Redner(in): Angela Merkel
Datum: 23.04.2008
Untertitel: am 23. April in Berlin
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/04/2008-04-23-rede-merkel-auftakt-girls-day-2008,layoutVariant=Druckansicht.html
Herzlich willkommen zum Girls " Day. Ich möchte die Mädchen, die heute bei uns hier im Bundeskanzleramt sind, ganz herzlich begrüßen, aber auch die Vertreter der Unternehmen. Das Treffen hier im Bundeskanzleramt ist schon eine richtige Tradition.
Morgen werden in Deutschland wieder einige tausend Unternehmen und Labore ihre Türen öffnen, damit Mädchen etwas Praxisluft schnuppern können und damit ihnen letztlich auch die Tür zu technischen Berufen geöffnet wird. Solche Einblicke in die Praxis sind meines Erachtens wichtig und notwendig, weil man durch sie die Scheu vor technischen Berufen verliert.
Ich glaube, dass dies deshalb so wichtig ist, weil wir erleben, dass sich Mädchen am Ende der Schulzeit sehr häufig für die so genannten klassischen Mädchenberufe entscheiden, wenn sie keine praktischen Erfahrungen haben. Wir wissen, dass sich die Hälfte aller Schulabgängerinnen, obwohl wir insgesamt 350 verschiedene Ausbildungsberufe haben, nur auf zehn Berufe bewirbt. Berufe in technischen und naturwissenschaftlichen Bereichen sind leider nicht dabei. Auch bei der Hochschulausbildung an einer Universität oder Fachhochschule entscheiden sich Mädchen sehr selten für Ingenieur- oder Informatikberufe.
Wir glauben, dass das zum großen Teil daran liegt, dass diese Berufe gar nicht bekannt sind oder Mädchen sich diese nicht so richtig zutrauen. Wir sind aber auch der Überzeugung, dass dies ein Fehlurteil ist. Dieses Zutrauen sollte durchaus gegeben sein.
Dazu ist der Girls " Day ein Ansatz, weil wir wissen, dass in den technischen und ingenieurswissenschaftlichen Berufen gute Verdienstmöglichkeiten gegeben sind, weil es sehr interessante und vielfältige Berufe sind und weil wir natürlich auch wissen, dass ein großer Fachkräftebedarf seitens der Wirtschaft im Bereich technischer Berufe bestehen wird, wenn in den nächsten Jahren die Zahl der Schulabgänger geringer wird. Es wäre schade, wenn Arbeitsplätze aus unserem Land abwandern würden, weil wir keine Arbeitskräfte finden, währenddessen Mädchen sich Berufe aussuchen, in denen man vielleicht gar keine Zukunft hat. Das wollen wir ändern.
Am Anfang dieser Woche war ich auf der Hannover Messe. Viele Betriebe haben mir dort gesagt, wie schwierig es für sie ist, Nachwuchs zu finden. Die Palette der Berufe, in denen besonders viele Fachkräfte gebraucht werden, reicht vom Elektriker oder Schlosser bis hin zum Maschinenbauingenieur. Das sind Berufe, bei denen man im Augenblick hervorragende Berufschancen hat. Deshalb müssen wir uns damit beschäftigen.
Wir wissen, dass Berufswünsche schon sehr früh entstehen. Deshalb sind Unternehmensbesuche und Schnuppertage von großer Bedeutung. Der Girls " Day als Aktionstag spielt dabei eine wichtige Rolle. Im vergangenen Jahr haben immerhin 140. 000Mädchen an über 8. 000Veranstaltungen teilgenommen. Viele haben dadurch ganz neue Berufe kennen gelernt und sind in Betriebe gekommen, in die sie sonst vielleicht überhaupt nicht gekommen wären.
Dafür, dass dies überhaupt möglich war, muss man Dankeschön sagen. Ein Dankeschön gilt der "Initiative D21" mit ihrem Präsidenten, Herrn Bischoff, und den Mitgliedsunternehmen, die sich dieser Angelegenheit wesentlich verschrieben haben. Ich danke Ihnen allen ganz herzlich, die Sie dabei mitmachen und jungen Frauen Chancen eröffnen. Damit ergänzen Sie die Bestrebungen der Bundesregierung. Die Themen Ausbildung, Qualifizierung und Berufsbildung müssen vorangetrieben werden. Wir haben in Deutschland nicht so viele Rohstoffe. Aber wir haben Köpfe, Gedanken und viele Ideen. Diesen müssen wir natürlich voranhelfen.
Wenn man bestimmte Berufe erlernen will, dann muss man natürlich an bestimmten Unterrichtsfächern interessiert sein. Heutzutage nennt man diese Fächer die MINT-Fächer. Dies sind Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Viele wissen vielleicht, dass dieses Jahr das "Jahr der Mathematik" ist. Mathematik ist für manche etwas Trockenes oder Schwieriges. Wenn man aber einmal Spaß daran gefunden hat, dann weiß man, dass es sehr viel Freude machen kann, dass man damit Aufgaben gut lösen kann und dass vor allen Dingen hinter eigentlich allen technischen Prozessen Mathematik steckt. Die Mathematik entwickelt sich parallel zu den technischen Möglichkeiten. Deshalb ist Mathematik eine wichtige Voraussetzung, um sich an Naturwissenschaften zu erfreuen.
Meine Rede zielt darauf ab, den Mädchen zu sagen: Habt Mut, technische Berufe zu erlernen.
In jedem Jahr haben wir eine Preisfrage, anhand der wir erkennen können, wie sich die Dinge entwickeln. Im vergangenen Jahr ist zu den Ausbildungsberufen ein neuer hinzugekommen, nämlich der Mathematisch-technische Softwareentwickler. Dies ist ein Beruf, der Mathematik und Informatik ganz eng miteinander verknüpft. Eine entsprechende Ausbildung wird vor allem in großen Unternehmen, in Forschungseinrichtungen, in Rechenzentren und Universitäten angeboten. Weil es ein neuer Beruf ist, waren die Ausbildungszahlen auch bei den männlichen Bewerbern noch nicht so groß. Immerhin haben 103Männer mit einem Ausbildungsvertrag diesen Beruf sozusagen ins Auge gefasst.
Die Frage war: Wie viele junge Frauen haben eine Ausbildung als Mathematisch-technische Softwareentwicklerin begonnen? Die richtige Antwort lautet: 31. Also weniger als ein Drittel der jungen Männer.
Ich weiß zwar nicht, wer Lara Hoffmann ist. Sie hat aber auf jeden Fall gewonnen. Sie ist Schülerin des Heinrich-Hertz-Gymnasiums. Ich gratuliere dir und deiner Klasse ganz herzlich. Du hast den Preis nämlich nicht nur für dich gewonnen, sondern gleich für die ganze Klasse. Ihr könnt eine Reise in die Experimentierlandschaft "Phaeno" nach Wolfsburg unternehmen. Dort könnt ihr die faszinierende Welt der Technik hautnah erleben. Ich hoffe, das wird für die ganze Klasse eine tolle Reise mit neuen Entdeckungen.
Der Preis fällt natürlich nicht vom Himmel, sondern er hat einen Stifter. Dies ist derjenige, der den Preis bezahlt und dafür etwas tut. Das ist die "Initiative D21", von der ich bereits gesprochen habe.
Ich wünsche euch eine super Reise. Danke, dass du das für deine Klasse möglich gemacht hast.
Ich werde mir gleich noch anschauen, was die Unternehmen hier anbieten, um Mädchen für Technik zu begeistern. Ich sage ein herzliches Dankeschön fürs Mitmachen.