau,layoutVariant=Druckansicht.html


es ist mir eine Freude, heute zu der Eröffnung der Ausstellung "made in Leipzig" hier im Schloss Hartenfels in Torgau zu sprechen und Ihnen die Grüße der Bundesregierung zu übermitteln.

Die Kulturstiftung Leipzig realisiert mit dieser Ausstellung ihr bisher größtes Projekt - und das nicht in Leipzig, sondern in Torgau, dieser schönen und geschichtsträchtigen Renaissancestadt. Torgau war in der Mitte des 16. Jahrhunderts das politische Zentrum der Reformation.

Torgau wurde bereits 2004 mit der vielbeachteten und erfolgreichen zweiten Sächsischen Landesausstellung zu einem attraktiven Anziehungsort für Kunst- und Kulturliebhaber aus der ganzen Welt. Mit "made in Leipzig" erwartet uns nun erneut ein kultureller Höhepunkt.

In Torgau wird erstmals in Deutschland eine Gesamtschau des aktuellen Kunstphänomens "Young German Art" präsentiert, die sogenannte "Neue Leipziger Schule". Sie sorgt vor allem in den Vereinigten Staaten als "das neue deutsche Kunstwunder" für Aufsehen und gilt als das wichtigste aktuelle Phänomen der hiesigen Kunstszene.

Unter dem Markennamen der Leipziger Schule werden seit einigen Jahren die sowohl stilistisch als auch thematisch vielfältigen und vielschichtigen Werke von Künstlern zusammengefasst, die mit erfrischender Kreativität das künstlerische Erbe der in Leipzig ausgebildeten und wirkenden Malergenerationen angetreten haben. Die jungen Künstler haben die traditionsreiche Buch- und Musikstadt Leipzig neben New York, London und Berlin zu einem der wichtigsten Zentren der aktuellen globalen Kunstszene werden lassen. Der Kunstmarkt ist so fasziniert von dieser Künstlergruppe, dass Käufer sogar für noch nicht gedachte und gemalte Bilder auf langen Wartelisten "anstehen".

Die Neue Leipziger Schule ging in den 1990er Jahren hervor aus der auf die menschliche Figur konzentrierten Malerei eines Werner Tübke, Bernhard Heisig oder Wolfgang Mattheuer. Einige ihrer Arbeiten werden auch in dieser Ausstellung zu sehen sein. Ihre Schüler, zu denen Arno Rink und Sighard Gille gehörten, hielten gegen alle Modeströmungen an der figürlichen Malerei ebenso fest wie später auch die jüngere Generation, als deren namhaftester Vertreter Neo Rauch gilt.

Sie stehen in einer über 30-jährigen künstlerischen Kontinuität der alten Leipziger Schule. Deren Tradition gegenständlicher Malerei und handwerklicher Perfektion setzten sie unbeirrt fort als für Concept Art, Installation und Videokunst geschwärmt wurde. Selbstbewusst gingen und gehen die Vertreter dieser Schule ihren Weg. Sie entziehen sich der Einordnung in Schubladen und gängige Klischees.

Auch in der dritten und vierten Schülergeneration fordern die jungen Leipziger Künstler den Betrachter auf, in Bildräume einzutreten und sie zu durchstreifen. Sie erzählen und das Erzählte löst Emotionen aus."Kunst geht wieder durchs Herz und nicht durch die Großhirnrinde" schrieb hierzu Christian Schüle in seinem Artikel in DER ZEIT.

Ich werde hier keine detaillierte kunsthistorische Analyse der "neuen Leipziger Schule" vornehmen. Das überlasse ich gerne denjenigen, zu deren Profession dies gehört. Mir liegt aber daran, auf zwei Aspekte hinzuweisen, die aus meiner Sicht den besonderen Reiz dieser Ausstellung ausmachen.

1. Dies ist zum einen die gesamtdeutsche Relevanz der Leipziger Schule, zu deren Vertretern heute Künstler aus den östlichen und aus den westlichen Bundesländern gehören; verschieden in Duktus und Stil ihrer Werke, vereint durch ihren Ausbildungsort. Man kann die Leipziger Schule so gewissermaßen als deutsch-deutsches Laboratorium bezeichnen, das zu einem Markennamen geworden ist. Die Künstler der Leipziger Schule sind mit ihrer internationalen Reputation herausragende Botschafter der Kreativität der deutschen Kunst und Kultur.

2. Zum andern fasziniert, dass die "Neue Leipziger Schule" offenbar niemanden kalt lässt. Sie zwingt zur Meinungsbildung. Die kontroversen Diskussionen dazu spalten Publikum wie Experten. Während die einen den unbeschwerten Umgang mit den Traditionen gegenständlicher Malerei preisen, bemängeln Kritiker einen klinisch - distanzierten Blick, eine scheinbare Suche nach dem Zeitlosen auf Bildern, denen es an Dramatik und Handlung fehle.

Malerei ist also wieder im Gespräch! Die Kunstwerke reizen den Nerv der Zeit.

Mein Dank gilt neben der Kulturstiftung Leipzig insbesondere Ihnen, Herr Professor Essl. Als einer der ersten großen, international bekannten Sammler ließen Sie sich von der "jungen deutschen Kunst" elektrisieren und begeistern. Ohne Sie und Ihre Leihgaben wäre die Ausstellung "made in Leipzig" nicht zustande gekommen.

Zugleich möchte ich allen, die diese Ausstellung ermöglicht haben, danken, dass wir hier in Torgau einen Einblick in die Kunst der "Neuen Leipziger Schule" bekommen. Ich wünsche ihr und der Stadt Torgau zahlreiche Besucher aus dem In- und Ausland.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Bilden Sie sich bei dem Rundgang durch die Ausstellung selbst ein Urteil über das "neue deutsche Kunstwunder".