Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 20.09.2007

Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann würdigt in der Veranstaltung im Literarischen Colloquium in Berlindie Bedeutung der Übersetzer für die Literatur.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/09/2007-09-20-rede-neumann-uebersetzerfonds,layoutVariant=Druckansicht.html


Deutschland ist ein reiches Übersetzerland. ( … ) Die Weite und Tiefe des deutschen Übersetzungsmarktes ist in absoluten Zahlen einzigartig ".

Dies ist, meine Damen und Herren,

nicht ein politisches Diktum des Kulturstaatsministers, oder gar sein Wunschtraum, sondern die nüchterne Feststellung des Literaturkritikers Ijoma Mangold, die ich mir aber gerne und mit Überzeugung zu Eigen mache.

Ich muss dies hier nicht detailliert mit Zahlen belegen, und will Sie mit solchen nicht langweilen. Nur eine Zahl sei genannt: In einer UNESCO-Liste der 50 wichtigsten Übersetzerländer nimmt Deutschland vor Spanien, Frankreich und Japan mit rund 220.000 Übersetzungen den ersten Platz ein.

Erlauben Sie mir hier eine Bemerkung am Rande und dem Festredner zu Ehren, der vor kurzem ein ganzes Buch zu Fragen des Übersetzens geschrieben hat: Italien nimmt in dieser Liste immerhin den 12. Platz ein. Um aber die Besonderheit gerade der deutsch-italienischen Kulturbeziehungen einmal mehr zu betonen, haben mein Haus gemeinsam mit dem Goethe-Institut einen deutsch-italienischen Übersetzerpreis ins Leben gerufen, der 2008 erstmals verliehen werden soll.

Zurück zum Übersetzen. 2005 war etwa jeder zwölfte Titel aller Neuerscheinungen auf dem deutschen Markt eine Übersetzung. In der Belletristik, um die es dem Übersetzerfonds

ja vorrangig geht, war es sogar rund jeder dritte Titel. In einer Spiegel-Bestsellerliste von 2006 waren unter den ersten 20 Titeln 12 Übersetzungen, von Dan Brown über John Irving bis hin zu Henning Mankell.

Über die kulturelle Bedeutung des Übersetzens ist Vieles und Kluges gesagt worden, auch und gerade von Schriftstellern. Es kann fast als Allgemeinplatz gelten, dass Übersetzungen die Grenzen einer Sprache erweitern, dass sie Weltliteratur möglich machen, indem sie die Literaturen fremder Völker in die eigene Sprachwelt aufnehmen, dass sie Motoren eines kulturellen Austausches und eines kulturellen Dialoges auf Augenhöhe sind.

Auch wir Politiker sind auf Übersetzungen und Übersetzer angewiesen. Ohne sie wäre grenzüberschreitende Politik meist nicht möglich, und oftmals "machen" sie auch in einem positiven Sinne Politik, indem sie behutsam glätten, anpassen oder sagbar machen, was man in einer anderen Sprache "so" nicht sagen kann oder darf, ohne zu verärgern, verletzen oder schlicht nicht richtig verstanden zu werden.

Nun ist das Übersetzen von Politikerreden etwas anderes als die Übersetzung von Romanen oder gar Gedichten. Dem vor zehn Jahren ins Leben gerufenen Deutschen Übersetzerfonds geht es ja ums Übersetzen als Kunst.

Wer die Klassiker deutscher Übersetzungskunst kennt Luthers Bibelübersetzung, Voss " Übersetzungen von Homer, die Schlegel-Tieck-Übersetzung Shakespeares, oder etwa heute die Dostojewski-Übersetzungen von Swetlana Geier, der weiß, wovon die Rede ist. Diese und tausende anderer Werke der Weltliteratur sind in unserer Sprache, sind in unserer Kultur meist ausschließlich präsent durch die Formulierungen unserer Übersetzer.

Das erinnert mich immer an die Stimmen der großen internationalen Schauspieler-Stars, deren Synchronsprecherstimme oft über Jahrzehnte in der Wahrnehmung der Zuschauer zu einem Teil ihrer selbst geworden ist.

Zu einem Stipendienfonds für Übersetzer war es ein weiter Weg. Aber vor zehn Jahren war die Zeit reif für die Schaffung einer Struktur, die analog zu den Fonds für Schriftsteller, den Fonds für bildende und Bühnenkünstler Möglichkeiten der Förderung ambitionierter Übersetzungsvorhaben bot. Die kulturpolitische Bedeutung dieses Fonds spiegelt sich auch in der Entwicklung seiner finanziellen Ausstattung, die sich seither jährlich auf rund 400.000 Euro verachtfacht hat, von denen mein Haus über die Kulturstiftung des Bundes 315.000 Euro finanziert.

Der Übersetzerfonds hat sich nie nur als Durchlaufkonto für Fördermittel verstanden. Er hat viel dazu beigetragen, dass das allgemeine Bewusstsein für die Kulturleistung der Übersetzer geschärft worden ist. Bei meinem kürzlichen Besuch in China ist mir einmal mehr bewusst geworden, dass neben einer Sprache, die von über einer Milliarde Menschen als Mutter- oder Amtssprache gesprochen wird, die meisten anderen Sprachen der Welt, auch das Deutsche rein quantitativ gesehen, als kleine oder Randsprachen gelten müssen. Ich möchte den Übersetzerfonds gerade als Kulturpolitiker ermuntern, auch weiterhin dem globalen Trend zu wenigen großen Weltsprachen sein Bemühen um die "kleineren" Sprachen entgegenzusetzen und diese durch gezielte Förderungen zu stärken.

bersetzungen aus solchen Sprachen transportieren viel mehr als nur literarische Inhalte, sie machen uns oft ein genaueres "Bild" von anderen Kulturen als die Bildmedien mit ihrer Überfülle an Bildern.

Meine Damen und Herren,

ich möchte es nicht bei dieser verbalen Würdigung der Arbeit des Deutschen Übersetzerfonds bewenden lassen. Gemeinsam haben wir überlegt, wie wir einen kulturpolitischen Akzent setzen könnten. Der Fonds hatte die Idee einer befristeten Gastprofessur an einer der Berliner Universitäten. Sie wird den Namen eines bedeutenden deutschen Übersetzers und Übersetzungstheoretikers des 19. Jahrhunderts, von August-Wilhelm Schlegel, tragen. Mein Haus wird sie zwei Jahre lang finanzieren.

Nehmen Sie dies, Frau Tietze, als Ermunterung und Ermutigung, auch als Dank für Ihre kulturpolitisch wichtige Arbeit und erinnern Sie sich stets an das Wort eines bedeutenden deutschen Übersetzers, der auch ein bedeutender Dichter war - nämlich Goethe: dass jede Übersetzung unsere Sprache "gewaltig bewegt" und durch die fremde Sprache "erweitert und vertieft".

Unterstützen Sie auch weiter diejenigen, die dieses Abenteuer immer wieder wagen, die Übersetzer also, die uns alle durch die Ergebnisse ihrer Mühen an der und mit der Sprache bereichern.