Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 23.10.2008
Untertitel: Kulturstaatsminister Neumann ging in seiner Rede auf die Entstehung und die hohe Bedeutung der Residentenliste ein, und beschrieb das Erinnern und Gedenken als einen zentralen Schwerpunkt seiner Arbeit.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/10/2008-10-23-rede-neumann-yad-vashem,layoutVariant=Druckansicht.html
es ist mir eine große Ehre, heute im Namen der Bundesregierung der Gedenkstätte Yad Vashem die "Liste der jüdischen Einwohner in Deutschland im Zeitraum von 1933 bis 1945" zu überreichen. Erst vor wenigen Wochen, am 17. September, hat die Vorsitzende des Deutschen Freundeskreises von Yad Vashem, Staatsministerin Hildegard Müller, die so genannte Residentenliste von der "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" entgegen genommen, dessen Vorstandsvorsitzender, Herr Dr. Martin Salm, heute ebenfalls anwesend ist.
Mit der Residentenliste halten wir 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erstmals eine Übersicht der während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland lebenden Juden in Händen.
Die Dokumentation gibt Auskunft über Namen und Wohnorte jüdischer Einwohner, ihre Emigration, Inhaftierung oder Deportation sowie über Todesdaten und -orte. Diese Liste ist mehr als ein Einwohnerverzeichnis. Sie ist ein einzigartiges Dokument über jüdisches Leben in Deutschland, gleichzeitig ein Denkmal für die ermordeten Juden und diejenigen, die ins Exil getrieben wurden.
Ihren Ursprung hat die Liste in den Verhandlungen zur Frage unbezahlter Versicherungsansprüche gegen deutsche Versicherungsunternehmen während der NS-Zeit und einem entsprechenden Entschädigungsverfahren. Basis der Entschädigungsverfahren war ein Verzeichnis, das das Bundesarchiv im Auftrag der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" erarbeitet hatte.
Im Zuge der Entschädigungsverhandlungen äußerten jüdische Institutionen und Verbände den Wunsch, die Residentenliste auszubauen und auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Etwa 2,5 Millionen Datensätze führten schließlich zur Identifikation von rund 600.000 Personen. Das Bundesarchiv übernahm die schwierige und sensible inhaltliche Umsetzung.
Die Residentenliste ist ein wichtiger Baustein für das Erinnern, das in Deutschland durch das Wissen um die Singularität des Holocaust bestimmt wird. Ihm kommt als Menschheits-verbrechen bisher nicht gekannten Ausmaßes in der deutschen Erinnerungskultur jetzt und für alle Zeiten eine unvergleichlich hohe Bedeutung zu.
Darum ist das Erinnern und Gedenken ein zentraler Schwerpunkt meiner Arbeit als Kulturstaatsminister.
Vor wenigen Wochen haben wir ein neues Gedenkstättenkonzept verabschieden können, das die Förderung der Gedenkstätten des NS-Terrors weiter intensiviert und für die Zukunft sichert. Vor kurzem hat die von mir neu eingerichtete Arbeitsstelle für Provenienzrecherche in Berlin ihre Arbeit aufgenommen, die Museen bei der Suche nach NS-Raubkunst aus ehemals jüdischem Besitz unterstützt, um eine schnellere Rückgabe der Kulturgüter an die rechtmäßigen Eigentümer zu fördern.
Mein Haus finanziert auch das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Der Großzügigkeit der Gedenkstätte Yad Vashem verdanken wir einen der bewegendsten und eindringlichsten Gedenkorte, nämlich den "Raum der Namen" unter dem Stelenfeld des Denkmals im Herzen der Hauptstadt Berlin.
Insgesamt 3,2 Millionen Namen von Opfern des Holocausts hat Yad Vashem der Stiftung "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" zur Verfügung gestellt. Für die Aufbereitung der Listen aus Yad Vashem sind auch beträchtliche private Spendenmittel zusammengekommen. 8.000 Ermordeten kann nun im "Raum der Namen" gedacht werden.
Mit der Residentenliste möchte die Bundesregierung die Anonymität der ermordeten und verfolgten Juden aufheben. Es ist unsere tiefe Hoffnung, so den Individuen einen Teil ihrer Würde zurückgeben zu können. Die Liste ist nicht vollendet, sondern wird stets durch das Bundesarchiv aktualisiert, denn es werden immer wieder neue Fakten und Entwicklungen sichtbar werden.
Ich hoffe, dass die Residentenliste auch vielen Familien dabei helfen kann, die verlorene Spur ihrer Verwandten wieder aufzunehmen und damit ein Stück ihrer eigenen Geschichte und damit ihrer Integrität zurück zu gewinnen.
Ich danke Ihnen.