Redner(in): Angela Merkel
Datum: 05.10.2007

Untertitel: in Pretoria
Anrede: Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Herr Mbeki, sehr geehrter Herr Minister, Herr Motsepe, Herr Schrempp, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/10/2007-10-05-rede-bkin-ergebnisbericht-wirtschaftskonferenz,layoutVariant=Druckansicht.html


wir haben heute ausführliche Gespräche miteinander geführt. Ich möchte mich noch einmal für die Gastfreundschaft bedanken, die wir hier als Delegation und in unseren politischen Gesprächen gespürt haben. Ich glaube, es gibt wirklich eine tiefe freundschaftliche Verbundenheit zwischen Deutschland und Südafrika.

Die Tatsache, dass wir beide, Präsident Mbeki und ich, jetzt hier sind, zeigt natürlich auch, dass wir wissen, dass gute und tiefe Beziehungen zwischen Ländern heute nicht nur auf politischer Kooperation beruhen, sondern sehr viel breiter angelegt sind kulturell, aber auch ganz wesentlich im wirtschaftlichen Bereich. Diesbezüglich fangen wir ja nun wirklich nicht bei Null an.

Die beiden Herren, die neben mir sitzen, sind sozusagen die Aushängeschilder einer tiefen deutsch-afrikanischen Wirtschaftszusammenarbeit, von der wir natürlich wollen, dass sie sich weiterentwickelt. Denn nicht nur Sie wetteifern mit anderen Ländern um Partnerschaften mit Deutschland, sondern auch Deutschland wetteifert mit anderen Ländern um Standorte außerhalb Deutschlands. Dessen sind wir uns bewusst. Wir glauben, wir können etwas in die Waagschale werfen und können auch unseren Beitrag zur Entwicklung Südafrikas leisten. Das Gute ist, dass es in der Tat schon sehr viele erfahrene Unternehmer in Südafrika gibt, die ihren Beitrag leisten wenn wir einmal an die Ausbildungssituation denken, die gerade auch dadurch helfen, die Folgen der Apartheid zu überwinden, und die einfach auch ein großes Know-how hinsichtlich der gemeinsamen Entwicklung und der hiesigen Situation haben.

Ich möchte noch einmal meine Anerkennung für den wirtschaftspolitischen Reformkurs der letzten Jahre aussprechen. Auch Südafrika merkt ja, dass eine offene Wirtschaft und eine offene gesellschaftliche Atmosphäre sehr zur Entwicklung beitragen. Südafrika ist, wenn ich mir das erlauben darf, so etwas wie ein Flaggschiff für die Entwicklung des gesamten Kontinents. Immerhin erfolgen heute 40Prozent der Industrieproduktion Afrikas in Südafrika. Wenn bei Ihnen die Entwicklung anzieht, dann hat das eine unglaubliche Signalwirkung nicht nur auf Ihre eigene Bevölkerung und den Süden Afrikas, sondern natürlich auch auf den gesamten afrikanischen Kontinent.

Wir wollen also durch unsere Anwesenheit hier zeigen: Wir unterstützen die Anstrengungen der Unternehmer. Ich möchte auch Herrn Schrempp noch einmal ganz herzlich für seine SAFRI-Initiative danken. Das Bundeswirtschaftsministerium wird durch den Bundeswirtschaftsminister Ende des Jahres eine Investorenkonferenz für afrikanische Unternehmen in Deutschland durchführen. Wir wollen natürlich, dass Südafrika hierbei an der Spitze mit dabei sein wird.

Sie haben sich interessante Projekte herausgesucht, die Sie miteinander besprochen haben. Das Thema Infrastruktur ist mit Sicherheit ein essenzielles Thema zur Lösung der Frage, ob sich das ganze Land gleichermaßen entwickeln kann. Dazu gehören Straßen, aber natürlich auch Wasser- und Abwasserprojekte.

Sie haben sich das Thema Energie vorgenommen. Das Thema Energie ist von allergrößter Bedeutung nicht nur wegen der Klimaherausforderung, sondern natürlich auch wegen der Frage, ob das Wirtschaftswachstum sozusagen von einer kontinuierlichen Energieversorgung begleitet werden kann. Das ist ja keine ganz triviale Sache. Die Menschen haben, wenn sie etwas größeren Wohlstand erreicht haben, die Tendenz, dann auch mehr Energie zu verbrauchen. Das heißt, wenn man gedacht hat, dass man es geschafft hat, das Land zu versorgen, dann entstehen plötzlich wieder neue Probleme. Sie haben die Möglichkeit, die Weichen noch richtig und auch interessant zu stellen. Deshalb, Herr Minister, war es sehr gut, dass Sie sich auch den Bildungsaspekt vorgenommen haben, um den Menschen beizubringen, wie man Energie effizient verbrauchen kann.

Sie werden sicherlich mit der Frage konfrontiert werden, wie hoch der Preis für Energie sein soll. Es gibt auf der einen Seite den Effekt, dass, je höher die Subventionen sind, umso mehr Energie verbraucht wird. Wenn ein Land sehr viele ärmere Menschen hat, dann kann man aber auf der anderen Seite den Preis für Energie, die zu den Basisnotwendigkeiten gehört, auch nicht beliebig steigen lassen. Sie haben diesbezüglich auch sehr interessante Modelle. Wir beide haben gestern Abend mit der stellvertretenden Außenministerin darüber gesprochen, wie man sozusagen einen Grundbedarf abdecken kann, aber höheren Verbrauch dann auch real verteuern muss, damit die Menschen selbst darüber nachdenken, wie sie Energie sparen können.

Wir haben in unserer Wirtschaftsdelegation auch Vertreter der erneuerbaren Energien. Das führt mich zu dem Thema, das wir heute auch schon politisch diskutiert haben, nämlich dass Südafrika im Jahr 2010 im Rampenlicht stehen wird. Wir haben hier heute mit Herrn Bierhoff den Teammanager unserer Nationalmannschaft mit dabei, der einfach dafür eintritt, dass Fußball schöner Fußball ist das ist klar, aber auch dafür, dass Fußball weit über den Fußballsport hinaus Menschen begeistern kann. Das "Public Viewing" hat in Deutschland die Begeisterung für den Fußball wirklich vergrößert. Deshalb ist es, glaube ich, gut, wenn "Public Viewing" auf der Basis von Solarenergie weit über die südafrikanischen Grenzen hinaus angeboten wird. So, wie ich die Menschen in Südafrika kenne, sind sie mindestens so begeisterungsfähig wie die Deutschen. Deshalb werden sie sicherlich sehr viel Freude an der Fußballweltmeisterschaft haben.

Das Thema Auto ist sozusagen so etwas wie das Fundament der Kooperation. Deshalb sind wir natürlich immer sehr gespannt auf Entwicklungen in diesem Bereich. Politik stellt Weichen. Wir haben beim Mittagessen über die Einfuhrzölle gesprochen. Das ist ein Punkt, der natürlich bei den WTO-Verhandlungen eine Rolle spielen wird, auch hinsichtlich der Frage, ob es faire Bedingungen für den Standort Südafrika gibt. Allerdings ist auch der Druck vorhanden, Industriezölle zu senken. Dabei muss man also eine faire Balance finden.

Wir wissen alle, dass das Automobil auch eine hohe Begeisterungskraft besitzt. Herr Schrempp, dass der Kfz-Verkehr nicht 100Prozent der CO2 -Emissionen ausmacht, ist selbst in Deutschland bekannt; da brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Aber dass Sie nur Autos produzieren, die gar kein CO2 -Problem verursachen, ist mir auch noch nicht zu Ohren gekommen. Die Wahrheit liegt also irgendwo in der Mitte. Wir wissen, dass die Automobilindustrie sowohl für Deutschland als auch für Südafrika ein ganz wichtiger Arbeitgeber ist, Menschen Hoffnung gibt und sehr bedeutsam für die wirtschaftliche Entwicklung ist.

Ich glaube, dass Südafrika natürlich trotzdem die Möglichkeit nutzen sollte, weil es ein so hoch entwickeltes Land auf dem afrikanischen Kontinent ist, seine Wirtschaft möglichst breit angefangen bei der Medizintechnik über die Energietechnik bis hin zu vielen anderen Bereichen zu entwickeln. Das Potenzial ist mit Sicherheit nicht ausgeschöpft. Wir haben Vertreter der Banken hier, die immer wieder auf Mittelstandsfinanzierung ausgerichtet sind. Wir haben in Deutschland mit dem Mittelstand wirklich gute Erfahrungen gemacht. Er ist stabil, er ist heimatverbunden. Insofern sind wir der Meinung, dass hierbei sicherlich noch sehr viel mehr gemacht werden kann.

Je enger unsere politischen Beziehungen sind, umso offener können wir auch darüber sprechen, wenn es einmal Unzulänglichkeiten oder Fehler hinsichtlich der Rahmenbedingungen gibt. Das können wir zwischen unseren Ländern sehr offen ansprechen. Ich möchte nur noch einmal ganz deutlich machen: Wir damit meine ich Wirtschaft, Politik, Vertreter des Deutschen Bundestages, die unter uns weilen, und alle anderen wollen, dass sich der afrikanische Kontinent gut entwickelt. Das ist zu unser aller Vorteil. Wir wollen insbesondere, dass sich Südafrika gut entwickelt.

Sie haben ein schweres Erbe angetreten. Es ist nicht einfach, nach vielen Jahren der Abhängigkeit eine breite Gruppe der Bevölkerung zu Kreativität, Selbständigkeit und Eigenengagement zu ermuntern. Das im Auge habend sagen wir Unterstützung zu, zum Beispielauch im Ausbildungsbereich, um möglichst vielen Menschen eine Chance zu geben, Freude an einer demokratischen und offenen Entwicklung zu haben. Insofern wird dies hoffentlich nicht das letzte Zusammentreffen einer solchen Art sein.

Ich bedanke mich auch bei den Vertretern von allen Seiten der Wirtschaft dafür, dass sie sich die Zeit genommen haben. Zeit wird immer mehr zum kostbarsten Gut in der globalisierten Welt. Wir sind vom Fußball über die Automobilindustrie, von der Solarzelle bis zur Medizintechnik bereit, ganz eng mit Ihnen zusammenzuarbeiten und unsere Beziehungen dadurch zu kräftigen.