Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 19.06.2008

Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann ging in seiner Rede auf die Gründung der "Initiative Musik" ein, wies auf die derzeitige Situation der Verwertungsgesellschaften hin, und betonte, wie wichtig die Funktion der GEMA ist, kulturelle Vielfalt zu sichern.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/06/2008-06-19-rede-neumann-gema,layoutVariant=Druckansicht.html


Ich denke, es war ein kluger Schritt, dass sich die GEMA im vergangenen Jahr hier in Berlin ihr Hauptstadtbüro eröffnet hat. Nichts gegen das schöne München doch scheint mir, dass auf diese Weise noch besser die wichtigen Kontakte zur Politik und zu den Multiplikatoren aus Kultur und Wirtschaft so unmittelbar und, ja, auch so ungezwungen gepflegt werden wie beispielsweise beim heutigen Abend. Für ein Unternehmen wie die GEMA ist es von grundlegender Bedeutung, mit seinen Anliegen bei den Entscheidungsträgern dieses Landes richtig verstanden zu werden. Umgekehrt brauchen wir die GEMA auch als Ansprechpartnerin in einer Zeit, in der nicht nur die Herausforderungen der Digitalisierung gemeistert werden müssen, sondern vor allem von europäischer Seite Druck mit wettbewerbspolitischen Argumenten ausgeübt wird.

Ich begrüße es sehr, dass die GEMA, die älteste und größte Verwertungsgesellschaft Deutschlands, im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe den Dialog und den Austausch pflegen möchte. Als programmatischen Auftakt dieser Reihe haben Sie das Thema "Kulturauftrag der GEMA" gewählt. Es ist wichtig, über diesen Kulturauftrag zu sprechen, denn er tritt manchmal, auch in der öffentlichen Wahrnehmung, etwas in den Hintergrund. Die GEMA fördert Kultur, und auch wir der Bund profitieren davon.

Gemeinsam mit Ihnen und der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten ( GVL ) haben wir die "Initiative Musik", die erste Bundesinitiative zur Förderung populärer Musik in Deutschland, aus der Taufe gehoben. Sie wird der deutschen Rock- , Pop- und Jazzmusik in den Bereichen Nachwuchs, Export und Integration wichtige Impulse geben. Vor zehn Tagen [am 9. 6.] wurden die Förderprogramme der Öffentlichkeit vorgestellt, in Kürze wird die Initiative dann auch ihre Projektförderung aufnehmen. Ich weiß, dass schon viele junge Talente in den Startlöchern stehen. Ich hoffe aber auch sehr, dass die geplanten neuen Projekte im Rahmen des Kulturkonzepts der GEMA, über die wir sicher gleich einiges hören werden, auf fruchtbaren Boden fallen werden und wünsche diesen schon jetzt eine große Resonanz und viel Erfolg.

Im Abschlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Kultur in Deutschland wird zu Recht auf die staatsentlastende Funktion der Verwertungsgesellschaften hingewiesen. Die erste Handlungsempfehlung zu diesem Thema lautet: "Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung, das System der kollektiven Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften als wichtiges Element auch zur Sicherung der kulturellen Vielfalt aufrechtzuerhalten und zu verteidigen." Mit dieser Empfehlung rennt die Enquete-Kommission bei der Bundesregierung offene Türen ein. Zustimmung in Deutschland ist wichtig, als mindestens ebenso wichtig erscheint es mir aber und darauf bezieht sich die dann folgende Empfehlung der Enquete-Kommission diese Sichtweise auch auf europäischer Ebene mit deutlicher Stimme zu verteidigen.

Wir sehen diese Notwendigkeit an mehreren Beispielen.

Da wäre zuerst einmal die Empfehlung der EU-Kommission vom 18. Oktober 2005 zu Online-Musikdiensten. Hier hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme an die EU-Kommission ausdrücklich betont, dass die Verwertungsgesellschaften neben der Rechtewahrnehmung auch weitere wichtige staatsentlastende, kulturelle Funktionen wahrnehmen. Darum ist eine ausschließlich marktorientierte Sichtweise problematisch.

Die GEMA hat als Reaktion auf die Mitteilung der EU-Kommission 2006 die "CELAS" gegründet, die nicht nur auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene die Online-Nutzungsarten des Repertoires eines bedeutenden "Majors" lizenziert. Mir ist noch nicht völlig klar, ob und wie in diesem Rahmen der Kulturauftrag ebenfalls erfüllt wird, aber vielleicht wird dies heute Abend deutlich. Ich gehe davon aus, dass die CELAS mehr sein soll als ein bloßes Inkasso-Unternehmen.

Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel dafür nennen, wie wichtig es ist, dass die GEMA Wert auf ihre Funktion legt, die kulturelle Vielfalt zu sichern. Das Wettbewerbsverfahren der EU-Kommission gegen die CISAC, den Dachverband der Musikverwertungsgesellschaften, ist ein politisch äußerst brisantes Thema, das unsere Aufmerksamkeit in höchstem Maße verdient. Dieses Verfahren ist nicht nur für das außerhalb des Kreises von Kennern vielleicht etwas abstrakt anmutende System der Gegenseitigkeitsverträge zwischen den Verwertungsgesellschaften eine ernsthafte Bedrohung.

Bislang räumen sich die Verwertungsgesellschaften

gegenseitig die Nutzungsrechte an ihrem jeweiligen eigenen Repertoire ein, allerdings nur für das Gebiet der jeweils lizenzierenden Verwertungsgesellschaft. Die Kommission hält diese territoriale Beschränkung für wettbewerbswidrig. Die Gefahr besteht, dass sie diese Regelung eventuell noch vor der Sommerpause für unzulässig erklärt.

Wenn die EU-Kommission durch eine Untersagung der Gebietsbeschränkungen de facto das System der Gegenseitigkeitsverträge zerstört, dann werden diejenigen Verwertungsgesellschaften, die ein attraktives Repertoire haben, die Gegenseitigkeitsverträge kündigen. Zurück bliebe eine Ansammlung von lizensiertem, kommerziell attraktivem "Mainstream". Nischenrepertoire hätte es schwer.

Die kulturelle Vielfalt ist in Gefahr

und deshalb habe ich ausdrücklich jüngst beim Kultur- und Medienministerrat am 21. Mai diese Problematik dargestellt und den anderen Mitgliedstaaten nahe gelegt, sich umgehend in dieser Frage kritisch an die Kommission zu wenden. Ich selbst habe die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes darum gebeten, dass zumindest von einer Entscheidung vor der Sommerpause abgesehen wird, damit weiterhin Zeit für eine einvernehmliche Beendigung dieses Verfahrens bleibt.

Die Bundesregierung ist sich der Bedeutung dieses Verfahrens sehr wohl bewusst und auf mehreren Ebenen aktiv. Dieses Verfahren ist auch ein Prüfstein dafür, ob Ernst gemacht wird mit dem Schutz der kulturellen Vielfalt und mit der Anwendung der kulturellen Querschnittsklausel des EG-Vertrages. Dieser Artikel lautet: "Die Gemeinschaft trägt den kulturellen Aspekten bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrags Rechnung, insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen." Das ist nicht als Schönwetterklausel gedacht diese Anforderung muss auch unter härteren Bedingungen wie bei Wettbewerbsverfahren gelten!

Von einem weiteren, nach wie vor sehr brennenden Thema sind auch die Verwertungsgesellschaften betroffen, nämlich von der Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet. Die jüngste Mitteilung der Kommission zu kreativen Online-Inhalten im Binnenmarkt vom Anfang des Jahres greift dieses Thema erneut auf, weshalb es auch Gegenstand auf dem letzten Kultur- und Medienministerrat war.

Ich habe mich dort gemeinsam mit meiner französischen Kollegin, Christine Albanel, mit Erfolg dafür eingesetzt, dass dieses Thema auch unter Einbeziehung von Erfahrungen mit der französischen Olivennes-Initiative als wichtiger Punkt auf der Agenda des Kulturministerrats bleibt mit dem Ziel, zu Lösungen zu kommen, bei denen der Schutz des geistigen Eigentums mit den Belangen des Datenschutzes in Einklang gebracht wird. Angesichts dieser durchaus großen Herausforderungen begrüße ich es sehr, dass die GEMA ihren Kulturauftrag nicht aus dem Auge verliert, sondern hier zitiere ich aus Ihrem eigenen Kulturkonzept als "identitätsbestimmende Grundkomponente" begreift. In diesem Sinne wünsche ich der GEMA viel Erfolg bei ihrer Arbeit.