Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 16.04.2008

Untertitel: Bei der Frühjahrstagung des BVDA wies Kulturstaatsminster Bernd Neumann auf die wesentliche und unverzichtbare Orientierungshilfe der Printmedien in einer globalisierten Informationsgesellschaft hin. Ebenso übergab Bernd Neumann den Preis des BVDA für Bürger- und Verbrauchernähe.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/04/2008-04-16-rede-neumann-anzeigenblatt,layoutVariant=Druckansicht.html


Es gilt das gesproche Wort. -

ich bin heute sehr gerne hierher gekommen, weil ich die Bedeutung, die die Anzeigenblätter als lokale Medien für einen Großteil der Bevölkerung haben, anerkenne. Dieser Bedeutung kommt besonderes Gewicht zu in einer Zeit, in der Medieninhalte nahezu losgelöst von Zeit und Raum elektronisch abgerufen werden können. In dieser globalen Flut bieten die lokalen Medien und dazu zähle ich neben der Lokalzeitung und dem Lokalradio auch das örtliche Anzeigenblatt etwas, das in den Weiten des World Wide Web zunehmend verloren geht: ich meine Orientierung und Überschaubarkeit, auch Kontakt zum eigenen, unmittelbaren regionalen Umfeld.

Wir alle wissen, welche außerordentliche Bedeutung die Medien in ihren verschiedenen Erscheinungsformen, insbesondere die Printmedien in unserer globalisierten Informationsgesellschaft spielen. Sie prägen nicht nur unser Meinungsbild und unsere Urteilskraft. Sie sind auch ein für uns unverzichtbares "Medium", das komplexe und schwer verständliche Zusammenhänge erklärt. Die Medien helfen, der Informationsflut einen überschaubaren Rahmen zu geben und zeigen Hintergründe, Ursachen und Auswirkungen von Entwicklungen auf. Damit fungieren sie als wesentliche und unverzichtbare Orientierungshilfe.

Aber Medien haben und das spüren wir Politiker in besonderem Maße auch eine wichtige Kontrollfunktion: Sie genießen einen grundrechtlichen Status und schaffen die für unsere demokratische Gesellschaft unverzichtbare Transparenz, die staatliches Handeln und die diesem vorausgehende Entscheidungsprozesse für den Bürger nachvollziehbar macht. Damit sind sie ein wichtiger Mittler im Dialog zwischen Bürger und Staat.

Printmedien sind gerade heute ein unverzichtbarer Teil unserer Medienlandschaft. Aber nicht nur Verleger und Journalisten, sondern auch Medienexperten, Meinungsforscher und Politiker werfen immer wieder die Frage auf, ob Printmedien angesichts der großen Konkurrenz elektronischer Informationsangebote überhaupt noch eine Zukunft haben. Ich halte eine Marginalisierung der Printmedien indes für fatal, weil Printmedien für die kulturelle und politische Substanz unseres freiheitlichen Gemeinwesens unverzichtbar sind. Insbesondere die Printmedien reduzieren die kaum mehr überschaubare Komplexität unserer Welt auf ein für unser tägliches Leben erträgliches, handhabbares Maß. Und was man schwarz auf weiß hat bzw. liest, hat nachhaltigere, profundere Wirkung und Bestand als jedes andere elektronische Medium.

Um wirtschaftliche Prosperität und Vielfalt der Printmedien zu sichern, müssen die Rahmenbedingungen passen.

Die Refinanzierungsmöglichkeiten von Printmedien dürfen nicht durch unnötige und schädliche Regulierungen beeinträchtigt werden.

Wir verfolgen sehr aufmerksam und kritisch alle Versuche und Initiativen der Europäischen Union, neue Regulierungen zu lancieren, die sich nachteilig auf die Presse auswirken können. Erst kürzlich hat das Europäische Parlament einen Beschluss gefasst,

wonach umweltbezogene Angaben bei der Automobilwerbung künftig mindestens 20 % der Werbefläche von Anzeigen und Plakaten einnehmen sollen. Ich halte eine solche Art von Regulierung für völlig unangebracht und weitere Beschränkungen der Werbefreiheit insbesondere mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der Printmedien für sehr bedenklich.

Ebenso muss bei der aktuellen Diskussion des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages im Hinblick auf die Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten darauf geachtet werden, dass diese nicht über ihren gesetzlich vorgeschriebenen Grundversorgungsauftrag hinaus tätig werden und sich im Bereich der elektronischen Presse generell engagieren. Hier wird es in nächster Zeit im Rahmen der Beratungen des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages darauf ankommen, einen möglichst fairen Ausgleich der Interessen der Printmedien und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hinzubekommen. Meines Erachtens gelänge dies umso besser, je weiter wir bei einer Konkretisierung des Funktionsauftrages auch mit Hilfe von Negativlisten kommen würden.

Auch ist es sehr problematisch, wenn, wie verschiedenen Presseberichten zu entnehmen ist, auch die Deutsche Post AG in den Markt für Anzeigenblätter drängt. Hinzu kommt, dass die Post über eine dominante Vertriebsstruktur verfügt, die die Verlags- und Grossobranche in Bedrängnis bringen kann. Schließlich kann zumindest die abstrakte Gefahr nicht ausgeschlossen werden, dass der Staat als Miteigentümer der Post Einfluss auf redaktionelle Inhalte nehmen könnte. Ein ehemaliges Staatsunternehmen mit Steuerbefreiung und noch bestehender Staatsbeteiligung sollte sich nicht in der freien Presse engagieren. Es muss auch in Zukunft ein fairer Wettbewerb zwischen den elektronischen Medien und den Printmedien, aber auch zwischen den Printmedien selbst möglich sein.

Unter den Printmedien ist die klassische Lokalzeitung natürlich das Basismedium, das seinen Lesern seit jeher ein verständlich aufbereitetes Panorama des täglichen Geschehens bietet. Berichte und Kommentare über das örtliche, regionale, aber auch nationale und internationale Tagesgeschehen werden zu einer überschaubaren Einheit zusammengestellt, in der auch Unterhaltsames und Kurioses Platz findet. Gerade Lokalzeitungen vermitteln ihren Lesern Orientierung und übernehmen damit eine wichtige Funktion für unser demokratisches Gemeinwesen. Das geschriebene Wort ist prädestiniert, die Menschen differenziert, profund und nachhaltig zu informieren und ihnen verlässliches Wissen zu vermitteln.

Das gilt ein gutes Stück weit auch für die Anzeigenblätter. Nicht nur, weil dieses Medium von Zweidrittel der Bevölkerung gelesen wird, sondern auch, weil die Anzeigenblätter meistens neben dem Anzeigenteil eben auch einen bedeutenden redaktionellen Teil haben. Sie tragen wesentlich zur Vielfalt der Presse vor Ort bei und sind damit ein entscheidendes Element unserer Medienlandschaft.

Die Printmedien werden nur dann eine Zukunft haben, wenn auch künftig junge Menschen als Leserinnen und Leser von Printmedien gewonnen werden können, denn diese sind zunehmend auf Computer und Internet ausgerichtet. Ich werde deshalb morgen ein großes Projekt starten, das gerade jungen Leuten die Nutzung von Printmedien näher bringen will. Gemeinsam mit allen Verleger- und Journalistenverbänden starten wir die "Nationale Initiative Printmedien", in die die schon bestehende Maßnahmen zur Förderung des Lesens von Zeitungen und Zeitschriften eingebunden werden. Dazu gehören die Projekte "Zeitung in die Schule" des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger und "Zeitschriften in die Schule" der Stiftung Presse-Grosso und der Stiftung Lesen.

Durch die Bündelung in der neuen Initiative wollen wir sowohl den Stellenwert politischer Kommunikation in der Demokratie als auch den allgemeinen Wert von Printmedien besonders betonen und entsprechend Aktivitäten entwickeln.

Diese Initiative ist deshalb so wichtig, weil in den letzten Jahren die Zahl der Haushalte, die regelmäßig eine Tageszeitung beziehen, immer mehr abgenommen hat. Bei begrenztem Haushaltsbudget wird gerade in Familien mit einfacher Bildung häufig auf den Bezug einer Tageszeitung verzichtet. Und hier sehe ich auch eine wichtige Funktion der Anzeigenblätter:

sie erhalten dort, wo die Tageszeitung aus wirtschaftlichen Gründen abbestellt worden ist oder der Umschichtung des Medienbudgets zum Opfer gefallen ist, etwa weil das Geld verstärkt für Handy und Internetnutzung gebraucht wird, den Kontakt zum Printmedium. Gerade in sozial schwierigen Gebieten ist das Anzeigenblatt, das ein- oder zweimal in der Woche im Briefkasten liegt, oft die einzige regelmäßige Zeitung, die Jugendliche zu Hause kennen lernen. Der Zugang zum gedruckten Wort ist Voraussetzung für den Fortbestand aller Printmedien. Wem die Fähigkeit, die Bereitschaft und das Interesse fehlen, etwas zu lesen, der wird weder Zeitungen kaufen noch kostenlose Lektüre nutzen.

Die stabile Auflagenentwicklung spricht für eine hohe Akzeptanz der Anzeigenblätter, bei ihren kommerziellen Partnern wie auch bei den Bürgerinnen und Bürgern. Stärker noch als die Tageszeitung bietet das Anzeigenblatt der lokalen Wirtschaft ein Forum und den Bürgerinnen und Bürgern einen Überblick über das ortsansässige Angebot. Diese Möglichkeiten würden sicher erheblich weniger genutzt, wenn die Anzeigenblätter nicht auch mit redaktionellen Beiträgen von journalistischer Qualität aufwarten würden. Die Berichte über das lokale Geschehen in Kultur und Sport, Politik und Wirtschaft machen das Anzeigenblatt attraktiv für den Leser.

Dies wird nicht zuletzt auch durch die gleich anstehende Preisverleihung an der ich heute mitwirken darf dokumentiert. Denn "Durchblick", der Preis des BVDA für Bürger- und Verbrauchernähe, honoriert neben Gestaltung, Service- und Ratgeberleistung auch gute journalistische Leistung in Wort und Bild.

Ich wünsche Ihnen nun viel Freude bei der anschließenden Preisverleihung und eine erfolgreiche Tagung!