Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 19.11.2008

Untertitel: In seiner Rede weist Kulturstaatsminister Bernd Neumann auf die Bedeutung des deutschen P.E.N.- Zentrums und auf das "Writers in Exile"-Programm hin.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/11/2008-11-19-rede-neumann-pen,layoutVariant=Druckansicht.html


Es gilt das gesprochene Wort. - Als ich das erste Mal schrieb, verspürte ich das erste Mal den Geschmack der Freiheit ". Schreiben, meine Damen und Herren, heißt frei sein so empfand es Jean Genet, der im Gefängnis seine schriftstellerische Tätigkeit begonnen hatte und Zeit seines Lebens immer wieder durch die Intervention von befreundeten Literaten vor weiterer Haft bewahrt wurde. Den Geschmack der Freiheit" das ist es, was Terrorregime auf der ganzen Welt am meisten fürchten. Sie wissen, dass das furchtlos geschriebene, das freie Wort ihr gefährlichster Gegner ist.

Darum verfolgen sie gnadenlos Autoren und Schriftsteller, die gegen die Diktatur und für die Freiheit kämpfen. Seit nunmehr 60 Jahren setzt sich das deutsche Zentrum des P. E. N. für die uneingeschränkte Freiheit des Wortes ein.

Ein Blick in die Welt, wobei wir Europa leider nicht ausnehmen können, zeigt uns, wie weit wir von diesem Ziel immer noch entfernt sind. Es ist der Verdienst des P. E. N. , dass weltweit über diejenigen geredet wird, die zum Schweigen gebracht werden sollen. Am vergangenen Sonnabend wurde international der "Tag des inhaftierten Schriftstellers" mit Lesungen und Veranstaltungen begangen. Er hat uns wieder vor Augen geführt, unter welch furchtbaren Bedingungen viele Journalisten und Literaten auf der ganzen Welt leben. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass Autoren in rn gequält werden oder nur unter Polizeischutz leben können wie Roberto Saviano, den die Mafia in Italien wegen seines Buches "Gomorrha" mit dem Tod bedroht.

Besonders schockierend finde ich es, dass allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 20 Autoren getötet wurden - wie aus der Caselist des "Writers in Prison Commitee" hervorgeht - . Meist geht diese Gewalt gegen Autoren von politischen Regimen aus, manchmal aber sind es auch verbrecherische und totalitäre Gruppierungen, die Schriftsteller bedrohen und töten. Ich denke da zum Beispiel an den Mord am türkischen Autor Hrant Dink, der im vergangenen Jahr posthum die Hermann Kesten Medaille des deutschen P. E. N. verliehen bekommen hat. Dass sie in diesem Jahr

an die russische Menschenrechts-organisation "Memorial" verliehen wurde, die sich um die Aufklärung stalinistischer Verbrechen bemüht, zeigt, wie sehr sich der P. E. N. auch der historischen Dimensionen der Verfolgung von Schriftstellern bewusst ist und dass diese leidvolle Geschichte nicht mit dem Untergang einer Terrorherrschaft beendet ist.

Als vor 60 Jahren das deutsche P. E. N. Zentrum gegründet wurde, war gerade eine solche Terrorherrschaft zu Ende gegangen, die ganz Europa physisch und psychisch in Trümmer gelegt hatte. Damals zeichnete sich die staatliche Teilung Deutschlands bereits ab, die nach 1951 in letzter Konsequenz auch zu einer Teilung auch des P. E. N. führte. Die Erinnerung an die SED-Diktatur ist noch sehr lebendig, gerade in den neuen Ländern. Sie ist Teil der Lebenserfahrung auch noch jüngerer Menschen. Es ist also auch ein Vermächtnis der friedlichen Revolution von 1989, immer wieder darauf zu bestehen, dass die Freiheit der Gedanken und das Recht, diese auszudrücken, ein hohes Gut mit Verfassungsrang ist. Der Schutz dieses Grundrechts ist ein Fundament jeder Demokratie.

Es ist so: Wo immer die Meinungsfreiheit beschnitten wird, dort werden auch andere Menschenrechte mit Füßen getreten. Als Mitglied der Bundesregierung ist mir besonders bewusst, dass die Bundesrepublik mit Blick auf die deutsche Geschichte eine besondere Verpflichtung hat, sich für verfemte, verfolgte, totgeschwiegene und vom Tode bedrohte Schriftsteller einzusetzen. Aus dieser Verantwortung heraus hat die Bundesregierung gemeinsam mit dem Deutschen P. E. N. -Zentrum und auf dessen Initiative hin vor fast zehn Jahren das weltweite Stipendienprogramm "Writers in Exile" für bedrohte Schriftsteller ins Leben gerufen, welches seither aus Bundesmitteln finanziert wird. Gegenwärtig haben 6 Autoren und Journalisten dank dieses Programms

eine zumindest vorübergehend sichere Heimat hier in Deutschland gefunden. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen für Ihre Betreuung dieses Projektes und vor allem für den uneigennützigen Einsatz für die Stipendiaten zu danken. Die Mitglieder, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des P. E. N. engagieren sich mit vollem Einsatz und ganzem Herzen. Ich freue mich sehr, dass heute Stipendiaten des Writers in Exile-Programms unter uns sind.

Meine Damen und Herren,

die Geschichte unseres Landes hat auch beim Deutschen P. E. N. ihre Spuren hinterlassen. Ich bin sicher, dass Sie den Rückblick in eigener Sache weiterhin mit der Offenheit, mit dem Mut und der Fähigkeit zur Kritik betreiben, die der Freiheit des Wortes entsprechen.

Denn auch der Rückblick in die Vergangenheit ist wichtig für die Gestaltung der Zukunft des P. E. N. Zentrums Deutschland, das sich unermüdlich für die Freiheit des Wortes einsetzt. Für Ihre Tagung wünsche ich Ihnen gutes Gelingen, anregende Debatten und eine nachhaltige Wirkung über den Tag hinaus.

Vielen Dank.