Redner(in): Michael Naumann
Datum: 03.07.2000

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/38/15238/multi.htm


Detig: Herr Minister, nach allen Sticheleien am Anfang sind Sie und Christoph Stölzl doch noch ein ganz gutes Paar geworden, oder?

Naumann: Wir haben uns eigentlich nie gestichelt. Ich kann mich an keinen einzigen Moment erinnern, wo wir uns gegenseitig über den Weg gelaufen wären mit möglicherweise falsch herum eingelegten Lanzen, ganz im Gegenteil.

Sie verstehen sich auch, weil Sie ein bisschen aufeinander angewiesen sind?

Nein. Wir verstehen uns, weil wir beide, glaube ich, eine ähnliche Einschätzung haben in Bezug auf die Rolle von Kultur und Stadtpolitik, von Kultur in der Hauptstadt Berlin, aber auch eine vergleichbare Einschätzung in Bezug auf die missliche Haushaltspolitik, die Christoph Stölzl übernommen hat.

Aber für die Ressorts, für die Sie verantwortlich sind, da sind Sie doch auch ein bisschen Konkurrenten, wenn's ums Verhandeln geht?

Überhaupt nicht. Die Auseinandersetzung um die Bundesförderung der Hauptstadtkultur ist aus mir unbekannten Gründen von einigen Mitgliedern der CDU im Berliner Senat parteipolitisch instrumentalisiert worden. Ich kann das nur psychologisch erklären, aber ich glaube, das interessiert die Hörer nicht. Tatsache ist, dass der Bund, und zwar die neue Regierung im Gegensatz zu der vorherigen, die Zuwendung für die Stadt Berlin verdoppelt hat. Vor diesem Hintergrund war es dann ganz besonders überraschend, in einem etwas pampigen Ton von Berliner Seite zu hören: "Det is zu wenig, also wir wollen das Doppelte". In demselben Ton hätte man natürlich auch einmal mit der Regierung Kohl umgehen können, vielleicht wäre dann mehr Geld geflossen. Tatsache ist, dass diese parteipolitischen Diskussionen mit der Sache überhaupt nichts zu tun haben. Die Stadt Berlin kommt mit einem Kulturanteil am Etat von etwa zwei Prozent schlicht und ergreifend nicht aus. Mit den Institutionen, die die Stadt nach der Wiedervereinigung hat übernehmen müssen und auch gerne übernommen hat, wurde ein großes Erbe angetreten - auch das Erbe West-Berlins. Und dabei muss man auch Folgendes bedenken: andere Städte geben bis zu 10 Prozent ihres Etats für Kultur aus, zum Beispiel Paris. Dazu kommt, dass Berlin als Land größere finanzielle Verpflichtungen als andere Städte in Deutschland hat, zum Beispiel für die Bezahlung der Lehrer aufkommen muss und ähnliche Dinge.

Bisher hat sich der Bund an Berliner Kultureinrichtungen beteiligt,"Leuchtturmfinanzierungen" haben wir das bisher genannt, jetzt übernimmt der Bund Einrichtungen ganz, das Verfahren hat sich geändert. Warum wollen Sie das auf diese Art und Weise machen, das kann ja nicht nur etwas mit dem Berliner Haushaltsgebaren in den letzten Wochen und Monaten zu tun haben.

Das hat mit dem Berliner Haushaltsgebaren der letzten Jahre, um nicht zu sagen: Jahrzehnte, zu tun, das heißt, der Bund hat zweckgebundene Zuwendungen an Berliner Kulturinstitutionen gegeben, die dort nicht immer angekommen sind. Dieses nimmt inzwischen keine der Fraktionen hin. Das heißt, wir werden in Zukunft dafür sorgen, dass die Gelder - Steuergelder - genau dort landen, wo der Kulturausschuss und der Haushaltsausschuss des Bundestages und in letzter Instanz der Bundestag selbst sie auch in Berlin sehen möchte, nämlich in den ausgewählten Kulturinstitutionen, und dass sie nicht in den Berliner Straßenbau - um nur eine Möglichkeit anzudeuten - fließen. Das ist zum Wohle dieser Institutionen und auch zum Wohle des Prinzips der Haushaltswahrheit und -klarheit, ein gemeinsamer Wille aller Mitglieder des Bundestages. Und den exekutiere ich gerne.

Es gibt eine Liste: Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Jüdisches Museum; Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Berliner Festspiele. Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Haus der Kulturen der Welt, Martin-Gropius-Bau - sieben Einrichtungen, die der Bund übernehmen will. Bisher wird diese Liste nur kolportiert - steht sie jetzt endgültig oder wird da noch nachverhandelt? Wie ist der Stand der Dinge?

Diese Liste stimmt zu Teilen. Ich möchte jetzt aber nicht mitten in den noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen mit einer exakten Liste dem Ausgang dieser Verhandlungen vorgreifen. Aber insgesamt trifft sie den Kern: Wir werden Institutionen übernehmen, zum Beispiel das Jüdische Museum. Das war und ist eine Institution, von der wir glauben, dass sie in der Tat bundesweite Relevanz hat, denn hier wird nicht nur die berlin-jüdische, sondern die deutsch-jüdische Geschichte dokumentiert werden. Darüber hinaus ist gerade dieses Haus, das mit einem großen architektonischen Wagemut von der Stadt Berlin geplant und auch realisiert wurde, ein klassisches Beispiel für die Kulturpolitik der Vergangenheit dieser Stadt: Man baute ein gewaltiges Museum, hatte aber keinen Etat und übrigens auch kein überzeugendes Konzept für die inhaltliche Gestaltung dieses Museums. Und als man sich schließlich gemeinsam mit dem Bund durchgerungen hatte, so ein Konzept entwickeln zu lassen, stellte sich heraus, dass - wie alle Museen dieser Größe - auch ein nicht unbeträchtliches Finanzierungsvolumen gefordert war, das die Stadt nicht aufbringen konnte. Hier ist der Bund buchstäblich in die Bresche gesprungen.

Ich will das Verfahren noch mal verstehen und nehme das Beispiel Berliner Festspiele. Der Bund und das Land Berlin haben sich bisher an dieser GmbH beteiligt. Sie übernehmen jetzt also den Gesellschaftsanteil des Landes, oder wie muss ich das verstehen?

Der Bund will die Gesamtfinanzierung dieser Institution übernehmen, auch die der Festspiele und der dazugehörigen Berlinale. Wir wollen aber Berlin nicht ausschalten, das heißt, in den entscheidenden Gremien wird Berlin weiterhin mit 50 Prozent vertreten sein. Lediglich bei Personal- und auch Haushaltsentscheidungen wird sich der Bund einen Stichentscheid vorbehalten. Damit ist auch Berlin einverstanden. Es ist dasselbe Modell, wie es auch mit dem Deutschen Historischen Museum sehr gut funktioniert.

Das heißt aber auch: Sie bestimmen, wer Nachfolger von Ulrich Eckhardt bei den Festspielen wird.

Erstens ist diese Möglichkeit, so wie wir sie hier diskutieren, ja noch gar nicht unterschrieben. Zweitens wird hier nicht eine Person bestimmen, was geschieht, sondern dieses muss in Zukunft auch bei veränderten Finanzierungsbeteiligungen im Konsens oder, wie man in kultivierten Kreisen des deutschen soziologischen Jargons sagt, im konsensualen Diskurs entschieden werden. Mit anderen Worten: wir werden uns einigen müssen; es wird nicht so sein, dass der Bund einen Festspielleiter in diese Stadt setzt, der nicht die Zustimmung der Stadt findet. Das ist doch ganz klar.

Die Liste ist erst mal nahe liegend und auch plausibel; trotzdem ist Ihnen in den letzten Wochen Rosinenpickerei vorgeworfen worden, auch das Wort Gutsherrenart ist auch schon mal gefallen, da ist schon was dran, denn das ist schon das Beste vom Besten, nicht?

Ich bitte Sie! Erstens sind diese Begriffe von der "Gutsherrenart" und auch dem "Bundesschlaumeier" oder der "Rosinenpickerei" von genau jenen Leuten artikuliert worden, die ich selber, der ich mich nun seit zehn Jahren mit Unterbrechungen hier in dieser Stadt aufhalte und auch einen Verlag gegründet habe, nie als Experten der Berliner Kulturszene kennen gelernt habe. Woher wissen die eigentlich, was die Rosinen dieser Stadt sind? Der Bund stellt immerhin 80 Millionen Mark für Berlin als Hauptstadt bereit, neben den 20 Millionen für den Hauptstadtkulturfonds. Weitere 300 Millionen fließen in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Insgesamt bekommt Berlin vom Bund fast eine halbe Milliarde Mark für die Kulturpolitik.

Aber das war ja schon immer so, nicht?

Das war nicht immer so. Wir haben z. B. die Zuwendung für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz entschieden erhöht. Die neue Regierung tut eine Menge für die Stadt Berlin. Mit anderen Worten: es geht erstens nicht um Rosinen, sondern es geht um Institutionen, die bereits im Vorfeld vom Bund mitfinanziert worden waren. Zweitens, es geht um Institutionen - anders ist das verfassungsrechtlich gar nicht zu vertreten - die über die Grenzen Berlins hinaus nationale Relevanz haben. Wenn ich hier lediglich Institutionen unterstützen würde, die etwa für Kreuzberg wichtig sind, aber sonst nirgendwo anders, kriege ich enorm viele Anträge aus Essen-Katenberg, aus München-Pasing und sonst woher.

Aber warum fehlen dann die Gedenkstätten, warum fehlt die Topographie des Terrors? Die hätten doch vor allen Dingen eigentlich darauf gehört.

Die Gedenkstätten sind eine Sache, die Berlin, auch die Politiker dieser Stadt, einmal in aller Ruhe selbstkritisch bedenken müssen. Per Staatsvertrag hat sich die Bundesrepublik Deutschland gegenüber Russland verpflichtet, die russischen Gedenkstätten in Berlin zu erhalten und zu pflegen. Berlin hat diesen Staatsvertrag finanziell nicht akzeptiert und auch zu wenig getan. Ich habe dies für eine unsägliche Entwicklung gehalten und dafür gesorgt, dass im Haushalt der Stadt Berlin für die Pflege der Mahnmale in Treptow und anderswo Gelder eingestellt wurden. Die anderen Gedenkstätten - wenn Sie zum Beispiel an die Villa Wannsee und andere Institutionen denken, erhalten vom Bund selbstverständlich Geld. Dazu gehört auch das Holocaust-Mahnmal, was bekanntlich nicht aus den Mitteln finanziert wird, die für die Unterstützung des Gedenkstättenkonzept vorgeschlagen sind. Das heißt, es gibt eine Fülle von anderen institutionellen Förderungs- oder Zuwendungsempfängern, so heißt das im Amtsdeutsch, die in Berlin sitzen und die selbstverständlich "bedacht" werden. Nun zur Topographie des Terrors.

Ein Fass ohne Boden - finanziell im Moment.

In Deutschland werden 600 Millionen Mark jährlich an Rente an ehemalige SS-Männer gezahlt. Und wenn ich mir anschaue, dass hier von einem Fass ohne Boden geredet wird, sowohl, was das Mahnmal betrifft, als auch die Topographie des Terrors, dann ist das eine kuriose Formulierung. Es geht in Wirklichkeit darum: der Bund ist auch in der Topographie des Terrors finanziell in der Verpflichtung und wird das mitfinanzieren, allerdings ist die Frage, wie teuer wird das Ganze? Und hier sind ganz einfach durch bekannte Umstände Kosten entstanden, die Berlin erst einmal eruieren muss. Ich kann doch nicht im Namen der Regierung sagen und im Übrigen in letzter Instanz dem dann zustimmungspflichtigen Bundestag vorgreifen: Der Bund übernimmt die Hälfte, ohne zu wissen, was die Hälfte dieser neuen Baukosten eigentlich ist. Und ehrlich gesagt, auch der Bausenator Strieder weiß das noch nicht. Es scheint sich noch lange hinzuziehen, bis man sich schließlich darüber klar geworden ist, was das alles kosten wird.

Was fehlt denn noch? Sind es die Berliner Philharmoniker, die noch fehlen?

Nein.

Sind Sie traurig, dass Sie die Philharmoniker vielleicht doch nicht haben?

Sie gehen immer davon aus, dass ein Politiker einen gewissen Possessivcharakter hat: Das ist "mein" Orchester, das ist "mein" Museum - da unterschätzen Sie meine schon längst - lange bevor ich in die Politik gegangen bin - unter Beweis gestellte Zuneigung und Liebe zu dieser Stadt. Ich gehe nicht davon aus, dass irgendeinem Politiker irgendein Museum gehört oder irgendein Orchester, sondern dass dies alles Institutionen sind, die für alle da sind und im Übrigen auch von allen finanziert werden. Was die Philharmoniker betrifft, ist die Sache einfach. Auch hier ist der Vorwurf der "Rosinenpickerei" von denjenigen erhoben worden, denen ich einmal einen nicht-öffentlichen, sondern ganz privaten Abend in der Philharmonie gönne - und dann ein Gespräch mit dem Vorstand des Orchesters, der sagt: Wir sind mit der Finanzierung und der Fürsorge der Stadt Berlin nicht einverstanden. Das ist auch das, was mir Claudio Abbado sagt, Simon Rattle und andere: Wir möchten lieber unter andere finanzielle Obhut kommen. Dieses habe ich selber mit großer Verblüffung vernommen auf Grund einer Initiative des Orchestervorstands und der Dirigenten, des derzeitigen und des kommenden. Wir haben uns entsprechend unser finanzielles Gesamtpaket angeguckt und gesagt, das ist möglich, aber ebenfalls nicht mit dem Gefühl: das muss ich haben, dann spielen die nur die Nationalhymne, also eine Art schwarz-rot-goldenes Stereo-Orchester, alles der schiere Unsinn! Es war der Wunsch des Orchesters. Es hätte auf diese Liste gepasst, denn die nationale Relevanz des Orchesters, die weit über das Land Berlin hinausreicht ist unbestritten. Indes hat plötzlich Berlin nicht nur seine Liebe zur Philharmonie entdeckt, sondern - inmitten des ja nicht unbeträchtlichen Defizits im Haushalt, das Herr Stölzl erben musste, für das er weiß Gott nicht verantwortlich ist - auch ganz offenkundig zusätzliche Gelder, die vorher nicht da waren, bereitgestellt. So kann man nur sagen, auf jeden Fall wird das Philharmonische Orchester mit seinen vielen Strukturproblemen ein Gewinner dieser Verhandlungen sein.

Die Länderfürsten sehen ihr Berliner Engagement im Moment gar nicht so gerne."Bundes-Berlin-Kulturminister" - das habe ich mir aufgeschrieben, so sind Sie schon genannt worden, auch im Kulturausschuss gestern gab's entsprechende Kritik. Da ist ja auch ein bisschen was dran, denn Ihr Engagement für Bayreuth beispielsweise, für die Bayreuther Festspiele, ist ja nicht ganz so heftig. Ziehen Sie sich den Schuh an: Bundes-Berlin-Kulturminister?

Ach, verstehen Sie, wenn ich mir alle Schuhe anziehen würde, die mir angeboten würden, dann würde ich erst mal einen Schuhladen aufmachen.

Anders gefragt: Auch in den deutschen Provinzen gibt es ja viele schöne Einrichtungen - von der Pinakothek bis zum Römisch-Germanischen Museum, die ja nun fraglos auch von nationaler gesamtstaatlicher Bedeutung sind - wie wollen Sie das in Zukunft angehen, dass Sie nicht ständig Anträge aus Unterhaching bekommen?

Wir sind im Deutschen Historischen Museum, aber auch im Germanischen Nationalmuseum mit nicht unbeträchtlichen Summen vertreten. Niemand wird dem Bund vorwerfen können, wir würden lediglich auf Berlin starren und eine Art wilhelminischer Kulturpolitik betreiben, eine zentralistische Pickelhaubenpolitik, wie das mein Kollege Zehetmair aus Bayern sagt, der ja ein großer bis mittelgroßer Kabarettist zu sein scheint. Vielmehr ist Bayern nach Berlin der größte Zuwendungsempfänger unter allen Ländern des Bundes. Und die Kürzungen, die wir in Bayreuth auf Grund von Haushaltssanierungsmaßnahmen im ersten Regierungsjahr vorgeschlagen haben und die ich auch durchaus kühlen Herzens durchgeführt hätte, denn Bayreuth ist eine kerngesunde kulturelle Institution, die sich auch selbst finanzieren kann. Es besteht überhaupt kein Grund, dass irgendwelche Steuergelder da reinfließen. Jede Karte ist zehnfach überzeichnet; Sie können Preise erheben, marktgerechte Preise, die in der Nähe von Salzburg lägen, dann bedürfte es überhaupt keiner Zuwendung mehr. Das hat eine lange opernsoziologisch - politische Geschichte, die darin begründet ist, dass die Familie Wagner durchaus der Meinung war, hier läge eine Art Musiktheologie für den Staat vor in den Opern Wagners, usw. Mit anderen Worten: der Bund wird sich selbstverständlich aus seinen Verpflichtungen in den anderen Ländern nicht zurückziehen, aber sie überprüfen. Zum Beispiel habe ich gerade festgestellt, dass seit 30 Jahren die Bach-Festspiele in Ansbach mit 70.000 Mark jährlich gefördert werden, weil einmal ein Staatssekretär das eingeführt hat, der aus Ansbach kam. So muss man schauen, lohnt sich das noch?

Ich will das noch mal anders fragen. Hauptstadt-Kulturvertrag - das Verfahren ändert sich, der Bund übernimmt ganze Einrichtungen. Da fehlt aber schon so ein bisschen das Konzept im Moment, das den Blick auch auf die gesamte Republik wirft.

Das Konzept können Sie in der Regierungserklärung nachlesen, in meiner eigenen Jungfernrede im Parlament, in Pressemeldungen, in einer Broschüre, die das Bundespresseamt über die Arbeit des Beauftragten für Kultur und Medien beim Bundeskanzler herausgegeben hat. Unser Konzept hat zwei Parameter: erstens Verfassungstreue, zweitens ein Gesamtvolumen von ungefähr 1,7 Milliarden Mark. Dieses Geld wird im Rahmen der Verfasssungstreue ausgegeben, das heißt, die Kulturhoheit der Länder wird respektiert.

Aber warum fühlen die sich denn so vernachlässigt? Da kann doch irgendetwas nicht stimmen.

Die Kulturminister der Länder oder einige, ich kenne, um die Wahrheit zu sagen, eigentlich nur einen, eben Herrn Zehetmair, fühlen sich deswegen vernachlässigt, weil es manche Politiker gibt, die es buchstäblich nicht ertragen, wenn andere Politiker neben ihnen ebenfalls auf dem Feld, auf dem sie tätig sind, von den Medien beachtet werden. Mir selber ist diese Medienbeachtung nicht so wichtig. Am Anfang war sie mir insofern wichtig, als klar gemacht werden sollte, dass der Bund kulturpolitische Kompetenz hat. Er hat sie auch in der Vergangenheit wahrgenommen, damals fast heimlich, oder sehr personalisiert auf die Person Helmut Kohls, inzwischen öffentlich mit einem Kulturausschuss im Bundestag. Und ich halte das ganz einfach für erste Reflexe - wieso, was hat der Bund hier auf unserem Feld zu tun. In der Zwischenzeit hat sich das gegeben, Gott sei Dank.

Eine alte Idee, die wieder aufgetaucht ist, weil sie offenbar auch in den Erinnerungen von Klaus Harprecht drinsteht - eine alte Idee von Willy Brandt, die Idee einer Nationalstiftung. Was eigentlich verbirgt sich dahinter? Haben Sie schon eine Idee, wie das aussehen könnte?

Ja, natürlich haben wir eine Idee. Diese Idee einer Bundesstiftung für Kultur wird mit aller Sorgfalt von meiner Behörde vorbereitet und im Herbst in die entsprechenden Gremien gegeben werden, das heißt, in den Kulturausschuss des Bundestages nach Absprache vorher mit dem Regierungschef und dem Finanzminister. Dann wird es am Ende eine sicherlich heftige Diskussion geben, ob so etwas vom Bund eigentlich gemacht werden könne. Wenn man sich aber anschaut, was der Sinn einer solchen Institution sein soll, nämlich außerhalb von kameralistisch eingefrorenen Haushaltstiteln und den damit verbundenen Zwängen aus einem Etat, der Jahr für Jahr zur Verfügung steht, unabhängig von Haushaltsdiskussionen und Sparzwängen, Einzelprojekten, die selbstverständlich wie alle Kultur in diesem Land nicht in einem abstrakten Gebilde namens Bund stattfinden, übrigens auch nicht in dem Abstraktgebilde Land, sondern immer in Städten und Dörfern. Dort findet Kultur statt und dort würden auch die Nutznießer eines großen Teils der Aktivitäten einer solchen Stiftung sein. Darüber hinaus gibt es aber eine Fülle von landesgrenzenübergreifenden Aufgaben bis hin zu der simplen Frage: Warum haben wir eigentlich keine vernünftige Kulturstatistik in Deutschland? Diese Aufgabe könnte von so einer Stiftung gelöst werden.

Zehetmair möchte ja lieber die Kulturstiftung der Länder befördern. Warum wollen Sie diesen Weg nicht gehen?

Die Kulturstiftung der Länder ist in ihrer finanziellen Ausstattung eine ziemlich genaue Widerspiegelung des föderalen Interesses der Länder, und das ist sehr gering. Die Länder, das ist ihre natürliche Aufgabe, sind darauf angewiesen, auf sich selbst zu schauen und ihre eigenen Sorgen wahrzunehmen, und die sind groß genug. Die Kulturstiftung der Länder ist ja in Wirklichkeit auch nichts anderes als eine Bundesstiftung, der Zusammenschluss der Länder mit einer hohen Beteiligung des Bundes ist nichts anderes als eine Widerspiegelung der damaligen Verfassungsdiskussion, die davon ausging, dass der Bund mit Kultur nichts zu tun haben dürfe. Sie finden aber den Begriff der Kulturhoheit der Länder gar nicht in der Verfassung.

Ja, da ist eine Menge passiert, vor 10 Jahren hätten wir den Begriff nationale Kultur überhaupt nicht in den Mund genommen, nicht?

Ja, jedenfalls Herr Zehetmair, er nimmt ihn auch heute nicht in den Mund. Er geht zwar sicher gerne zu den Spielen der Nationalmannschaft, geht aber ansonsten davon aus, dass es eine Nation gar nicht mehr gibt. Das ist eine interessante bayrische Verspätung.

Das liegt daran, dass da so viele von Bayern München mitspielen, Herr Naumann. Seit einem Jahr ist Berlin nun Regierungssitz - die Abgeordneten und die Angestellten, sagen Sie, interessieren die sich überhaupt für die Berliner Kultur? Wie erleben Sie das?

Hier kann ich nur sagen: Gehen Sie ins Theater, gehen Sie in die Oper. Ich glaube, Sie sehen hier mehr Politiker - nicht nur während der Sitzungswochen übrigens - in den Veranstaltungen als jemals zuvor. Und ich wünschte mir auch, einige der Berliner lokalpolitischen Größen würden mit demselben Fleiß in die Oper oder ins Theater gehen wie zum Beispiel Otto Schily oder Herta Däubler-Gmelin.

Wo gehen Sie gerne hin, wenn Sie können, wie Sie wollen?

Zum einen gehe ich ungern in Premieren, weil das meistens doch eine etwas lästige Angelegenheit ist. Und ich gehe, weil es am nächsten zu meiner Wohnung liegt, sehr gerne in die Schaubühne, und ansonsten schaue ich mir an, was des Weges kommt und was in meinen Terminkalender passt.

Sie fahren auch dieses Jahr wieder nach Bayreuth?

Ich fahre nach Bayreuth, werde aber die Champagner-Zelt-Reden von Herrn Stoiber tunlichst meiden.

Fahren Sie da gerne hin?

Ich schätze Bayreuth, ich schätze Wagner. Ich liebe diese Musik, auch erst seit meinem ungefähr 40. Lebensjahr und fahre natürlich gerne dahin. Und im Übrigen inszeniert dort einer meiner besten Freunde den Ring, Jürgen Flimm, und deswegen fühle ich mich auch verpflichtet dahinzugehen. Wir haben früher zusammen als Kinder Fußball gespielt.