Redner(in): k.A.
Datum: 22.04.2008

Untertitel: 22. April 2008 in Berlin
Anrede: Herr Generalsekretär, Liebe Frau Knobloch, Exzellenzen, Sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/04/2008-04-22-ib-shalom-60-jahre-israel,layoutVariant=Druckansicht.html


Liebe Freunde der Konrad-Adenauer-Stiftung,

zunächst möchte ich ganz besonders der Konrad-Adenauer-Stiftung danken, dass sie die heutige Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels möglich gemacht hat.

Aber es ist natürlich auch alles andere als überraschend: Wenn es um die Pflege der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel geht, steht die Konrad-Adenauer-Stiftung mit ihren Außenstellen in Jerusalem und Ramallah immer in der vordersten Reihe.

Dafür möchte ich der Konrad-Adenauer-Stiftung, Herrn Präsidenten Staudacher und den Mitarbeitern der Stiftung danken.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung erfüllt damit auch Erbe und Auftrag seines Namensgebers Konrad Adenauer, der gemeinsam mit Ben Gurion die ersten visionären Schritte einer deutsch-israelischen Zusammenarbeit unternommen hat.

Es war für mich schon bewegend, wie die Bundeskanzlerin vor wenigen Wochen im Kibbutz Sde Boker den Alterswohnsitz und Schauplatz der Begegnung zwischen Konrad Adenauer und Ben Gurion besuchen konnte.

Jubiläen und Jahrestage sind oft ein Anlass für einen Rückblick:

Ich erinnere mich gut an meine erste Reise nach Israel und daran, dass mich das Land von Anfang an fasziniert hat.

Dabei spielten meine eigenen christlichen Wurzeln eine Rolle und vor allem die Verantwortung für unsere Vergangenheit auch als Frage an die junge Generation: welche Verantwortung ergibt sich für uns Deutsche für Israel, sein Existenzrecht, aber auch die Achtung der Menschenrechte weltweit.

Erlauben Sie mir hierzu, bereits jetzt eine Bemerkung: Wir kennen die Bedrohungen Israels. Wir verurteilen aufs Schärfste die Angriffe auf Sderot und Ashkelon. Auch die Bedrohung durch den Iran und vor allem die Schmähungen des iranischen Präsidenten sind unerträglich. Der Iran bleibt aufgefordert, den Forderungen der internationalen Gemeinschaft nachzukommen, die mit der 3. VN-Sanktionsresolution am 3. März beschlossen wurden.

Aber zurück zum Anlass:

Der 60. Jahrestag ist daher auch eine gute Gelegenheit, in der Öffentlichkeit dafür zu werben, erneut einen Blick auf Israel zu werfen. Ich habe auch stets dafür geworben und tue dies auch heute, dass wir Israel auch aus der Sicht der dort lebenden Menschen betrachten.

Der 60. Jahrestag Israels auch ganz einfach ein Anlass zur Freude.

Israel musste sich in 60 Jahren erheblichen Herausforderungen im Kampf gegen Bedrohungen des Friedens und der eigenen Sicherheit stellen.

Unter diesen Bedingungen ist eine großartige Aufbauleistung gelungen.

Israel hat insbesondere in den vergangenen paar Jahren eine gute wirtschaftliche Bilanz aufzuweisen, das Land ist voller Vitalität und Zuversicht.

Israel umfasst einen großen kulturellen Reichtum und Traditionen. Dabei ist Israel eine erstaunliche Integration von Zuwanderern in das Gemeinwesen des Staates Israel gelungen.

Als Politikerin aber reicht mir der Rückblick nicht. Mir kommt es darauf an, dass wir die deutsch-israelischen Beziehungen für die Zukunft gestalten. Dafür setze ich mich persönlich und innerhalb der Bundesregierung mit besonderem Nachdruck ein.

Die Symbolfigur für eine zukunftsgerichtete Politik gegenüber Israel aber ist Bundeskanzlerin Merkel. Ihre Entscheidung zur Durchführung von Regierungskonsultationen und eines ausführlichen Besuches vom 16. bis zum 18. März aus Anlass des 60. Jahrestag der Gründung Israels war richtungsweisend.

Mit den Regierungskonsultationen haben wir einen Qualitätssprung in den deutsch-israelischen Beziehungen erreicht.

Konsultationen führt die Bundesregierung nur mit einem kleinen Kreis von Partnern. Mit der Einsetzung regelmäßiger Konsultationen mit Israel ist ein klares Zeichen gesetzt worden.

Wie wollen wir die bilateralen Beziehungen

in der Zukunft gestalten?

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Ausgangspunkt der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel das traurigste Kapitel unserer Geschichte ist: die Shoah - der in deutschem Namen verübte Massenmord. Deutschland und Israel bleiben für immer durch die besondere Erinnerung an die Shoah verbunden.

Deshalb war es so wichtig, die Konsultationen mit einem Besuch in Yad Vashem zu beginnen. Ich empfand es als besonderes Zeichen des Vertrauens, dass unsere israelischen Gesprächspartner an dieser Zeremonie teilgenommen haben.

Mit den Konsultationen wollen für die Tagespolitik organisieren und zum Ausdruck bringen, dass Deutschland und Israel nicht nur durch die Vergangenheit verbunden sind.

Unsere Beziehungen umfassen viel mehr: ganz pragmatisch sind unsere Beziehungen auch charakterisiert durch eine recht große Zahl gemeinsamer Interessen und

Herausforderungen der globalisierten Welt. Das betrifft etwas die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft oder Umweltschutz.

Die Beziehungen Deutschlands und Israels im Jahre 2008 ruhen dabei auch auf einem Fundament der gemeinsamen Werte von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten.

Mit den Regierungskonsultationen wollen wir auf diesem Fundament aufbauen. Es war deshalb auch so wichtig, dass eine so große Zahl von Bundesministern an den Konsultationen teilgenommen hat.

Zwischen den Fachministern fanden intensive bilaterale Gespräche statt. Im Zentrum stand dann die gemeinsame Kabinettssitzung. Hierbei konnten sich alle Teilnehmer von den bestehenden Kontakten und der großen Zahl von interessanten Ansätzen für zukünftige Zusammenarbeit überzeugen.

Zum Abschluss der Konsultationen haben die Regierungschefs eine gemeinsame Erklärung zu den bilateralen Vereinbarungen unterzeichnet, zusätzlich haben Minister beider Seiten "Memoranda of Understanding" in den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und Verteidigung unterzeichnet.

Auf diesem neu geschaffenen Fundament sollen die bilateralen Beziehungen in wichtigen Zukunftsbereichen ( Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt, Jugend ) durch konkrete Vorhaben und Projekte intensiviert werden. Insofern ist die Einschätzung eines Qualitätssprungs in den deutsch-israelischen Beziehungen gerechtfertigt.

Lassen Sie mich Beispiele nennen:

Noch in diesem Jahr werden die beiden Regierungen das deutsch-israelische Zukunftsforum ins Leben rufen. Es soll innovative, zukunftsorientierte Vorhaben von Schülern, Jugendlichen und Fachkräften in den Bereichen Kultur, Medien und Publizistik, Wirtschaft und Wissenschaft fördern. Es soll die Sichtbarkeit des besonderen Verhältnisses zwischen Deutschland und Israel erhöhen und kontinuierlichen Aufbau eines Multiplikatorennetzwerks in beiden Ländern vorantreiben.

Die deutsch-israelische Forschungszusammenarbeit war einer der Wegbereiter der diplomatischen Beziehungen. Seit Anfang der 60er Jahre haben mehr als 25.000 Wissenschaftler beider Länder in der einen oder anderen Form zusammengearbeitet. In vielen Wissenschaftsbereichen ist Israel wegen seiner wissenschaftlichen Spitzenleistung ein attraktiver Partner.

Das Deutsch-Israelische Jahr der Wissenschaft und Technologie wird die intensive Kooperation weiter vertiefen und Impulse für neue Kooperationsprojekte geben.

Der deutsch-israelische Jugendaustausch hat in den letzten Jahren zugenommen. Er ist für das gegenseitige Verständnis junger Menschen in unseren Ländern unverzichtbar.

Das deutsche Koordinierungsbüros ConAct in Wittenberg leistet hervorragende Arbeit, ebenso wie der Israel Youth Exchange Council.

Beide Regierungen haben bekräftigt, in der Zukunft den Austausch noch stärker fördern.

Bei der positiven Bilanz unserer bilateralen Beziehungen möchte ich Probleme nicht ausblenden.

Lassen Sie mich deshalb, wenn auch nur kurz, noch auf den ungelösten Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern eingehen, der die Lage in Israel und der gesamten Region überschattet.

Wir bekennen uns ausdrücklich zur Vision einer Zwei-Staaten-Lösung, in der zwei Staaten in gesicherten Grenzen nebeneinander friedlich existieren.

Eine solche Lösung muss zwischen den beiden Parteien ausgehandelt werden.

Die internationale Gemeinschaft kann und muss dies unterstützen.

Ich bin davon überzeugt, dass eine große Mehrheit der Menschen in Israel und bei den Palästinensern den Wunsch nach einer friedlichen Verhandlungslösung hegen, nach einem Leben in Sicherheit, einem gewissen Wohlstand und einer sicheren Zukunft für ihre Kinder.

Der Weg dorthin ist versperrt durch Gegner eines Friedenskurses, durch Extremisten und Terroristen, die eine Spirale der Gewalt immer neu anheizen und auch militärische Reaktionen provozieren.

Dabei kommt es auch zu tragischen Vorfällen in der palästinensischen. Zivilbevölkerung, die von den Extremisten bewusst in Kauf genommen oder sogar provoziert werden.

Das Leiden der Palästinenser lässt uns nicht kalt.

Die Lage vor allem im Gaza-Streifen, wo seit Juni die Hamas-Bewegung durch einen Putsch die Macht übernommen hat, ist besorgniserregend.

Auch in Israel setzen sich viele Gruppen der Gesellschaft für eine friedliche Lösung ein. Auch das verbindet uns: wir teilen die Achtung der Menschenwürde, die unveräußerliche Würde jedes Menschen ungeachtet seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Sprache, seines Glaubens, seiner Heimat und seiner Herkunft, wie es die Kanzlerin in ihrer Rede vor der Knesset unterstrichen hat.

Aus diesem Grunde unterstützt Deutschland alle Bemühungen in der Folge der Annapolis-Konferenz, diese Vision in die Tat umzusetzen.

Begleitend unternimmt die Bundesregierung erhebliche Anstrengungen, zum Aufbau von Institutionen für einen palästinensischen Staat beizutragen. Dieses Ziel verfolgt auch die Konferenz zum Aufbau der palästinensischen Zivilpolizei und des Rechtsstaates am 24. Juni in Berlin, die auch von Israel unterstützt wird.

Mir geht es darum, dass wir in vollem Bewusstsein und voller Verantwortung für die Vergangenheit, die deutsch-israelischen Beziehungen, die von beiderseitigen Interessen getragen werden, dynamisch für die Zukunft gestalten.

Es ist unsere Aufgabe, dass wir zu einem besseren Verständnis der Menschen in unseren Ländern, insbesondere der jungen Generation, kommen und dass wir zu einem realistischen Bild des jeweils anderen Landes beitragen.

Ich sehe es auch als meine Aufgabe an, den Generationswechsel in den deutsch-israelischen Beziehungen erfolgreich zu gestalten.

Ich wünsche mir, dass die Menschen in Deutschland die Komplexität der israelischen Realität manchmal ein bisschen besser verstehen und nachvollziehen.

Ich danke Ihnen.