Redner(in): Angela Merkel
Datum: 16.11.2007
Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Professor Burda, sehr geehrter Herr Fürstner, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2007/11/2007-11-16-zeitschriftentage,layoutVariant=Druckansicht.html
ich bin sehr gern heute wieder einmal zu Ihnen gekommen. Ich erinnere mich noch an meine kurze Anwesenheit bei der "Publishers" Night "im vergangenen Jahr, als Franz Beckenbauer mit der" Goldenen Victoria " ausgezeichnet wurde. Ich finde, Sie haben mit Ihren beiden in diesem Jahr Prämierten wieder eine gute Wahl getroffen.
Ich will jetzt nicht auf die Geschichte der Entwicklung der RAG hin zu einem neuen Unternehmen eingehen. Dieser Weg hat uns viel Kraft und Zeit gekostet. Er war aber eine der dann zum Schluss fast unbemerkten Weichenstellungen, weil nämlich die Große Koalition den Ausstieg oder zumindest ein Szenario für den Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau, das ein über Jahrzehnte diskutiertes Thema war, jetzt auf einen Weg gebracht hat, der sowohl Verlässlichkeit für die Betroffenen als auch eine Akzeptanz der Situation garantiert.
Zum zweiten Prämierten: Helmut Kohl. Die Tatsache, dass ich hier stehe, hat ja etwas mit seiner politischen Weitsicht zu tun. Ja, wenn die Sache mit der Deutschen Einheit schief gegangen wäre, wäre manches anders gekommen. Dass Deutschland die Einbindung in die NATO in Freundschaft zu den Amerikanern und zur damaligen Sowjetunion geschafft hat, ist schon eine gewaltige historische Leistung.
Ich möchte aber auch Ihnen hier ein Kompliment machen, denn durch Ihre Arbeit zeichnen Sie sich ja quasi immer wieder selbst aus. Herr Professor Burda hat eben über die neuen Marktbedingungen gesprochen. Sie müssen sich ja in einem schwierigen Umfeld positionieren. Herr Burda hat immer wieder darauf hingewiesen, dass wir uns im Grunde in einer Zeit befinden, die eigentlich wie die Erfindung der Buchdruckerkunst eine qualitative Veränderung darstellt. In solchen Zeiten das ist ähnlich wie bei der Gestaltung der Deutschen Einheit und am Ende des Kalten Krieges sieht man oft das andere Ufer noch nicht.
Ich will einmal zur Milderung der harten Diskussionen, die im Augenblick zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und auch Ihrem Verband stattfinden berechtigterweise stattfinden, sagen: Im Grunde sehen ja alle Medienanbieter das neue Ufer noch nicht richtig. Wir erleben Streitigkeiten um Richtlinien in Brüssel und um presserechtliche Rahmenbedingungen bei uns. Insofern ist das schon ein sehr spannendes Umfeld, zu dem ich als erstes sagen will: Auch in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung sind Zeitschriften aus der Medienlandschaft nicht wegzudenken und werden es auch künftig nicht sein. Viele Millionen Menschen in Deutschland halten sie mit Recht für unverzichtbar.
Das erfordert allerdings, dass wir die kulturellen Fähigkeiten des Lesens und des Konzentrierens auf ein Blatt Papier erhalten. Ich erlebe inzwischen selbst in der Politik, dass, wenn wir unseren Mitgliedern schreiben, das Erfassen neuer Gedankengänge über die schriftliche Austauschform unglaublich schwierig geworden ist. Deshalb muss man hier, angefangen bei der schulischen Bildung, wirklich um die Erhaltung dessen, was Gutenberg möglich gemacht hat, ringen, weil ich glaube, dass eine digitale Medienlandschaft, die darauf aufbaut, ein Zugewinn für die Gesellschaft zu sein, die aber sozusagen des Lesens Unkundige als Kunden hat, auch einen Verlust an Qualität, an kultureller Qualität unserer Gesellschaft bedeuten kann.
Dennoch müssen Sie sich wegen der Omnipräsenz der digitalen Medien natürlich auch in Ihren Zeitschriften umstellen, müssen sehr viel mehr Flexibilität, Kreativität, Ideenreichtum einbringen. Sie haben zum Teil ein Zeitproblem; das merkt man immer wieder. Insofern sind Onlineangebote zu bestimmten Zeitschriften und Zeitungen heute auch vollkommen alternativlos. Ich gehöre mit Sicherheit zu einer Generation, die sich ein Leben ohne Zeitungen und Zeitschriften nicht vorstellen kann. Aber wir wollen auch, dass die kommenden Generationen genauso ausgebildet sind.
Printmedien sind auch so etwas wie Schrittmacher für Meinungsbildung, weil fundierte Meinungsbildung natürlich auch eine Voraussetzung für eine demokratische Streitkultur ist. Insofern sind wir in hohem Maße auch vonseiten der Politik daran interessiert, dass die Debattenkultur unseres Landes nicht verarmt, verkümmert, nur noch schlaglichtartig stattfindet, sondern dass sich die Komplexität der Welt auch in einer qualitativ vernünftigen Meinungsauseinandersetzung widerspiegelt. Und auch dort haben Zeitschriften ihren ganz wesentlichen Platz.
Meinungs- und Pressefreiheit als Grundvoraussetzungen für ein demokratisches Gemeinwesen Sie haben eben Herrn Florida zitiert. Ich denke, seine Drei-T-Theorie Talente, Technologien und Toleranz spiegelt sehr gut wider, was der grundsätzliche Vorteil unserer westlichen demokratischen Gesellschaften in großen Auseinandersetzungen sein kann. Ich habe während unserer EU-Ratspräsidentschaft immer wieder darauf hingewiesen: Wir dürfen nicht vergessen, dass Europa ein Kontinent ist, der nicht perse der dynamischste, jüngste, visionärste und der am meisten nach vorn weisende ist, sondern wir müssen unsere Stellung verteidigen und immer wieder neu zurückerobern.
Wir sind fast 500Millionen Menschen in der Europäischen Union. Wir sind in wenigen JahrenneunMilliarden Menschen auf der Welt. Das heißt, im Durchschnitt muss ein Europäer noch 17 andere von uns und unseren Ideen überzeugen, bevor wir die Welt überzeugt haben. Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren es drei andere; da war jeder vierte Mensch auf der Welt Europäer. Heute ist nur noch jeder 12. bis 14. Mensch Europäer. Deshalb steht auch in unserem Verständnis von Meinungs- und Pressefreiheit viel auf dem Spiel in der Frage, wie sich unsere Gesellschaft in einer zusammenwachsenden Welt behaupten können wird.
Angesichts der großen gesellschaftlichen Bedeutung ist also immer wieder zu hinterfragen: Wie können wir junge Menschen für die Printmedien gewinnen? Es gibt viele Initiativen für die ich auch ganz herzlich danke, um Schülerinnen und Schülern unterschiedlichen Alters den Zugang zu Zeitschriften und Zeitungen zu erleichtern. Das "Nationale Netzwerk Zeitungen und Zeitschriften in der Demokratie", das Kulturstaatsminister Neumann ins Leben gerufen hat, ist eine solche Initiative. Wir wollen also Lese- und Medienkompetenz fördern und die verschiedenen Projekte gemeinsam mit der Verlagsbranche, den Journalistengewerkschaften und den Pressegrossisten in einem Netzwerk bündeln. Ich denke, das ist eine gute gemeinsame Aktion.
Printmedien können ihrer Aufgabe natürlich nur gerecht werden, wenn auch die Vertriebsstrukturen passen. Hierbei ist das Grosso-System mit einem Marktanteil von 50Prozent von entscheidender Bedeutung. Ich glaube, darüber sind wir uns einig. Ich glaube, es hat sich bezahlt gemacht, dass das Grosso-Vertriebssystem erhalten wurde, dass sich der VDZ, der BDZV und der Bundesverband Presse-Grosso im Jahre 2004 darauf verständigt haben. Das ist eine zukunftsfähige Struktur.
Nun tritt Herr Burda hat vom Breitband und den neuen technischen Möglichkeiten gesprochen natürlich die Konkurrenzsituation hinzu, die einfach daraus erwächst, dass früher die einen im Bereich der gedruckten Medien, die anderen im Fernsehbereich und damit ziemlich weit auseinander waren, während sie sich jetzt in überlappenden Bereichen treffen, weshalb sich in dieser früheren Vakuumszone die neuen Kämpfe abspielen. Das ist nicht verwunderlich, denn Mediensektor und Telekommunikationsbranche werden zusammenwachsen. Es ist noch nicht so ganz ausgemacht, wer eigentlich der Gewinner ist. Insofern haben wir eine ziemlich schwierige Situation. Wir haben manchmal schon über die Rolle des Computers und des klassischen Fernsehers philosophiert und wer das Rennen machen wird.
Die Aufgabe der Politik ist es, dass Anbieter nicht diskriminiert werden, das heißt in diesem Zusammenhang: Die Verlage. Denn wir müssen dafür Sorge tragen, dass inhaltlich vernünftige Produkte einen sicheren Platz in der neuen Struktur haben. Wir müssen uns diese neue Wettbewerbssituation natürlich genau anschauen. Ich habe mich ja zu den Zeitungen und Zeitschriften bekannt.
Für die Medien soll weiterhin der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von siebenProzent gelten. Daran halten wir auch gegenüber der Europäischen Union fest. Darauf können Sie sich verlassen. Damit sind Sie im Vergleich zum europäischen Ausland noch nicht die am besten Gestellten, aber immerhin. Wir müssen noch einmal überprüfen, wie die elektronische Presse da nähern wir uns schon den verschwommenen Bereichen behandelt wird, denn auch hier könnte man natürlich darüber nachdenken, ob der ermäßigte Steuersatz auch auf diesen Bereich ausgeweitet werden soll.
Nun hört man von Diskussionen und Debatten zum Teil auch strittigen Debatten mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die EU-Kommission hat entschieden, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland seinen Auftrag grundsätzlich auf allen Übertragungswegen durchsetzen kann, also auch im Internet. Diese Entscheidung respektieren wir. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil zur GEZ-Gebühr im September die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von staatlicher Einflussnahme noch einmal klar unterstrichen. Diese Unabhängigkeit umfasst nicht nur Programmfragen, sondern auch ökonomische Fragen. Damit sind auch die Handlungsspielräume des Staates etwas eingeschränkt. Aber das kann nicht heißen ich will das ganz deutlich sagen, dass dem Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten keine Grenzen gesetzt wären. Sie müssen definiert werden das ist vollkommen klar wenngleich sich über die Details natürlich sehr gut streiten lässt.
Nun will ich auf einen Punkt hinweisen, der manchmal vielleicht etwas in Vergessenheit gerät. Der Grundversorgungsauftrag ist ja ein Auftrag, der nur dann Gültigkeit hat so wie ich es jedenfalls verstehe, wenn auch ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung erreicht wird. Das betrifft also keinen Spartenkanal für Dauernachrichtensendungen, an denen dreiProzent der Bevölkerung interessiert sind. Auch das würde den Grundversorgungsauftrag unterminieren.
Wenn Sie sich einmal kurz in die Lage versetzten, Intendant bei ARD oder ZDF zu sein, denn hätten Sie natürlich auch mit einem Publikum zu kämpfen, das seine Interessen verändert. Man sagt zwar, es darf im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht einfach nach Quote gehen, man muss jedoch auf der anderen Seite sehen: Wenn nicht mehr ein bestimmter, repräsentativer Teil der Bevölkerung erreicht wird, wird dieser Grundversorgungsauftrag von einer anderen Ecke infrage gestellt, genauso, wie er infrage gestellt werden kann, wenn man alles oder nichts macht, wie das sonst auf dem privaten Markt erwirtschaftet werden muss. Insofern sähe ich das mit dem Rouladenrezept nicht ganz so kritisch.
Ich finde, man hat Anspruch auf pünktliche Nachrichtensendungen in der öffentlich-rechtlichen Grundversorgung. Darüber diskutiere ich mit den Herrschaften, aber das ist auch nicht der Punkt. Der Punkt sind eigentlich die ausufernden Internetkonzeptionen. Dort, wo sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen sehr intensiv um die Qualität der deutschen Zeitungslandschaft sorgt, würde ich sagen, ist das zwar eine karitativ interessante Botschaft, jedoch fehlt mir der Glaube, dass dies das einzige ist, was sie treibt. Insofern müssen wir an der Stelle ein bisschen gucken. Auch Kontaktbörsen oder nicht programmbezogene Chats sind von der öffentlich-rechtlichen Grundversorgung weit entfernt.
Ich glaube, dass wir jetzt einen Ansatzpunkt haben, nämlich die Ankündigung von ARD und ZDF, dass sie die neuen digitalen Angebote schon vor der Umsetzung ihrer gesamten Strukturentscheidungen in einer Art Probelauf dem neuen dreistufigen Prüfverfahren unterziehen wollen. Hier müssen wir ansetzen, ehe man sich jetzt in wilde Schlachten begibt, und schauen, wie wir dort zurande kommen. Ich glaube jedenfalls auch, dass die Grenzen klarer definiert werden müssen, wo der Einflussbereich der Öffentlich-Rechtlichen endet. Auch die haben es mit einer veränderten Situation in der heutigen digitalen Welt zu tun.
Wir stehen auch vor dem Thema europäische Medienlandschaft und ein rechtlicher Rahmen hierfür, obgleich sich kultur- und medienpolitische Interessen Deutschlands oft auch anders darstellen als die anderer Länder. Die erste Frage ist: Was muss europäisch geregelt werden? Wo müssen wir unsere nationalen Entscheidungsfindungen behalten können? Hier tendieren wir in Deutschland das tut die Bundesregierung auch dazu, zu sagen: Es muss nur das nach Brüssel, was wirklich nach Brüssel muss. Die krakenartige Inanspruchnahme aller Regelungen unter Aushöhlung des gesamten deutschen Presserechts ist nicht das, was die Bundesregierung vertritt.
Dann müssen wir allerdings auch gucken, wie wir internationale Maßstäbe setzen. Das heißt, wir befinden uns in einem permanenten Spannungsverhältnis zwischen Presse- und Meinungsfreiheit und allgemeingültigen kulturellen Werten. Wir haben während unserer Präsidentschaft, glaube ich, einige gute Schritte, beispielsweise die Revision der Fernsehrichtlinie, getan. Es ist gelungen, für alle audiovisuellen Mediendienste die größtmögliche Meinungs- und Informationsvielfalt zu erhalten. Wir konnten im Jugendschutz eine ganze Menge erreichen. Wir haben uns im Telekommunikationssektor immer wieder dafür eingesetzt, dass die Balance zwischen Medienvielfalt und marktwirtschaftlichem Interesse auch im europäischen Rahmen gewahrt bleibt.
Wir müssen auch zu Hause noch unsere Hausaufgaben machen. Das Thema Kartellrecht ist nach wie vor nicht befriedigend geregelt; das muss ich ganz deutlich sagen. Wir müssen uns auch noch einmal Gedanken darüber machen, inwieweit wir eigentlich den Erwerb von großen Medienunternehmen durch ausländische Anbieter völlig unbeschadet erlauben wollen oder ob wir hier ähnlich wie die AmerikanerRestriktionen auferlegen sollten. Die Diskussionen werden wir mit Ihnen auch noch einmal führen.
Wir haben seitens der Bundesregierung den von den Ministerpräsidenten der Länder in diesem Frühjahr gefassten Beschluss unterstützt, die EU-Kommission aufzufordern, bei der Fortentwicklung der europäischen Telekommunikationsrichtlinien auch künftig der Medien- und Informationsfreiheit angemessen Rechnung zu tragen. Ich denke, europäisches Telekommunikationsrecht darf nationalen Vorkehrungen zur Sicherung der Pluralität nicht widersprechen. Das heißt auch, dass die Refinanzierungsmöglichkeiten der Printmedien nicht durch europäische Regelungen beeinträchtigt werden dürfen.
Wir haben also vieles zu regeln. Wir wachen mit Argusaugen darüber, dass sich Initiativen für neue Regelungen der Europäischen Union nicht nachteilig auf unsere Presselandschaft auswirken. Ich denke, da werden wir auch in engster Zusammenarbeit weiterkommen. Die Europäische Union das muss man auch immer wieder sagen, denn über die Zuständigkeit für die Koordinierung versucht Europa natürlich auch immer wieder, sich neue Bereiche zu erobern hat keine Kompetenz, in das nationale Presserecht einzugreifen. Deshalb werden wir an dieser Stelle auch alle derartigen Versuche zurückweisen.
Meine Damen und Herren,
die technischen Fragen beschäftigen die Medienmacher wegen der neuen technischen Möglichkeiten heute sehr. Das ist richtig so und das verstehen wir. Aber wir müssen uns halt auch mit dem kulturellen und qualitativen Niveau befassen. Deshalb möchte ich deutlich machen, dass wir sehr dankbar dafür sind, dass Sie sich der Tatsache, dass ein Fünftel der Bevölkerung inzwischen einen Migrationshintergrund hat, sehr offensiv stellen. Wir haben durch die Diskussion über den "Nationalen Integrationsplan" ein Stück neuen Selbstverständnisses gewonnen, der Gesellschaft der schon lange hier Lebenden zu sagen: Auch Ihr müsst offen sein, Ihr müsst die Menschen mit Migrationshintergrund annehmen. Auf der anderen Seite müssen auch an die Migranten bestimmte Anforderungen gestellt werden, insbesondere, was die Sprachkenntnisse angeht. Denn der Zugang zum Beispiel zu deutschen Zeitschriften hängt von der Sprachkompetenz ganz entscheidend ab. Deshalb danke ich dafür, dass Sie Integrationsaspekte, auch Aspekte der kulturellen Vielfalt stärker berücksichtigen. Man macht ja gerade auch im Zusammenhang mit dieser Integrationsdiskussion sehr, sehr viele interessante Erfahrungen.
Wenn man sich einmal in die Situation von Mitbürgern ausländischer Herkunft versetzt, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, aber einfach auch durch ihr Aussehen repräsentieren, dass sie aus anderen Ländern kommen, und feststellt, welche Rollen solche Menschen zum Beispiel als Schauspieler oder als Moderatoren in unseren Fernsehangeboten spielen wenn beispielsweise ein Farbiger sagt: Ich würde auch gern einmal eine Bürgermeisterrolle spielen; ich bin schon zwanzig Jahre deutscher Staatsbürger, kriege aber immer nur den Kriminalfall angehängt und noch nicht einmal dessen Aufklärung dann verspürt man, wie das Lebensgefühl aus der Sicht von Migranten ist. Deshalb, glaube ich, haben hier die Medien eine sehr, sehr entscheidende Aufgabe.
Meine Damen und Herren,
wir wissen, auch Ihre Branche kann sich nur gut entwickeln, wenn auf der einen Seite das spezifische Regelwerk stimmt und auf der anderen Seite auch die Gesamtrahmenbedingungen stimmen. Was die mediale Vielfalt angeht, muss der Konsument auch die Möglichkeiten haben, sich daran zu beteiligen. Das heißt, er muss über eine vernünftige Kaufkraft verfügen. Dies ist die Hauptdiskussion, die wir in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder zu führen haben. Diese Bundesregierung hat durch Reformen in der vergangenen Legislaturperiode viel erreicht. Ich will zum Abschluss nur noch einmal sagen, dass ich zutiefst davon überzeugt bin, dass damit aber nicht das Ende der Reformgeschichte gekommen ist. So, wie sich bei Ihnen die Medien weiterentwickeln, entwickelt sich die Welt weiter.
Ich habe neulich an einer Preisverleihung teilgenommen, auf der es um soziale Projekte ging. Dort wurde ein Film über ein Call-Center gezeigt, von dem aus junge Ausländer, die sich kein Handy leisten können, nach Hause telefonieren. Ein junger Mann aus Eritrea hat mit seiner Mutter telefoniert, ihr geschildert, welche Kälte hier im Herbst herrscht, und erzählt: Wenn du hierher kommen würdest hier gibt es so viele ältere Menschen; du bräuchtest dich bloß auf eine Bank setzen und gleich würde sich ein Älterer zu dir setzen. Das war für mich sozusagen der personifizierte Ausdruck dessen, was wir haben: Auf der einen Seite nämlich Länder in Afrika, in Asien, in denen 50Prozent der Menschen unter 20Jahre alt sind, und auf der anderen Seite wir, die wir einen ganz anderen Altersaufbau haben.
Wenn wir es nicht schaffen, uns darauf vorzubereiten, wenn wir es nicht schaffen, uns durch lebenslanges Lernen Dynamik zu erhalten, durch lebenslangen Zugang zu Neuheiten, durch ein klares Bekenntnis zu Wissenschaft und Technologie, wie es diese Bundesregierung mit dem Ziel abgibt, dass Staat und Wirtschaft drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung investieren, wenn wir es nicht schaffen, Menschen dafür zu begeistern, Ingenieurberufe, technische Berufe zu ergreifen, werden neue Entwicklungen an uns vorbeigehen. Dann kommt der Punkt, an dem selbst Sie keine Leute mehr haben, die Ihnen Ihre Systeme administrieren, mit denen Sie Ihre digitalen Angebote neben der Zeitung machen.
Also, wir sind auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, den Reformweg weiter zu beschreiten, damit die Menschen Arbeitsplätze haben und damit wir mit dem weltweiten Tempo der Entwicklung Schritt halten. Dafür werde ich mich einsetzen. Ich weiß, dass ich in Ihnen Verbündete habe. Herzlichen Dank und alles Gute für Ihre Arbeit.