Redner(in): Angela Merkel
Datum: 04.03.2009

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Oesingmann, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/03/2009-03-04-freie-berufe,layoutVariant=Druckansicht.html


2009 ist aus vielerlei Gründen ein besonderes Jahr, aber ganz besonders deshalb, weil es ein Jahr der Jubiläen ist. So feiert nicht nur die Bundesrepublik ihren 60. Geburtstag, sondern auch Sie tun das. Das heißt, Sie sind sozusagen ein konstitutiver Bestandteil der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Wir werden am 9. November auch feiern, dass der Mauerfall 20Jahre zurückliegt. Gerade auch die Freien Berufe haben eine Entfaltungsmöglichkeit in den neuen Bundesländern bekommen. Das heißt, dass das sicherlich auch für Sie ein schöner Tag ist.

Als ich mich heute damit beschäftigt habe, wie Sie, Herr Oesingmann, und Sie, meine Damen und Herren, Ihren Geburtstag feiern, hat mir gefallen, dass Sie Bischöfin Käßmann eingeladen haben, deren Beiträge ich immer sehr schätze, und dass Sie ein Stück über sich selbst nachgedacht und sich in unser gesamtes Wertesystem eingeordnet haben. Das ist nicht bei jedem Verband so.

Dazu gehört auch, dass Sie sich Ihr neues Leitbild gegeben haben. Das ist am Anfang des 21. Jahrhunderts sicherlich eine wichtige Sache. Ich glaube, Sie haben sich damit in den Rahmen gestellt, der unser alltägliches Leben bestimmt. Wir sind freie Geschöpfe, aber aufgefordert, unser Leben in Verantwortung zu gestalten und den Nächsten im Auge zu behalten. Das geht nicht ohne ein festes Wertefundament.

Wenn wir sagen, dass die Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 60Jahre alt wird, dann heißt das auch, dass das Grundgesetz 60Jahre alt wird. Es ist eine Verfassung, die die Freiheit und die Würde des Einzelnen in ihrem Bestand hat, die daraus die Grundrechte und alles daraus Folgende ableitet und die, wenn man sich einmal zurückerinnert, wie sie in den Trümmern des Zweiten Weltkriegs entstanden ist, eine wunderbare Verfassung, ein wunderbares Grundgesetz für uns alle ist. Wir haben uns alle daran gewöhnt.

Ich weiß noch, als ich nach dem Ende der DDR aktive Bürgerin der Bundesrepublik Deutschland geworden bin die passive Staatsbürgerschaft, die einem eine gewisse Ruhe gegeben hat, hatte ich glücklicherweise schon immer, war ich der festen Überzeugung, dass alle Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland dem gesunden Menschenverstand entsprechen müssen, weil das System auf einem guten Grundgesetz aufgebaut ist. Ich habe immer versucht, mir die verschiedenen Regelungen zu erklären. Es gelingt bei vielem, aber nicht bei allem. Ich schließe auch nicht aus, dass diese Bundesregierung schon Beiträge dazu geleistet hat, dass die Erklärungen nicht immer einfach waren. Ich weise aber auch darauf hin, dass diese Bundesregierung schon Beiträge geleistet hat, mit denen manches einfacher geworden ist.

Es ist vor 60Jahren alles andere als selbstverständlich gewesen, dass sich diese Republik so entwickelt hat, wie sie sich entwickelt hat, dass sie heute zu den großen Wirtschaftsnationen der Welt gehört, dass sie ein freiheitlich verfasstes Land ist, das in Frieden und Freundschaft mit seinen Nachbarn und mit vielen Ländern der Welt lebt, das Spitzenplätze in der Forschung hat, das sich als Exportnation durch Wettbewerbsfähigkeit auszeichnet und das als Kulturnation weltweit geachtet ist. Dass das alles möglich war und ist, hat seinen Ursprung in der freiheitlichen Entscheidung der Menschen und in einem Mix

aus Leistungsbereitschaft, unternehmerischem Wagemut und Innovationskraft. Das sind Eigenschaften, die für die Freien Berufe von ganz besonderer Bedeutung sind.

Ob Sie als Ärzte, Anwälte, Architekten, als Schauspieler, Ingenieure oder in einem der vielen anderen Freien Berufe arbeiten, tätig sind und mit den Menschen in unserem Land in Kontakt sind Sie verkörpern einen wichtigen Teil des Geistes der Sozialen Marktwirtschaft. Sie tragen ganz wesentlich dazu bei, dass diese ein Erfolgsmodell ist. Deshalb möchte ich Ihnen nicht einfach nur zum Geburtstag gratulieren, sondern ich möchte Ihnen, die Sie für die eine Million Freiberufler und ihre fast drei Millionen Beschäftigten stellvertretend hier sind, auch ein herzliches Dankeschön für das sagen, was Sie für den Aufbau dieser Republik getan haben.

Simple Zahlen allein sprechen schon für sich, nämlich durchschnittliche Wachstumsraten von jährlich vierProzent. Aber, Herr Oesingmann, Sie haben von etwas gesprochen, das vielleicht noch viel wichtiger ist. Das ist das Vertrauen von Millionen Menschen in Ihre Arbeit, die für viele existenziell und wichtig ist. Freie Berufe sind als Teil des Mittelstandes das Rückgrat unserer Volkswirtschaft.

Ihr Verband denkt immer an die Zukunft. Im Bereich der Ausbildung leisten Sie Hervorragendes. Sie sind Partner im Pakt für Ausbildung. 44. 000Ausbildungsplätze haben Sie 2008 zur Verfügung gestellt. Meine herzliche Bitte an Sie ist, dass Sie auch in diesem wirtschaftlich schwierigen Jahr 2009 daran denken, dass wir auch für die Zukunft vorsorgen müssen. Es wird in wenigen Jahren in Deutschland eher einen Mangel an jungen Menschen geben, die aber in der Ausbildung gebraucht und gesucht werden. Wer immer kann, sollte Vorsorge für die Zukunft treffen und deshalb auch jungen Menschen eine Perspektive geben, die ja so wichtig ist und die im Alter zwischen 16 und 18Jahren mit darüber entscheidet, welchen Lebensweg sie nehmen und welchen Arbeitsplatz sie später bekommen werden. Das ist meine herzliche Bitte.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie ermuntern, auch in dieser wirtschaftlich schwierigen Situation Ihren Beitrag für das Gemeinwohl zu leisten. Sie wollen das und Sie werden das tun, davon bin ich überzeugt.

Unser Ziel ist es, aus dieser Krise gemeinsam gestärkt hervorzugehen, als Republik stärker herauszukommen, als wir hineingegangen sind. Die Politik versucht, dazu ihren Beitrag zu leisten. Dieser Beitrag verfliegt natürlich, wenn wir nicht diejenigen haben, die zu den Mitteln greifen, die wir anbieten, und wenn nicht ein Stück Vertrauen, ein Stück Engagement, ein Stück Leistungsbereitschaft vorhanden sind. Ich weiß, dass das alles bei den Freiberuflern in ganz besonderer Weise da ist.

Wir stehen vor einer wirtschaftlichen Herausforderung, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht gesehen haben, vor einer außergewöhnlichen Situation, die das ist die Besonderheit alle Teile der Welt erfasst hat. Eine solche außergewöhnliche Situation erfordert auch außergewöhnliche Handlungen und Maßnahmen. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir über unser Selbstverständnis sprechen, dass wir dies im Geiste der Sozialen Marktwirtschaft tun natürlich in einer solch schwierigen Situation nicht als business as usual, dass wir die Grundwerte und ordnungspolitischen Leitplanken nicht aus den Augen verlieren. Ich bitte Sie, sich in die Diskussion offensiv einzumischen. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Diskussion, es ist keine einfache Diskussion.

Wir haben erlebt, dass Marktexzesse zu einer dramatischen Krise im Finanzsystem geführt haben ausgehend von den Vereinigten Staaten von Amerika und sich jetzt weltweit umspannend, und zwar überall dort, wo große Finanzinstitutionen sind. Dies hat uns in eine Lage gebracht, die es wahrscheinlich in der Bundesrepublik Deutschland so noch nicht gegeben hat jedenfalls nicht in den letzten 20Jahren, die mir bekannt sind, und zwar in eine Lage, in der Finanzinstitutionen auf uns zukamen und nicht nur in Deutschland, sondern überall vom Staat verlangt haben: Rettet uns! Wir haben das getan. Ich sage aber auch, wir haben es nicht wegen der Banken getan, wir haben es noch weniger wegen der Banker getan. Wir haben es getan, weil wir uns bewusst sind, dass ein funktionierendes Finanzsystem die Voraussetzung dafür ist, dass Spareinlagen gesichert sind und dass Wirtschaften überhaupt möglich ist.

Ich werde oft gefragt: Wann macht ihr denn nun endlich etwas für den Mittelstand? Ich sage dann immer: Gerade die Rettung der Finanzinstitutionen ist eine ganz wichtige Maßnahme gewesen, damit der Mittelstand nicht noch mehr als jetzt schon in Mitleidenschaft gezogen wird. Dafür haben wir das getan, meine Damen und Herren.

Sie dürfen auch ganz beruhigt sein, falls Sie beunruhigt sind, dass der Staat keinerlei Interesse ich als Regierungschefin schon gar nicht daran hat, irgendwie als Dauerunternehmer aufzutreten. In meinem bzw. im Regierungsprogramm der Großen Koalition waren Staatsanteile an Banken nicht vorgesehen. Deshalb werden wir froh sein, wenn wir sie wieder los sind. Wir müssen aber gewiss sein, dass wir angesichts dessen, was wir jetzt an Steuergeldern einsetzen, und der Summen, die wir täglich im Mund führen und die uns vor einem halben Jahr noch nicht leicht über die Lippen gekommen sind, immer noch daran denken, dass wir eine Lösung finden, die auch im Sinne des Steuerzahlers ist.

Wir führen Debatten, die ich für richtig halte, bei denen es zum Beispiel darum geht, was mit einer Bank wie der Hypo Real Estate geschieht. Wenn wir nun aber mit einer Kaskade von Maßnahmen, Gesprächen, Kapitalschnitten, Kapitalerhöhungen, um als Staat die Kontrollmehrheit zu bekommen, vielleicht nicht erfolgreich sind wir werden alles vorher durchdeklinieren und dann sagen, dass wir eventuell den Enteignungstatbestand als Ultima Ratio anwenden müssen, dann bitte ich Sie, immer im Auge zu haben, dass unter normalen Bedingungen, wenn wir nicht versprochen hätten, dass wir kein Institut insolvent gehen lassen, dieses Institut auf dem Markt überhaupt nicht mehr existieren würde. Das heißt, wir würden etwas enteignen, das unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen gar nicht mehr zu enteignen wäre, bei dem man eher ein dickes Minuszeichen als ein dickes Pluszeichen hätte.

Insofern handelt es sich um eine besondere Situation. Das klarzustellen, ist mir sehr, sehr wichtig. Wenn Leute, die von der DDR nie irgendetwas mitbekommen haben, versuchen, einen Vergleich mit VEBs zu ziehen, kann ich nur sagen: Lassen Sie die Finger davon und nehmen Sie die Situation heute so, wie sie ist, meine Damen und Herren.

Das Finanzsystem hat eine Bedeutung für die gesamte Volkswirtschaft. Die Frage, wie wir heute in der so genannten Realwirtschaft vorgehen, stellt sich noch einmal anders. Hierbei ist es natürlich notwendig, dass wir auf die Folgen der Finanzkrise reagieren und zum Beispiel zur Kenntnis nehmen, dass die Banken keineswegs heute wieder alle so arbeiten, wie sie dies vor der Krise getan haben. Wir haben das Sparkassensystem, das Volks- und Raiffeisenbankensystem da haben wir wenig Klagen, das funktioniert einigermaßen; es funktioniert eigentlich ganz gut, wie ich sagen will, sonst bekomme ich morgen gleich wieder Briefe, weil ich nur "einigermaßen" gesagt habe, aber Norddeutsche haben es nicht so mit dem Loben. Wir haben die Landesbanken, da sieht es schon sehr viel schwieriger aus. Und wir haben andere Banken, denen wir helfen müssen. Überall, wo ein langfristiger, auf die Zukunft ausgerichteter überregionaler Kredit gefordert ist, haben wir im Augenblick erhebliche Schwierigkeiten.

Aus diesem Grund ist ein Teil unseres Maßnahmenpakets ein Bürgschaftsrahmen, und zwar ein Bürgschaftsrahmen, um Unternehmen zu helfen, die heute wegen der Finanzkrise in Kreditbedingungen hineingetrieben werden, die deutlich schlechter sind, als sie es früher waren. Es geht um Unternehmen, die gesund sind, das heißt, eine klare positive Fortführungsprognose haben. Das muss durch Wirtschaftsprüfer bestätigt sein, am besten auch durch Banken, die ihre Experten dort hinschicken. Gut, ich meine, wenn es die Politik macht, ist es noch schlimmer. Verstehen Sie? Ich muss schon sagen, die Kameradschaft unter den in der Wirtschaft Tätigen hält sich in Grenzen. Die Banken schicken manchmal auch Wirtschaftsprüfer oder Anwälte hinein, auch Freiberufler, wenn ich das richtig sehe. Ich bitte Sie, jetzt ganz vorsichtig zu sein, damit Sie kein Eigentor schießen.

Ich möchte damit nur sagen, wenn sich eine Bank mit ihren Experten es sind zum großen Teil Anwälte die Dinge in einem Unternehmen ansieht, dann zeigt das immerhin, dass es ein Interesse daran gibt, hier Geld hineinzugeben. Daher hat unser Bürgschaftsrahmen zum Beispiel auch nur eine Absicherung von 90Prozent und verlangt immer einen Eigenanteil, es sei denn, es handelt sich um eine von der Europäischen Union seit langem praktizierte Restrukturierungsbeihilfe, die dann mit ganz vehementen Einschnitten auch bei der Umstrukturierung verbunden ist. Wir versuchen, sozusagen Eigenanreize immer dabei zu haben, um ein Gefühl dafür zu bekommen, dass es im wirtschaftlichen Interesse ist. Ich meine, das ist in der augenblicklichen Diskussion sehr, sehr wichtig, weil manchmal das Ergebnis schon vorweggenommen wird, obwohl man erst am Anfang der Prüfung steht.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass wir versuchen, alles zu tun, um erstens die Banken wieder zum Laufen zu bringen und zweitens den Unternehmen eine Hilfestellung zu geben, die unverschuldet in eine Krise geraten sind, und sie mit den notwendigen Krediten auszustatten.

Ich füge hinzu, wir werden nachdenken und daran auch innerhalb der Europäischen Union arbeiten müssen, wie wir in dieser Krise mit BaselII umgehen. Denn die prozyklischen Elemente von BaselII werden Ihnen und allen Unternehmen in den nächsten Monaten schwer zu schaffen machen. Dies könnte die Krise noch einmal verstärken. Das kann nicht Sinn der Sache sein.

Wir müssen natürlich in diesen Zeiten das sage ich auch, denn wir sind eine global ausgerichtete Wirtschaftsnation immer auch einen Blick darauf lenken, was in anderen Teilen der Welt passiert. Wir haben mit viel Mühle BaselII miteinander ausgearbeitet wenn ich "miteinander" sage, dann meine ich auch die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir haben dann darauf hingearbeitet, dass BaselII im Rahmen der Europäischen Union sorgfältigst in Form einer EU-Richtlinie eingeführt wurde. Auf der anderen Seite haben die Vereinigten Staaten von Amerika BaselII nur für die großen Banken eingeführt, für alle kleineren Banken nicht. Das führt natürlich zu einem verzerrten Wettbewerbsfeld.

Deshalb ist es gerade jetzt in dieser Krisensituation wichtig, zu fragen: Was können wir machen? Wenn wir aus dieser Krise die Lehren für die Zukunft ziehen wollen das haben wir uns für den Finanzgipfel am 2. April vorgenommen, dann brauchen wir Eigenkapitalfonds, die in guten Zeiten angelegt werden, um einen Puffer für schlechte Zeiten zu haben, damit wir nicht immer prozyklische Wirkungen haben, die daraus resultieren, dass in der Krise keinerlei oder nur eine unzureichende Eigenkapitaldeckung vorhanden ist, was das Bankvolumen sofort einschränkt. Es geht also darum, Banken zum Laufen zu bringen.

Hinzu kommt, dass wir in dieser Krise das Element der Kurzarbeit anbieten. Wir haben es flexibilisiert, sodass die Freien Berufe daran teilhaben können. Wir haben darüber gesprochen, Herr Oesingmann, als ich Sie im Dezember eingeladen hatte. Ich glaube, das haben wir gut und vernünftig umgesetzt. Insofern ist es nicht richtig, wenn immer wieder behauptet wird, hier werde nur den Großen geholfen und den Kleinen nicht. Wir haben vielmehr alle Instrumente unseres Maßnahmenpakets für das kleinste Unternehmen genauso wie für das größte ausgebaut. Wir haben unser erstes Bürgschaftsprogramm im Übrigen für kleinere Unternehmen bis zu 500Millionen Euro Umsatz geschmiedet und erst jetzt das große Bürgschaftsprogramm. Auch das sollte man im Auge behalten.

Wir haben zweitens das müsste die Architekten freuen ein Infrastrukturinvestitionsprogramm aufgelegt. Ich hoffe für Sie, die Arbeiten sind so kompliziert, dass man Architekten dafür braucht, und beinhalten nicht nur handwerkliche Tätigkeiten Herr Kentzler ist ja auch da. Wir werden diese Infrastrukturmaßnahmen zu zwei Dritteln auf Ausgaben im Bildungsbereich konzentrieren. Das sind Investitionen in die Zukunft. Wenn wir uns unsere Schulen, unsere Kindergärten und unsere Fachhochschulen ansehen, dann müssen wir leider sagen, dass da noch viel zu tun ist. Deshalb verbinden wir das Nützliche jetzt auch mit dem Richtigen und Zukunftsweisenden und versuchen, die Schulen besser auszustatten.

Wir werden steuerliche Erleichterungen und Abgabenerleichterungen vornehmen. Viele von Ihnen werden vielleicht sagen, dass das nur ein kleiner Schritt, ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Trotzdem ist es ein wichtiges Element. Wir sind damit unserem Versprechen treu geblieben, bei den Lohnzusatzkosten unter 40Prozent zu bleiben, und zwar sogar das hatten wir gar nicht geplant inklusive der Erhöhung der Arbeitnehmerbeiträge um 0, 9Prozent. Ich will Sie auch darauf hinweisen, dass die Staatsquote in den letzten Jahren, in den Zeiten des Wachstums gesunken ist. Wir haben außerdem einen kleinen Schritt dahin gemacht, dass die so genannte kalte Progression abgemildert wird. Ich glaube, dass das auch in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt werden muss, denn es kann nicht sein, dass man schon als Facharbeiter oder Meister beim Spitzensteuersatz ankommt. Das ist, glaube ich, nicht im Sinne des Steuerrechts.

Meine Damen und Herren, wir investieren mit unserem Programm eine Menge in Forschung und Entwicklung. Sie haben die so genannte Abwrackprämie angesprochen natürlich ist sie in ihrer zentralen Rolle der Automobilindustrie geschuldet und Sie haben auch auf die Dienstwagen hingewiesen. Es ist zwar heute Geburtstag, aber nicht alle Wünsche werden sofort erfüllt. Ich habe das dennoch im Auge. Wir haben darüber auch schon im Dezember gesprochen. Ich kann Ihnen das nicht zusagen, aber ich glaube, dass da etwas Wahres dran ist das sage ich jetzt einmal so.

Wir müssen uns jetzt die Frage stellen: Wie kommen wir aus dieser Krise heraus und was ist da schiefgelaufen? Diese Frage reduziert sich jetzt nicht auf ein Maßnahmenpaket, also darauf, dass man sagt: Wir geben jetzt zwei Jahre lang 1, 5Prozent des Bruttoinlandsprodukts, zusammen also dreiProzent des Bruttoinlandsprodukts, für Maßnahmen gegen die Krise aus. Das ist aber natürlich ein wichtiger Teil der europäischen und weltweiten Maßnahmen. Deutschland steht das ist etwas sehr Interessantes in den Büchern der Europäischen Kommission mit einem Beitrag von 4, 7Prozent des Bruttoinlandsprodukts, weil die so genannten automatischen Stabilisatoren Rentenerhöhungen, Hartz-IV-Erhöhungen, auch die Gesundheitsausgaben und anderes mehr diesen Effekt ergeben.

Man muss sich einmal vor Augen halten, was das für das Einkommen der Rentnerinnen und Rentner bedeutet, wenn so eine Krise in den Vereinigten Staaten von Amerika auftritt, wo die Rentenzahlungen zumeist an Kapitalerträge gebunden sind. Wir haben dafür große Sicherungssysteme, zum Beispiel bei der Riester-Rente und auch der kapitalgedeckten Rente, sodass man alles, was man einbezahlt, sicher herausbekommt. Das sind langfristige, vertrauensbildende Investitionen, die uns als Land ein Stück mehr Sicherheit geben, die allerdings auch alle Anstrengungen erfordern, genauso schnell aus der Krise herauszukommen wie die anderen Länder auch. Aber in dieser Krise ist das ein großer, wichtiger Sicherheitsfaktor, um den uns viele Menschen auf der Welt beneiden.

Damit bin ich bei der eigentlichen Ursache dieser Krise. Die Ursache dieser Krise liegt darin, dass an vielen Stellen und vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika über eine zu lange Zeit geglaubt wurde, dass man dauerhaft über seine Verhältnisse leben kann. Es ist richtig: Es gab Exzesse auf den Märkten. Manche Finanzmarktprodukte hat keiner mehr verstanden. Aber es war natürlich auch ein Stück politischer Wille, Wachstum zu generieren und ein Stück stärker zu erscheinen, als man eigentlich war. Natürlich wurde das auch von einem Land wie Deutschland in Anspruch genommen, weil wir als Exportnation davon profitiert haben. Aber der Abstand zwischen dem, was die eigentliche Leistungsfähigkeit war, und dem, was man sich geleistet hat, war zu groß geworden. Damit sind die Risiken angewachsen und das hat zu dieser Krise geführt.

Das heißt, die Lehre aus dieser Krise muss sein, dass wir uns auch global darüber verständigen, welche Form von Risiken wir denn eingehen wollen. Deshalb schlage ich vor und habe darüber auch mit vielen internationalen Organisationen gesprochen wir werden das auch beim G20 -Treffen im April in London besprechen, dass wir an einer Charta für nachhaltiges Wirtschaften auf der Welt arbeiten, eben weil wir global vernetzt sind.

Hiermit komme ich zu einem Punkt, den Sie, Herr Oesingmann, soeben deutlich gemacht haben: Das Wirtschaften der Freien Berufe ist auf Nachhaltigkeit angewiesen. Ein dauerhafter Streitpunkt, bei dem wir Sie auch in vielen Fragen unterstützen, ist ja die Frage des europäischen Wettbewerbsrechts und der damit einhergehenden Regulierung bzw. Deregulierung der Möglichkeit, als Freiberufler tätig zu sein.

Da stellt sich die klassische Frage: Soll ich auf kurzfristige Gewinnmaximierung abstellen dann ist etwa die Versandapotheke natürlich die billigste Form, oder stelle ich zum Beispiel auf das Gut der Beratung, der langfristigen Bindung, des Aufbaus von Vertrauen ab? Wie aber kann ich das preislich beziffern? Andersherum: Wenn ich es preislich nicht beziffern kann, muss es dann sofort aus dem Wettbewerbsrecht herausgedrängt werden oder darf es auch in einem, wie ich jetzt einmal sage, auch wenn sich das ein bisschen ausschließt, menschlichen Wettbewerbsrecht einen Platz haben? Wir werden an allen Stellen genau auf diese Fragen stoßen. Wie ist unser Modell? Stellt es auf einen reinen Kostenaufwand für eine Leistung ab oder auch auf ein über lange Zeit aufgebautes Vertrauen, das seinen Wert hat, das dann aber auch seinen Preis hat? Diese Frage ist in der gesamten europäischen Politik nicht gelöst.

Ich könnte jetzt auch über die Installation von Breitbandleitungen und über die Frage sprechen, ob uns nur interessiert, was der Kunde für eine Leistung bezahlen muss, oder ob es auch eine flächendeckende Anbindung aller Haushalte geben soll. Genauso ist es mit der Apotheke und genauso ist es mit vielen anderen Dingen. Was sind uns Lebensqualität und die Gemeinwohlausrichtung wert und wie bekomme ich das in eine moderne, wettbewerbsfreudige Gesellschaft hinein?

Darüber zu streiten, lohnt sich natürlich. Ich denke, gerade im Bereich der Ärzte ist diese Diskussion voll entbrannt. Man schaut mich gerade so zustimmend an. Ich könnte jetzt sehr viel dazu sagen. Das Spannungsfeld zwischen niedergelassenen Ärzten und angestellten Ärzten in Gesundheitsfabriken, wenn ich das einmal so nennen darf, wird uns in den nächsten Jahren sehr schwer beschäftigen. Wir werden das sage ich Ihnen zu immer einen Pfad suchen müssen, auf dem die Existenz von Freiberuflern nicht verbaut wird. Das erfordert aber auch das ist in der Globalisierung nicht einfacher, weil man das Freiberuflerdasein in anderen Gesellschaften nicht in diesem Maße kennt und der Druck im Rahmen der Globalisierung dadurch natürlich zunimmt, dass wir uns sehr offensiv aufstellen und für unsere Modelle werben müssen. Das schafft die Politik nicht alleine, sondern wir brauchen ein ganz enges gemeinsames Verhältnis, um über diese Dinge in Europa und woanders überzeugend sprechen zu können.

Unsere Art der dualen Ausbildung, die Frage der Breitbandanschlüsse bis hin zur Frage der Freien Berufe es geht immer um dasselbe Thema: Langfristige Investition mit einer gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft steht gegen ein kurzfristiges Erfolgsmodell, das alle anderen Dinge außer Betracht lässt. Deshalb bin ich Ihnen ausdrücklich dankbar dafür, dass Sie sich mit Ihrem Leitbild dieser Frage gestellt haben, dass Sie sich ausdrücklich zu Werten bekennen. Denn ohne dieses Bekenntnis, ohne die gesellschaftliche Einbindung, kann der Freiberufler seine Existenz in einer auf harten und kurzfristigen Wettbewerb ausgerichteten Welt nicht begründen.

Ich möchte, dass Sie als Freiberufler nicht nur einen 60. , sondern auch noch einen 100. Geburtstag feiern können. Ich glaube, auch Sie werden sich an einigen Stellen natürlich den neuen Zeiten anpassen müssen; das zeigen Sie durch Ihre Diskussion. Wir werden im Einzelfall, ob es nun die Honorierung der Architekten, die Honorierung der Ärzte oder andere Dinge betrifft, miteinander auch immer wieder kontroverse Gespräche führen. Aber diese Gespräche das sage ich Ihnen im Namen der gesamten Bundesregierung zu werden von dem Wissen um das getragen sein, was Sie für dieses Land leisten. Weil dieses Wissen um das, was Sie leisten, sich in der Tat in dem Begriff des Vertrauens in bestimmte Leistungen ausdrückt, sage ich Ihnen, dass Vertrauen auch im 21. Jahrhundert ein hohes Gut für das Gelingen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens sein muss. Dieses Land wird künftig noch mehr auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen sein.

Es wird natürlich die Frage aufkommen: Wo kannst du am besten leben? Die Europäische Union wächst immer enger zusammen. Wir haben einen Binnenmarkt. Man kann sich mühelos überall niederlassen. Es werden dann auch die so genannten weichen Faktoren die Fragen, wie Menschen zusammenleben, worauf sie sich verlassen können, welche Dienstleistungen sie in Anspruch nehmen können und wie das Klima in einer Gesellschaft ist von herausragender Bedeutung sein. In unserer Gesellschaft wird das nicht einfacher werden, weil wir einen demographischen Wandel durchleben. Die Menschen werden erfreulicherweise älter, aber die Zahl der Jüngeren und derer, die im Berufsleben stehen, wird geringer. Auf dieser jüngeren Generation wird ein unglaublicher Druck lasten: Sie wird für ihr eigenes Leben aufkommen müssen, die Gesellschaft erwartet, dass sie sich für Kinder entscheidet, sie muss für die Älteren sorgen und sie muss im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb leistungskräftig und wettbewerbsfähig sein. Deshalb wird es so wichtig sein, dass wir dafür geeignete Bedingungen schaffen, sich entscheiden und sagen zu können: Deutschland ist ein Land, wo ich mich engagieren kann, wo ich Leistung zeigen kann, wo ich mich für das Gemeinwohl einsetzen kann und wo dies auch akzeptiert wird.

Deshalb für Ihre Tätigkeiten und die Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein herzliches Dankeschön! Ich wünsche uns weiterhin gute Gespräche, manchmal auch kontroverse Gespräche, und ansonsten eine gute Entwicklung für die gesamte Bundesrepublik Deutschland!

Herzlichen Dank und einen schönen Geburtstag!