Redner(in): Angela Merkel
Datum: 18.02.2008

Untertitel: in Berlin
Anrede: Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/02/2008-02-18-rede-merkel-empfang-diplomatisches-corps,layoutVariant=Druckansicht.html


ich freue mich, Sie im Namen der gesamten Bundesregierung zum dritten Mal begrüßen zu dürfen, und heiße Sie im Bundeskanzleramt herzlich willkommen. Nachdem wir uns einzeln begrüßt haben, habe ich nun die Möglichkeit, einige Worte an Sie zu richten. Zunächst möchte ich Ihnen danken für Ihre Arbeit, für Ihr Wirken in Berlin oder anderswo in der Bundesrepublik Deutschland.

In Ihrer Funktion als Mittler und als Brückenbauer zwischen unseren Ländern prägen Sie die Beziehungen Deutschlands zu Ihren Heimatländern. Sie informieren zu Hause über das, was in Deutschland vor sich geht. Durch Ihre Arbeit bringen Sie aber auch die Länder, die Sie repräsentieren, näher nicht nur zu den Politikern in Deutschland, sondern in vielfältigem Wirken auch insgesamt zu den Menschen in Deutschland. Dabei verfügen Sie natürlich über das, was man von Diplomaten erwartet, nämlich über Professionalität, aber oft auch über etwas, was nicht zu bestellen ist, nämlich über ein großes Maß an Leidenschaft, bei Ihrer Arbeit über Ihre Länder zu berichten und sie uns vertrauter zu machen.

Sie wissen, dass das vergangene Jahr für die Bundesrepublik Deutschland ein recht erfolgreiches Jahr war. Wir haben rund 600.000 Arbeitslose weniger zu verzeichnen. Die Frage der Arbeitslosigkeit ist ein Thema, das die Menschen immer am meisten bewegt. In Deutschland gibt es wieder mehr Erwerbstätige. Die Zahl von 40Millionen Erwerbstätigen bei 80Millionen Einwohnern wurde überschritten.

Gesamtstaatlich gesehen hat die Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahr 1989 zum ersten Mal wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorzuweisen. Das ist für uns eine wichtige Wegmarke, weil wir wissen, dass angesichts der demografischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, das Leben mit Schulden eine schwere Bürde für die nachfolgenden Generationen ist.

Wir werden den eingeschlagenen Kurs des Reformierens, des Sanierens und des Investierens fortsetzen. Dabei wollen wir vor allen Dingen die Wachstumskräfte in unserem Land nachhaltig stärken. Das heißt, dass wir nicht nur im Finanzbereich, sondern auch zum Beispiel mit Blick auf den Klimaschutz sehr zukunftsorientiert vorgehen. Zudem wollen wir die Lohnzusatzkosten, also die Ausgaben für die sozialen Sicherungssysteme, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu bezahlen sind, in den Bereichen senken, in denen dies möglich ist.

Wir wollen in die Zukunft investieren, das heißt, in Infrastruktur, aber auch insbesondere in Forschung und Entwicklung. Wir wissen, dass Deutschland viele Jahre lang bei der Entwicklung neuer Produkte erfolgreich und kreativ war. Das Tüfteln unserer Ingenieure war immer das Markenzeichen von Deutschland. Wir wollen, dass das so bleibt. Wir wissen, dass viele Länder auf der Welt natürlich auch ihre Chancen suchen und dass wir uns deshalb anstrengen müssen.

Wir leben alle gemeinsam in einer Welt, die nicht nur harmonische Entwicklungen kennt, sondern auch eine Reihe von Turbulenzen. Die Rohstoffpreise steigen. Ferner gibt es Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die uns natürlich Sorgen machen. Wir spüren, dass sich in einer Zeit der Globalisierung kein Land und kein Kontinent von diesen Entwicklungen fernhalten kann. Vielmehr nimmt die Vernetzung unserer Länder zu und damit auch die Verantwortung jedes einzelnen für die Probleme des anderen.

Wir wollen einen fairen und offenen Welthandel, weil wir der Auffassung sind, dass der Austausch von Waren die Voraussetzung dafür ist, dass sich der Wohlstand in allen Ländern entwickeln kann. Ich sage freimütig, dass dies für ein Land wie Deutschland nicht immer einfach ist. Wenn es zum Beispiel um unsere Landwirtschaft bezogen auf die gesamte Europäische Union geht, dann haben auch wir Besitzstände zu verlieren. Das heißt, jeder muss ein Stück weit über seinen Schatten springen, wenn wir gemeinsam Erfolg haben wollen.

Wir wollen den Erfolg der Doha-Runde. Wir wissen aber, dass sich das Zeitfenster schließt. Deshalb ist es wichtig, dass wir an dieser Stelle und an vielen anderen Stellen ein Bekenntnis zur politischen Gestaltung der Globalisierung abgeben. Ein großes Problem zumindest in den entwickelten Industrieländern, aber auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern ist, dass viele Menschen nicht den Eindruck haben, dass Politik wirklich gestalten und dass Politik Rahmenbedingungen setzen kann. Daher sind internationale Abkommen von so großer Wichtigkeit.

Wir haben versucht, dies im Rahmen unserer Arbeit im vergangen Jahr deutlich zu machen, zum einen bei der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, zum anderen vor allem bei unserer G8 -Präsidentschaft. Wir haben unsere Präsidentschaft unter die Überschrift "Wachstum und Verantwortung" gestellt. Damit haben wir die Aufgabe, der wir uns stellen müssen, deutlich gemacht.

Wir wissen, dass es heute nicht mehr allein auf die G8 -Staaten ankommt, wenn es um die Frage einer globalen menschlichen Ordnung geht, sondern dass die Schwellenländer mit einbezogen werden müssen. Deshalb haben wir einen Prozess begonnen, wobei wir hoffen, dass die japanische Präsidentschaft ihn fortsetzen wird, nämlich den so genannten Heiligendamm-Prozess.

Das bedeutet nichts anderes, als dass wir möchten, dass sich nicht nur einmal im Jahr die Staats- und Regierungschefs der G8 -Länder und der großen Schwellenländer also China, Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika treffen, sondern dass wir eine kontinuierliche Zusammenarbeit entwickeln. Wir sind der OECD sehr dankbar, dass dies auf der Plattform der OECD geschehen kann. Ich setze große Hoffnungen und Erwartungen in diesen Prozess, weil er die Möglichkeit bietet, im Laufe der Jahre eine immer engere Verzahnung von G8 -Ländern und Schwellenländern mit sich zu bringen und damit eine gemeinsame Verantwortung für die Welt zu entwickeln.

Meine Damen und Herren,

mit ihrer Außen- , Europa- und Entwicklungspolitik hat die Bundesregierung meines Erachtens ernsthaft versucht, einen Beitrag für Frieden, für Freiheit sowie für Wohlstand und Stabilität in der Welt zu leisten. Unsere Politik baut auf bestimmten Wertvorstellungen auf. Wir sind der Meinung, dass wir alle miteinander unsere Interessen nur dann vertreten können, wenn wir auf die Achtung der Würde und die Einhaltung der unveräußerlichen Rechte des einzelnen Menschen bestehen, wie es in der Präambel des Statuts der Vereinten Nationen verankert ist. Wertgebundenheit ist das Fundament, auf dem Politik glaubwürdig werden kann. Natürlich wird jeder seine eigenen Interessen vertreten. Die Vertretung eigener Interessen hat aber ihre Grenzen, wenn sie die Würde des anderen beschädigt.

Ich glaube, die Herausforderungen, vor denen wir alle stehen, sind vergleichbar, wenn es um Herausforderungen des Terrorismus, der Gefahren, die sich aus der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen ergeben, und Herausforderungen des Handels geht, der fair und frei sein muss. Wir streben wirtschaftliches Wachstum an. Wir müssen uns um die Zukunft unseres Planeten kümmern. Hierzu gehört vor allen Dingen der Klimaschutz, genauso auch die Schonung von Ressourcen, die Sicherung der Energieversorgung, die Voraussetzung dafür ist, dass Wachstum möglich ist, nicht zuletzt auch die Bekämpfung von Armut und Hunger sowie die Entwicklung des Bildungs- und Gesundheitswesens in unseren Ländern, denn Bildung ist der Schlüssel zum Wohlstand. Wenn wir keine Garantie und Sicherheit für Gesundheit haben, dann sind die elementaren Lebensvoraussetzungen natürlich nicht erfüllt.

Das alles ist leicht gesagt, aber unendlich schwer in die Praxis umgesetzt. Ich bin der Überzeugung, dass für die Gestaltung der Globalisierung die Vereinten Nationen und die angegliederten Organisationen das beste Forum und der beste Rahmen sind. Wir alle wissen, dass sich die Vereinten Nationen natürlich an die neuen Entwicklungen und die neuen Kräfteverhältnisse in der Welt anpassen müssen. Deshalb bleibt für die Bundesrepublik Deutschland die Reform der Vereinten Nationen eine der ganz großen Aufgaben in den nächsten Jahren.

Jeder, der sich damit befasst, weiß, dass das Ganze schon sehr lange dauert. Ich sage aber auch, dass die Zeit drängt. Denn wer, wenn nicht die Vereinten Nationen, ist legitimiert, in Krisensituationen der Welt ein deutliches Wort zu sprechen? Daher wird Deutschland alles daransetzen, die Reform der Vereinten Nationen voranzutreiben.

Partnerschaftlichkeit ist der wesentliche Erfolgsfaktor für die internationale Zusammenarbeit. Nicht alle können mit allen immer in gleichem Maße zusammenarbeiten. Wir wissen aber, dass Partnerschaft insbesondere für die moderne Sicherheitspolitik von entscheidender Bedeutung ist. Für uns ist und bleibt die transatlantische Werte- und Verteidigungsgemeinschaft mit einer starken Nato weiterhin ein Fundament der deutschen Außenpolitik. Sie ist Garant unserer Sicherheit in Deutschland und in Europa.

Wir werden uns in diesem Jahr in Deutschland daran erinnern, dass vor 60Jahren eine Luftbrücke nach Berlin aufgebaut wurde. Das war damals eine sehr kritische Situation für Berlin. Die Stadt musste versorgt werden. Für die Hilfe in dieser Zeit sind wir natürlich den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch Frankreich und Großbritannien in ganz besonderer Weise dankbar. Ich glaube, dass diese Luftbrücke über Jahrzehnte hinweg eine starke emotionale Bindung der Berlinerinnen und Berliner an die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich gebracht hat.

In diesem Jahr wird Anfang April ein Nato-Gipfel in Bukarest stattfinden. Schon der Veranstaltungsort zeigt, wie sich unsere Welt verändert hat und wie viele neue Mitglieder im militärischen Bündnis der Nato mitmachen. Wir werden, nicht als Gegensatz, sondern als Ergänzung zur Nato, die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu stärken haben. Ich glaube, dass wir richtig liegen, wenn es sich unser Nachbar Frankreich in seiner Präsidentschaft im zweiten Halbjahr zum Ziel gemacht hat, die Vorhaben der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu einem Schwerpunkt zu machen. Wir wissen, dass wir manchmal noch zu langsam sind, wenn ich nur an die Polizeimission in Afghanistan denke. Wir wissen, dass wir noch viele neue Projekte hinbekommen müssen. Wir wissen aber auch, dass wir auf manches stolz sein können, wenn ich zum Beispiel an die Polizeimission im Kosovo denke, die wir gut vorbereitet haben und die zeitgerecht gestartet werden konnte. So werden ESVP und Nato nicht in Konkurrenz, sondern in gemeinsamer Verantwortung für mehr Sicherheit sorgen.

Sicherheitspolitik, ob im Rahmen der Nato, der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen, folgt dem Prinzip der vernetzten Sicherheit. Wir glauben, dass wir durch internationale Missionen in vielen Teilen der Welt zur Stabilisierung von Ländern oder Regionen beitragen können. Aber wir glauben, dass das nur gelingen kann, wenn militärische Aufgaben, zivile Aufbauarbeit und der Aufbau von Institutionen Hand in Hand gehen.

Für unseren Afghanistan-Einsatz und unser Engagement für dieses Land haben wir die Formel gefunden: Ohne Sicherheit kein Wiederaufbau, aber ohne Wiederaufbau auch keine Sicherheit. Beides hängt immanent zusammen. Das heißt, militärische Maßnahmen sind leider von Zeit zu Zeit notwendig, aber nachhaltigen, dauerhaften Erfolg werden sie nur bringen, wenn es entwicklungspolitische Maßnahmen gibt, die damit Hand in Hand gehen. Dies ist unser Credo für unser Engagement in Afghanistan. Dies ist auch eine allgemeine Haltung, die wir innerhalb des Bündnisses der Nato gefunden haben.

Wir stehen in Afghanistan solidarisch mit unseren Verbündeten zu unseren Verpflichtungen. Afghanistan muss eine erfolgreiche Entwicklung nehmen. Dies ist aus unserer Sicht eine zentrale Aufgabe gerade auch im Hinblick auf den Kampf gegen Terrorismus. Deshalb weiß Deutschland hierbei um seine Verantwortung.

Meine Damen und Herren,

wir wissen: Fragen der Sicherheit sind Fragen, die sich in ihrer Dimension erweitert haben. Dazu gehört heutzutage auch ein Thema wie das des Klimaschutzes als globale, große Herausforderung. Wir haben in Heiligendamm einen bestimmten Prozess angestoßen und ich bin sehr dankbar, dass Indonesien als Gastgeber in spannenden, nervenaufreibenden, bis an den Rand der Belastbarkeit mancher Akteure gehenden Verhandlungen doch dafür gesorgt hat, dass die Konferenz auf Bali letztlich ein Erfolg war.

Es ist halt so: Man muss sich quälen, um einen Erfolg zu finden. Bevor man abreist, überlegt man doch noch einmal, ob es nicht noch einen letzten Kompromiss gibt. Viele haben daran mitgearbeitet. Es ist gut, dass wir einen Schritt vorangekommen sind, dass es ein Bekenntnis zu einem Folgeabkommen des Kyoto-Protokolls gibt zu einem Abkommen, das unter dem Dach der Vereinten Nationen entwickelt wird.

Wir hoffen, dass 2009 in Kopenhagen auch wirklich ein Abkommen gefunden werden wird, das im Sinne der gemeinsamen, aber verschiedenen Verantwortlichkeiten gerecht ist, das aber auch ambitioniert ist. Die Vorgaben, die uns die Wissenschaftler machen, besagen nämlich: Zwei Grad Celsius Erderwärmung sind vertretbar. Das heißt nicht, dass wir noch keine Anpassungsprozesse vornehmen müssen. Aber wir wissen, gerade auch mit Blick auf afrikanische Länder, wie schwierig das zum Teil ist. Doch alles, was über eine durchschnittliche Erderwärmung um zwei Grad Celsius hinausgeht, wird erhebliche Kosten verursachen, die weitaus höher als das sein werden, was wir jetzt an Aufwand betreiben müssen, um umzusteuern und das Wachstum vom Energieverbrauch zu entkoppeln.

Wir wissen um die Verantwortung der Industrieländer. Deshalb hat sich Deutschland auch sehr ehrgeizige Ziele gesetzt. Deutschland ist bereit, wenn es zu ambitionierten internationalen Zielen kommt, seine CO2 -Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40Prozent zu reduzieren. Sie können sich vorstellen, dass das ein wirklich qualitativer Schritt ist. Das bedarf großer technologischer Anstrengungen, von denen wir allerdings glauben, dass sie dann wiederum auch unsere Wirtschaftskraft stärken und unsere Exportchancen vergrößern werden. Wir haben auch die Verpflichtung gegenüber den Entwicklungsländern, unsere technologischen Fähigkeiten einzusetzen, um anderen zu helfen, wirtschaftliches Wachstum und Klimaschutz zusammenzubringen.

Ich persönlich glaube, dass eine gerechte Verteilung langfristig nur in einer Annäherung der Pro-Kopf-Emissionen von CO2

liegen kann. Wenn ich aber daran denke, dass heutzutage in Indien jährlich weniger als eineTonne, in Deutschland elfTonnen und im europäischen Durchschnitt neunTonnen CO2

pro Kopf entstehen unsere amerikanischen Freunde übertreffen uns dabei noch deutlich, dann haben wir also noch einen weiten Weg zurückzulegen. Aber man muss ja Visionen haben, ansonsten weiß man gar nicht, wohin sich die Welt entwickelt.

Meine Damen und Herren,

bei den globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen, will Europa einen Beitrag zur Lösung leisten. Die Europäische Union umfasst inzwischen 27Mitgliedstaaten das sind 500Millionen Menschen. Wir wissen, dass es nicht immer einfach ist, innerhalb dieser Europäischen Union gemeinsame Schritte zu unternehmen. Trotzdem haben wir gute Erfolge vorzuweisen. Der Geist des Vertrags von Lissabon, den wir Ende vergangenen Jahres abschließen konnten, hat uns auch in anderen Bereichen ein Stück weit beflügelt, Gemeinsamkeit an den Tag zu legen.

Aber wir müssen auch immer im Auge behalten: Am Anfang des 20. Jahrhunderts war noch jeder vierte Mensch auf der Welt ein Europäer, am Ende des 21. Jahrhunderts wird es nur noch jeder 14. Mensch sein. Das heißt, Europa muss kooperieren und seinen Blick weiten. Dies wissen wir auch und deshalb war es so wichtig, das wir endlich unseren Reformvertrag verabschiedet haben. Ich hoffe, dass er auch überall ratifiziert werden wird, damit wir damit aufhören, uns dauernd mit uns selbst zu beschäftigen, sondern uns wieder mehr um die Dinge kümmern, die wirklich wichtig sind. So freuen wir uns, dass die slowenischen Freunde und Partner in ihrer Präsidentschaft gerade auch die Probleme des westlichen Balkans fest im Blick haben. Natürlich versuchen wir, auch mit der slowenischen Präsidentschaft gut zusammenzuarbeiten.

Der Reformvertrag gibt uns auch die Möglichkeit, den Menschen die Europäische Union näher zu bringen. Er stärkt die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union und gibt den nationalen Parlamenten mehr Mitbestimmungsrechte, so dass wir hoffen, dass wir wirklich ein bürgernahes Europa schaffen können.

Wir wissen, dass wir seitens der Europäischen Union viele Nachbarn haben, sowohl in die Richtung unserer östlichen Nachbarn als auch in die Richtung des Mittelmeerraums. Wir wollen gerade in Bezug auf den Mittelmeerraum eine starke Europäische Union mit einer starken Partnerschaft mit den Mittelmeeranrainern haben. Frankreich wird dies auch zu einem Schwerpunkt seiner Präsidentschaft machen. Ich sage immer wieder: Auch wenn Deutschland nicht ans Mittelmeer grenzt, so wissen wir doch, dass wir für die politische Stabilität dieser Region natürlich auch eine große Verantwortung tragen. Die Stabilität des Mittelmeerraums ist ein Anliegen aller EU-Staaten.

Ein starkes Europa ist ein Europa, das natürlich seine Kooperationen festigt. Wir werden unsere strategische Partnerschaft mit Russland ausbauen. In den nächsten Wochen werden dort die Präsidentschaftswahlen stattfinden. Ich bin froh, dass jetzt über ein Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland verhandelt werden kann und dass die Schwierigkeiten ausgeräumt sind, die es dabei gab. Ich glaube, dass wir alle um die strategische Wichtigkeit dieser Beziehungen wissen.

Heute, an diesem Tag, gibt es entscheidende Beratungen in der Europäischen Union über die Frage des Kosovo. Die Außenminister haben zusammengesessen. Es ist gelungen so die Presseberichterstattung und auch die Signale, die ich von unserem Außenminister bekommen habe, eine Plattform zu finden, auf der alle europäischen Mitgliedstaaten ihre Entscheidung über eine Anerkennung des Kosovo treffen können. Wir sagen aber, und das sage ich in Richtung aller Länder auf dem westlichen Balkan: Stabilität in dieser Region wird es nur geben, wenn es eine ganz enge Anbindung an die Europäische Union gibt. Das gilt für Serbien, für Kosovo, für Bosnien-Herzegowina und Kroatien, das sich bereits in Beitrittsverhandlungen befindet. Jetzt muss ich aufpassen, dass ich keinen vergesse, sonst gibt es großen Ärger. Alle sind darin eingeschlossen, auch Mazedonien und Albanien. Jeder, der sich jetzt noch nicht angesprochen fühlt, darf nach Hause berichten, dass ich ihn nicht vergessen habe.

Meine Damen und Herren,

wir haben in diesem Jahr interessante Drittstaatengipfel, etwa im Mai einen Gipfel in Lima mit den Ländern Lateinamerikas. Ich freue mich auf meine Reise zu diesem Kontinent. Sie werden verstehen, dass ich eben mit Freude gesehen habe, dass die Botschafter verstanden haben, dass ich nicht alle Länder besuchen kann, aber wenigstens eine Reise in die Region unternehme. Darüber, dass Peru Gastgeber sein wird, freuen wir uns natürlich sehr.

Im Oktober wird es in Peking einen Gipfel mit den asiatischen Staaten geben. Ich habe am Freitag ein Telefonat mit dem chinesischen Ministerpräsidenten geführt und wir haben noch einmal über die Wichtigkeit der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und auch zwischen Deutschland und China gesprochen. Ich will hier das wiederholen, was ich schon oft gesagt habe: Wir wünschen China viel Erfolg bei der Ausrichtung der Olympischen Spiele. Es ist eine Riesenchance für China, dass nicht nur Millionen, sondern Milliarden Menschen auf der Welt sehen werden, wie sich dieses Land entwickelt, und die Chance nutzen können, mehr über China zu erfahren.

Ich verspreche mir von diesen Gipfeln natürlich eine Verbesserung, eine Intensivierung unserer Partnerschaften. Das gilt für Lateinamerika genauso wie für die asiatischen Länder. Ich habe immer wieder dafür geworben, mit den Staaten Asiens eine Partnerschaft zur Gestaltung der globalen Ordnung aufzubauen. Deshalb kommt natürlich den Beziehungen zu China eine große Bedeutung zu. Ich habe mich auch gefreut, im vergangenen Jahr Indien zum ersten Mal besuchen zu können. Sie werden aber verstehen, dass wir uns ab und an auch noch um die Innenpolitik kümmern müssen, denn wir wollen natürlich auch die Wachstumsraten und die wirtschaftliche Entwicklung hier im Lande voranbringen.

Meine Damen und Herren,

ich war im letzten Jahr auch zum ersten Mal als Bundeskanzlerin auf dem afrikanischen Kontinent. Besonders in Erinnerung bleibt mir natürlich der Besuch bei der Afrikanischen Union. Ich habe exemplarisch für viele besuchenswerte Länder in Afrika Äthiopien, Südafrika und Liberia besucht und freue mich auch auf viele Kontakte in diesem Jahr. Wir hatten im vergangenen Jahr während der portugiesischen Präsidentschaft endlich den EU-Afrika-Gipfel. Das war wirklich überfällig, denn Afrika ist aufgrund der Nachbarschaft auch für die Europäische Union von allergrößter Bedeutung.

Es gibt nach wie vor Krisen, zum Beispiel in Simbabwe und in Darfur, aber auch Rückschläge wie in Kenia. Deutschland versucht Staatsminister Erler ist heute da, mit seinen Erfahrungen einen Beitrag zur Stabilisierung zu leisten, wo immer wir helfen können, ohne irgendetwas aufzuoktroyieren. Letztlich sind die Leidtragenden dieser Krisen immer die einzelnen Menschen, die Familien, die Kinder, die schrecklich leiden. Deshalb sollten wir alles tun, um hier voranzukommen.

Ich habe immer wieder gesagt und möchte das am heutigen Tage noch einmal bekräftigen: Wir sind sehr froh, dass auf afrikanischer Seite die Selbstverpflichtungen zunehmen. Zu nennen ist hier zum Beispiel der "African Peer Review Mechanism", also die Bereitschaft afrikanischer Länder, sich begutachten zu lassen und nicht bloß Politiker darüber wachen zu lassen, wie die Politik ihre Hausaufgaben macht. Das ist manchmal nicht angenehm. Ich darf Ihnen berichten, dass wir in Deutschland häufig mit Kritik konfrontiert sind, darf Ihnen aber auch berichten, dass man es überlebt auch wenn es nicht immer angenehm ist. Deshalb, glaube ich, ist es ein sehr guter Prozess, wenn sich immer mehr afrikanische Länder einer Begutachtung unterziehen.

Wir kennen unsere Verantwortung für Afrika. Wir haben die Millenniumsziele zu erfüllen. Deshalb sind wir aufgefordert gerade die entwickelten Länder und Deutschland wissen das, unseren Beitrag zu leisten. Wir wissen: Auf der einen Seite müssen finanzielle Mittel von den entwickelten Ländern bereitgestellt werden. Aber ohne eine vernünftige Infrastruktur und den Aufbau der entsprechenden Institutionen sind diese Mittel nicht so einzusetzen, dass sie das erreichen, was auch wirklich erreicht werden soll. Hilfe soll ja bei den Menschen ankommen, die sie brauchen. Das ist auch wichtig für diejenigen, die in Deutschland Hilfe leisten. Insofern ist moderne Entwicklungszusammenarbeit eine Zusammenarbeit, die auch immer etwas mit dem Aufbau von Institutionen zu tun hat. Das haben wir aber mit der Afrikanischen Union inzwischen umfänglich diskutiert und in unserem Partnerschaftsprogramm fest verankert.

Ein wesentlicher Punkt ist auch die Lage im Nahen und Mittleren Osten. Wir wollen, dass der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern gelöst werden kann. Wir sind dafür und treten dafür ein, dass es eine Zwei-Staaten-Lösung gibt: Israel in Frieden und Sicherheit als jüdischer Staat und Palästina als ein lebensfähiger Staat für die Palästinenser. Wir wissen, der Weg ist schwierig, der Weg ist steinig. Deutschland kann und will sich hier nicht überheben, aber Deutschland kennt seine Verantwortung. So werden wir unseren Beitrag leisten, wo immer wir können, zum Beispiel bei der Ausbildung palästinensischer Sicherheitskräfte und im Rahmen des Nahostquartetts. Ich begrüße auch die Anstrengung der arabischen Staaten und die erneute Friedensinitiative außerordentlich.

Bei dem jüngsten Besuch des israelischen Premierministers Olmert haben wir natürlich ausführlich über den Friedensprozess und über die Schwierigkeiten, die es in diesem Prozess gibt, gesprochen. Voraussetzung für die weitere Entwicklung ist natürlich Frieden. Es ist wichtig, dass gerade auch der Beschuss mit Qassam-Raketen beendet wird. Ich sehe aber die absolute Notwendigkeit für uns alle, es immer und immer wieder zu versuchen, diesen Friedensprozess voranzubringen. Dieser Konflikt ist einer der Schlüsselkonflikte, denen wir in der Welt begegnen.

Ich hege der libanesische Ministerpräsident wird in dieser Woche noch kommen alle Wünsche, dass im Libanon wieder eine vernünftige Ordnung hergestellt werden kann und dass die Präsidentschaftswahlen stattfinden können. Deshalb möchte ich alle Akteure in der Region aufrufen, ihren Beitrag dazu zu leisten. Ich will auch noch einmal daran erinnern, dass das Tribunal zur Untersuchung des Mordes am ehemaligen Ministerpräsidenten Hariri ein von der UN eingesetztes Tribunal ist. Ich glaube, wir sollten dies und die Präsidentschaftswahl im Libanon voneinander entkoppeln.

Unsere Beziehungen in die arabische Welt und insbesondere in die Golfregion sind mir und auch der gesamten Bundesregierung ein besonderes Anliegen. Wir haben natürlich gute wirtschaftliche Beziehungen, aber es kommt auch darauf an, dass wir gemeinsame Wertevorstellungen verwirklichen. Leider ist das iranische Nuklearprogramm nach wie vor ein Anlass zu großer Sorge. Ich will an dieser Stelle noch einmal wiederholen: Iran bleibt aufgefordert, den Verpflichtungen der UN-Resolutionen und der IAEO nachzukommen. Es geht darum, die berechtigen Erwartungen der internationalen Gemeinschaft zu erfüllen.

Auf der anderen Seite möchte ich aber daran erinnern, dass wir ein ganz besonderes Interesse daran haben, dass das iranische Volk seine Entwicklungsmöglichkeiten in der internationalen Kooperation nutzen kann. Wenn die Verpflichtungen erfüllt werden, dann wird es dazu auch Angebote geben sie liegen auf dem Tisch. Ich hoffe, wir kommen hier in diesem Jahr voran. Die internationale Gemeinschaft wird den Kurs entschlossen und geschlossen fortsetzen Deutschland hat sich immer wieder dafür eingesetzt. Das faire Angebot, das dem Iran vorliegt, sollte einer eingehenden Betrachtung und möglichst auch einer Billigung unterzogen werden. Es geht also um die Erfüllung der Anforderungen, aber gleichzeitig auch um die Eröffnung von Perspektiven.

Meine Damen und Herren,

jetzt habe ich einiges aufgezählt. Selbstverständlich damit wir auch noch ein bisschen Zeit für Gespräche untereinander haben kann ich nicht alles benennen. Denjenigen von Ihnen, die jetzt vielleicht finden, dass ich einen ganz wichtigen Konflikt, ein ganz wichtiges Projekt, eine ganz wichtige Sache ausgelassen habe, sage ich, dass wir Sie alle in unserem Land ganz herzlich willkommen heißen und dass wir bereit sind, die Lösung Ihrer Probleme auch ein Stück weit zu unseren Aufgaben zu machen. Das ist der Geist der internationalen Kooperation und das ist auch der Geist der Zusammenarbeit mit den Botschaftern der Länder, die bei uns akkreditiert sind.

Ich danke Ihnen, wie zu Beginn schon, noch einmal für Ihre Arbeit. Lassen Sie uns das, was wir gemeinsam haben, mit Leidenschaft voranbringen, und lassen Sie uns dort, wo wir Konflikte sehen, diese mit Klugheit, mit Geduld und in gegenseitiger Anerkennung lösen. Vielleicht sind wir dann nächstes Jahr ein kleines Stück weiter, auch wenn diejenigen von Ihnen, die schon lange im diplomatischen Dienst sind, wissen, wie lange manches dauern kann. Wir verhandeln jetzt zum Beispiel, glaube ich, im 18. Jahr über das EU-Kooperationsabkommen mit dem Golf-Kooperationsrat. Ich habe neulich beim Besuch des Ministerpräsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate gesagt: Falls wir dies zum Ende bringen würden, könnten wir einen kleinen Strich unter eines der vielen Probleme machen. Also, Aufgaben gibt es genug. Lassen Sie uns versuchen, sie mit Freude zu lösen.