Redner(in): Angela Merkel
Datum: 13.05.2009

Untertitel: in Bochum
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/05/2009-05-13-bkin-staedtetag,layoutVariant=Druckansicht.html


Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Herr Ude,

liebe Teilnehmer dieses großartigen Deutschen Städtetages!

Ich habe eben gesagt, dass es hier fast wie beim chinesischen Volkskongress ist, was das Präsidium anbelangt. Das war auch vor mir wohl schon gesagt worden. Die Redezeit von Herrn Ude hat das allerdings wieder wettgemacht. Ich habe Ihnen die herzlichen Grüße der gesamten Bundesregierung zu überbringen. Wir haben uns mit der Kabinettssitzung beeilt, damit ich pünktlich hier sein konnte.

Gestatten Sie mir bitte, dass ich der Frankfurter Oberbürgermeisterin nachträglich ganz herzlich zum Geburtstag gratuliere. Alles Gute und weitere gute Arbeit im Sinne des Städtetages!

Wir sind heute in Bochum. Ich möchte auch die Frau Oberbürgermeisterin stellvertretend für diejenigen ganz herzlich grüßen, die in kommunaler Verantwortung tätig sind.

Wir befinden uns in einem Jubiläumsjahr. Wir feiern in diesem Jahr 60Jahre Bundesrepublik Deutschland und 60Jahre Grundgesetz. Dieses Grundgesetz drückt aus, dass wir ein föderaler Staat sind, in dem die Kommunen eine wichtige und nicht wegzudenkende Rolle spielen. Die Tatsache, dass sich dieses Grundgesetz, obwohl einmal als Provisorium geplant, als eine außerordentlich erfolgreiche Verfassung bewährt hat, ist auch der Tatsache geschuldet, dassdie verschiedenen Ebenen in unserem Land Bund, Länder und Kommunen traditionsgemäß gut zusammengearbeitet haben.

Manches dauert manchmal etwas länger, als man es sich wünscht. Es ist manchmal in Deutschland etwas komplizierter als in anderen Ländern, wo es andere Strukturen gibt. Aber das, was uns in der Bundesrepublik Deutschland auszeichnet, ist, dass das, was miteinander beschlossen und verabredet wurde, auch ein Höchstmaß an Stabilität für das ganze Land garantiert. Das ist etwas, wovon die Menschen in diesem Land immer wieder profitiert haben sozialer Frieden und eine gute Balance der Macht.

Der Föderalismus ist deshalb so erfolgreich, weil er letztlich ein Wettbewerb um die besten Ideen ist, regionale Vielfalt zur Geltung kommen lässt und dennoch Mechanismen hat, um gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland sicherzustellen. Deshalb möchte ich sagen: Wir feiern am 23. Mai 60Jahre Bundesrepublik Deutschland im Bewusstsein um den großen Beitrag, den die Städte und Gemeinden zum Erfolg dieser Bundesrepublik Deutschland geleistet haben.

Herr Ude, ich möchte auch hervorheben, dass der Deutsche Städtetag ein verlässlicher Partner der Bundesregierung ist. Das schließt nicht aus ich komme noch darauf zurück, dass es einzelne Punkte gibt, an denen wir noch weiter arbeiten müssen. Aber insgesamt können wir uns aufeinander verlassen. Ich glaube, das hat sich gerade jetzt in dieser Wirtschaftskrise, ausgehend von einer internationalen Finanzmarktkrise, noch einmal sehr deutlich bewährt.

Wir haben es in den Stunden, Tagen, Wochen und Monaten, in denen wir sinnvolle Maßnahmen beschließen mussten, um aus der Krise möglichst gestärkt wieder herauszukommen, geschafft, unterschiedliche Zuständigkeiten so weit beiseite zu schieben, um dem Gesamtziel zu genügen und das Beste für unser Land insgesamt zu erreichen. Deshalb ist das Thema der Infrastrukturmaßnahmen im zweiten Konjunkturpaket nicht ein Thema gewesen, bei dem der Bund verzweifelt versucht hat, noch ein Bundesprojekt und noch ein Bundesprojekt auszubauen, sondern wir haben gesagt: Es wäre doch jetzt wirklich das Vernünftigste, in die Zukunft unseres Landes zu investieren.

Ich glaube, wir sind uns fast alle einig, dass das Thema Bildung, das Thema Hochschulen und Fachhochschulen Zukunft für unser Land bedeutet. Deshalb haben wir gesagt: Zwei Drittel des betreffenden 13-Milliarden-Euro-Programms sollen in die Bildung gesteckt werden. Wo kann das am besten und vor allen Dingen am schnellsten umgesetzt werden? Wo weiß man am besten Bescheid? In den Städten und Gemeinden. Deshalb liegt bei Ihnen ein Stück Hoffnung von unserer Seite, dass Sie das schnell umsetzen, dass Sie das richtig an den Mann, die Frau und das Kind bringen und dass die Menschen sehen, dass wir uns dieser Krise entgegenstemmen. Ich möchte ein herzliches Dankeschön für die Zusammenarbeit in diesem Bereich sagen! Da ich Herrn Wowereit schon gesehen habe, darf ich auch den Dank an die Länder übermitteln, die mit uns in diesem Zusammenhang natürlich sehr, sehr eng zusammengearbeitet haben.

Dieses Programm darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Krise, die wir jetzt durchschreiten, eine manifeste ist, dass sie ein Land wie Deutschland in ganz besonderer Weise trifft. Das, was unsere Chance als Exportnation in Zeiten einer boomenden Weltwirtschaft ist, wird natürlich jetzt zu einem Problem in Zeiten der nicht vorhandenen weltweiten Exportmöglichkeiten. So stehen allen föderalen Ebenen außerordentlich schwierige Zeiten ins Haus.

Ich habe es mir heute noch einmal angeschaut: Die Gewerbesteuereinnahmen der letzten Jahre waren von einer Erfolgskurve geprägt. 2002 gab es einen Tiefpunkt nach der Krise Anfang des Jahrhunderts: 23, 5Milliarden Euro Einnahmen. 2008 waren es etwa 42Milliarden Euro Einnahmen also ein Plus. Das heißt zwar nicht, dass das gleichmäßig auf die Städte verteilt war. Aber es heißt natürlich, dass sie wie der Bund und die Länder Möglichkeiten hatten, sich in die Zukunft hinein zu entwickeln. Doch jetzt werden wir mit voraussichtlich minus sechsProzent beim Bruttoinlandsprodukt auch einen starken Rückgang bei den Gewerbesteuereinnahmen haben.

Morgen werden wir mit der Steuerschätzung konfrontiert. Das, was ich Ihnen heute zusagen kann, ist, dass wir keinem Druck nachgeben werden, wenn es um die Frage geht, ob wir an die Gewerbesteuereinnahmen herangehen werden. Das tun wir nicht. Ich würde sogar sagen: im Gegenteil. Wir werden alles daransetzen, die prozyklischen Effekte, die es bei der Unternehmensteuerreform gibt, und die prozyklischen Effekte, die es im Hinblick auf die Banken durch BaselII gibt, noch einmal abzumildern. Es kommt nicht nur darauf an, dass wir am Gesetz nichts ändern. Wenn Sie von der Zinsschranke und Verlustvorträgen und Ähnlichem so betroffen sind, dass die Gewerbesteuereinnahmen faktisch zurückgehen, hilft Ihnen das nicht viel. Wir haben hier keine einfache politische Diskussion, wie Sie sich vorstellen können. Wir haben im Augenblick viele Probleme zu lösen. Aber wir werden an einigen Stellen ich bin jedenfalls hoffnungsfroh noch in dieser Legislaturperiode kleinere Veränderungen an der Unternehmensteuerreform vornehmen. Und wir werden auf der europäischen Ebene alles daransetzen, Lockerungen bei BaselII zu erreichen, um die prozyklischen Effekte auf bestimmte Branchen abzumildern.

Ich sage es ganz deutlich zu denen, die auch europaweit Kontakte haben: Das ist ein unendlich dickes Brett, das man bohren muss. Es ist sehr schwer zu sehen, inwieweit das Rating, die Kreditvolumina und BaselII zusammenhängen. Man muss Ausschüsse befragen, Richtlinien ändern usw. Ich sage: Wenn in dieser Krise die Karten neu gemischt werden und das werden sie, dann ist es nicht okay, wenn sich Europa an alle Regeln hält, alle prozyklischen Maßnahmen erleidet und in den Vereinigten Staaten von Amerika noch nicht einmal BaselII eingeführt wurde und noch viele lockere Beziehungen im Bereich des Geldes vorhanden sind.

Ich will an dieser Stelle kurz auf eine weitere wichtige Frage eingehen: Wie schnell können wir uns wirtschaftlich erholen? Wie schnell kommen die Steuereinnahmen wieder in Gang? Wie schnell kommen unsere Banken wieder auf die Beine?

Wir haben dazu heute im Kabinett einen Beschluss gefasst, der auf der einen Seite privaten Banken und Landesbanken unter bestimmten Bedingungen die Auslagerung so genannter strukturierter Produkte ermöglicht. Aber wir haben auch ein Eckpunktepapier verabschiedet, das die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen soll und kann, dass die Landesbanken in die Lage versetzt werden, bestimmte, über die so genannten strukturierten Produkte hinausgehende Produkte auszulagern. Das ist allerdings eine sehr komplizierte rechtliche Angelegenheit. Deshalb haben wir es heute noch nicht geschafft, das gesetzlich umzusetzen.

Ich weiß, dass Sie hier heute einen Beschluss in Bezug auf das Verhältnis von Sparkassen und Landesbanken gefasst haben. Mir sei dazu das Bekenntnis gestattet, dass sich bis weit in die Bundestagsfraktionen hinein herumgesprochen hat, wie wichtig die Sparkassen sind, wie gut sie in dieser Krise als Stabilisator wirken und dass wir alles tun, um den Erhalt der Sparkassen zu garantieren, zu ermöglichen und keine zusätzlichen Schwierigkeiten zu kreieren.

Ich habe allerdings eine Bitte. Ich sage es jetzt einmal ganz freundlich. Ich habe die Bitte, dass Sie nicht völlig aus den Augen verlieren ohne dass ich der vertikalen Integration oder solchen Sachen das Wort rede, dass die Sparkassen Anteile an den Landesbanken haben. Das ist einfach ein rechtlicher Zustand. Dieser kann aus mancherlei Hinsicht schön sein oder nicht schön sein. Aber wir können ihn nicht ganz wegdiskutieren. Deshalb müssen wir Lösungen finden, die die Sparkassen nicht in Gefahr bringen, die aber auf der anderen Seite nicht ignorieren können, dass es Landesbanken gibt, an denen die Sparkassen beträchtliche Anteile haben. Das heißt, beides muss zusammen bedacht werden. Es ist nicht immer gelungen, dass die Interessen der Sparkassen sofort mit denen der Landesbanken offensichtlich werden, obwohl sie gemeinsame Eigentümer sind. Wir arbeiten daran. Wir helfen mit. Wir wollen eine gute Lösung finden.

Insgesamt wissen wir, dass wir die Rettungsprogramme für Banken nur aufgelegt haben, weil wir die Volkswirtschaft am Laufen halten wollen, weil wir die Spareinlagen der Menschen sichern wollen. Deshalb werden wir nicht die eine Säule des Bankensystems in einer Weise belasten, dass sie, die ja funktioniert, nicht mehr funktionieren kann. Das sagt uns schon der gesunde Menschenverstand. Aber trotzdem müssen wir auch auf allen Seiten Kooperationsbereitschaft einfordern. Das ist meine Bitte an dieser Stelle.

Es nicht einfach, plötzlich von der Bundesebene aus dauernd über Landesbanken zu sprechen. Die Kollegen im Deutschen Bundestag fragen: "Was haben wir damit zu tun? Es gibt hier schon genügend Dinge zu regeln." Dann muss man antworten: "Weil wir alle zusammenhängen, weil wir ein föderales Land sind, weil unser Wohl von dem Verhalten aller abhängig ist. Deshalb wollen wir hier eine gute Lösung suchen." Der heutige Kabinettsbeschluss war schon in die richtige Richtung ausgerichtet.

Wir brauchen im Augenblick im Grunde die wirtschaftliche Tätigkeit der Landesbanken. Sie werden zwar erheblichen Restrukturierungsanforderungen ausgesetzt. Aber machen Sie sich keine Illusionen, es gibt im Augenblick keine internationale Bank, die bereit ist, in Deutschland weitere langfristige, auf größere Projekte ausgerichtete Kredite zu vergeben. Wenn wir für die Realwirtschaft, wie das heute so schön heißt, Brücken bauen wollen, wird es unabdingbar sein, dass Finanzierungen durch Landesbanken erfolgen. Das heißt, ein Misserfolg der Landesbank ist ein Misserfolg für die gesamte deutsche Wirtschaft.

Es lässt sich theoretisch schnell sagen: Schließt euch doch zu einer Bank der deutschen Länder zusammen. Wir erleben Ähnliches bei der Dresdner Bank und der Commerzbank. Wenn sie sich zusammenschließen, vergrößert sich das Kreditvolumen nicht, sondern verkleinert sich eher. Wenn dann noch Risiken dazu kommen, wird es noch schwieriger. Das heißt, das "Bashing" von Landesbanken ist einfach gemacht. Es ist aber nicht gut für Deutschland. Deshalb sitzen wir alle in einem Boot, meine Damen und Herren.

Es stehen vor uns in der Tat sehr, sehr schwierige Jahre. Ich plädiere dafür, dass wir diese Krise, in die wir aus internationalen Gründen hineingeraten sind, gemeinsam so angehen, dass wir nicht in dem Moment, wo wir den Tiefpunkt erreicht haben, denken: Nun ist die Krise überwunden. Es wird einen weiteren Teil der Krisenbewältigung geben. Er wird sich weit über das nächste Jahr hinaus erstrecken.

Wir erleben einen sehr starken Abschwung. Wir haben eine Wirtschaftsprognose von minus sechsProzent. Wenn wir auf das Ende des ersten Quartals schauen, haben wir mit dem so genannten statistischen Überhang des ersten Quartals des Jahres 2008 von minus 3, 5Prozent bereits minus 5, 5Prozent für dieses Jahr erreicht. Das heißt, wenn die Prognose das ganze Jahr über bei minus sechsProzent liegt, haben wir die Talsohle schon so gut wie erreicht. Ich kann auf ein Prozent genau keine Aussage machen. Aber dieser Tiefpunkt dafür sprechen einige Indikatoren ist, was das Wachstum anbelangt, dann bereits da. Es ist dann aber nicht klar, wie der Verlauf der Kurve aussieht, wenn wir wieder aus dieser Krise herauskommen. Leider wird er keinem "V" entsprechen. Das ginge ja noch, denn dann könnten wir sagen: 2008 fing es an, runterzugehen, 2009 sind wir im Tal, 2010 geht alles wieder hoch und am Ende des Jahres 2010 ist es so, wie es im Jahr 2008 war. Dafür spricht aber im Augenblick wenig, jedenfalls spricht keiner davon. Das heißt, wir werden den Verlauf einer Talsohle haben. Dann kommt die Frage, wie steil der Aufstieg verlaufen wird.

Wie die Klugheit im Abschwung darin bestand, bestimmte Programme aufzulegen, wird die gesamte politische Klugheit darin bestehen müssen, den Aufschwung soweit wie möglich staatlich zu fördern. Das heißt, dass wir noch nicht am Ende sind, zu überlegen, wie wir wieder Wachstum erreichen können. Das werden andere Notwendigkeiten sein. Wenn wir jetzt zum Beispiel mit den Ländern über Wissenschaftspakte und Exzellenzförderung sprechen, ist das in der Krise noch notwendiger als vor der Krise. Wir brauchen Sicherheit, wir brauchen Berechenbarkeit. Deshalb wird die Bundesregierung auf der Ministerpräsidentenkonferenz nicht lange Debatten abhalten, ob wir für die nächsten sechs Jahre Haushaltszusagen machen können oder nicht, sondern wir sagen: Unser gemeinsamer politischer Wille von Bund und Ländern besteht darin, Bildung, Forschung und Innovation so zu fördern, dass wir stärker aus der Krise herauskommen können, als wir in sie hineingegangen sind.

Als ich neulich mit dem südkoreanischen Ministerpräsidenten die Hannover Messe besucht habe, ist mir erst einmal bewusst geworden, dass Korea 2012 nicht dreiProzent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Innovation ausgeben wird, sondern fünfProzent. Es gibt viele Länder auf der Welt, die natürlich auch in den Startlöchern stehen. Wenn wir uns die Konjunkturprogramme anderer Länder anschauen, ist eben nicht sichergestellt, dass wir mit den Stärken, die wir heute haben, wieder als die Stärksten herauskommen, sondern dafür müssen wir arbeiten. Deshalb haben wir auch in Innovationen in der Automobilindustrie investiert. Deshalb ich sage das immer wieder wird Deutschland vor der großen Herausforderung stehen, alles, was mit Innovation zu tun hat, gut zu behandeln und nicht mäkelig an der Seite zu stehen und zu fragen: Ist es zu schwierig oder nicht zu schwierig? Wir müssen wirklich die Chancen ergreifen. Ich weiß, wie viel von den Verantwortlichen vor Ort abhängt, wenn sie gefragt und angesprochen werden, wie man technologisch vorankommen kann.

Meine Damen und Herren, wir haben im Zusammenhang mit der FöderalismusreformII eine zweite wichtige Entscheidung gefällt. Die so genannte Schuldenbremse gefällt nicht jedem. Aber sie ist mittelfristig für das nächste Jahrzehnt absolut richtig.

Wie ist diese Krise entstanden? Diese Krise ist im Grunde international entstanden. Deutschland war nicht vorne mit dabei, aber ganz draußen waren wir auch nicht, wenn wir uns einmal das Problem anschauen. Vorne war natürlich der angelsächsische Raum mit dabei. Die Krise ist entstanden, weil auch politisch geduldet wurde, dass man über seine Verhältnisse gelebt hat. Es ist nach dem 11. September des Jahres 2001 alles darangesetzt worden, das Wirtschaftswachstum auch im Rückblick auf die Asien-Krise der Schock am Ende der 90er Jahre aufrechtzuerhalten und damit auf den Finanzmärkten hohe Risiken einzugehen, zu große Geldmengen zu haben und Kredite zu Risikobedingungen zu geben, die nicht verantwortbar waren.

Wenn ich mir anschaue, welche Probleme wir im Zusammenhang mit der Krise bekommen werden, was die Arbeitslosigkeit, die Gerechtigkeitsfragen und das Verständnis der Menschen anbelangt, dass wir für die Banken 400MilliardenEuro Garantiesummen, 80Milliarden Euro Kapital und vieles andere in die Hand nehmen mussten, dann kann ich nur sagen: Im Sinne der Stabilität der Bundesrepublik Deutschland müssen wir alles daransetzen, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt. Um genau das sicherzustellen, sind wir international so tätig, wie wir tätig sind.

Ein zweiter Punkt. Wir müssen selber bei veränderter Demografie ein Beispiel geben, dass wir in die Zukunft investieren. Aber wir müssen alles daransetzen, nicht dauernd über unsere Verhältnisse zu leben. Die Schuldzinsen sind heute schon beträchtlich. Das sind rund 15 Cent von jedem Euro. Wenn wir zukünftigen Generationen bei abnehmender Erwerbsbevölkerung das alles zumuten, wird das eine ganz schwierige Sache.

In diesem Zusammenhang gerade die Oberbürgermeister der großen Städte wissen das ist die demografische Veränderung nicht nur so, dass die Zahl der Älteren größer wird, worüber wir uns freuen Stichworte: Lebenserwartung, medizinische Möglichkeiten. Hinzu kommt: Die Zahl der Jüngeren wird einen höheren Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund haben. Das heißt, der Bevölkerungsaufbau wird sich verändern. Deshalb muss das absolute Ziel sein die Bundesregierung hat dafür in dieser Legislaturperiode wichtige Weichen gestellt, dass wir Integration nach vorne bringen. Ich möchte mich bei den Kommunen bedanken! Ohne sie wäre unser Nationaler Integrationsplan überhaupt nicht möglich. Sie machen vor Ort unglaublich viel. Wir sind aber längst nicht am Ende des Weges, sondern wir müssen das alles weiter verstärken.

Wenn es uns nicht gelingt, junge Migrantenkinder über die Bildungspolitik so zu befähigen, dass sie die Facharbeiter, die Meister, die Ingenieure der Zukunft sein können, wird die Abwanderung aus Deutschland nicht mehr von der Frage bestimmt sein, wie hoch der Unternehmensteuersatz ist der jetzt international wieder einigermaßen attraktiv ist, sondern von der Frage, wie die Fachkräftesituation ist. Wir brauchen hier eigentlich jeden und jede, damit sie zum Wohlstand beitragen. Ansonsten kommen wir im nächsten Jahrzehnt in eine unglaubliche Situation, was die Sicherung der sozialen Sicherungssysteme anbelangt.

Wir wissen, dass unsere Systeme sehr stabil sind. Aber wir wissen auch: Sie müssen belastbar finanziert werden können. Wir haben in den drei Jahren des Wachstums in dieser Legislaturperiode erlebt, dass Wachstum und mehr Beschäftigung automatisch den Druck aus den sozialen Sicherungssystemen herausnehmen und dass uns auf der anderen Seite jede Form der Abwärtsentwicklung bei der Beschäftigung wieder vor große Probleme stellt. Deshalb mein Credo: Wir sollten nicht so tun, als ob an der Talsohle schon der Tiefpunkt erreicht ist, sondern wir müssen miteinander genau überlegen, wie wir für die nächsten Jahre Wachstum schaffen. Ich hoffe dabei auf Sie.

Um ein Thema anzusprechen, das auch hier eine Rolle gespielt hat: Ich weiß, dass Sie mit der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag in Bezug auf die Tatsache nicht zufrieden sind, dass es in absehbarer Zukunft zu keiner Lösung im Bereich der Arbeitsvermittlung und der Jobcenter kommen wird. Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Wenn die kommunalen Spitzenverbände in der Sache einmal einer Meinung wären, wäre die Chance, dass wir auf der anderen Ebene des Föderalismus zu einer Lösung kämen, wirklich besser.

Ich kann Ihnen hier nicht versprechen, dass wir vor der Bundestagswahl noch eine Lösung finden werden, die über das Jahr 2010 hinaus gilt. Der Bundesarbeitsminister hat die Verlängerung der Situation bis 2010 in Aussicht gestellt und garantiert. Ich weiß, dass das für viele Betroffene noch keine zufriedenstellende Aussage ist. Aber ich habe die Bitte an Sie, verbunden mit der Zusage, dass wir das nach der Bundestagswahl mit aller Energie angehen. Versuchen wir, aus der Situation das Beste zu machen! Wir könnten uns den ganzen Wahlkampf und die ganzen Monate über beschimpfen, aber das hilft uns letztlich nicht weiter. Ich weiß um Ihre Beschwernis. Aber ich sage Ihnen auch: Die Konstrukte, die gefunden wurden, waren auch nicht trivial. Wenn die Föderalismusreform in großer Freundschaft besagt, dass wir nie wieder Mischverwaltung machen werden, nur um dann eine Grundgesetzänderung vorzunehmen, bei der in einem Punkt genau das Gegenteil beschlossen wird, sollte man sehen, dass das rechtssystematisch zumindest Fragezeichen aufwirft.

Auf der anderen Seite sind Sie Praktiker. Sie haben die Menschen, Sie haben die Beschäftigten, Sie wollen motivierte Vermittler. Aber die unterschiedliche Meinung, ob Vermittlung nun eine Aufgabe der Bundesagentur sein soll oder eine Aufgabe, die man vor Ort selber erledigt ich nenne nur das Stichwort Optionskommunen, ist etwas, was uns seit Beginn dieser HartzIV-Regelung begleitet und was uns auch nie wieder so richtig aus dem Bann gelassen hat. Das ist das Problem. Deshalb werden wir alles dazu beitragen, um Ruhe in diese Frage hineinzubringen. Es gibt Ideen. Diese werden wir aber nicht mehr umsetzen können. Wir nehmen sie sofort nach der Bundestagswahl wieder auf und werden eine zufriedenstellende Lösung finden. Herr Ude, wenn Sie einiges Tages zu mir kämen und sagten, dass sich Landkreistag und Städtetag geeinigt haben, wie das aussehen soll, würde ich vor Freude an die Decke springen oder Ihnen ein Freibier ausgeben oder irgend so etwas machen.

Meine Damen und Herren, wir wollen in vielen Bereichen weiter zusammenarbeiten. Ich habe über das Thema Bildung gesprochen. In den letzten Jahren war das Thema der Verbesserung der Situation von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige ein wichtiges Projekt. Auch hier werden wir in den nächsten Jahren scharf daran arbeiten müssen, dass wir nicht zum Schluss die Plätze haben, aber keine Erzieher. Wir müssen daran arbeiten, dass wir bei diesem Thema zusammenkommen. Deshalb habe ich mit den zuständigen Ministern im Bundeskabinett besprochen, dass wir jetzt in dieser Krise versuchen, Umschulungsmaßnahmen so zu gestalten, dass daraus zukunftsfähige Berufe werden.

Wir haben eine sehr, sehr schwierige Situation gerade bei Zeit- und Leiharbeit. Wenn es uns gelänge, bei Pflege- und Kinderbetreuungsberufen interessierten Menschen eine Perspektive zu geben, wären das sichere Arbeitsplätze. Wir stehen dann nicht wieder eines Tages vor einem Fachkräftemangel.

Ich denke, dass wir, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht, in vielen Bereichen hervorragende Initiativen haben. Ich möchte an die Themen erinnern, die sich mit der neuen Stadt befassen, die wir im zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts brauchen werden. Das Thema Mehrgenerationenhäuser ist modellartig eines, mit dem wir zeigen, wie wir es schaffen können, den Zusammenhalt der Generationen nach vorne zu bringen.

Meine Damen und Herren, das sind die Themen, mit denen wir uns gemeinsam zu befassen haben. Vor uns werden schwierige Monate liegen. Es nützt überhaupt nichts, darum herumzureden. Ich weiß, dass Ihre Freiräume in Zeiten der Krise, Haushalte zu beschließen, die von Land zu Land ein bisschen unterschiedlich sind, natürlich erheblich eingeschränkter sind als auf der Bundes- und Landesebene. Ich denke, daraus werden sich natürlich Gesprächsnotwendigkeiten ergeben. Wir können nicht sehenden Auges zulassen, dass Dinge in Gefahr geraten, die gut entwickelt wurden und die den Zusammenhalt unseres Landes ausdrücken.

Wir haben eine Vielzahl von Bundesprogrammen, die wir nicht streichen und an denen wir nichts kürzen werden. Wir haben das auch für den Haushalt des nächsten Jahres gesagt. Es hat keinen Sinn, in der Krise zu kürzen. Ich will auch noch einmal sagen, dass wir inzwischen international nach anfänglicher Kritik erhebliches Lob erfahren. Uns ist es mit den Kurzarbeiterregelungen, mit der Nicht-Streichung von allen sozialen Ausgaben und mit der Ansage, die Lohnzusatzkosten nicht zu senken, gelungen, dass wir bislang die Binnennachfrage einigermaßen konstant halten konnten.

Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass dies mit Blick auf die Handelsbilanz Deutschlands auch Auswirkungen auf die Importnachfrage hat, die sich in diesem Jahr schätzungsweise um rund 170Milliarden Euro zugunsten unserer Importeure verändern wird. Das heißt, wir sind im Augenblick in dieser Situation, in der wir schlecht exportieren können, für andere Länder ein sicherer Importeur.

Das ist für die Städte und Gemeinden mindestens so wichtig wie andere Dinge, so zum Beispiel, dass wir die Kaufkraft erhalten, dass wir ein Stück Zuversicht und Vertrauen erhalten. Auch wenn das in den kommenden Monaten sicherlich nicht einfacher wird, haben wir uns das ebenso als feste Maßgabe vorgenommen wie die Erhaltung möglichst vieler Arbeitsplätze.

Ich denke, im Jahr 61 der Bundesrepublik Deutschland wird es noch notwendiger werden, dass Kommunen, Länder und Bundesregierung in einem intensiven Gespräch bleiben. Wir alle haben vor der Arbeit, die Sie leisten, einen hohen Respekt. Wir alle auf der Bundesebene wissen, dass es, wie es in unserem Land weitergeht, auch davon abhängt, wie Kommunen, Länder und Bund zusammenarbeiten. Deshalb darf ich Ihnen nicht nur aus Eigennutz und aus hohem Respekt vor Ihrer Arbeit sagen: Wir brauchen unsere Zusammenarbeit in den nächsten ein, zwei Jahren wahrscheinlich mehr als in vielen Zeiten der Bundesrepublik Deutschland davor. Man darf nicht vergessen: Dieses Land hatte mehrfach ein negatives Wirtschaftswachstum. Aber das größte, das bisher da war, lag bei rund minus 0, 9Prozent. Jetzt liegen wir bei minus sechsProzent. Wir sind aufgrund der letzten Jahre relativ gut gerüstet. Aber es wird eine dramatische Anstrengung werden.

Ich sage: Wir haben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland viele Herausforderungen bewältigt. 60 Jahre das erinnert uns auch an die Zeit, als die meisten deutschen Städte noch in Trümmern lagen. Wir haben es geschafft. Am 9. November werden wir in Berlin den 20. Jahrestag des Mauerfalls feiern. Wir haben die Deutsche Einheit in vielen Bereichen sehr gut gestemmt. Aber es wäre falsch, nicht zu sehen, dass mit diesem Jubiläumsjahr 2009 für uns und für die nächsten Jahre auch erhebliche Herausforderungen verbunden sind. Sie sind nicht so sichtbar wie nach der deutschen Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern. Sie werden andere Regionen in Deutschland stärker treffen.

Es ist sehr interessant, wenn man sich einmal anschaut, was jetzt passiert. Die exportstarken Bundesländer sind die im Süden. Sie haben viele Jahrzehnte lang von dieser Stärke profitiert und sich gut entwickelt. Diese werden plötzlich in die schwierigsten Situationen kommen. Bei anderen wird sich weniger ändern. Deshalb wird der nationale Zusammenhalt, wenn ich das einmal so sagen darf, auf eine ganz andere Art auf eine Bewährungsprobe gestellt. Ich möchte, dass wir das schaffen. Ich glaube, wir können das zusammen schaffen. Deshalb auf gute Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Städtetag und der Bundesregierung!

Herzlichen Dank!