Redner(in): Angela Merkel
Datum: 24.03.2009

Untertitel: in Arnstadt
Anrede: Sehr geehrter Herr Prof. Scholl, Herr Fehrenbach, Herr Dais, Herr von Hebel, liebe Frau Diezel, lieber Herr Bürgermeister, Herr Landrat, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/03/2009-03-24-merkel-rede-solar-energy,layoutVariant=Druckansicht.html


ich freue mich, wieder einmal hier zu sein. Diese Region scheint Grundsteinlegungen geradezu anzuziehen. Deshalb komme ich immer wieder gerne hierher. Heute bin ich gekommen, um sozusagen einem echten Lichtblick den weiteren Weg zu eröffnen, nämlich der Solarzellenfertigung bei ersol Solar Energy unter dem Dach von Bosch. Es ist eine große Investition von über einer halben Milliarde Euro. Bis zu 1.100 neue Arbeitsplätze werden hier geschaffen. Das ist eine Botschaft, die in diesen Tagen natürlich von allergrößter Bedeutung ist. Das Ganze findet außerdem auf einem Gebiet statt, das eine an 100Prozent Wahrscheinlichkeit grenzende Zukunftsfähigkeit hat. Das ist hier also eine wirkliche Zukunftsinvestition.

Deshalb kann Bosch stolz auf seine relativ junge Tochter ersol Solar Energy sein. Sie liegt das haben wir an den Beiträgen aus der Forschung und aus der Geschäftstätigkeit eben auch gehört ganz auf der Linie von Bosch, international führende Technologien und international führende Dienstleistungen anzubieten. Das ist einer konsequenten Ausrichtung auf Innovation zu verdanken. Deshalb habe ich auch großes Vertrauen, dass der innovative Bereich der Solarenergie von Ihnen hier auf das Allerbeste betreut wird. Ob in der Kraftfahrzeug- oder Industrietechnik, bei Gebrauchsgütern oder bei der Gebäudetechnik Bosch hat sich immer wieder viel versprechende Arbeitsgebiete eröffnet und hat damit Beschäftigung und Zukunft geschaffen. Das gilt genauso für den Einstieg in die Photovoltaik.

Die Rahmenbedingungen sind sehr günstig. Deshalb gibt es in Deutschland inzwischen 75Unternehmen, die sich in diesem Gebiet tummeln. Der Solarstandort Thüringen ist hierbei schon hervorgehoben worden. Es ist so, dass wir in den neuen Bundesländern insgesamt auf diesem Gebiet einen ganz besonderen Schwerpunkt haben. Das Spitzencluster "Solarvalley Mitteldeutschland" ist sozusagen ein Synonym dafür. Ich glaube, hier gibt es auch ein sehr gutes Ineinandergreifen von Produktion, Forschung und auch Ausbildung. Das sollte natürlich weiterentwickelt werden.

Praxisorientierte Forschung und Entwicklung ist auch etwas, das sich sehr gut in die Hightech-Strategie der Bundesregierung einpasst. Wir haben in der Vergangenheit des Öfteren erlebt, dass wir zwar mit herausragenden Forschungsprodukten berühmt geworden sind, daraus dann aber den Sprung in die Anwendung und auch die Entwicklung von Wohlstand für die eigene Bevölkerung nicht in ausreichendem Maße geschafft haben. Deshalb ist es mir und der gesamten Bundesregierung ein großes Anliegen, dass das besser gelingt und dass wir genau hierzu Brücken bauen. Ich denke, dass diesbezüglich mit der Hightech-Strategie und den Kooperationsmechanismen, die entwickelt wurden, in dieser Legislaturperiode wichtige Schritte gegangen wurden.

Von den Stiftungsprofessuren für Photovoltaik in Ilmenau und Jena war hier schon die Rede. Damit hat der Freistaat Thüringen einmal mehr seinem Ruf als Denkfabrik, also einem Ort der Kombination von Produktion und Entwicklung, alle Ehre gemacht. Auch ich möchte Ministerpräsident Dieter Althaus von diesem Ort aus sehr herzlich grüßen, der sich für diese Zukunftsausrichtung Thüringens immer wieder ganz besonders stark gemacht hat.

Seit 1991 weist der Freistaat Thüringen mit seiner sehr mittelständisch geprägten Wirtschaftsstruktur das höchste Wirtschaftswachstum in den ostdeutschen Ländern auf. Die heutige Investition ist neben vielen, vielen anderen ein weiterer Baustein auf diesem Weg von Thüringen. Arnstadt mit seiner 1. 300-jährigen Geschichte glänzt neben seinen historischen Türmen im Stadtbild eben auch mit Leuchttürmen moderner Technologien. Das ist die Kombination, die Zukunft sichert.

Die erneuerbaren Energien sind ein Feld, in dem Deutschland international Profil hat. Wir wissen aber auch, dass dieses Feld zunehmend umkämpft werden wird. Gerade die Nachrichten aus den Vereinigten Staaten von Amerika zeigen, dass wir unseren Vorsprung halten und uns dazu Exportmärkte erschließen müssen. Wir können damit rechnen, dass jetzt auch andere stärker in die Pedale treten und sich anstrengen werden. Deshalb ist es wichtig, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland stimmen.

Es ist darauf hingewiesen worden, dass die fossilen Brennstoffe endlich sind und dass ihre Preisstruktur in den nächsten Jahren bei wachsender Bevölkerungszahl und auch wachsendem Wohlstand in den Schwellen- und Entwicklungsländern schwer prognostizierbar ist. Deshalb tun wir gut daran, die Nutzung der erneuerbaren Energien stringent zu entwickeln.

Nun hat die Solarenergie dabei einen relativ schwierigen Stand. Die Windenergie hat bereits vieles geschafft. Die Solarenergie aber ist heute noch mit einem sehr hohen Subventionsbedarf behaftet. Wir haben uns hier gerade ein bisschen über die Wirkungsgrade, die wir im Bereich der Solarenergie erreichen, unterhalten. Als Physikerin denkt man: Da muss noch mehr drin sein der Forschungschef nickt auch schon. Ich glaube, es ist deshalb alle Mühe wert, in diese Technologie zu investieren.

Ich leiste daher auch sehr häufig Überzeugungsarbeit im Deutschen Bundestag und sage: Um in die degressive Phase zu kommen, müssen wir natürlich einen gewissen Umfang an Produktion haben, sonst wird sich diese Entwicklung nicht in der Geschwindigkeit fortsetzen, wie wir sie brauchen. Es ist natürlich vonseiten der Politik nicht ganz einfach, genau zu ermessen, wie die Degression zu gestalten ist und wie weit die Massenfertigung anzuschieben ist. Ich glaube aber, wir haben in all dem Für und Wider einen ganz guten Weg gefunden. Zumindest denke ich, dass Ihre Investition ein Zeichen dafür ist, dass es nicht auf ein Desaster zusteuert.

Ich muss allerdings sagen: Es ist manchmal gar nicht so einfach, von der Wirtschaft eine richtige Angabe zu bekommen. Wir haben im Zusammenhang mit der Windenergie viele, viele Diskussionen gehabt. Ich erinnere mich an die Prognosen in meiner Zeit als Umweltministerin, wie sich das entwickeln würde. Es ist immer viel geschimpft und viel geklagt worden, trotzdem ist man immer etwas besser gewesen, als es die politischen Rahmenbedingungen vorgegeben haben. Das ist nicht ungefährlich. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir einen ehrlichen Austausch über die technischen Möglichkeiten haben. Falls Sie einmal einen richtig qualitativen Entwicklungsschub und -sprung haben, dann sagen Sie es uns bitte, damit wir die degressiven Kurven dann rasch anpassen können.

Die politischen Rahmenbedingungen sind dennoch sehr günstig. Wir haben uns in der Europäischen Union darauf verständigt, dass wir bis 2020 20Prozent unseres gesamten Energiebedarfs durch erneuerbare Energien decken wollen. In der europäischen Aufteilung bedeutet das für Deutschland, bis 2020 einen Anteil von 18Prozent zu erreichen. In konkreten Zielwerten ausgedrückt heißt das für uns, dass wir bis 2020 mindestens 30Prozent des Strombedarfs und 14Prozent des Wärmebedarfs aus erneuerbaren Quellen decken wollen. Wir sollten das haben Sie eben angedeutet nicht vergessen, welche Bedeutung die Solarenergie für die Deckung des Wärmebedarfs haben kann. Das ist manchmal noch ein sehr unterschätztes Feld, in dem noch vieles machbar ist.

Wir haben das Erneuerbare-Energien-Gesetz novelliert. Über die Diskussionen in diesem Zusammenhang habe ich eben schon leise Bericht erstattet. Wir haben diese Ziele des Weiteren im Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz verankert. Damit haben Sie verlässliche Rahmenbedingungen. Ich glaube, wir haben bei allem Klagen in Deutschland einen sehr interessanten Anreizmechanismus für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien. Dabei ist zu beachten, dass wir Grundlast vorhalten müssen. Daraus erwachsen zusätzliche Aufgaben für die gesamte Stromversorgung. Aber die Tatsache, dass es sozusagen einen Rechtsanspruch gibt, aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom auch vergütet zu bekommen, hat natürlich zu einer massiven Investitionstätigkeit geführt. Allerdings muss man auch sagen das ist ein Dank an die Bürgerinnen und Bürger: Letztlich wird dies durch die Strompreise mitgetragen. Jeder Einzelne in Deutschland hat insofern einen Anteil daran, dass sich die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien so gut entwickeln kann. Wenn ich hier den europäischen Bereich sehe, muss ich doch sagen, dass das gegenüber Quotenregelungen vielerlei Vorteile hat. Insofern stehen wir mit unserem rechtlichen Rahmen gar nicht so schlecht da.

Welche Sprünge wir auf diesem Gebiet gemacht haben, kann ich aus meiner Zeit als Umweltministerin sehr gut ermessen. Damals schienen zehnProzent Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien noch in weiter Ferne zu sein. Das haben wir jetzt schon geschafft. Wir sind auf einem Pfad, der sich wirklich sehen lassen kann natürlich auch mit allem, was solche Rahmenbedingungen mit sich bringen. Wir haben hier heute glücklicherweise nichts mit Biokraftstoffen zu tun. In diesem Bereich ist natürlich jede Rechtsänderung das wäre bei Ihnen genauso mit immensen Auswirkungen auf die Produzenten und Produktionskapazitäten verbunden. Das Umweltrecht ist also durchaus ein Recht, das Märkte schafft und fördert.

Wir alle arbeiten daran, dass erneuerbare Energien irgendwann in absolute Marktfähigkeit übergehen werden. Wir würden allerdings einen riesigen Fehler machen, wenn wir die Niedrig-Kohlenstoff-Technologien nicht weiterentwickeln würden. Ich glaube, Deutschland hat hier auf Dauer extrem gute Exportchancen.

Bosch ist nicht nur im Bereich der Energieerzeugung aktiv, sondern auch im Bereich der Batterien, also der Speicherkapazitäten. Es ist ein interessanter Umstand, dass in einem Bereich, in dem schon so vieles erfunden wurde, das Speichern von Energie immer noch so ein enger Flaschenhals ist. Auch das ist ein extrem spannendes Feld für die Zukunft.

Wir haben über die neuen Antriebstechnologien gesprochen, die sich in Deutschland Schritt für Schritt durchsetzen werden. Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan. Ich sehe Herrn Zimmermann als er noch beim VDA war und wir darüber gesprochen haben, in welchem Tempo sich neue Antriebstechnologien entwickeln werden, haben wir beide, glaube ich, die Dynamik etwas unterschätzt. Heute wiederum muss man aufpassen, dass die Menschen nicht denken, das Elektroauto sei schon übermorgen fertig. Ich treffe immer wieder Menschen, die sagen: Mein nächstes Auto kaufe ich mir erst, wenn das Elektroauto fährt. Wenn das jetzige Auto schon ein paar Jahre alt ist, sage ich dann immer: Vorsicht, es ist nicht klar, ob das so schnell klappt. Die Hybridtechnik ist aber eine Technik, die uns auf diesem Wege sozusagen eine Brücke baut. Diese Technik ist sehr interessant.

Wir werden auch noch wunderbare Dinge erleben ich muss jetzt aufpassen, dass ich als Naturwissenschaftlerin nicht ins Schwärmen komme, was die Frage der Solarmodule im Zusammenhang mit der Mobilität und mit dem Auto anbelangt. Die Chemie wird dabei wahrscheinlich auch noch ein bisschen ins Spiel kommen, wie ich jetzt schon gelernt habe. Insofern stehen uns hier wirklich innovative Jahre ins Haus.

Wir haben in Deutschland schon an verschiedenen Stellen den Anschluss verpasst das muss man ganz einfach sagen. Zum Beispiel bei den Computerchips, in der Softwareentwicklung und in der Internetentwicklung sind viele Dinge fernab von Deutschland entstanden. Auch die Wertschöpfung findet in diesen Bereichen im Wesentlichen anderswo statt. Umso wichtiger ist es, dass wir in den Bereichen, in denen wir jetzt seit über hundert Jahren führend sind vor allem Maschinenbau, Automobil, Mobilität, diese Führung auch im 21. Jahrhundert behalten und mit neuen Möglichkeiten kombinieren.

Deshalb bin ich Bosch sehr dankbar, stellvertretend für alle Firmen, die in diesen nicht einfachen Tagen auf der einen Seite die Angebote der Bundesregierung annehmen Kurzarbeit und Ähnliches, um Fachkräfte, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu halten, die in ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten einzigartig und konstitutiv für die Zukunft ihrer Unternehmen sind, und die auf der anderen Seite nicht sparen. Denn eines ist klar: Nach dieser Krise werden die Karten auf der Welt noch einmal neu gemischt. Sie haben es eben angedeutet: Krisen haben die Eigenschaft, Veränderungsprozesse zu beschleunigen. Wir haben die Chance, stärker aus dieser Krise herauszukommen, als wir hineingegangen sind. Aber darauf haben wir keinen Rechtsanspruch, sondern das müssen wir uns erarbeiten.

Deshalb ist der heutige Tag mit dieser Grundsteinlegung ein so wichtiger Tag nicht nur für die Region, nicht nur für den Freistaat Thüringen, sondern für die ganze Bundesrepublik Deutschland. Er ist ein Zeichen der Hoffnung, ein Zeichen der Innovation, ein Zeichen unseres Glaubens an Zukunftstechnologien und damit an Wohlstand in Deutschland auch im 21. Jahrhundert. Herzlichen Dank, dass Sie dies möglich gemacht haben!