Redner(in): Angela Merkel
Datum: 23.03.2009

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Prof. Weber, sehr geehrter Herr Präsident Müller, sehr geehrter Herr Schmitz, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, werte Gäste, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/03/2009-03-23-rede-merkel-bundesverband-banken,layoutVariant=Druckansicht.html


wir haben uns hier heute zum jährlichen Empfang des Bundesverbandes der deutschen Banken aus einem ganz besonderen Anlass versammelt: Herr Müller wird als Präsident dieses Verbandes verabschiedet. Ich möchte ihm ein herzliches Dankeschön sagen!

Die "Süddeutsche Zeitung" hat über Sie einmal gesagt, dass Sie ein "begnadeter Kommunikator" sind. Ich schließe mich dem an. Erstens habe ich meistens das verstanden, was Sie mir gesagt haben. Zweitens fand ich, dass Sie auch in Richtung der Gemeinschaft unseres Landes viel Vernünftiges, Gutes und Wichtiges deutlich gemacht haben und damit eine wichtige Stimme gewesen sind, nämlich die Stimme des Bundesverbandes der deutschen Banken.

Sie haben eine langjährige Erfahrung als Banker, Sie haben wichtige Arbeit als Verbandspräsident geleistet, Sie kümmern sich um "Corporate Governance" in unserem Land. Das heißt, Sie haben viel Zeit für das Gemeinwohl und die unternehmerische Tätigkeit aufgewendet. Dafür ein herzliches Dankeschön! Ich vermute einmal, auf Sie wartet noch einiges. Langeweile werden Sie auch in Zukunft nicht haben.

Nun treffen wir uns, um heute auch einen neuen Präsidenten zu begrüßen. Lieber Herr Schmitz, alle guten Wünsche gelten Ihnen! Wir sind zu intensiver und guter Zusammenarbeit bereit, wie es Tradition ist. Auf gute Gespräche in hoffentlich einmal unkritischeren Zeiten!

Ich war das letzte Mal bei Ihnen 2006 anlässlich Ihres Jahresempfangs. In diesem Jahr, im Jahr 2009, ist vieles anders als damals. Wir haben in der Zwischenzeit, in den letzten Monaten, eine Krise des internationalen Bankensystems, der internationalen Finanzmärkte und auch eine Krise der internationalen Wirtschaft erfahren, von der alle Teile der Welt betroffen sind. Auch Deutschland kann sich nicht ausnehmen, zumal wir als Exportweltmeister natürlich mit den internationalen Mechanismen engstens verflochten sind.

Wir erleben in diesen Monaten, dass Globalisierung völlig neue politische Aktionen und Mechanismen hervorrufen wird, die für uns nach dieser Krise sehr viel normaler werden, als sie das vielleicht vorher waren, und die wir in vielen Bereichen schon kannten. Aber jetzt hat man gesehen, wie wichtig es ist, international abgestimmt und möglichst auch noch schnell gemeinsam zu handeln.

Die gute Nachricht in dieser Krise ist vielleicht die, dass wir jetzt begriffen haben wenn das nicht schon vorher der Fall war, wie wichtig Finanzinstitutionen sind und wie wichtig funktionierende Finanzkreisläufe sind. Ich sage trotzdem: Ich hätte die Krise nicht gebraucht, um diese Wichtigkeit zu erleben. Aber sie ist uns allen vor Augen geführt worden. Die schlechte Nachricht ist, dass es eine Krise ist, die durch nachvollziehbare, zum Teil auch vorher in Ansätzen schon erkennbare Fehlentwicklungen hervorgerufen worden ist.

Wir haben in den 90er Jahre eine Asienkrise erlebt. Manches von dem, was wir jetzt sehen, konnte man auch dort schon in Ansätzen beobachten. Wir haben nach dem 11. September 2001 eine Sehnsucht danach gehabt, dass das Wirtschaftswachstum nicht global einbricht. Dazu hat man sich bestimmter Mechanismen bedient, die wiederum ihre Rückwirkungen auf Finanzprodukte hatten. Insofern ist es nicht so, dass man nicht hätte manches erahnen können. Für mich ist es zumindest so, dass man jetzt so viel weiß, dass man alles daransetzen muss, dass es nicht wieder so weit kommt. Dazu bitte ich Sie, die Sie in den Finanzinstitutionen und im Finanzsektor tätig sind, um Mithilfe.

Wir haben eine Menge fachlicher Aufgaben zu erledigen. Einige haben wir schnell erledigt. Wir haben innerhalb einer Woche beweisen können, dass die Bundesrepublik Deutschland als föderales Staatsgebilde rasch handlungsfähig ist. Keiner von uns hatte damit gerechnet, dass ein ganzer Wirtschaftsbereich in diesem Fall der Finanzdienstleistungssektor zu uns kommen und sagen würde: Nur ihr, der Staat, könnt uns noch helfen. Ich möchte diese Erfahrung eigentlich nicht allzu häufig machen; das sage ich Ihnen auch. Wir haben geholfen. Und diese Hilfe ist schnell erfolgt. Sie ist international abgestimmt erfolgt. Sie hat die Funktionsfähigkeit unseres Gemeinwesens von Bund und Ländern sowie des Bundestags unter Beweis gestellt. Ich glaube, es ist ein beruhigendes Gefühl, dass unsere Bundesrepublik Deutschland auch im 60. Jahr ihres Bestehens handlungsfähig ist, wenn es darauf ankommt.

Bei allem, was wir mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz gemacht haben, ging es uns darum, in einer Situation, in der die Selbstheilungskräfte der marktwirtschaftlichen Mechanismen allein nicht mehr ausgereicht haben, Marktwirtschaft wieder besser lebbar und ihre Selbstheilungskräfte wieder funktionsfähig zu machen. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Ursprünge der Sozialen Marktwirtschaft sind im Wesentlichen daraus entstanden das Roman-Herzog-Institut hat in diesen Tagen eine Broschüre dazu veröffentlicht, dass, um Lehren aus der Weltwirtschaftskrise in den 20er und 30er Jahren zu ziehen, gesagt wurde: Es gibt Situationen, in denen staatliches Agieren dazu führen muss, dass die Kräfte der Märkte wieder wirken können. Aber und das sage ich auch das sind natürlich nur Ausnahmesituationen. Es geht allein um das Ziel, die Mechanismen der marktwirtschaftlichen Kräfte wieder funktionsfähig zu machen.

Herr Weber, Sie haben eben so schön gesagt: So viel Markt wie möglich und so viel Staat wie nötig. Leicht ironisch hinzugefügt: Die Banker sagen, wie sie es gerne hätten. Darum dreht sich die ganze politische Auseinandersetzung in diesen Tagen: Wann ist Markt möglich und wann ist Staat nötig? Es gab Situationen, in denen wurde man, wenn man sich sechs Stunden dagegen gesperrt und überlegt hatte, ob nun wirklich der Staat nötig ist, von denen, die eigentlich am Markt agieren, angefeuert: Nun muss es aber schnell passieren. Es wird wahrscheinlich auch wieder Situationen geben, in denen wir sagen, dass wir noch staatlicherseits etwas machen möchten, Sie aber wieder sagen: Nein, lasst uns das einmal tun. Auf diesen Tag warte ich, weil das bei mir eine gewisse Zufriedenheit auslösen würde.

Es gibt in Deutschland und auch international das haben wir heute an den Vorgängen in den Vereinigten Staaten von Amerika gesehen immer noch die Situation, dass wir Rettungshilfen für bestimmte Finanzinstitutionen finden müssen. Wir haben international vereinbart, kein systemisches Institut, wie es so schön heißt, in die Insolvenz zu entlassen. Genau das ist ein nichtmarktwirtschaftliches Versprechen, ein Außerkraftsetzen der Marktwirtschaft, aus dem sich dann Folgerungen, die in die Mechanismen der Marktwirtschaft nicht hineinpassen, ergeben. Indem wir das aber versprochen haben, haben wir verhindert, dass sich das wiederholt, was uns einmal mit Lehman Brothers ereilt hat. Ich glaube, es gibt gute Gründe dafür, dass wir das international so gemacht haben.

Wir haben mit der Arbeit des SoFFin begonnen. Die Dinge haben sich so entwickelt, dass die Situation heute leicht besser geworden ist. Aber was die Funktionsfähigkeit der Banken anbelangt, ist sie längst noch nicht so gut, wie sie sein müsste.

Deutschland ist ein besonderer Fall. Der BdB verkörpert nicht alle Finanzinstitutionen, die es in unserem Land gibt. Wir haben ein Drei-Säulen-Modell: Sparkassen, Landesbanken zu denen will ich heute nicht viel sagen, außer: da ist noch einiges zu tun, die Volks- und Raiffeisenbanken sowie den Bereich der privaten Banken. Wir müssen sicherlich miteinander beraten, wie wir, nachdem keine akute Existenzgefahr mehr besteht, die Kreisläufe wieder in Gang bringen können und was die Politik dazu noch leisten muss.

Mit Sicherheit ist der schwierigste Bereich der der nichtmarktfähigen oder nichtmarktgängigen Assets der Bad Assets, wie man so schön sagt, der für uns politisch eine erhebliche Herausforderung darstellt. Im Übrigen ist das nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der Fall. Ich will auf die verschiedenen Modelle jetzt nicht eingehen. Der Bdb hat uns eines vorgestellt. Wir müssen politisch darauf achten, dass wir im Sinne der Gerechtigkeit nicht zu dem Punkt kommen, an dem der Steuerzahler die schlechten Risiken trägt und die privat agierenden Banken zum Schluss die guten Chancen haben.

Deshalb gibt es Länder, in denen relativ einfach über Nationalisierung oder Verstaatlichung gesprochen wird. Ich finde es gut, dass bei uns die gesamtgesellschaftliche Diskussion etwas vorsichtiger ist. Aber es ist so: Wenn man zu einer fairen Lastenverteilung kommt, kommt man auch an einem gewissen Einfluss des Staates nicht vorbei oder zumindest nicht an einem gewissen Versprechen, dass nach längerer Zeit die privat Agierenden auch bereit sein müssen, einen Teil des Guten wieder an den Steuerzahler abzugeben, wenn der Steuerzahler in einer schlechten Zeit geholfen hat, etwas zu unternehmen.

Wie man mit Produkten umgeht, die keinen Preis haben, ist auch eine spannende Frage wahrscheinlich noch für Heerscharen von Doktoranden in den Wirtschaftswissenschaften. Wie bilde ich Preise? Ich bin sehr gespannt, wie zum Beispiel das amerikanische Modell funktionieren wird und ob es mit privaten Anreizen geht, die etwas schwierigeren Dinge an den Mann oder die Frau zu bringen. Das sind neue Erfahrungen, die wir machen müssen. Wir dürfen uns um das Thema aber nicht herumdrücken, weil wir ansonsten einen viel zu langen Zeitraum haben, bevor die Banken wieder zu ihrer vollen Schlagkraft ausholen können.

Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir in dieser Krise, die inzwischen auch eine Wirtschaftskrise ist, prozyklische Effekte vermeiden können. Deshalb habe ich mich beim Europäischen Rat in der letzten Woche massiv dafür eingesetzt, dass wir bei dem von mir sonst sehr geschätzten Basel-II-Abkommen, das leider von unseren amerikanischen Freunden nicht ganz so geschätzt wird, nicht nur vereinbaren, wie wir uns auf Krisenzeiten in Zukunft vorbereiten, sondern bereits in der akuten Krise alles daransetzen, dass durch die Wirkungsweise von BaselII das ohnehin schon nicht üppige Kreditvolumen nicht noch einmal massiv schrumpft. Ich hoffe, dass hier die Akteure handeln. Ich habe die herzliche Bitte an Sie: Reden Sie mit den Ausschüssen, die dafür zuständig sind! Mahnen Sie sie zur Eile! Wir reden mit der Kommission. Es muss an diesem Punkt etwas geschehen, weil in den nächsten Monaten dieses Thema aus meiner Sicht von allergrößter Wichtigkeit sein wird.

Wir werden sicherlich auch darüber nachdenken das will ich gleich hinzufügen, dass als Pendant die von uns verabschiedete Unternehmensteuerreform Elemente aufweist, die ausgesprochen prozyklisch wirken. Ich nenne die Themen Zinsschranke und Mantelverkäufe. Auch hier muss darauf geachtet werden, dass wir um die schon schlecht wachsende oder rückläufige Wirtschaft nicht selber noch Schlingen legen. Auch das ist eine Aufgabe, die jedenfalls ich anmahnen will. Das ist im Augenblick in der Koalition nicht einfach. Aber auch hier können Sie verstärkend darauf einwirken.

Ich werde immer wieder Wert darauf legen auch das muss ich sagen, dass auch wir, wenn die Amerikaner ständig ihre Bilanzierungsregeln ändern, zu einem möglichst einheitlichen Wettbewerbsfeld kommen, weil wir uns ansonsten in der Europäischen Union und im europäischen Bereich sehr schwer tun.

Wir brauchen eine neue Finanzmarktarchitektur. Das wird Anfang April Gegenstand der Verhandlungen in London sein. Ich bedanke mich dafür, dass Sie sagen: Kein Finanzprodukt, kein Finanzplatz, kein Institut mehr ohne Transparenz und ohne Regelung. Aber ich glaube, dass es auch hier darauf ankommen wird, dass wir ein richtiges Maß an Überwachung finden. Die Überwachung bedarf auch global agierender Akteure. Das ist ein Prozess, mit dem sich viele Länder sehr, sehr schwer tun, weil man ein Stück Souveränität aus der Hand gibt. Wir Europäer sind es gewöhnt, dass ein Teil unserer Entscheidungen in Brüssel gefällt wird. Andere auf der Welt sind es nicht. Aber globales Wirtschaften wird auch dies erfordern.

Wir brauchen intelligente Regeln, die nicht jedes Produkt durch staatliche Institutionen genehmigen lassen, sondern Regeln, die sich mit Kapitalabsicherung und Risiko sozusagen selbst ausbalancieren und damit Selbstregulierungskräfte wieder freisetzen. Ich glaube, wir sind da auf einem ganz guten Weg.

Die Idee, man könnte auf einer Liste auftauchen, wenn man sich bestimmten Vorgaben der internationalen Gemeinschaft entzieht, hat schon als Idee wundersame Wirkungen entfaltet. Ich hoffe, dass sich das noch fortsetzt und wir zum Schluss vielleicht nicht mehr so viele Listen brauchen.

Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir zu kurz springen würden, wenn wir nach dem Aufbau einer neuen Finanzmarktarchitektur sagen würden: Das war es. Für mich liegen die Ursachen für die Krise, wie wir sie jetzt haben, nicht nur in der Laschheit und vielleicht auch in den Exzessen der Märkte im Finanzbereich. Das ist zwar richtig. Ich vermute auch, dass manch einer sein Risiko, das er eingegangen ist, sehr, sehr gut gekannt hat. Aber letztlich muss man sich fragen: Was haben wir politisch getan, um einen geeigneten Ordnungsrahmen herzustellen?

Ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie daran erinnert haben, dass wir während der G8 -Präsidentschaft zaghafte Versuche für einen besseren Ordnungsrahmen unternommen haben, die aber ziemlich brüsk von anderen Akteuren abgewiesen wurden. Dahinter stand natürlich etwas, was sich zum Schluss in den wirtschaftlichen Ungleichgewichten der Welt niederschlägt, nämlich die Tatsache, dass uns der Wunsch, durch bestimmtes, sozusagen leichtes Geld ein Wirtschaftswachstum zu kreieren, das vielleicht nicht ganz real ist und immer ein kleines bisschen über den eigentlichen Realitäten steht, in immer höhere Risiken hineingetrieben hat.

Deshalb ist es im Umgang mit den Banken gar nicht so einfach, zu sagen: So, nun machen Sie bitte einmal, Herr Blessing, Herr Ackermann und wie sie alle heißen, genau das, was Sie vor der Krise gemacht haben, denn wir haben Ihnen doch jetzt geholfen. Die Banker sagen natürlich mit Recht: Wenn wir bestimmte Risiken nicht mehr eingehen sollen, hat das natürlich Folgen; dann ist es nicht mehr so, wie es vorher war. Das heißt, wir werden stärker darüber nachdenken müssen, was wirklich weltweit die langfristigen und dauerhaft tragenden Wachstumskräfte sind.

Damit bin ich an einem Punkt, der uns in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Ich sage bewusst, er wird uns Jahre beschäftigen. Das Problem mit den Banken werden wir in einem überschaubaren Zeitraum lösen können. Aber die Fragen, wie wir zu nachhaltigem Wachstum kommen, wie die Karten nach dieser Krise auf der Welt verteilt sein werden, welche Länder daraus gestärkt hervorgehen und welche nicht, sind noch nicht beantwortet. Wenn ich sage: "Ich möchte, dass Deutschland stärker aus dieser Krise herauskommt, als es hineingegangen ist", dann bedeutet das auch, dass wir Wachstumskräfte erheblich stärken müssen und dass wir natürlich alles daransetzen müssen, das, was bei uns innovativ und kreativ ist, auch in dieser Krise stark weiterzuentwickeln. Wir sehen bei allen Konjunkturprogrammen, die weltweit aufgelegt werden, dass zum Teil sehr gezielt und sehr genau in Zukunftsbereiche investiert wird. Da ist in Deutschland noch viel Diskussion vonnöten.

Es ist in einem zweiten Bereich noch viel Diskussion vonnöten und darum bitte ich Sie, die Sie hier in diesem Raum versammelt sind. Wir als Politiker haben die Krise in gewisser Weise politisch zu managen.

Aber wir haben vor allen Dingen Menschen Antworten zu geben, die in ihrem Gerechtigkeitsempfinden zutiefst erschüttert sind. Der Erfolg dieses Landes, auch der Erfolg, dass sie in diesem Land arbeiten können und ihre Heimat haben, hängt natürlich von den Unternehmern ab, von der Bereitschaft, Risiken einzugehen. Aber er hängt auch vom Zusammenhalt unserer Gemeinschaft ab.

Die Soziale Marktwirtschaft hat in den letzten Jahren, vielleicht zwei Jahrzehnten, vielerlei Prüfungen durchlebt, weil Gewissheiten der 50er, 60er, 70er, vielleicht auch noch der 80er Jahre so heute nicht mehr gelten. Früher war die Sache relativ klar: Geht es meinem Unternehmen gut, geht es auch mir als Arbeitnehmer gut. Mit wachsender Globalisierung ist das immer weiter auseinander gegangen. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben schon erlebt: Es kann meinem Betrieb prima gehen und trotzdem kann ich meine Arbeit verlieren.

Jetzt haben wir eine zweite Erschütterung erlebt. Das ist nicht die Erschütterung, dass Spareinlagen nicht gesichert sind damit konnten wir als Sparer rechnen, sondern die Erschütterung, dass sozusagen unglaublich hohe Beträge notwendig sind, um ein in die Krise geratenes System zu stützen. Das sind Beträge, von denen wir bestenfalls die Hälfte oder ein Viertel beziffert haben, wenn wir einen Jahreshaushalt beschrieben oder wenn wir über unser Bruttoinlandsprodukt gesprochen haben. Aber es sind keine Beträge, mit denen wir sozusagen jemals real an einzelne Institutionen herangegangen sind und sie ausgeteilt haben.

Da ist natürlich ein Punkt erreicht, an dem die Menschen sehr schwer dazu bereit sind und ich finde das richtig, das zu verstehen. Deshalb ist es so wichtig und das ist meine Bitte an den neuen Präsidenten, an den alten Präsidenten und an alle, die in diesem Bereich agieren, dass vielleicht noch ein Stück stärker und vielleicht auch länger, als Sie denken, darüber gesprochen wird und dass auch Sie verstehen, was für eine Belastung durch die Branche was ich sage, hat nichts mit individueller Schuld zu tun, durch Finanzmarktakteure hervorgerufen wurde. Das ist notwendig, um wieder ein Verständnis und ein gemeinsames Fundament für die Fortführung der Sozialen Marktwirtschaft zu bekommen. Das will ich. Das will die ganze Bundesregierung. Das wollen die Menschen, die an dieses Land glauben.

Das heißt auch, dass man nicht wieder bei jedem Vorschlag Abwehrmechanismen einsetzen lässt, sondern dass man einfach versucht, ein Stück zu verstehen, was im Augenblick an Erschütterung stattfindet. Das sitzt tief. Das ist nicht in ein, zwei, drei Tagen vorbei. Sie wissen alle, wie die Verläufe der Krise sind. Der Aufschwung wird nicht so schnell kommen, wie der Abschwung gekommen ist. Das wird eine lange Strecke dauern. Auf dieser langen Strecke wird es sehr davon abhängen, dass diejenigen, die in diesem Land unternehmerische Verantwortung tragen, auch dazu bereit sind, dies gegenüber denen deutlich zu machen, die bei ihnen beschäftigt sind.

Ich sage, dass ich, dass wir alle gute Erfahrungen gemacht haben, dass viele die Instrumente, die wir anbieten Kurzarbeit und vieles andere mehr, annehmen. Aber ich bitte Sie auch auch wenn Sie denken, Sie haben es schon dreimal gesagt: Stellen Sie sich dem Gespräch der Menschen, stellen Sie sich der Auseinandersetzung, seien Sie nicht so empfindlich, wenn Sie kritisiert werden. Wir müssen das in der Politik auch aushalten. Man kann das schaffen. Man schärft sich in seiner Argumentation. Lassen Sie uns dafür kämpfen, dass wir in unserer Bundesrepublik Deutschland wieder eine funktionstüchtige Soziale Marktwirtschaft bekommen! Ohne Sie wird es nicht gehen. Deshalb brauchen wir Sie! Und deshalb auf gute Zusammenarbeit!