Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 29.02.2008

Untertitel: Rede von Kulturstaatsminister Bernd Neumann im Berliner Pergamonmuseum
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/02/2008-02-29-rede-praesidentenwechsel-spk,layoutVariant=Druckansicht.html


Im September des vergangenen Jahres haben wir im Konzerthaus am Gendarmenmarkt das fünfzigjährige Bestehen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz festlich begangen. Alle Redner haben die Stiftung in erster Linie als Institution gewürdigt. Doch wir alle wissen, dass Institutionen nur durch die Menschen leben, die sie zu ihrer Sache machen, die für sie Verantwortung tragen und im wahrsten Sinne für sie Leidenschaft empfinden.

Es ist ein seltener Glücksfall, wenn der oberste Hüter des Preußischen Kulturbesitzes die unterschiedlichsten Begabungen in sich vereint. Er muss zugleich Wissenschaftler und Diplomat, Kulturpolitiker und Schöngeist, Moderator und Macher, Visionär und Pragmatiker kurz: er muss so sein wie Klaus-Dieter Lehmann, der heute als scheidender dritter Präsident der Stiftung den Staffelstab fast ist man versucht zu sagen: das Szepter direkt an Hermann Parzinger als vierten Präsidenten weitergibt.

Lieber Herr Professor Lehmann, sie wechseln in südlichere Gefilde, sich selbst und Ihrem Amt aber bleiben Sie treu: Auch dem Goethe Institut in München werden Sie sich als neuer Präsident mit aller Energie widmen, die Wilhelm von Humboldt einmal als "erste und einzige Tugend des Menschen" bezeichnet hat.

Heute, am seltenen 29. Februar, haben Sie Geburtstag. Wir alle gratulieren Ihnen von Herzen dazu! Sie können heute erst zum 17. Mal Ihren Geburtstag begehen. Damit aber dann 68 Jahre erreicht zu haben, ist ein Kunststück, das Ihnen weiß Gott gemäß ist.

Drei Präsidenten in 50 Jahren! Das in heutigen, schnelllebigen Zeiten schon erstaunliche Maß an Kontinuität ist der Stiftung sehr gut bekommen. Offenbar ist es bisher gelungen, für jede Phase der Entwicklung der Stiftung die jeweils richtige Person zu wählen.

Hans-Georg Wormit und Professor Werner Knopp gestalteten vor allem die Phasen des Neubeginns nach dem Krieg und des Umbruchs nach der deutschen Einheit 1990. Der zweite Präsident der Jahre 1977 bis 1998 ist heute anwesend. Ich begrüße sehr herzlich Professor Werner Knopp! Die beiden ersten Präsidenten waren nach ihrer fachlichen Herkunft mit unterschiedlichen Ausprägungen Juristen.

Mit Klaus-Dieter Lehmann studierter Physiker entschied sich der Stiftungsrat im November 1998 erstmals für eine Persönlichkeit, die als Bibliothekar in einem der Aufgabenfelder der Stiftung Preußischer Kulturbesitz beheimatet ist. In einem Interview nannte Klaus-Dieter Lehmann die Neugierde als Motiv für seinen Weg in die Innenwelt der Bibliothek.

Es ist diese produktive Neugierde, die ihn auf dem Gipfel seiner Laufbahn als Generaldirektor der heutigen Deutschen Nationalbibliothek in neue Gefilde trieb. Zweimal hatte sein Vorgänger im Amt des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz versucht, ihn für die Aufgabe des Generaldirektors der Staatsbibliothek in Berlin zu gewinnen, zweimal hat er sich beharrlich versagt. Wie ich Professor Lehmann inzwischen kennen gelernt habe, muss man über die Gründe nicht spekulieren: Zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz würde und wollte er nur als Präsident kommen.

Wahrscheinlich hat Klaus-Dieter Lehmann die langjährige Bekanntschaft mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zuerst als Vorsitzender der Bibliothekskommission und dann auch des gesamten Beirats, dazu genutzt, sich gründlich auf das Präsidenten-Amt vorzubereiten.

Denn der bei seinem Amtsantritt im Februar 1999 mit fast 59 Jahren weitaus lebensälteste Präsident war von Anbeginn entschlossen, in der zwangläufig überschaubar bemessenen Spanne seines Amtes soviel zu bewirken, dass es auch einer viel längeren Zeit durchaus noch zur Ehre gereicht hätte.

Als Triebfeder habe ich bei Klaus-Dieter Lehmann niemals vordergründigen Ehrgeiz wahrgenommen, sondern einen dezidierten kulturpolitischen Gestaltungswillen, der auf der präzisen Vorstellung von Inhalten basiert.

Dazu tritt eine unvergleichliche Meisterschaft, die richtigen Verbündeten zu gewinnen und funktionierende Netzwerke aufzubauen. Ich habe als Stiftungsratsvorsitzender mit Ihnen, lieber Herr Lehmann, sehr gern zusammengearbeitet. Ihrer Überzeugungskraft ist man leicht erlegen.

Erstaunlich ist Ihr einzigartiges Talent, dass Sie Ihr Gegenüber in dem Glauben wiegen, er habe selbst vorgeschlagen und entschieden, was Sie von Anfang an wollten.

Schon in einer seiner ersten Reden in der SPK stimmte Klaus-Dieter Lehmann das Leitmotiv seiner Amtszeit an: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sei nicht nur eine zweckmäßige Konstruktion zur Verwaltung des preußischen Erbes, sondern vielmehr ein weltweit einzigartiges, die Sparten übergreifendes Ensemble von Kultur- und Forschungseinrichtungen, das nur in der Einheit seine Wirkung entfalten kann.

Und das ist wahr, die höchst unterschiedlichen Einrichtungen der Stiftung, also die 16 Staatlichen Museen zu Berlin, die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv, das Iberoamerikanische Institut und das Staatliche Institut für Musikforschung, sind eng beieinander, wirken als Ganzes, sind ein Ensemble - und das mit hohem Ansehen. Auch das gehört zur Erfolgsbilanz des Präsidenten Lehmann.

Heute ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein globaler Kulturkonzern moderner Prägung. Sie muss in einem Atemzug mit dem Louvre, dem British Museum und dem Getty Center genannt werden.

Den Aufstieg einer solch großen, eher zentralen kulturellen Institution überhaupt zuzulassen, ist keine Selbstverständlichkeit im föderalen System.

Es ist das Werk einer fein gewebten Kulturdiplomatie, deren einzelne Wendungen ein von außen nicht immer nachvollziehbares System bilden, das jedoch im Ergebnis von großer Eleganz und Stimmigkeit ist. Die diplomatischen Fähigkeiten von Klaus-Dieter Lehmann waren hierbei grundlegend. Dass es uns lieber Herr Lehmann gelungen ist, gemeinsam mit allen 16 Ländern Ihre Nachfolge und die des Generaldirektors geräuschlos, zielsicher und einstimmig mit einem hervorragenden Ergebnis zu bewerkstelligen - im Gegensatz zu Abläufen früherer Jahre, muss man schon als Sternstunde für einen kooperativen Föderalismus, für eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Kultur bezeichnen.

Faktisch ist durch das vorbildliche Zusammenwirken des Bundes und aller Länder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz so etwas wie eine Nationalstiftung geworden und muss gerade aufgrund dieser Tatsache nicht eigens diesen Namen führen.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist bei aller nationalen Bedeutung mehr als nur ein Hort deutscher Kulturgüter. Sie ist ein Spiegel der Weltkulturen, ein sicherer Hafen für die uns anvertrauten Schätze. Dass uns diese Idee heute so selbstverständlich erscheint, ist auch der Kunst des scheidenden Präsidenten geschuldet, virtuos Debatten anzustoßen.

Als Meisterstück darf ohne Zweifel die Propagierung des Humboldtforums im wieder aufzubauenden Stadtschloss gelten, das eine große Herausforderung und Zukunftsaufgabe für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sein wird.

Kristallisationspunkt und sichtbarstes Zeichen für die nationale Bedeutung und den internationalen Rang der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist jedoch das Weltkulturerbe Museumsinsel. Diese Agenda war Ihnen, lieber Herr Professor Lehmann, sicher zu einem Gutteil vorgegeben, aber Sie haben die Umsetzung des 1999 vorgelegten "Masterplans Museumsinsel" zu Ihrer Sache gemacht und zu strahlenden Ergebnissen geführt.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz schaut pünktlich zumfünfzigjährigen Jubiläum auf ihr erfolgreichstes Jahr zurück: 5, 35Millionen Besucher bei den Staatlichen Museen, das sind 30 Prozent mehr als 2006. Dazu eine Steigerung auf insgesamt 22 Millionen Euro bei den Einnahmen aus Eintrittsgeldern das sind gar 34 Prozent mehr!

Mit über einer Million Besuchern ist das Pergamonmuseum, in dem wir uns heute versammelt haben, geradezu eine kulturelle Wallfahrtsstätte von Weltrang. Kein Ort könnte passender sein, um den heutigen Anlass zu würdigen.

Dieser Erfolg stellt natürlich ein Gemeinschaftswerk dar, an dem alle Mitarbeiter ihren Anteil haben. Stellvertretend müsste ich hier die Namen der Direktoren aller 16 Museen nennen. Man möge es mir verzeihen, dass ich dennoch nur eine Persönlichkeit hervorhebe.

Sie war bei aller Unterschiedlichkeit im Temperament ein kongenialer Partner von Klaus-Dieter Lehmann. Mit großem Dank begrüße ich besonders herzlich den Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Professor Peter-Klaus Schuster!

Berlin genießt heute einen internationalen Rang als Kunststadt, und das nicht nur durch die spektakulären Ausstellungen wie die Moma-Schau 2004 oder die "Schönsten Franzosen" im vergangenen Jahr. Es sind auch die mit großem Verhandlungsgeschick, mit Sensibilität und wenn es sein muss auch mit Diskretion für die Stiftung gewonnen Sammlerpersönlichkeiten, die diesen Ruf festigen. Die Sammlung Berggruen und die Stiftung Scharf-Gerstenberg sind die Glanzpunkte des Standorts Charlottenburg, und ohne die langfristigen Leihgaben von Erich Marx stünde die zeitgenössische Kunst in Berlin ärmer da.

Es ist ein großer Vertrauensbeweis, dass vor wenigen Tagen 166 Kunstwerke aus der Sammlung von Friedrich Christian Flick als Schenkungen an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gegeben wurden.

Die Marke "SPK" ist zu einem international marktfähigen Qualitätssiegel geworden, das zahlreiche Mäzene und Sponsoren anzieht und vor allem: langfristig hält.

Aufgrund Ihrer hervorragenden Vernetzung und Ihrer Präsenz im internationalen Diskurs waren Sie, lieber Herr Lehmann, für mich immer ein wichtiger Berater, insbesondere in den sensiblen Fragen von Rückführung deutschen Kulturgutes und Restitution von NS-Raubkunst aus ehemals jüdischem Besitz. Ich danke Ihnen für die wichtigen Impulse zur Einrichtung der "Arbeitsstelle für Provenienzrecherche und Provenienzforschung" bei der SPK zu Beginn dieses Jahres, die mit jährlich 1 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt Museen, Bibliotheken und Archive bundesweit bei ihrer aufwändigen Arbeit unterstützen wird.

Lieber Herr Lehmann, für die jetzt anbrechende, neue Berufsphase begleiten Sie und Ihre verehrte Gattin unsere herzlichsten und besten Wünsche. Es ist eigentlich nur konsequent, dass Sie, der unseren Blick für den Anteil der Weltkulturen in unserem eigenen Erbe geschärft hat, nun an höchster Stelle die Sprache und die Kultur Deutschlands in der Welt vertreten werden. Wir beglückwünschen das Goethe-Institut, dem Sie ab April als neuer Präsident vorstehen werden, zu dieser Wahl.

Im Namen der Bundesregierung und als Vorsitzender des Stiftungsrats danke ich Ihnen abschließend noch einmal von ganzem Herzen für eine überaus beeindruckende dritte Präsidentschaft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz!

Meine Damen und Herren,

dass das Ende der Ära Lehmann nicht Anlass für Besorgnis oder gar Mitleid für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gibt, hat seinen Grund bei Ihnen, sehr verehrter, lieber Herr Professor Parzinger.

Mit Ihrer einstimmigen Wahl zum vierten Präsidenten der Stiftung begründet der Stiftungsrat schon fast eine Tradition, denn auch Sie entstammen einer Disziplin, die zum Fächerkanon der Stiftung gehört. Wie ihr Vorgänger betreten Sie kein Neuland: Sie sind schon seit mehreren Jahren Mitglied des Beirats der Stiftung und waren bis vor kurzem dessen Vorsitzender.

In den fünf Jahren als Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts haben Sie hervorragende Arbeit geleistet. Dies hat vor kurzem der Wissenschaftsrat in einem, für diese als sehr nüchtern und streng bekannte Einrichtung geradezu enthusiastischen Gutachten bestätigt.

Man könnte es fast als gelungenen Coup ansehen, dass ungefähr zeitgleich mit Ihrer Wahl zum vierten Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Ihre erfolgreiche Skythen-Ausstellung bundesweit Schlagzeilen macht.

Es war für mich sehr beeindruckend, bei einer Führung die Begeisterung zu spüren, die Sie für Ihr Forschungsfeld hegen. Besonders zuversichtlich stimmt mich auch Ihre langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit russischen Kollegen, die sicher neue Wege auch für die Politik des Bundes insbesondere im Hinblick auf die Beutekunstproblematik aufzeigen kann.

Lieber Herr Professor Parzinger, Sie kommen sozusagen aus der großen Welt in den, im Vergleich zu den weiten Steppen Ihres Forschungsgebiets, eng umzirkelten Bereich der Stiftung.

Aus dem Forschungsfeld bringen Sie Ihre besonderen Begabungen und Erfahrungen mit: Den Blick für Zusammenhänge, weltweite Vernetzungen, vitale Tatkraft und die Fähigkeit zu geschickter Menschenführung bei Zusammenarbeit im Team.

Große Aufgaben warten auf Sie: Das Humboldt-Forum im rekonstruierten Berliner Stadtschlosses wird aus mehreren Gründen ein Ort sein, auf den alle Blicke gerichtet sind. Eine Herausforderung, aber auch große Chance für die Stiftung. Der Masterplan zur Sanierung der Museumsinsel muss weiter umgesetzt werden; die Wiedereröffnung des Neuen Museums im Jahr 2009 ist das nächste Glanzlicht. Die von Ihnen in diesen Tagen angesprochene Umsiedlung alter Meister vom Kulturforum am Potsdamer Platz in die unmittelbare Nachbarschaft der Museumsinsel ist eine neue Vision. Ich halte sie für richtig. Und die zeitgenössische Kunst sollte unter direkter Verantwortung von Udo Kittelmann einen noch höheren Stellenwert im Rahmen unserer Stiftung erhalten.

Und unsere Staatsbibliothek, die größte deutsche wissenschaftliche Universalbibliothek, wird zur Zeit generalsaniert mit einem Bauvolumen von 334 Mio. Euro und ist deshalb die größte Baustelle in Berlin.

Lieber Herr Parzinger, ich vertraue auf Ihre Kompetenz, Ihre Ausdauer und Ihren Weitblick, diese neue Phase in der Geschichte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu gestalten.

Wir werden gemeinsam daran arbeiten, die Stiftung als herausragende Kultureinrichtung in der deutschen Hauptstadt und im Konzert mit den Spitzeninstitutionen in Europa und der Welt zu positionieren. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit im Stiftungsrat. Sie finden in der Stiftung engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor, die sich ebenfalls darauf freuen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten und Sie zu unterstützen.

Ich wünsche Ihnen für die Zukunft Ausdauer und Energie verbunden mit Glück und Erfolg. Ich darf nun Sie und Herrn Professor Lehmann nach vorne bitten, um Ihnen Ihre Urkunden zu überreichen.

Meine Damen und Herren, herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.