Redner(in): Angela Merkel
Datum: 24.04.2008

Untertitel: am 24.April in Berlin
Anrede: Lieber Herr Adenauer, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/04/2008-04-24-merkel-familienunternehmer-asu,layoutVariant=Druckansicht.html


liebe Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,

ich freue mich, heute hier bei Ihnen zu sein. Ich habe mir vor geraumer Zeit vorgenommen, hierher zu kommen. Wir arbeiten zum Beispiel auch im Innovationsrat gut zusammen und pflegen daher einen dauerhaften Kontakt.

Meine Anwesenheit ist auch Ausdruck dessen, dass ich Ihnen, den Vertretern bzw. den Repräsentanten der vielen Familienunternehmen in Deutschland, ein herzliches Dankeschön sage. Denn es sind in der Tat die Familienunternehmen, die in einer Zeit, in der sich alles unglaublich schnell wandelt, Traditionsbewusstsein und Verwurzelung zeigen und die gleichzeitig innovativ sind und sich den Herausforderungen des Wettbewerbs stellen.

Wir wissen, dass die Mehrzahl der Ausbildungsplätze in Familienunternehmen geschaffen wird. Wir wissen, dass mehr als 95Prozent aller Unternehmen in Deutschland Familienunternehmen sind. Mehr als 41Prozent der Umsätze und 57Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse entfallen auf Familienunternehmen. Die Zahl der Ausbildungsverträge stieg im letzten Jahr um 8, 6Prozent an. Das heißt, dass gerade in Ihren Betrieben der Mut, auch jungen Menschen eine Chance zu geben und auf die Zukunft zu setzen, in besonderer Weise ausgeprägt ist.

Ich sage das zu Beginn, weil ich weiß, dass sich gerade auch Familienunternehmen, die sozusagen den Kernbereich dessen, was wir Mittelstand nennen, ausmachen, den Herausforderungen der Globalisierung jeden Tag in ganz besonderer Weise zu stellen haben. Da gibt es eben kein Netz und keinen doppelten Boden, da kann man nicht irgendwie mit einem Bonus nach zwei Jahren verschwinden. Damit habe ich jetzt nicht all die angegriffen, die das können; es ist wichtig, dass wir auch solche Leute haben. Aber in einem Familienunternehmen ist man über Generationen in die Pflicht und Verantwortung eines Familienverbandes eingebunden, ausgestattet mit vielen Hoffnungen. Da sind die Emotion und die Leistungskraft ganz eng miteinander verbunden. Ich sage das Sie kennen das alles aus dem täglichen Erleben, damit Sie wissen, dass wir eine kleine Vorstellung davon haben, was Sie zu leisten haben, aber was Sie auch gerne für dieses Land leisten.

Ich weiß auch, dass sich Familienunternehmen niemals leicht tun würden, dieses Land zu verlassen. Ich weiß, dass viele von Ihnen von Private-Equity-Gesellschaften und anderen mit Argusaugen daraufhin beobachtet werden, ob Sie ein paar Streitigkeiten haben, nicht mehr so gut zusammenhalten und ob vielleicht der Verkauf mitsamt des gesamten Know-how aus jahrzehntelanger innovativer Entwicklung eine Möglichkeit wäre. Umso mehr möchte ich Ihnen hier zu Beginn danken und sagen, dass wir versuchen, die Politik an Ihren Belangen auszurichten. Das bedeutet, dass im 60. Jahr der Sozialen Marktwirtschaft die Währungsreform, die in diesem Jahr 60Jahre alt wird, ist ja mit dem Beginn der Sozialen Marktwirtschaft verbunden die Freiheit des Unternehmers genauso wichtig ist wie vor 60Jahren. Sie ist konstitutiv für den Erfolg dieses Landes. Nur so kann die Soziale Marktwirtschaft auch ein Modell für die Zukunft bleiben.

Meine Damen und Herren, wir werden in diesem Jahr das habe ich Herrn Adenauer und dem Präsidium gerade gesagt an diese 60Jahre Soziale Marktwirtschaft erinnern. Ich finde es gut, dass Sie Ihren Verband in diesem 60. Jahr bzw. kurz davor noch umbenannt haben und dass Sie die Familienunternehmer nun auch im Namen in den Mittelpunkt stellen."ASU" ist vielleicht schön für Insider, aber wenn man ab und zu auch dem, der sich nicht mit Abkürzungen beschäftigt, erklären möchte, wer da gemeinsam Verantwortung trägt, sich zusammenschließt und für seine Interessen kämpft, dann kann er sich unter dem Namen "Die Familienunternehmer" wirklich viel mehr vorstellen als unter "ASU". Das war auch ein Schritt hin zu mehr Akzeptanz von dem, was Familienunternehmer tun.

Nun haben wir in unserem Land in den letzten Jahren doch erfreuliche Entwicklungen zu verzeichnen. Wir haben im Augenblick etwa 1, 5Millionen Arbeitsplätze mehr als vor zwei Jahren. Das ist das Ergebnis von Reformen, die auch mit der Agenda 2010 zu tun hatten. Ich sage im Übrigen auch: All diese Reformen wären nicht Realität geworden, wenn sich die CDU-Mehrheit im Bundesrat damals so verhalten hätte wie Herr Lafontaine zu Zeiten von Helmut Kohl. Wir haben nämlich nicht blockiert, wir haben nicht gesagt, das machen wir alles nicht, sondern wir haben gesagt: Das ist richtig für das Land und deshalb unterstützen wir das. An einigen Stellen haben wir sogar Verbesserungen eingebracht.

Wir haben diese Reformen fortgesetzt. In diesem Jahr ist die Unternehmensteuerreform in Kraft getreten. Wir konnten die Lohnzusatzkosten senken. Wir haben oft darüber gesprochen. Als ich Bundeskanzlerin wurde, hatte ich einen Haushalt mit etwa 30Milliarden Euro Neuverschuldung vor mir. Wir haben den Menschen etwas zugemutet, indem wir die Mehrwertsteuer erhöht haben. Davon haben wir aber einen Teil zur Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge verwendet und sind jetzt bei einem Beitragssatz in Höhe von 3, 3Prozent. Zu Beginn dieser Legislaturperiode waren es 6, 5Prozent. Auch wenn wir die Erhöhungen im Bereich der Rente und im Bereich der Pflege gegenrechnen, so haben wir immer noch eine Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Unternehmen von fast 14Milliarden Euro.

Hinzu kommen sechsMilliarden Euro durch die Unternehmensteuerreform, bei der wir in ganz spezieller Weise darauf geachtet haben, dass auch die Personengesellschaften von ihr profitieren. Wir haben dies durch die Thesaurierung eingeführt. Ich glaube, viele sind davon auch im positiven Sinne betroffen. Die Schwierigkeit das will ich ausdrücklich sagen liegt manchmal darin: Wenn man eine Reform macht, melden sich die, die positiv betroffen sind, nicht, und die, die eine Nachteil haben, melden sich. Dadurch entsteht natürlich manchmal ein Eindruck, der nicht ganz repräsentativ ist. Ich glaube aber, insgesamt ist die Frage der Steuersätze das wird auch seitens der deutschen Wirtschaft gesagt, das wird auch von allen ausländischen Investoren so gesehen jetzt so geregelt, dass wir international wieder wettbewerbsfähig sind. Neben der Erhaltung und Mehrung unserer Unternehmen im Lande brauchen wir auch ausländische Investitionen. Insofern war das ein richtiges Zeichen.

Nun wissen wir, Herr Adenauer, dass das Thema Erbschaftsteuerreform eines ist, das Sie in ganz besonderer Weise berührt. Der Grundansatz ist richtig: Wir haben gesagt, dass wir Unternehmen bei der Generationenübergabe entlasten wollen, wenn das Vermögen im Unternehmen bleibt. In die Gesetzgebung hineingekommen ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Bewertung von Immobilien im Vergleich zu Kapitalvermögen lange erwartet, aber als sie dann kam, stellte sie natürlich trotzdem eine Schwierigkeit dar. Wenn wir diese Verfassungsgerichtsentscheidung einfach umsetzen würden, dann würde die Erbschaftsteuer in Deutschland massiv steigen, das ist ganz klar. Wir haben aber gesagt: Wir wollen eine Erbschaftsteuerreform machen, bei der die Länder, die das Geld aus der Erbschaftsteuer einnehmen, zum Schluss nicht mehr Geld einnehmen, als sie bisher eingenommen haben. Gleichzeitig wollen wir die Familienunternehmen in besonderer Weise entlasten.

Jetzt wissen wir wir haben eben im Detail darüber gesprochen, dass wir noch einige Veränderungen in der parlamentarischen Beratung vornehmen sollten. Wir sind darüber in engem Kontakt. Ich sage aber auch: Mit mir wird es nur eine Erbschaftsteuerreform geben, bei der die Gruppe, der wir helfen wollen, zum Schluss auch sagt: Ja, es ist uns geholfen. Es gibt natürlich unglaubliche Fallkonstellationen und eine unglaubliche Vielfalt unter den Familienunternehmen. Das liegt auch in der Natur der Sache: Sie sind so kreativ, sie sind so vielfältig und sie sind so gut, weil sie auch so unterschiedlich sind. Wir haben aber schon einige Punkte identifiziert, an denen wir nachsteuern müssen, um dann auch ein befriedigendes Ergebnis zu bekommen.

Wir haben uns überlegt: Mit welchen Maßnahmen jenseits der Unternehmensteuerreform und jenseits der Erbschaftsteuerreform können wir den Geist der Sozialen Marktwirtschaft fördern und gleichzeitig Beschäftigung besser unterstützen? Die erste Frage, die wir uns gestellt haben, war: Wo liegt Deutschlands Zukunft? Ich glaube, wir sind uns einig: Deutschlands Zukunft liegt in dem, was in unseren Köpfen ist, in dem, was an Innovation erbracht wird. Wir sind kein rohstoffreiches Land. Deshalb müssen wir natürlich dafür sorgen, dass Forschung und Entwicklung in Deutschland einen ganz besonderen Stellenwert haben.

Diese Bundesregierung bzw. die Bundesforschungsministerin hat zum ersten Mal eine systematische Hightech-Strategie entwickelt. Wir haben uns vorgenommen, dreiProzent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben. Wir haben auch eine ganze Reihe von Maßnahmen entwickelt, die Forschungsgelder und Forschungskooperationsmöglichkeiten gerade auch beim Mittelstand ankommen lassen. Man könnte das natürlich auch verteilen und trotzdem nicht erreichen, dass die, die es besonders brauchen, gerade im Mittelstand, daran partizipieren können. Ich denke aber, dass Instrumente wie die Forschungsprämie und auch die Wissenschaftsunion, in der Wirtschaft und Wissenschaft zusammenarbeiten, neue Instrumente sind, mit denen wir einen Weg gehen können, auf dem wir in den 17Branchen, die wir klassifiziert haben, auch wirklich Weltspitze bleiben oder Weltspitze werden können.

Manch einer von Ihnen war vielleicht auch auf der Hannover Messe. Wenn man sich dort angeschaut hat, was es allein im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Energietechnik an Schaffenskraft, an Innovationskraft in Deutschland gibt, dann kann man das schon beeindruckend finden. Diese Kraft soll von der Bundesregierung weiter gefördert werden.

Wir haben ich glaube, auch das spüren Sie im gesamten Ausbildungs- und Forschungsbereich ein Umdenken hin zu mehr Exzellenz. Es wird nicht mehr einfach gesagt: Irgendwie ist nach dem Humboldtschen Geiste jede Universität gleich. Vielmehr haben wir inzwischen klar klassifiziert, wo die Stärken der deutschen Bildungslandschaft liegen. Das war für manch einen, der ein bisschen weiter nördlich wohnt, bitter. Das muss nicht immer so bleiben. Aber zunächst einmal muss man sagen: Im Süden gibt es eben sehr, sehr gute Hochschulen. Dass eine Hochschule wie Aachen jetzt auch eine Chance hat, dass Göttingen dabei ist und dass wir uns vielleicht in ein paar Jahren weiter nach Norden vorarbeiten können aber nicht durch Gleichmacherei, sondern durch das Aussprechen, wo Klasse ist und wo keine Klasse ist, ist das, was wir in Deutschland wirklich brauchen.

Wir haben jetzt zwei nationale Akademien etwas, worum wir jahrzehntelang gerungen haben. Die Leopoldina wird die Aufgabe der Nationalakademie übernehmen. Und mit der acatech haben wir zum ersten Mal eine national ausgerichtete technische Akademie. Wir stellen uns damit auch der Globalisierung, denn ansonsten weiß natürlich niemand bei allem Respekt vor allen regionalen Akademien, wen man in Deutschland ansprechen soll, wenn man Beratung braucht. Wir wollen diese Beratung auch seitens der Bundesregierung nutzen.

Wenn wir über Weichen in die Zukunft sprechen, dann will ich daran erinnern, dass wir in der Großen Koalition den Beschluss gefasst haben, dass wir aus der Steinkohle aussteigen werden. Das liegt in einer gewissen Zukunft, aber es hat schon Generationen von Politikern gegeben, die die Kraft zu dieser Entscheidung nicht hatten. Wenn das alles so verläuft, wie ich das einschätze, werden wir mit der Privatisierung der Bahn einen weiteren Schritt gehen. Ja, die Union hätte sich da mehr gewünscht. Statt 49, 9Prozent Privatisierung werden es unter 25Prozent sein. Aber immerhin wird ein wichtiger erster Schritt gegangen.

Wir haben uns einem Thema zugewandt, das von außerordentlicher gesellschaftlicher Brisanz ist: Das ist die Integration sowohl von jungen als auch von älteren Menschen mit Migrationshintergrund in unsere Gesellschaft. In deutschen Großstädten haben wir bei den Einschulungen schon heute einen Anteil von fast 50Prozent Migrantenkindern. Wenn diese Entwicklung weiter so verläuft, ohne dass wir etwas tun, dann werden wir in Zukunft einen Prozentsatz von jungen Leuten haben, die Sie als nicht ausbildungsfähig einstufen, den wir uns nicht leisten können.

In den nächsten Jahren wird sich die Ausbildungskurve ich bin sehr dankbar für Ihre Leistungen im Ausbildungspakt so darstellen, dass sich die Suche nach Fachkräften noch einmal verstärkt. Wenn wir es nicht schaffen, die Schulabschlüsse zu verbessern und die Menschen mehr für technische Berufe zu interessieren, dann wird eine unglaubliche Lücke in Deutschland auftreten und dann können wir das beste Know-how und die schönsten Familienunternehmen haben, aber wenn sich letztlich kein Nachwuchs findet, der die Arbeitsplätze füllt, dann werden die Unternehmen noch einmal aus einem ganz anderen Grund ins Ausland gezwungen werden. Das können und dürfen wir uns nicht leisten.

Meine Damen und Herren, wir haben das so genannte Standardkostenmodell die, die an der holländischen Grenze wohnen, kennen das bei uns eingeführt. Unsere Staatsministerin Hildegard Müller ist dabei, die Bürokratiekosten für die Statistikpflichten und die Berichtspflichten um 25Prozent zu senken. Das ist eine Aufgabe, die vielleicht nicht sehr spektakulär ist, wir werden sie aber in dieser Legislaturperiode ein ganzes Stück weit voranbringen. Hier werden wir wichtige Weichenstellungen vornehmen.

Wir haben auch einen Beschluss gefasst, der eine Antwort auf die demografische Situation ist, nämlich die Rente mit 67. Dieser Beschluss bedeutet auch ein Stück Berechenbarkeit für die Menschen. Die Rente mit 67 wird nicht sofort eingeführt. Denn wir haben gesagt, wir müssen bis zum Jahr 2012, wenn sie schrittweise angehoben wird, dafür sorgen, dass die Menschen überhaupt die Chance haben, bis 67 oder erst einmal bis 65 zu arbeiten. Wir haben heute glücklicherweise die Situation, dass wieder über 50Prozent der über 55- bis 64-jährigen Menschen beschäftigt sind. Wir waren schon einmal auf 40Prozent abgesunken.

Wenn wir über die Akzeptanz von Sozialer Marktwirtschaft sprechen, dürfen wir solche Zahlen nicht vergessen. Menschen, die im Vorruhestand sind, würden natürlich gern ihre eigene Lebenssituation noch verbessern. Aber hier ist über Jahre auch, weil wir nicht genügend Arbeitsplätze hatten ein Beschäftigungsabbau betrieben worden, der heute von manch einem wieder bedauert wird. Ich rede jetzt wieder in der falschen Kirche, denn es waren vor allen Dingen die Großunternehmer, die diesen Abbau betrieben haben. Heute treffe ich viele von denen, die sagen: Schade, dass wir diese Routine und diese Erfahrung einfach aus unseren Betrieben genommen haben, denn heute könnten wir das dringend gebrauchen. Ich sage Ihnen: Eine Gesellschaft, die die Soziale Marktwirtschaft akzeptieren soll, darf keine Gesellschaft sein, in der man mit 55 zum alten Eisen gehört. Das passt nicht in unsere Zeit.

Wir haben darüber auch sehr ernste Gespräche mit den Tarifpartnern, vor allen Dingen mit den Gewerkschaften geführt. Wenn immer mehr Tätigkeiten mechanisiert werden und wenn als Ausgleich dafür, dass besonders hohe Tarifabschlüsse erzielt werden, bestimmte Arbeitsmöglichkeiten gar nicht mehr existieren, dann wird der Druck, nur noch denjenigen zu beschäftigen, der alles nur noch ganz schnell kann, natürlich ganz groß. Dann werden aber der knappe Schwung der Routine und die Erfahrung nicht mehr geachtet. Das ist langfristig nicht gut für unsere Unternehmen.

Deshalb werden wir jetzt auch das sage ich an dieser Stelle ganz klar allem Ansinnen, die Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit über das Jahr 2008 auszudehnen, entgegentreten. Ich sage das jetzt aus Unionssicht. Das wird die Bundesregierung nicht machen. Wir glauben vielmehr und dazu stehen wir auch ganz entschieden, dass wir alles daransetzen müssen, dass die Lebensarbeitszeit der Menschen länger wird und dass nicht wieder Anreize geschaffen werden, Menschen früher aus dem Betrieb herauszunehmen.

Wir wissen auch, dass ein Instrument, das den Beschäftigungsaufbau möglich gemacht hat und das gerade den Menschen, die nicht sehr qualifiziert sind, einen Einstieg ermöglicht hat, die Zeitarbeit ist. Deshalb haben wir auch ganz klar gesagt: Die Zeitarbeit wird nicht ins Entsendegesetz aufgenommen, sie wird nicht unter den allgemeinen Mindestlohn gesetzt. Wir brauchen dieses Instrument der Flexibilisierung, weil es Hunderttausenden von Menschen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet hat.

Damit bin ich, meine Damen und Herren, bei einem Thema, das Sie natürlich auch sehr berührt, obwohl die meisten damit vielleicht gar nicht so viel zu tun haben: Das ist die Frage der Mindestlöhne. Ich sage hier ganz deutlich: Wir kennen in Deutschland ein Mindesteinkommen. Das ist durch HartzIV, durch das ArbeitslosengeldII festgelegt. Das ist ein Einkommen, bei dem wir in Fällen von Familien mit sehr vielen Kindern schon erhebliche Schwierigkeiten haben, Anreize zur Aufnahme von Arbeit zu setzen, weil der Satz für ein Kind im ArbeitslosengeldII deutlich höher ist als das Kindergeld.

Deshalb sagt die Union auch: Wenn wir die Kindergelderhöhung jetzt ermöglichen können, weil das Existenzminimum für die Kinder gestiegen ist es gibt eine objektive Art, das festzustellen, dann müssen wir das natürlich auch tun, damit die Differenz zwischen dem Satz im ArbeitslosengeldII und dem Kindergeld nicht immer größer wird und damit nicht mit der Zahl der Kinder die Anreize zur Aufnahme von Arbeit immer geringer werden.

Wir haben deshalb sehr deutlich gesagt: Wir haben ein Mindesteinkommen, daher lehnen wir jetzt spreche ich einmal als Parteivorsitzende allgemeine gesetzliche Mindestlöhne ab. Deshalb haben wir zwei Instrumente ins Auge gefasst. Das erste ist das Entsendegesetz, das wir heute schon kennen und dem schon die gesamte Bauindustrie unterliegt. Zeitarbeit wird nicht darunter fallen. Die Branchen können ihr Interesse an Mindestlöhnen anmelden. Bisher gibt es aber nur eine kleine Zahl von Anmeldungen. Es gibt Branchen, die einem starken internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, in denen zuerst der Tarifausschuss darüber befinden wird.

Das zweite ist ein altes Instrument, das wir wieder herausgekramt haben: das Mindestarbeitsbedingungengesetz. Nun weiß ich, dass Sie darauf mit äußerster Skepsis schauen. Deshalb will ich dazu eines sagen: Die Tarifautonomie ist in Deutschland eine grundgesetzlich geschützte und auch erlaubte Möglichkeit, die es so in keinem anderen europäischen Land gibt. Sie bedeutet auch die negative Koalitionsfreiheit, das weiß ich, aber sie bringt auch eine gewisse Verantwortung mit sich. Deshalb ist der Vergleich, dass 22 andere europäische Länder Mindestlöhne haben, kein schlüssiger Vergleich, weil wir ein völlig anderes System haben.

Wenn wir in den Bereich der Tarifbindung schauen, müssen wir aber auch ehrlich sein und sehen, dass die Tarifbindung zum Teil um Größenordnungen geringer geworden ist, als das noch vor 20 oder 30Jahren der Fall war. Deshalb haben wir gesagt: Wenn wir Bereiche haben, in denen es überhaupt keine oder nur zu einem ganz unwesentlichen Teil Tarifverträge gibt, dann gibt es schon so etwas wie eine Verantwortung des Staates, dort einmal hinzugucken und mit den Tarifpartnern gemeinsam zu überlegen, ob dort nicht eine gewisse Schranke gesetzt werden muss. Ich könnte Ihnen da viele Beispiele nennen, will das jetzt aber nicht tun. Meine Hoffnung ist, dass sich die Tarifpartner angesichts dieses Instruments vielleicht doch einmal wieder zusammensetzen und versuchen, an alte Tarifverträge anzuknüpfen. Aber ich weiß zum Beispiel vom nordrhein-westfälischen Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, dass die Gesprächskultur oft vollkommen zerbrochen ist.

Was die Tarifbindung anbelangt, war die Deutsche Einheit schon eine Zäsur. In den neuen Bundesländern ist die Tarifbindung zum Teil erschreckend gering. Ähnlich, wie es in der alten Bundesrepublik manche von Ihnen werden sich erinnern ein so genanntes Heimarbeitergesetz gab, mit dem man auch Mindeststandards festgelegt hat, so wollen wir das nun auch tun, aber nicht mit dem Ziel, alle über einen Kamm zu scheren. Eines sage ich auch ausdrücklich: Dort, wo es Tarifverträge gibt, haben diese Vorrang vor allen anderen Regelungen.

Meine Damen und Herren, wir haben ein Thema, das viele Gemüter bewegt und zu dem ich deshalb auch etwas sagen will, nämlich das Thema der Gesundheitsreform. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass in den vergangenen Jahren die Beiträge sehr häufig gestiegen sind, allein im vergangenen Jahr um 0, 7Prozentpunkte.

Ich sage das deshalb, weil es keinen Fonds gab und weil man deshalb auch nicht dem Fonds die Schuld für die Beitragssatzsteigerungen geben kann. Es wird immer gesagt, der Wettbewerb unter den Krankenkassen werde durch diesen Fonds kaputt gemacht. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass das Gegenteil der Fall ist. Der Fonds wird nichts anderes verursachen, als eine durchschnittliche Zuweisung pro Krankheitsfall an die Krankenkassen festzulegen. Die Krankenkassen haben dann die Möglichkeit, einen Aufschlag oder einen Abschlag zu vereinbaren und somit ihren Versicherten zu geben oder zu nehmen, so dass sie damit ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis stellen müssen. Wir wollen also zum ersten Mal den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sichtbar machen. Denn heute geht das nicht, weil die Einnahmen und Ausgaben der Kassen völlig durcheinandergehen.

Im Übrigen wird dies für Ihre Abrechnungssysteme sehr hilfreich sein, weil Sie dann nur noch einen Beitrag an alle Kassen zu überweisen haben. Sie denken, es sei ein Einheitsbeitrag. Die Kasse muss wegen des unterschiedlichen Beitrags entscheiden, ob sie ihren Versicherten etwas zurückgeben kann oder ob sie einen Zusatzbeitrag erheben muss. Das ist der Sinn der gesamten Sache. Deshalb wird man letztlich mehr Wettbewerb haben. Das ist im Übrigen dem niederländischen System sehr nachgebildet. Deshalb möchte ich mit Ihnen gern noch einmal darüber sprechen, falls Sie Fragen haben.

Meine Damen und Herren, für einen starken Industriestandort Deutschland brauchen wir auch das werden Sie sicher gemeinsam mit mir unterstreichen eine vernünftige Energiepolitik. Ich stehe zum Klimaschutz. Ich stehe dafür, dass wir das intelligent machen, das heißt mit möglichst vielen marktpolitischen Instrumenten und möglichst wenigen ordnungspolitischen Instrumenten.

Deshalb schaue ich mir alles, was um das Auto herum in Brüssel geschieht, mit größter Skepsis an. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht eine Überzahl von Instrumenten haben. Hier die Zertifizierung, dort das Ordnungsrecht, wie wir es auch aus Deutschland kennen, was letztlich nicht die intelligentesten Lösungen wirksam werden lässt.

Wir müssen vor allen Dingen etwas tun, was in unserem Land manchmal verloren geht. Wir müssen für eine Energiepolitik sorgen, mit der ein Industrieland wie Deutschland seine eigene Energieversorgung für die Zukunft sicherstellt. Die derzeitigen Diskussionen stellen keinen Beitrag zu diesem Weg dar.

Wenn wir aus der Kernenergie aussteigen was ich persönlich für falsch halte; ich bin für eine Verlängerung der Laufzeiten, weil wir die sichersten Kernkraftwerke der Welt haben, dann machen wir etwas, was weder für den Klimaschutz noch für unsere eigene Energieversorgung gut ist. Wenn wir zudem sagen, dass wir keine Kohlekraftwerke mehr bauen wollen, dann kommen wir in eine Situation, in der wir 70Prozent unserer heutigen Stromerzeugung zur Disposition stellen. Wer glaubt, dass wir diesen Anteil der Stromerzeugung durch Sparen oder erneuerbare Energien ersetzen können, der trägt zwar zu steigenden Energiekosten und einer größeren Abhängigkeit von anderen Regionen der Welt bei, aber nicht zu einer stabilen Energieversorgung in Deutschland. Das muss ich ausdrücklich so sagen.

Ich sage das auch zu Ihnen, weil wir bis weit in das bürgerliche Lager hinein Diskussionen über moderne Kohlekraftwerke führen, die es in dieser Form vor einigen Jahren noch nicht gegeben hat. Die neuen Kohlekraftwerke sind effizienter, intelligenter, sauberer und vernünftiger. Deshalb lautet meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns zusammenarbeiten, denn wir können nicht auf der einen Seite über steigende Energiekosten jammern und auf der anderen Seite den Bau von Hochspannungsleitungen verhindern, den Bau von Kohlekraftwerken verhindern, aus der Kernenergie aussteigen und uns dann wundern, dass alles teuerer wird. Das geht nicht.

Deshalb haben wir auf dem Weg in die Zukunft noch eine Menge zu tun. Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, als einen Beitrag zur Nachhaltigkeit neben der Senkung der Lohnzusatzkosten auf unter 40Prozent einen ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2011 vorzulegen. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe auf Seiten des Bundes. Wir haben viele Ansinnen, zum Teil auch von den Ländern. Ich sage aber ganz deutlich: Zukunftsvorsorge heißt auch, nach Jahrzehnten endlich wieder aus dem Schuldenmachen herauszukommen und künftigen Generationen nicht alle Investitionsmöglichkeiten zu nehmen.

Daher glaube ich, dass wir eine Vielzahl von Schritten auf den Weg gebracht haben bzw. noch dabei sind, sie auf den Weg zu bringen, die unseren Industriestandort stärken. Es ist aber auch richtig, den Blick ins nächste Jahrzehnt zu lenken: Steinkohleausstieg, die Frage des höheren Renteneintrittsalters. All das sind Projekte des nächsten Jahrzehnts. Denen werden viele folgen müssen, denn andere auf der Welt schlafen nicht.

Mit dem heutigen Tag, an dem der Deutsche Bundestag den EU-Reformvertrag verabschiedet hat, sind wir einen guten Schritt dahin gekommen, unsere Interessen in Europa besser bündeln zu können. Herr Adenauer, deshalb gibt es in der globalisierten Welt nicht mehr eine Trennung zwischen Außenpolitik und Innenpolitik in der Form wie früher. Vielmehr müssen wir unsere Hausaufgaben zu Hause machen und für unsere Interessen in der Welt werben.

Meine Anstrengungen im Hinblick auf eine transatlantische Wirtschaftspartnerschaft stellen einen solchen Beitrag dar. Wir leisten uns viel zu viele Handelshemmnisse zwischen Amerika und Europa, und zwar nichttarifäre Handelshemmnisse mit Normengebung und sonstigen Abgrenzungen, bei denen wir Milliarden und Abermilliarden verplempern wenn ich das so lax sagen darf, die wir aber für Innovationen, für Investitionen in die Zukunft und für unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Schwellenländern brauchen.

Wenn wir gemeinsam für mehr Transparenz der Finanzmärkte eintreten, wenn wir für den Schutz des geistigen Eigentums eintreten, dann hat das gravierende Auswirkungen auf Ihre Arbeit und auf Ihre Möglichkeiten, Innovationen im Ausland anzubringen, ohne dass jedes Patent gleich kopiert wird. Auch das ist ein ganz wichtiges Stück Sicherheit.

Deshalb ist mein ausdrücklicher Wunsch, dass wir das 60. Jahr der Sozialen Marktwirtschaft, das Jahr 2008 dazu nutzen, die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gestärkt aus diesem Jahr zu entlassen und sie nicht durch einzelne Vorkommnisse unmittelbar immer wieder zu beschädigen.

Ich weiß, dass ich mit Ihnen, den Familienunternehmern, einen natürlichen Verbündeten habe. Deshalb bin ich heute gern hierher gekommen. Deshalb werden wir auch bei strittigen Themen weiter in Kontakt bleiben. Deshalb wünsche ich Ihnen von Herzen alles Gute für Ihre Unternehmen, für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und damit auch für unser ganzes Land.

Herzlichen Dank.